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III. Abbildungsverzeichnis

5.3 Minderheitenrelevante bzw. -spezifische Rechte

5.3.5 Sprache und Unterricht

Einer der Kernbereiche des Minderheitenschutzes ist die Bildung. Art. 32 Abs. 3 RV garantiert Angehörigen von Minderheiten das Recht auf Unterricht in ihrer Muttersprache sowie auf das Erlernen dieser. Weitere Details sollen im entsprechenden Gesetz getroffen werden.629 Nachdem dem ersten, sehr negativen Bericht einer Präsidialkommission zum Zustand des rumänischen Bildungssystems von 2007630 wurde von dieser ein „Nationaler Pakt zur Bildung“ initiiert. Unter breiter Beteiligung interessierter Gruppen – so etwa aller Parlamentsparteien, der Rumänischen Akademie, Wirtschaftsverbänden, Protsyk (2010) und kritische z. B. bei Alionescu (2004), Székely (2014), King u. Marian (2012) und Carstocea (2013).

623 Vgl. Roth (2007), S. 148.

624 Vgl. Dácz (2014), S. 13.

625 Vgl. Europarat (2013), S. 25.

626 Vgl. FUEN (2016a).

627 Nach den Vorgaben müssen Minderheitenparteien u. a. für die Wahlzulassung rechtlich angemeldet sein und ihre Mitgliedsliste im zentralen Wahlbüro vorlegen. Mitglieder müssen zudem mind. 15 % der Gesamtzahl der betreffenden Minderheit darstellen, vgl. Constantin (2007), S. 88.

628 Vgl. Constantin (2007), S. 88.

629 Vgl. Rumänisches Parlament (2003c).

630 Vgl. PCAPER (2007).

Studentenorganisationen, Elternvereinigungen und weiterer Regierungsbehörden – sollte basierend auf den Vorschlägen des Berichts 2008 ein strategischer Maßnahmenkatalog entwickeln werden. In der Folge wurde 2011 das Gesetz Nr. 1/2011 zum Nationalen Unterricht631 (im Folgenden UG) verabschiedet, das die meisten Vorschläge beinhaltete.632

Nach einem Überblick über die wichtigsten den Minderheitenschutz betreffenden Bestimmungen der 365 Artikel des Gesetzes werden diese – aufgrund der hohen Bedeutung des Sprachgebrauchs – im Anschluss hinsichtlich ihrer Konformität mit EU-Standards beleuchtet. Das Gesetz umfasst u. a. folgende Regelungen633:

 Das UG zählt u. a. als eines der Hauptziele die Stimulierung des interkulturellen Dialogs, von Toleranz und Respekt der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf (Art. 4 UG). Das rumänische Bildungssystem strebt etwa die freie, umfängliche und harmonische Entwicklung menschlicher Individualität, die aktive Teilhabe der Bürger an der Gesellschaft sowie soziale Inklusion und Anstellung im Arbeitsmarkt an (Art. 2 Abs. 3 u. 4.

UG). Ferner sind u. a. die Prinzipien Dezentralisierung, soziale Inklusion, die Mitwirkung von Eltern bzw. direkt involvierter Akteure prägend für das System (Art. 3 Abs. e, o, q u. t UG).

 Staatlicherseits soll die Entwicklung jeglicher Identität aller rumänischen Bürger sowie der interkulturelle Dialog gefördert sowie das Recht von Minderheitenangehörigen garantiert werden, ihre ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität zu behalten, entwickeln und auszudrücken (Art. 3 Abs. g u. i UG).

 Unterrichtssprachen sind Rumänisch, die Sprachen der nationalen Minderheiten und internationale Sprachen. Obwohl das Rumänische in Organisation und Lehre maßgebend sowie Pflichtfach ist, können Schüler auch in der Muttersprache ihrer nationalen Minderheit unterrichtet werden (Art. 10 Abs. 1-3 UG).

 Die Zulassung von Unterrichtsmaterialen wie etwa Textbüchern obliegt dem Ministerium für Bildung, Forschung, Jugend und Sport (im Folgenden MBFJS), das auch die Lehrpläne freigeben muss. Lehrer können jedoch selbst bestimmen, welche Bücher sie verwenden möchten. Textbücher für Rumänisch bzw. die Minderheitensprachen werden kostenlos gestellt (Art. 69 UG).

 In der voruniversitären Bildung haben Minderheiten auf allen Unterrichtsstufen die Möglichkeit, in ihrer Muttersprache zu lernen oder in dieser unterrichtet zu werden. Auf Anfrage und abhängig von den örtlichen Gegebenheiten können hierfür ferner entsprechende Unterrichtsmöglichkeiten geschaffen werden (Art. 45, Abs. 2 u. 4 UG).

631 Vgl. Rumänisches Parlament (2011).

632 Vgl. ERAWATCH (2015).

633 Die folgende Zusammenfassung basiert auf der detaillierten Ausarbeitung von Constantin (2013a), S. 598-617 des rumänischen Originaltextes; zum Gesetz selbst s. Rumänisches Parlament (2011a).

 Minderheiten sind berechtigt, in den Gremien der Bildungseinrichtungen, Aufsichtsbehörden und ähnlichen Einrichtungen repräsentiert zu sein, proportional zur Klassenzahl und entsprechend der fachlichen Eignung (Art. 97 Abs. 1 UG).

 Schülern, denen aufgrund ihres Wohnorts der Besuch einer Schule in der Muttersprache nicht möglich ist, sollen alle Kosten ersetzt werden, die durch den Besuch der nächstgelegenen Schule mit muttersprachlichem Unterricht entstehen (Art. 45 Abs. 7 u.

17 UG).

 Lehrkräfte, die in Minderheitensprache unterrichten, müssen ihre Kenntnisse in der Sprache nachweisen und können gegebenenfalls eine Fortbildung beantragen (Art. 45 Abs. 11, 14 u. 15 UG).

 In voruniversitären Schulen mit Ausbildung in Minderheitensprache werden alle Fächer in der Muttersprache unterrichtet. Einzige Ausnahme bildet das Fach „Rumänische Sprache und Literatur“, das nach spezifischen Lehrplänen und basierend auf für die jeweilige Minderheit entworfene Literatur unterrichtet wird (Art. 46 Abs. 11 UG).

 Nach selbigem Artikel sollen an diesen Einrichtungen die Fächer „Geschichte“ und

„Geographie Rumäniens“ in den Muttersprachen unterrichtet werden, dies allerdings nach Lehrstoff und Fachbüchern identisch mit Fächern, die in rumänischer Sprache unterrichtet werden, sowie mit der Auflage, auch die typische rumänische Ortsbezeichnung zu lernen.

 Hauptschulen in Minderheitensprachen sollten zudem das Fach „Geschichte und Traditionen“ bestimmter Minderheiten auch in der Muttersprache lehren, wobei das MBFJS zwar über Lehrstoff und -materialien entscheidet (Art. 46 Abs. 8-10 UG), aber gleichermaßen für die Bereitstellung der Lehrmaterialien für die in der Muttersprache durchgeführten Fächer zu sorgen hat (Art. 45 Abs. 12 u. 13 UG).

 Nicht zuletzt sind Fachkräfte angewiesen, Schülern, die nicht in Einrichtungen ihrer Muttersprache unterrichtet werden, diese auf Antrag im Rahmen des Lehrplans in Muttersprache, Literatur, Geschichte und Traditionen der betreffenden Minderheit zu unterrichten. Die Inhalte werden dabei durch Fachexperten der betreffenden Minderheit erstellt und vom MBFJS bewilligt (Art. 46 Abs. 6 u. 7 UG).

 Auf Universitätsebene wird Minderheitenunterricht in Einrichtungen mit muttersprachlichen Fakultäten, Fächern und Studienprogrammen, multikulturellen bzw. sprachlichen Einrichtungen, Gruppen, Abteilungen etc. ermöglicht (Art. 135 UG).

Durch die Ratifizierung des RSNM hat sich Rumänien gegenüber Angehörigen von Minderheiten zu deren rechtlichen Gleichstellung, Erhaltung der Identität, Teilhabe und Förderung interkulturellen Dialogs verpflichtet.634 Solchermaßen kann das RSNM, neben

634 Vgl. Constantin (2013a), S. 617 f.

anderen Quellen, auch als ein Maßstab zur Bewertung genommen werden.635 Im Folgenden soll dies, wo möglich im Hinblick auf die ungarische Minderheit, geschehen.

Positiv wäre z. B. der Bereich der rechtlichen Gleichstellung zu bewerten: Das UG betont hierzu an mehreren Stellen, dass Maßnahmen zum Schutze der Gleichheit von Minderheitsangehörigen keine Form der Diskriminierung darstellen. Hinsichtlich des Schutzes der Identität der Minderheit erfüllt das UG überdies eine Kernforderung der ungarischen Minderheitenparteien, nämlich die neue Möglichkeit des ausschließlichen einsprachigen Unterrichts – also Rumänisch oder einer Minderheitensprache – in der gesamten voruniversitären Bildung im Gegensatz zur bisherigen bilingualen Variante.636 Als negativ können hingegen die Schwierigkeiten um die Einrichtung einer medizinischen Abteilung in ungarischer Sprache an der Universität von Tirgu Mures betrachtet werden (MUM). Schließlich stellt gerade die Möglichkeit des Hochstuhlstudiums in Minderheitensprachen eine Voraussetzung für deren langfristige Existenz dar.637 Die UG-konforme Umsetzung der Ausbildung in der Muttersprache wurde letztendlich 2016 durch den Obersten Gerichtshof abgelehnt.638

Die Teilhabe der Minderheiten betreffend baut das UG auf eine Abkehr von einem stark zentralisierten Bildungssystem hin zur – für die Minderheit positiven – Übertragung von Kompetenzen an die Lokalebene. Die effektive Implementierung und Wirkung des Gesetzes bleibt abzuwarten.639 Schließich gab es auch schon bei der Umsetzung der Bestimmungen vor der Reform Schwierigkeiten, etwa in Form der Verfügbarkeit von Lernmaterialien in den Minderheitensprachen.640

Die Bedeutung der Förderung interkulturellen Dialogs durch interkulturelle wie multikulturelle Bildung641 wird auch international betont. So betreffen, der RSNM-Gutachterkommission nach, die Verpflichtungen der Staaten nach Art. 12 Abs. 1 RSNM die Bildungsmöglichkeiten

635 Die Bewertung bezieht sich hier, soweit nicht anders angemerkt, nur auf den Wortlaut des Gesetzes und nicht auf die bei Anfertigung dieser Arbeit nicht gänzlich überprüfbare Umsetzung.

636 Vgl. Constantin, S. 618 ff.: Die monolinguale Lösung des UG birgt auch Umsetzungsprobleme, z. B. bei der Übersetzung von Unterrichtsmaterialien, dem Vorhandensein ausreichender Fachkräfte sowie durch den reduzierten Austausch zwischen Mehrheit und Minderheit, vgl. hierzu ebd.

637 Vgl. Europarat (2012), S. 30; zum Hintergrund: 1963 waren von 88 Studenten noch 81 ethnisch ungarisch, 1994 hingegen von 240 nur noch 28 (vgl. Kitekintö, 2012). Die rein ungarische Vereinigung zur medizinischen Ausbildung der Universität (Marosvásárhelyi Orvosi és Gyógyszerészeti Egyetem/MOGYE) wurde 1945 gegründet, aber 1962 auf Geheiß der kommunistischen Regierung durch Einrichtung einer rumänischsprachigen Ausbildung bilingual.

Praktische Übungen sollten zudem ausschließlich auf Rumänisch stattfinden. Trotz der Weisung des neuen UG bzgl. der Wiederherstellung der Autonomie der ungarischen Abteilung wurde dies aufgrund des Widerstands der mehrheitlich rumänischen Kollegiums bislang nicht durchgesetzt (vgl. dailynewshungary.com, 2015; Krónika Online, 2017).

638 Vgl. Mikó Imre Minority Rights Legal Services Assistance (2016a).

639 Vgl. Constantin (2013a), S. 626 ff.; für konkrete Beispiele s. ebd.

640 Vgl. Mungiu-Pippidi u. Poiana (2010), S. 23.

641 Zum Unterschied: “Multicultural education involves educational policies and practices which meet the separate educational needs of groups in society belonging to different cultural traditions, while intercultural education involves educational policies and practices whereby persons belonging to different cultures, whether in a majority or minority position, learn to interact constructively with each other.”, s. Vereinte Nationen (2005), S. 15, Punkt 66.

beider Seiten, also der Minderheiten und Mehrheiten.642 Nicht zuletzt sollte gerade Mehrheitsgesellschaften der Zugang zu Minderheitensprachen und -kulturen ermöglicht werden, um Austausch zu fördern und Konflikte in multiethnischen Gesellschaften zu vermeiden.643 Rumänien hat jedoch, so Constantin, keine Tradition der interkulturellen Bildung und Förderung kultureller Diversität, mithin fehlte dem Bildungssystem bis zur Reform sogar jeglicher Verweis auf die Minderheiten. Auch die Reform bringt hier kaum Veränderung: Obwohl gemäß dem UG der Staat zwar den interkulturellen Dialog fördert (Art.

3, Abs. g u. i), findet sich weder ein Verweis auf kulturelle Diversität noch eine konkrete Regelung hierzu. Zwar können die Bildungsbedürfnisse der Minderheiten als zufriedenstellend erfüllt erachtet werden. Eine, wie angestrebt, umfassende und proaktive Förderung der Auseinandersetzung der Mehrheit mit der Sprache, Kultur, Geschichte, Traditionen der Minderheit644 ist jedoch nicht vorgesehen. Die Reform des UG verpasst hier die Chance, Impuls und Nukleus interkulturellen Dialogs zu sein bzw. Diversität zu fördern.645 Vorstellbar wäre etwa, dass auch rumänischen Schülern in mehrheitlich von einer Minderheit bewohnten Gebieten – wie dies etwa im Szeklerland der Fall ist – den Minderheitensprachunterricht optional zu ermöglichen: Bislang vom Staat nicht gefördert, könnten die lokalen Behörden hier ihre neuen Einflussmöglichkeit nutzen, um Raum für gegenseitigen Dialog durch Wissensvermittlung zu schaffen.646 Die Gutachterkommission zum RSNM geht hier noch weiter, indem sie die nur optionale Belegung multikultureller Fächer kritisiert sowie die Beschränkung dieser Möglichkeit auf Gymnasien und Realschulen. Ein ethnisch getrennter Unterricht biete zudem weniger Gelegenheit für Kontakte zwischen Kindern der Minderheiten und Mehrheit. Doch wäre es gerade wichtig in allen Bereichen und Stufen der Bildung Kontakte zwischen allen Gruppen eines Landes zu schaffen.647

Das UG von 2011 erfüllt nicht nur wesentliche Forderungen der ungarischen Minderheit648, sondern nimmt auch wichtige Normierungen und Garantien für den Minderheitenschutz auf, so etwa im Bereich des Sprachgebrauchs und -unterrichts, in der Vermittlung eigener Geschichte und Kultur oder bezüglich Mitwirkungsmöglichkeiten. Hinsichtlich der inhomogenen Siedlungsverteilung der ungarischen Ethnie ist es allerdings ambivalent zu beurteilen, nämlich vorteilhaft für die kompakten östlichen Siedlungsgebiete, unvorteilhaft hingegen in den restlichen, eher zerstreuten. Generell problematisch erscheinen ferner der

642 Vgl. Europarat (2006), S. 15.

643 Vgl. Vereinte Nationen (2005), S. 16, Punkt 67.

644 Vgl. Vereinte Nationen (2005), S. 16, Punkt 67.

645 Vgl. Constantin (2013a), S. 624 ff.

646 Vgl. Constantin (2013a), S. 614 f.

647 Vgl. Europarat (2012), S. 27, Punkt 148 u. S. 27, Punkt 167.

648 Balkaninsight (2011).

interkulturelle Austausch, der Mangel an sprachlich geeigneten Fachkräften zur Umsetzung der Regelungen sowie der politische Widerstand gegen das Gesetz.649

Das UG wurde u. a. wegen seiner minderheitenfreundlichen Regelungen von rumänischen Abgeordneten der Sozial-Liberalen Union (SLU) angegriffen und mit der Begründung der

„Etablierung eines Regimes positiver Diskriminierung [sowie der] Anerkennung eines Kollektivrechts nationaler Minderheiten“650 Verfassungsbeschwerde eingelegt. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts zeigt dabei eine interessante, neue Facette des rechtlichen Umgangs mit Minderheiten in Rumänien: Das Urteil geht nicht nur speziell auf die Minderheitenrechtsthematik ein, sondern stellt auch – unter Einbeziehung internationaler Rechtsprechung und Forschung – fest, dass der Staat gegenüber den Minderheiten verpflichtet sei, von Assimilierungsmaßnahmen Abstand zu nehmen und die Erhaltung und Entwicklung ihrer Identität zu fördern. Hierzu könnten auch „positive Maßnahmen“651 nötig sein. In einem Sondervotum kritisierten drei Richter hingegen, die über den Urteilsgegenstand hinausgehende Entscheidung des Gerichts bereite den Boden für eine andere Behandlung der Minderheiten in Rumänien. Dies laufe aber dem „Geist der demokratischen Traditionen des rumänischen Volks und de[n] Ideale[n] der Revolution von 1989, Werten garantiert durch die Regelungen des Art. 1 Abs. 3 der Verfassung“652 zuwider.

Eine mögliche Deutung des Sondervotums bietet Constantin:

„It is possible that the intention of the three judges was to send a warning signal regarding the incompatibility between the existing constitutional order and the declared goal of ethnic Hungarian politicians from Romania to establish a system of territorial autonomy in Szeklerland. It cannot be ruled out that the authors of the dissenting opinion see the minority provisions of the new law on education as another step within a broader strategy which aims at a major constitutional change.“653