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III. Abbildungsverzeichnis

7.1 Minderheitenrechts- und Autonomie-Diskurs in der rumänischen Parteienlandschaft

7.1.2 Die Entwicklung 2012 bis 2017

Nach den Wahlen von 2012 belebte sich die Debatte um die Regionalisierung von neuem, was zur Vorlage eines Reformpakets zur „Regionalisierung-Dezentralisierung“ führte, das eine Unterstützung der Wirtschaftsentwicklung, ein regionales Fördermanagement sowie eine stärkeren Einbindung von Regionalinteressen beinhaltete. Hierfür wäre jedoch u. a. eine Verfassungsänderung nötig.959 Dem entsprechenden, 2013 von der PSD eingebrachten Gesetzesvorhaben wurde große Aufmerksamkeit geschenkt. Es sah die Abgabe von Kompetenzen der Zentral- an die Lokalebene sowie die Schaffung neuer Regionen zwischen Zentral- und Bezirksebene vor, um die Ausschöpfung von EU-Mitteln zu erleichtern.960 Die Konzeption intendierte keine Föderalisierung bzw. Schaffung von Regionalregierungen, sondern lediglich den Aufbau einer administrativen Struktur. Die alten, traditionellen Bezirke sollten in ihrer Form bestehen bleiben, da sie u. a. auch ein integratives Moment für den Zusammenhalt der Bevölkerung darstellten.961 Das Paket verletzte damit „im Gegensatz zu einer [reinen] Regionalisierung [auch] nicht die Interessen der lokalen Barone, die die Bukarester Regierung nicht außer Acht lassen kann“962.

Nach parlamentarischen Kontroversen konnte das Gesetzesvorhaben noch im selben Jahr mit einer Vertrauensfrage durch das Parlament gebracht werden.963

Basescu äußerte sich dem Gesetz gegenüber kritisch, da es das Konzept des Einheitsstaates verletze.964 Die stärkste Opposition kam dabei von der PDL. Diese kritisierte u. a. die ihrer Meinung nach hastige Verabschiedung des Gesetzes ohne parlamentarische Debatte sowie eine Politisierung der lokalen Behörden. Statt der Einbindung von Parteien, Zivilgesellschaft und Wissenschaft, verfehle es eine tiefgründige Reform und lege gleichzeitig der Lokalebene eine große finanzielle Bürde auf.965 Noch 2013 legte die PDL eine (wie oben angesprochen wurde erfolgreiche; Anm. d. Autors) Verfassungsklage gegen das Gesetz ein.966 Nachdem die UDMR den Kurs der PDL nicht unterstütze, warf PDL Vizepräsident Cezar Preda ihr ein Geheimabkommen mit der PSD vor, das Land durch die Dezentralisierung föderalisieren zu wollen. Die UDMR verfolge das Ziel, Kollektivrechte und eine Abgrenzung der Regionen nach ethnischen Kriterien zu erreichen, ohne dabei die Verfassung ändern zu müssen.967

959 Vgl. Salgeanu (2015).

960 S. Freedom House (2015); auf die Lokalebene übertragen werden sollten demnach Kompetenzen der öffentlichen Gesundheit, Landwirtschaft, Umwelt, Kultur, Jugend, Sport sowie Bereiche im Tourismus, was auch eine Überstellung von 14.000 Behördenmitarbeiter nötig gemacht hätte, vgl.

Cheamil (2013).

961 Vgl. agerpres.ro (2013c).

962 S. Dácz (2014), S. 15; vgl. Freedom House (2014).

963 Vgl. nineoclock.ro (2013a); Freedom House (2014).

964 Vgl. nineoclock.ro (2013b).

965 Vgl. Cheamil (2013).

966 Vgl. nineoclock.ro (2013b) u. Kapitel 4.3.1.

967 Vgl. nineoclock.ro (2013a).

2014 startete die PSD durch das Einbringen eines Gesetzesentwurfs ins Parlament einen erneuten Versuch, die Dezentralisierung voranzutreiben.968 Schließlich würde, so der damalige Entwicklungsminister Liviu Dragnea (PSD), diese von der Bevölkerung befürwortet, jedoch von politischen Entscheidungsträgern und Behördenmitarbeitern in Bukarest abgelehnt.969 Ponta positionierte sich dabei als stärkster Befürworter der Dezentralisierung.

An die Verfassungsrichter gerichtet, äußerte er die Hoffnung, dass diese sich einer europäischen Konzeption öffnen würden970 – eine indirekte Kritik, da diese in ihrer Entscheidung im Wesentlichen inhaltliche Fehler beanstandet hatten (Anm. d. Autors). Im Parlamentsplenum betonte Ponta zudem die Wichtigkeit der Dezentralisierung, die vor dem Hintergrund der in Rumänien herrschenden, zentralistischen Grundhaltung bemerkenswert erscheint:

„Der Rumänische Staat bleibt selbstverständlich ein einheitlicher Nationalstaat, aber mehr Befugnisse für lokal gewählte Leute bedeuten einen modernen Staat, einen der die Denzentralisierungsregeln umsetzt, wie sie in allen europäischen Staaten angewandt werden. [Die Lösung müsse sein,] so viele Kompetenzen an [die Lokalebene] abzugeben, um sich endlich von der zentralistischen Vergangenheit des kommunistischen Staates vor 1989 zu lösen.“971

Die seit Frühjahr 2014 bestehende Regierungskoalition der UDMR mit der PSD brachte beide Parteien einander näher.972 Zum ungarischen Nationalfeiertag 2014 gratulierte Ponta den Angehörigen der ungarischen Minderheit und bekräftigte, dass der rumänische Staat seine Bürger stets unabhängig ihrer Ethnie unterstütze. Die beiden Völker seien durch die Geschichte und durch das gemeinsame Ziel geeint, in Freiheit und Wohlstand zu leben.973 Noch im selben Jahr legte die UMDR einen eigenen Plan einer regionalen Autonomie für das Szeklerland vor.974 Hierbei zeigte sich Victor Ponta offen, mit der UDMR deren Vorstellungen bzgl. der Dezentralisierung zu diskutieren, sofern mit Autonomie Dezentralisierung gemeint sei975 – ein ungewöhnlicher Schritt vor dem Hintergrund der starken Ablehnung der Regierungs- und Oppositionsparteien den Forderungen der UDMR gegenüber. 2015 trat Ponta als Premier zurück, die gezeigte Gesprächsbereitschaft wurde damit obsolet.

2017 brachte die UDMR eine Novelle des Verwaltungsgesetzes ins Parlament ein, die Sprachrechte von Minderheiten im Gesundheits- und Sozialbereich erweitern sollte. Obwohl die Oppositionsparteien PNL, die Union Sicheres Rumänien (USR) und die Partei der Volksbewegung (PMP) bei der Vorlage keine Einwände geäußert hatten, wandten sie sich wegen der Änderung kurz darauf an das Verfassungsgericht. Als Begründung wurde ein

968 Vgl. antena3.ro (2014).

969 Vgl. romaniajournal.ro (2015).

970 Vgl. agerpres.ro (2014a).

971 S. Rumänische Regierung (2014).

972 Vgl. Gruber (2015), S. 223.

973 Vgl. Magyar Nemzet (2014); der Premier folgt hier einer seit 1997 bestehenden Tradition.

974 Vgl. Kapitel 8.2.1.

975 Vgl. agerpres.ro (2014c).

Verstoß des Gesetzes gegen den Gleichheitsgrundsatz bzw. den der Nichtdiskriminierung angegeben. Nicht zuletzt könnten die Änderungen auch andere Minderheiten diskriminieren.976

Auch die jüngsten Entwicklungen bis 2018 haben keine substantiellen Veränderungen der Positionen und Handlungen der rumänischen Parteien bewirkt. Vielmehr hat die generell instabile Lage der rumänischen Innenpolitik die Debatte um eine autonome Region für die ungarische Minderheit bzw. eines entsprechend ethnisch-basierten Zuschnitts einer Region in den Hintergrund gedrängt.

7.2 Zusammenfassende Bewertung

Die generelle Einstellung der rumänischen Parteien der ungarischen Minderheit gegenüber kann als negativ bezeichnet werden. Dies zeigt sich beispielsweise in der genauso ausgeprägten wie parteiübergreifend geteilten Ablehnung von Kollektivrechten, jeglichen Forderungen nach Autonomie oder aktuell nur ansatzweise ethnisch-basierten Vorschlägen von Regionalzuschnitten im Prozess der Regionalisierung/Dezentralisierung. Dabei hat sich der Umgangston, zumindest im Allgemeinen, seit der Wende zum Positiven gewandelt:

Gerade bei den rechten Parteien reichte in den frühen 90ern die nationalistische Rhetorik bis zur Forderung nach Abschaffung der UDMR. Die Europäisierung sowie die regelmäßige Mitwirkung der UDMR in Koalitionsregierungen milderten den Ton und wandelten die Einstellung der Parteien von der Totalablehnung der Minderheit hin zu mehr Gesprächsbereitschaft mit deren Eliten. Dies führte aber nicht soweit, dass die UDMR zum Beispiel beim Thema der Regionalisierung-Dezentralisierung ihre Vorschläge mit den rumänischen Parteien diskutieren konnte: Auch in der seit 2013 schwelenden und hoch politisierten Debatte treffen die Wünsche der Minderheit auf breite Opposition.

Nachdem die Stimmung im rumänischen Wahlvolk bislang ohnehin eher minderheitenkritisch scheint, herrscht unter den Parteien Einigkeit hinsichtlich der Ablehnung jeglicher Forderung nach Autonomie. Wo keine Koalition mit nationalistischen Parteien besteht, zeichnen sich die dominierenden Parteien dabei durch eine etwas gemäßigtere Haltung gegenüber Anliegen der Minderheit aus. Ihr Spielraum wird dennoch durch die ausgeprägte Opposition der kleinen, nationalistischen Parteien und teilweise die Skandalierung in den Meinung begrenzt.

Dies zeigte sich etwa 2017 beim Rückzug der PSD von Zusagen gegenüber der UDMR.977 Damit hält sich der Eindruck, dass ihr Handeln weniger auf einer tatsächlichen ideologischen Öffnung gegenüber der Minderheit beruht, sondern eher auf Machtkalkül: Die Konfrontation weicht nur dort Entgegenkommen, wo es politisch opportun erscheint, wie etwa zur Mehrheitsbeschaffung.

Die Parteien scheinen dabei unterschiedliche Taktiken anzuwenden. So hat das Kapitel zum

976 Vgl. Mikó Imre Minority Rights Legal Services Assistance (2017b).

977 Zu diesen zählten die Verabschiedung des Minderheitenstatusgesetzes sowie die Einführung eines ungarischen Feiertags, vgl. Kapitel 4.1.3.

Diskurs in Rumänien978 u. a. bereits auf Beispiele für den Einsatz von Ethno- und Symbolpolitik oder die Tabuisierung von Minderheitenthemen wie der Forderung nach Autonomie hingewiesen. Zu diesen könnten auch ein pauschalisierendes Framing gezählt werden. Demzufolge werden Forderungen zu mehr Minderheitenschutz und Autonomie als gegen den rumänischen Staat und Gesellschaft gerichtet, als Separatismus oder auf die Zerstörung der Einheit des Staates abzielend dargestellt.

Zudem könnte in der Anrufung des Verfassungsgerichts ein Mittel gesehen werden, das es ermöglicht, minderheitenfreundliche Gesetzgebung aus politischem Kalkül zu unterbinden.

Neben den bekannten Argumentationslinien gegen eine Stärkung von Minderheitenrechten, die i. d. R. auf Verfassungsbruch fokussieren (Gefährdung der Einheit des Staates, Verletzung des Gebots der Nichtdiskriminierung etc.), fällt in der jüngsten Diskussion um die Novelle des Verwaltungsgesetzes auf, dass von den Gegnern der Minderheitenschutz selbst979 als Argument angeführt wird.

Ein weiteres, eher nachgelagertes Handlungsfeld stellt die bilaterale bzw. europäische Ebene dar. Hier sticht, besonders im Kontext des EU-Beitritts, die Außendarstellung Rumäniens als Musterschüler im Bereich des Minderheitenschutzes hervor, während sich bei den Parteien in der innenpolitischen Praxis wenig Neigung hierzu beobachten lässt.

Gleichzeitig werden minderheiten- bzw. autonomiefreundliche Bezüge in internationalen Vertragswerken und Dokumenten vermieden, so etwa geschehen beim Grundlagenvertrag mit Ungarn 1996 oder beim Stopp eines Reports des EU-Parlaments 2005.

Insgesamt zeigen Haltung und Handeln der Parteien bzw. der rumänischen Regierung gegenüber der Minderheit und ihren Bedürfnissen ein ambivalentes Bild: Auf der einen Seite stehen zwar Zeichen wie Pontas Offenheit gegenüber der Diskussion der Ideen der UDMR zur Dezentralisierung/Regionalisierung, der wiederholte Verweis auf die bereits existierenden Gesetzesrahmen zum Minderheitenschutz oder die jährlichen Gratulationsgesten der rumänischen Premiers zum ungarischen Nationalfeiertag. Dem gegenüber stehen auf der anderen Seite jedoch der beständige Widerstand der Parteien gegen jegliche (weiteren) Zugeständnisse im Minderheitenschutz und regelmäßige Entgleisungen wie etwa die Aussage Tudoses im Streit um die Szeklerflagge. So ist die Minderheit in ihrem Streben nach Autonomie auch hier mit einer schwierigen Ausgangslage konfrontiert: Zum einen widerstrebt ihre Forderung einer politischen Kultur, deren Akteure nicht bereit sind, diese überhaupt zu diskutieren. Zum anderen trifft sie auf ein generell äußerst instabiles politisches Umfeld, das von regelmäßigen Regierungsrücktritten und Skandalen geprägt ist und die Suche nach soliden, ideologisch konstanten Partnern sehr erschwert.

978 Vgl. Abschnitte Kapitel Diskurs/Mechanismus, politische Kultur, ethno- und Symbolpolitik, politische Kultur.

979 Im Sinne einer Schwächung des Schutzes aller Minderheiten außer der ungarischen.

8 Die Parteien der ungarischen Minderheit

Zwei Ungarn, drei Parteien.

Ungarisches Bonmot Da sich bislang weder der internationale noch der bilaterale Rahmen für die Durchsetzung einer Territorialautonomie für die ungarische Minderheit in Rumänien als förderlich gezeigt haben, bleibt als wesentlichste Arena für die Autonomiedebatte die rumänische Innenpolitik.980 In Rumänien buhlen mittlerweile verschiedene ungarische Minderheitenorganisationen mit entsprechenden Konzepten um die Meinungshoheit bzw.

Wählerstimmen.981 Sie können in Interessensgemeinschaften (Lobbys) und Parteien unterschieden werden, wobei sich programmatische Überschneidungen zeigen bzw. auch Verbindungen bestehen (s. Tab. 9). Zu den Lobbys kann der 2003 von ehemaligen UDMR-Mitgliedern gegründete Ungarische Nationalrat Siebenbürgens (CNMT) gezählt werden, dessen politische Agenda auf die Schaffung einer Autonomie ausgerichtet ist. Eine ähnliche Zielsetzung, allerdings auf das Szeklerland beschränkt, verfolgt der im selben Jahr gegründete Szekler Nationalrat (CNS), der sich aus 294 Delegierten aus Ortschaften der Region zusammensetzt.982 Zu den Parteien zählt – neben der dominanten UDMR – seit 2008 die Ungarische Bürgerpartei (PCM), die sich vornehmlich aus Bürgermeistern und Stadtbeauftragten des Szeklerlands rekrutiert und eine effektivere Repräsentierung der Territorialautonomie des Szeklerlandes anstrebt. 2011 kam schließlich die Siebenbürgisch-Ungarische Volkspartei (PPMT) hinzu, die sich organisatorisch auf den CNMT stützt.983 Den ungarischen Abgeordneten im rumänischen Parlament wird eine wichtige Rolle für den Minderheitenschutz zugeschrieben, da überhaupt erst sie Minderheitenthemen auf die Agenda bringen würden.984 Ohne die Interessenvertretung der Ungarn würde Rumänien im Minderheitenschutz abdriften985:

„They are too small to generate fundamental changes in Romania, but big enough, to disturb and raise conflictual points in Romanian political life. […] The Romanian political life is not institutionalized to face these conflicts.“986

Die politischen Organisationen der Minderheit verfolgen verschiedene Wege, die Interessen ihrer Anhänger zu vertreten. Wie stellt sich nun ihre Situation im Gefüge der rumänischen Politik dar und welchen Einfluss nehmen Sie auf den Minderheitenschutz bzw. die Autonomiethematik? Um diese Frage hinreichend beantworten zu können, bietet es sich an,

980 Vgl. Salat (2014), S. 134.

981 Im Folgenden werden nur die rumänischen Abkürzungen der Parteien und Organisationen verwendet.

982 Vgl. Dácz (2014), S. 15.

983 Vgl. Bakk (2009), S. 31; Salat (2014), S. 134.

984 Vgl. Interview 9-5.1.

985 Vgl. Interview 4-5.1.

986 S. Interview 2-5.2.V.

zum einen die verschiedenen Konzepte der Parteien sowie ihr aktuelles Vorgehen zu beleuchten. Zum anderen muss auf die Genese der Minderheitenparteien eingegangen werden, wie auch auf die Entwicklung, die zur Gründung der Organisationen bis zur aktuellen Situation geführt hat. Letzteres kann am besten entlang der Autonomiediskussion erfolgen. Ihren Ausgangspunkt hat diese im Umgang mit dem Thema durch die UDMR selbst, die bis heute die wichtigste Stimme der ungarischen Minderheit in Rumänien darstellt und seit ihrem Bestehen großen Einfluss auf die Thematik genommen hat.

Rumänisch Ungarisch Deutsch Gründung

Magyar Polgári Párt Ungarische Bürgerpartei 2008 PPMT

Tab. 9: Die wesentlichen Parteien und politischen Zivilorganisationen der ungarischen Minderheit in Rumänien; eigene Darstellung