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III. Abbildungsverzeichnis

4.4 Politische Kultur

Unter den bereits genannten Faktoren spielt die aktuelle politische Kultur Rumäniens für den Minderheitenschutz sowie die Durchsetzung einer etwaigen autonomen Region wohl die bedeutendste Rolle. Im Folgenden soll diese kurz betrachtet werden.

Analog der Eingliederung Siebenbürgens 1918 wurde nach der Revolution von 1989 einer demokratischen Neudefintion der Gesellschaft eine nationalistische vorgezogen. Diese ist bis heute geprägt von einem Freund-Feind-Modell und fokussiert im Kern auf die Ungarn- und Siebenbürgen-Frage.474 Nach Boia haben „nicht nur die Traditionen und Gewohnheiten, sondern auch Dauerpropaganda die Rumänen empfänglicher für die Symbolgestalten von nationaler Kohäsion und Autorität gemacht […] als für die Symbole der Demokratie“475. Es existiere eine starke Fixierung der Gesellschaft auf eine mythologisierte Vergangenheit, statt eines kritischen Umgangs mit historischen Inhalten.476

Einem Report zufolge rangiert Rumänien 2017 hinsichtlich der Entwicklung seiner Demokratie auf Rang 64 von 167 Ländern und erreicht im Bereich der politischen Kultur lediglich 4,38 von 10 Punkten.477 Dieses schlechte Abschneiden deckt sich auch mit der Einschätzung anderer Beobachter, die dem Land demokratische Unreife attestieren:

472 Vgl. Bochsler u. Szöcsik (2013), S. 429 f.

473 Vgl. Europarat (2012), S. 33; evtl. in Betracht könnte auch Artikel 16 RSNM kommen, der die Mitgliedsländern dazu anhält, auf Maßnahmen zu verzichten, „die das Bevölkerungsverhältnis in von Angehörigen nationaler Minderheiten bewohnten Gebieten verändern“, s. Europarat (1995b).

474 Vgl. Interview 2-1.1.

475 S. Rusu (2007), S. 68 zitiert nach Boia (2003), S. 265.

476 Vgl. Boia (2001), Abs. 35 f.; zu einer kritischen Auseinandersetzung der Mythologisierung der Vergangenheit in der rumänischen Gesellschaft s. Boia (2003).

477 Vgl. The Economist Intelligence Unit (2017), S. 6; zum Vergleich die Ränge Ungarns: 56, der Slowakei: 44, Polens: 53 und Bulgariens: 47, vgl. ebd.

Demnach spiegelt der Minderheitenschutz sowie das Verhältnis zwischen Mehrheit und Minderheit nur die soziale Lage und den allgemeinen Zustand des Demokratisierungsprozesses und der Rechtsstaatlichkeit wider, eine Gesellschaft, die noch nicht bereit ist hierfür ist.478 Die Minderheiten werden vom erst jungen demokratischen Staat nicht als Mehrwert für die Gesellschaft betrachtet, sondern – vor dem Hintergrund der vermeintlichen Bedrohung eines Anschlusses Siebenbürgens an Ungarn – als potentielle Konfliktquelle479:

„[…] in general the majority does not consider minority rights achieved by Hungarians as a kind of democratic achievement, as a part of the gain of democracy in general. They are considering it as a form of blackmailing and pressure by Hungarians, that they were successful to obtain some rights. They are not seeing these rights as part of the democratic culture.“480

Mit der politischen Kultur wird auch die Ablehnung aller rumänischen Parteien gegenüber einer Autonomie begründet.481 De facto wird bei den rumänischen Eliten eine Vermeidungshaltung gegenüber dem Thema beobachtet. Diese würden sich entsprechenden Debatten und Hintergrundinformation verweigern oder aber die Öffentlichkeit dazu nicht informieren:

„But what I'm saying is that, if there is a claim for a particular institutional arrangement, a peacefully pursued claim that elected representatives of a large minority are making, then there should be in a democratic process space for discussing it.“482

Das Thema Autonomie ist somit schwierig zu diskutieren, geradezu ein Tabu. Die Vermittlung von Inhalten und die Zerstreuung von Befürchtungen fällt schwer: „There is no talk about autonomy, because when autonomy is mentioned, a panic button is pressed by Romanian actors and Hungarian actors as well.“483 Tatsächlich würden beide Seiten, Rumänen wie Minderheit, auf den Einheitsstaat [als unabänderliche Definition des Staates in der Verfassung; Anm. d. Autors] verweisen, um nicht über die Erzielung einer Autonomie reden zu müssen.484 Einer Einschätzung nach ist nicht die rechtliche Form, sondern einzig die ethnozentrische Mentalität der Mehrheitsgesellschaft die wahre Hürde zu einer Autonomielösung. Der Verweis auf die Verfassung diene hingegen nur der Ablenkung:

„But that's just a smokescreen because it's easier to simply point at article one and then use it as a tool which enables you not to engage in any kind of conversation about the topic at all.“485

478 Vgl. Interview 4-1.1.

479 Vgl. Interview 4-1.2.

480 S. Interview 8-6.1.

481 Vgl. Interview 5-1.1.

482 S. Interview 10-1.3.

483 Vgl. Interview 9-1.3.

484 Vgl. Interview 9-2.3.

485 S. Interview 5-2.3.

Vor diesem Hintergrund zeigen sich auch Indizien eines Wandels: Als Beispiel hierfür könnte das leuchtturmartige Projekt der Europäischen Kulturhauptstadt 2007 Sibiu (Hermannstadt) mit ihrem siebenbürgisch-sächsischen Bürgermeister Klaus Johannis gelten.486 Auch seine 2014 erfolgte Wahl zum Präsidenten, d. h. einem Vertreter einer konfessionellen und ethnischen Minderheit, wird als positives Zeichen gewertet. Nach Draghiciu scheint die Mehrheit der rumänischen Gesellschaft damit die nationalistische Diskussion beiseitegeschoben zu haben und einen demokratischeren Weg beschreiten zu wollen.487 Als weiteres Anzeichen für eine Entwicklung in diese Richtung könnte auch das verstärkte Auftreten der Zivilgesellschaft gesehen werden, welches seit den landesweiten Protesten gegen das Bergbauprojekt Rosa Montana488 zu vermerken ist und sich vor allem gegen Korruption in der Politik489 richtet.

Der breite Diskurs über bzw. die Auseinandersetzung mit der Autonomieforderung der Minderheit scheint zudem nicht nur nicht erwünscht, sondern auch um jeden Preis umgangen zu werden. Die Mehrheitsparteien opponierten etwa gegen ein geplantes Referendum für die Schaffung einer Szeklerregion.490 Die Zentralbehörden hingegen verweigern den offiziellen Gebrauch der Regionalbezeichnung „Szeklerland“, obwohl dies im Falle anderer Regionen erlaubt ist.491 2013 organisierten ungarische Minderheitenvertreter als Reaktion auf die Regionalisierungspläne eine 54 km lange Menschenkette, den sog.

„Szekler-Marsch“. Ihre Forderungen bekräftigten explizit eine Autonomielösung, jedoch keine Unabhängigkeit.492 Während laut der Veranstalter mehr als 100.000 Personen teilnahmen, spielten die Behörden die Relevanz der Veranstaltung mit einer Angabe von 15.000 Teilnehmern herunter. Die rumänischen Medien versuchten die Veranstaltung indes zu ignorieren.493 2015 setzte das Innenministerium in einem Entwurf für die Nationale Strategie für öffentliche Sicherheit 2015-2020 Forderungen nach ethnischer Autonomie mit Rassismus, Xenophobie, Extremismus und Intoleranz gleich und stufte diese damit als nationales Sicherheitsrisiko ein.494 Die Einordnung wurde von den ungarischen Minderheitenparteien scharf verurteilt. Zum einen könne Rumänien nicht die größte Minderheit des Landes als Gefahrenquelle betrachten, so UDMR-Parlamentarier. Zum anderen sei es „ein ernsthafter Verstoß gegen bürgerliche Freiheiten, wenn die politischen

486 Vgl. Roth (2007), S. 152.

487 Vgl. Draghiciu (2014), S. 3.

488 Eine der größten Protestwellen der Zivilgesellschaft seit der Wende anlässlich eines Minenprojekts in Siebenbürgen; zu den Hintergründen vgl. Banos Ruiz (2016).

489 S. z. B. die Demonstrationen im Vorfeld des Rücktritts der Regierung Ponta (The Guardian, 2015) oder gegen die Lockerung des Anti-Korruptionsgesetzes (Frankfurter Rundschau, 2018).

490 Vgl. Bochserl und Szöcsik (2013), S. 435.

491 So etwa die Regionen Barsa, Hateg und Almaj, vgl. Lupea (2012), S. 4 f.

492 Vgl. VOXeurop (2013); Freedom House (2014).

493 Vgl. Dácz (2014), S. 15 f.

494 Vgl. Rumänisches Innenministerium (2015), S. 6.

Ziele einer friedlichen Gemeinschaft, die einzig demokratische und parlamentarische Mittel einsetzt, um ihre Ziele zu erreichen, als öffentliches Risiko eingestuft wird“495.

4.5 Zusammenfassende Bewertung

Auch 25 Jahre nach der Wende zeigt sich eine tiefe Kluft zwischen der ungarischen Minderheit und der rumänischen Mehrheitsgesellschaft. Sie scheint von einer auf dasselbe Territorium fokussierte und konkurrierende Identitäten fußenden, emotionalen Blockade geprägt, die rationalen Argumenten kaum zugänglich erscheint. Letztere wird auf eine nie erfolgte, breite Aufarbeitung und Diskussion der eigenen Identität in Rumänien zurückgeführt. Die Minderheit sieht sich mit viel Unwissen und nur geringem Verständnis bzw. Toleranz gegenüber ihren Anliegen konfrontiert, bringt jedoch selbst auch nur wenig Verständnis für die Befürchtungen der rumänische Seite auf. Ein historischer, tief verankerter Argwohn auf beiden Seiten, insbesondere in Regionen mit wenig Austausch, erschwert einen ohnehin kaum vorhanden demokratischen Dialog. De facto scheinen beide Ethnien in Parallelgesellschaften zu Leben. In dieser teils gleichgültigen, teils gespannten Atmosphäre führen insbesondere die Themen Minderheitenschutz und Autonomie zu teilweise heftigen Debatten in rumänischer Politik und Gesellschaft, oft ausgelöst durch symbolische Ereignisse.

Als Haupteinflussfaktor wird die tief im gesamtgesellschaftlichen Bewusstsein verankerte Staatstradition Rumäniens gesehen, welche vom Konzept des homogenen Nationalstaats ausgeht. Demnach wird die Minderheit als Störfaktor im Nation Building des noch jungen Staats empfunden, wobei die Furcht vor einem Aufbrechen der nationalen Einheit jeglichen Ansatz einer regional-administrativen Veränderung auf ethnischer Basis zu einem Tabu macht. Weiterhin wird als Unterschied der beiden Ethnien neben der Sprache auch eine andere Identität bzw. Fremdwahrnehmung genannt. Während sich die Minderheit als eigenständiges, westlich geprägtes historisches Volk sieht, wird sie von Seiten der Mehrheitsgesellschaft eher als Fremdkörper bzw. staatlicherseits als einfache Minderheit gesehen. Dabei werden Minderheitenschutz und Autonomie völlig unterschiedlich eingeschätzt. Während die rumänische Seite mit Verweis auf den aktuellen, als vorbildlich empfundenen Rechtsrahmen keinen Handlungsbedarf bzw. Autonomie als extremes Mittel sieht, gilt von der ungarischen Seite aus allgemeines Misstrauen gegenüber dem Staat und wird Assimilationsdruck sowie eine Wirkungslosigkeit der Rechtsrahmens beklagt. Wenig förderlich für das Verhältnis zeigen sich außerdem die Bereiche Medien und Bildung. Den Medien werden eine mehrheitlich negative Berichterstattung über oder aber eine Marginalisierung der Minderheit vorgeworfen, die durch die Sprachbarriere wechselseitige Information verhindern und dadurch eine Parallelwelt schaffen. Ähnliches gilt beim Bildungssystem, in dem die Minderheit betreffende Inhalte entweder nicht neutral oder aber

495 Vgl. Mikó Imre Minority Rights Legal Services Assistance (2015a); s. a. CNS (2015).

nebensächlich erscheinen. Schließlich wird eine beiderseitig verfolgte Ethnopolitik genannt, die zur Mobilisierung der Wählerschaft und für politische Zwecke, symbolische Reizthemen politisiert und instrumentalisiert.

Die Diskussion selbst ist dabei von ideologischem, historischem Ballast belegt sowie einer stark eingeschliffenen Aktions-Reaktions-Mechanik, die insbesondere vor Wahlen und aber auch bei singulären Vorkommnissen – von Eliten und Medien beider Seiten – aktiviert bzw.

instrumentalisiert wird. Sie kann nach dem Societal Security Dilemma beschrieben werden, welches im Kern ein gegenseitiges Missverständnis der jeweiligen Intention voraus setzt und in der Folge zu entsprechenden Gegenreaktionen führt. Dies geschieht vor dem Hintergrund der vor allem historisch bedingten Identitätsängste des noch jungen, rumänischen Staates mit als labil empfundenen Grenzen, einer Politisierung der Identität und populistische Parteipolitik. Flankiert wird dies durch eine – immer noch eher schwache – Staatsstruktur, die es bislang nicht geschafft hat, den demokratischen Konsens im Parlament zu suchen und in ihrer Symbolpolitik noch in alten Strukturen und Denkmustern verfangen ist. So lösen die Forderungen der ungarischen Seite bis heute jeweils entsprechende Gegenreaktionen aus und führen zum Vorwurf mangelnder Loyalität. Die ungarische Seite hingegen heizt Gegenreaktionen an, sei es aus politischem Kalkül oder aber eine andauernde Fehleinschätzung der bzw. fehlende Empathie für die Befindlichkeiten der rumänischen Mehrheitsbevölkerung.

Auch der Prozess der Dezentralisierung bzw. Regionalisierung ist eng mit der Autonomiethematik verknüpft. Insgesamt hat der Widerstand gegen ein Aufbrechen der zentralstaatlichen Strukturen auf Ebene der rumänischen Volksparteien abgenommen. In der konkreten Ausgestaltung wird das Thema jedoch heftig diskutiert. Die rumänische Politelite betrachtet den Prozess aus rein wirtschaftlich-administrativer Perspektive. Sie favorisiert damit eine Aufteilung der mehrheitlich ungarischen Gebiete in neu geschaffene Regionen, ohne jedoch die betroffene Minderheit zu konsultieren oder sich vorab auf eine gesellschaftliche Debatte einzulassen. Für die Minderheit hingegen spielen beim Regionalzuschnitt insbesondere die regionale Identität sowie historische und kulturelle Aspekte eine Rolle. Sie sieht sich durch die aktuellen Pläne marginalisiert, diese als existenzielle Gefahr und verbindet das Thema mit der Forderung nach regionaler Autonomie.

Letzterem stehen die rumänischen Parteien ablehnend gegenüber. Die europäischen Institutionen wirkten zwar formal initiierend für den bisherigen Prozess, melden sich inhaltlich aber nur peripher zu Gunsten der Minderheit zu Wort.

Die politische Kultur Rumäniens ist hinsichtliich der Demokratie noch nicht weit fortgeschritten. Staat und Gesellschaft sehen die ungarische Minderheit eher als Bedrohung und ihren Schutz nicht als demokratische Errungenschaft an. Positiv hat sich hingehen die Einwirkung der EU und die mehrfache Beteiligung der UDMR an Koalitionsregierungen seit der Wende ausgewirkt. Dies hat einerseits zu einer Mäßigung des interethnischen Konflikts

und der Aushandlung einiger positiven Regelungen für die Minderheit geführt. Auch scheint sich die Atmosphäre bzgl. Minderheitenthemen insgesamt von einer stark antiungarischen in den frühen 90ern zu einer heute insgesamt versöhnlicheren und pragmatischeren entwickelt zu haben. Das Thema Autonomie hingegen bleibt durch die ethnozentrische Mentalität, fehlende Information über die Minderheit und die stets wiederholte Formel des Einheitsstaats negativ besetzt und tabuisiert. Als positive Anzeichen können indes die Wahl des Minderheitenangehörigen Klaus Johannis zum Präsidenten sowie eine in den letzten Jahren erstarkte Zivilgesellschaft in Rumänien gelten.

Insgesamt zeigt die Betrachtung der innerrumänischen, gesellschaftlichen wie politischen Diskussion, dass sich – trotz einer positiven Entwicklung zu mehr Minderheitenschutz – ein fruchtbarer Dialog zwischen ungarischer Minderheit und Mehrheit äußerst schwierig gestaltet. Oder wie Rusu anmerkt:

„Obwohl das Land im letzten Jahrzehnt eine relative Stabilität in den interethnischen Beziehungen erlebte und die Staatsgrenzen kaum in Frage gestellt wurden, scheint die Zeit für eine Debatte über das Verständnis der Nation (politisch oder ethnisch) und die Rechte der Minderheiten noch nicht reif zu sein.“496

Es sieht so aus, als ob statt einer Normalisierung des Verhältnisses zwischen den beiden Volksgruppen seit der Wende sich dieses zu einem unterschwelligen Konflikt auf Abruf eingependelt hat.

496 S. Rusu (2007), S. 67.

5 Rechtlicher Hintergrund: Europäisches und nationales Recht in Rumänien

„Rumänien gewährt nationalen Minderheiten den umfassendsten rechtlichen Schutz“497 Traian Basescu, Präsident Rumäniens Die offizielle Darstellung Rumäniens zieht eine durchwegs positive Bilanz des eigenen Minderheitenschutzes: Nicht nur sei der Schutz vor Diskriminierung konsolidiert, sondern auch die effektive Teilhabe der Minderheiten im öffentlichen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben eine Realität. Dies mache die rumänische Expertise wahrscheinlich zu einer der innovativsten in Europa.498 Nicht zuletzt wäre Rumänien einer der größten Befürworter der Initiative Ungarns gewesen, eine Referenz zu den „Rechte[n] der Personen, die nationalen Minderheiten angehören[,]“499 in den Entwurf des Europäischen Verfassungsvertrags einzubauen. Basescus obige These „gilt nicht nur als offizielle Stellungnahme zur Lage des rechtlichen Schutzes der Minderheiten in Rumänien, sondern auch als Argument, um jede Diskussion über eine Änderung oder ein Umdenken in Bezug auf den Minderheitenschutz in Rumänien zu beenden“500.

Zur Bewertung des Minderheitenschutzes bzgl. der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen ist die Kenntnis über die Minderheitenrechte in Rumänien wesentlich, stellen sie doch die Ausgangsbasis politischer Handlungsmöglichkeiten dar. Obwohl die „Hauptbühne“ des Minderheitenschutzes immer noch die nationale Gesetzgebung darstellt,501 muss auch ihre Beeinflussung von außen betrachtet werden, schließlich wirken das Völker- bzw.

Europarecht durch Verträge und Abkommen immer stärker auf innerstaatliche Regelungen ein.502 Zunächst soll daher ein Blick auf das entsprechende europäische Rahmenwerk geworfen werden, um dann den innerstaatlichen Minderheitenschutz zu beleuchten. Quellen hierfür bilden die Verfassung und eine Vielzahl spezifischer Gesetze und Verordnungen.

Zwar hat die größte politische Vertretung der ungarischen Minderheit, der Demokratische Bund der Ungarn in Rumänien (UDMR), 2005 einen Vorschlag für ein Minderheitengesetz eingereicht (Minderheitenstatusgesetz), doch liegt dieser seitdem zur Überprüfung bei der zuständigen Parlamentskommission.503 Das Gesetz wurde – trotz Rumäniens Zusage vor

497 Zur Eröffnung der OSZE-Konferenz zur Bekämpfung der Diskriminierung 2007 in Bukarest, zitiert nach Rusu (2007), S. 67.

498 Vgl. ACFC (2013), S. 2.

499 Vgl. ACFC (2005), S. 69.

500 S. Rusu (2007), S. 67.

501 Vgl. Varga (2004), S. 473.

502 Vgl. Gruber (2015), S. 71.

503 Vgl. Dácz (2014), S. 13; Decker weist, neben der generellen Ablehnung, auch auf praktische Probleme hin: Laut RV können „autonome administrative Behörden (wie sie der Gesetzesvorschlag vorsah; Anmerkung d. Autors) […] über organisches Gesetz eingerichtet werden“ (Art. 117 Abs. 3 RV). Für Letzteres bedarf es aber einer Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments (Art. 76, Abs. 1 RV). Für die Annahme des Antrags stellt dies eine hohe Hürde dar. Darüber hinaus wurde der Entwurf auch von anderen Minderheiten kritisch gesehen; vgl. Decker (2007), S. 445 f.

dem EU-Beitritt – bis heute nicht angenommen und wird daher als de facto gescheitert angesehen.504

Nicht zuletzt ist der rumänische Minderheitenschutz seit dem EU-Beitritt des Landes auch durch die europäischen Rahmenvorgaben geprägt. Daher sollen zunächst diese näher betrachtet werden, bevor auf die minderheitenspezifische Gesetzgebung in Rumänien eingegangen wird. Zudem wird auch das die aktuell gültige Verfassung von 2003 prägende Staatsverständnis aus rechtlicher Perspektive beleuchtet.