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III. Abbildungsverzeichnis

4.1 Interethnischen Verhältnis: Status quo und Einflussfaktoren

4.1.5 Ethno- und Symbolpolitik

Neben den bereits erwähnten Aspekten spielt als Konfliktherd für die interethnischen Auseinandersetzungen auch Ethnopolitik eine Rolle, d. h. hier die Instrumentalisierung der Minderheit-Mehrheits-Beziehung für politische Zwecke. Sie wird aus wahltaktischen Gründen von politischen Eliten beider Seiten als Mittel herangezogen392, regelmäßig in Form politischer Propaganda.393 So verklärt auf der einen Seite die ungarische Elite etwa die Zeit Großungarns und nutzt die Furcht vor Assimilierung. Identität dient hier zum Schutz vor einem als aggressiv empfundenen Staat und geht zu Lasten des staatsbürgerlichen Bewusstseins. Auf der anderen Seite perpetuiert die rumänische Politik seit der Wende – und regelmäßig vor Wahlen – die Furcht vor dem Verlust Siebenbürgens und einer separatistischen Gefahr.394 Die Befürchtungen bezüglich der Separatismusbestrebungen der Minderheit entbehren jedoch jeglicher faktischen Grundlage.395 Durch die Mitgliedschaft Rumäniens in der EU und NATO sowie seiner schieren Größe wird die Angst vor einem revanchistischen Ungarn, das sich Siebenbürgen einverleibt, als irrational empfunden396:

388 S. Interview 4-3.1.

389 Vgl. Interview 1-1.1.

390 Vgl. Interview 4-1.2.

391 Vgl. Salat (2014), S. 128.

392 Vgl. Interviews 1-1.2.; 3-1.1.; 10-1.2.

393 Vgl. Interviews 3-1.2.; 3-1.2.V.

394 Vgl. Lupea (2012), S. 1. Prägend war hierfür gleich nach der Revolution 1989 der erste postkommunistische Präsident Rumäniens, Ion Iliescu, der in einer Fernsehansprache von separatistischen Tendenzen in Siebenbürgen sprach, vgl. a. a. O., S. 8.

395 Vgl. Draghiciu (2014), S. 3.

396 Vgl. Interview 2-2.5.V3.

„[The] idea from the Romanian majority, that Hungarians could take Szeklerland or all Transylvania and run with it to Hungary – [that] is an unbelievable image.“397

Genauso wird von beiden Seiten das Autonomiethema zur Mobilisierung der Wählerschaft vor Wahlen398 instrumentalisiert: „Die Ungarn brauchen etwas für das sie kämpfen, die Rumänen gegen das sie kämpfen.“399 Hierbei wird Autonomie auf der rumänischen Seite mit Gefahr, Verdächtigung und Missgunst konnotiert dargestellt, bei der Minderheit hingegen als gesellschaftliches Allheilmittel. Beide Seiten belegen ihre Aussagen aber nicht mit Fakten und Inhalten.400 Die Überpolitisierung der Minderheitenrechte wird darüber hinaus als starker Hinderungsgrund einer neutralen Diskussion des Themas gesehen. So wurde etwa die reguläre, verfassungsmäßige Anpassung der rumänischen Gesetze an die europäischen Rahmengesetze von Medien und Politik als gegen die rumänische Verfassung und den Staat gerichtet bewertet.401 Insgesamt herrscht zwischen den politischen Eliten beider Seiten weder gegenseitiges Vertrauen noch ein Austausch. Stattdessen folgt ihr Handeln rein politischem Opportunismus.402 Sie wirken nicht als Brückenbilder, die die interethnische Beziehung voranbringen könnten.403

Generell lassen sich immer wieder Beispiele für eine oft stark mit Symbolik aufgeladene Ethnopolitik finden. Als Beispiele werden etwa der Sprachenstreit an der medizinischen Universität in Tirgu Mures oder der Flaggenstreit – wie bereits erwähnt – genannt.404 Wenngleich die Akteure hinter Vorgängen (wie etwa dem oben genannten Video) oft nicht bekannt sind, wird einem Medienbericht zufolge die rumänische Regierung als ihr größter Profiteur vermutet. Nicht zuletzt lenken sie von anderen politischen Problemen ab bzw.

dienen anderen Zielen. Der Angriff auf die Minderheit könnte dabei als Konstante in politischen Krisensituationen gelten.405

Exemplarisch für die „Ethnisierung“ der Diskussion sowie die Einstellung wesentlicher Teile der Gesellschaft erschien auch der Präsidentschaftswahlkampf 2014 zwischen dem ethnisch siebenbürgisch-sächsischen Klaus Johannis (PNL) und Victor Ponta (PSD). Wie Draghiciu hervorhebt, zielte insbesondere die Kampagne Pontas dabei stark auf ethnische Vorurteile und Separatismus-Ängste in der Bevölkerung ab: Neben dem Slogan „Stolz, Rumäne zu sein“ wurde auch der Vorwurf gegen Johannis erhoben, „das Land spalten und es ‚den Ungarn‘ geben zu wollen“406. Dazu gehörte auch der Versuch der Diskreditierung Johannis' durch den Verweis auf seine Unterstützung durch László Tökés (welcher durch seinen

397 S. Interview 4-1.2.V.

398 Vgl. Interviews 1-1.3.; 3-1.3.

399 Vgl. Interview 3-1.3.

400 Vgl. Interviews 6-1.3.; 6-1.3.V1.

401 Vgl. Interview 9-1.2.

402 Vgl. Interview 1-1.2.

403 Vgl. Interview 10-1.2.

404 Vgl. Interview 1-1.3.

405 Vgl. Verseck (2017a).

406 S. Draghiciu (2014), S. 3.

offenen Eintritt für die Autonomie in Rumänen geächtet wird) sowie schließlich eine indirekte Wahlkampfhilfe der rumänisch-orthodoxen Kirche, die ihre Mitglieder andeutete, dass die Wahl eines anderskonfessionellen bzw. „volksfremden“ Kandidaten einem Verrat am Volk gleichkomme. Mithin sprach Ponta lediglich die „Rumänen“ – statt der rumänischen Bürger407 – an. Johannis versuchte gleichzeitig das ethnische Element seiner Herkunft aus Wahlkampfgründen herunterzuspielen, wenngleich die Medien seine „Andersartigkeit“ in Form seiner siebenbürgisch-sächsischen Herkunft hervorhoben.408

Als symbolpolitisch motiviert könnte ferner ein Beispiel von 2015 gelten: In der Stadt Miercurea Ciuc wurde von Interims-Premierminister Gabriel Oprea und Verteidigungsminister Mircea Dusa die größte rumänische Flagge des Bezirks gehisst. Diese sei, so Oprea, „ein Symbol des rumänischen Staates, eines nationalen, souveränen, unabhängigen, einheitlichen und unteilbaren Staates“409. Auch sei das Bekenntnis zu den nationalen Werten essentiell. Nach einer Segnung der Flagge sagte der rumänisch-orthodoxe Bischof Andrei Moldovan, dass dieser Tag für die Bewohner des Bezirks wie ein heiliger Ostertag sei (sowohl Miercurea Ciuc als auch der Bezirk Harghita haben eine mehrheitlich ethnisch ungarische Bevölkerung; Anm. d. Autors).410

Kontrovers wurde 2016 auch die Aberkennung des rumänischen Verdienstordens von Tökés durch Staatspräsident Klaus Johannis aufgenommen. Während Tökes erst 2009 für seine Verdienste als Mitinitiator der Revolution 1989 geehrt worden war411, sah das Ordensgremium die Basis hierfür verloren, nachdem Tökes 2013 geäußert hatte, dass Ungarn als Schutzmacht der Ungarn in Siebenbürgen auftreten solle.412 Manche Medien stellten diesbezüglich die Frage, wieso nicht auch Ordensträgern, die zwischenzeitlich juristisch verurteilt wurden, der Orden entzogen wurde, darunter etwa Alberto Fujimori (Verletzung der Menschenrechte und Korruption), Serban Bradisteanu (Korruption) oder Ex-Regierungschef Adrian Nastase (Korruption).413

2017 rief Ex-Präsident Traian Basescu auf einer Veranstaltung der Parteijugend der PMP (Partidul Miscarea Populara/Partei der Volksbewegung) zum Boykott der Tankstellen des ungarischen Unternehmens MOL auf, da in diesen Karten eines autonomen Szeklerlands verbreitet würden. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine auf Ungarisch, Deutsch, Rumänisch und Englisch übersetzte Karte, die – ohne eine spezielle Ethnie hervorzuheben –

407 Das Präsidentschaftsprogramm Pontas stand unter dem Motto „Große Vereinigung der Rumänen“

(„Marea unire a românilor“) und dem Leitsatz „Stolz, Rumäne zu sein", vgl. Siebenbürgische Zeitung (2014); zur Rolle der rumänisch-orthodoxen Kirche s. a. Kapitel 5.3.1.

408 Vgl. Draghiciu (2014), S. 3.

409 Vgl. agerpres.ro (2015a).

410 Vgl. ebd; das Ereignis muss auch im Zusammenhang mit dem „Flaggenstreit“ betrachtet werden, s.

Kapitel 9.4.3.

411 Vgl. Verseck (2016); Tökés wurde von der Securitate als Dissident verfolgt. Die Proteste seiner ungarischen Gemeindemitglieder in Timisoara gaben den Startschuss für die Revolution 1989, vgl.

Draghiciu (2014), S. 3.

412 Vgl. Washington Post (2016).

413 Vgl. transindex (2016); mediafax.ro (2016); Verseck (2016).

die lokalen Touristenattraktionen der Region darstellt. Die Karten liegen landesweit – und in identischer Form auch zu den Regionen Moldau und Sachsenland – in den Tankstellen des Unternehmens aus. Zudem wurde 2011 deren Erstellung noch von der damaligen Ministerin für Regionale Entwicklung und Tourismus, Elena Udrea, unterstützt.414