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III. Abbildungsverzeichnis

2.6 Methodik

2.6.2 Analytische Perspektive: Das Governance Konzept

2.6.2.2 Das Forschungsfeld aus Multilevel-Governance-Perspektive

Auch die Minderheitenpolitik im Rahmen der EU bietet sich für eine Analyse aus Multilevel-Governance-Perspektive an. Nicht zuletzt findet sich hier eine starke Verflechtung der Entscheidungsebenen bzw. eine ebenenübergreifende Wechselwirkung mehrerer Akteure.

Wie gestaltet sich nun das Gefüge aus Akteuren, Ebenen und strukturellen Rahmenbedingungen in der Arena der Debatte um eine autonome Region für die ungarische

142 S. Hooghe u. Marks (2003), S. 233 f.

143 S. Knodt u. Große Hüttmann (2012), S. 223.

144 Vgl. Knodt u. Große Hüttmann (2012), S. 226.

145 Vgl. Benz (2010), S. 111 f.

146 Vgl. Benz u. Dose (2010), S. 30.

147 Vgl. Benz (2010), S. 112.

148 Vgl. Benz (2010), S. 112.

Minderheit in Rumänien? Im Folgenden soll dies anhand einer Übertragung des MLG-Ansatzes auf das vorliegende Forschungsfeld beantwortet werden.

Als die wesentlichen in der Thematik involvierten Akteure wären die rumänischen Parteien, die ungarischen Minderheitenparteien in Rumänien sowie die Regierungen der EU- und NATO-Mitgliedsländer Ungarn und Rumänien zu nennen. Hinsichtlich der europäischen Institutionen wie der EU bzw. des Europarats149 könnte theoretisch auch von Akteuren gesprochen werden. Tatsächlich wirken diese – wie später noch gezeigt werden wird – mehr strukturell regulierend denn als aktiv politisch auf die Thematik ein. Demzufolge werden sie im Folgenden den strukturellen Rahmenbedingungen zugeordnet. Eine Nebenrolle kann zudem den USA attestiert werden, im Wesentlichen durch ihre Einwirkung auf die bilateralen Beziehungen zwischen Ungarn und Rumänien während der Westintegration der beiden Länder und ihrem gesteigerten geostrategischen Interesse an Rumänien. Dieser Aspekt steht im Rahmen der vorliegenden Arbeit jedoch nicht im Zentrum des Erkenntnisinteresses.150

Als oberstes Ziel der rumänischen Parteien könnte dabei die Übernahme bzw. der Erhalt von (Gestaltungs-)Macht durch Regierungsbildung gelten. Eine ungarische autonome Region wird von ihnen entschieden abgelehnt. Ihre Aktivitäten müssen sich demnach an einer attraktiven Politik für eine möglichst große Wählerschicht ausrichten. Sie erreichen dies z. B.

durch Kommunikation, unmittelbar durch Gesetzgebung sowie mittelbar durch Einflussnahme auf staatliche Einrichtungen und Behörden. Weitgehend analog kann dies für die rumänische Regierung gelten, deren Handlungsspielraum jedoch durch die internationale Bühne erweitert wird. Dort hat sie etwa die Möglichkeit, die Inhalte von internationalen Verträgen entsprechend ihren innenpolitischen Zielen zu gestalten oder diese in internationalen Organisationen zu verteidigen. Die rumänischen Parteien, insbesondere in Regierungsverantwortung, beeinflussen solchermaßen massiv den Diskurs über die Autonomiethematik sowie dessen Entwicklung.151

Auch bei den ungarischen Minderheitenparteien spielt das Streben nach politischer Gestaltungsmöglichkeit die wohl wichtigste Rolle. Entgegen den Zielen der rumänischen Parteien kämpfen sie für eine Verbesserung der Situation der ungarischen Minderheit durch mehr Minderheitenschutz und Autonomielösungen, wie etwa die Schaffung einer autonomen Region Szeklerland. Zudem bringen die Minderheitenparteien das Thema Minderheitenschutz regelmäßig in die gesellschaftliche Diskussion ein. Zu ihren Hauptaktivitäten zählen klassische Kommunikationsmaßnahmen sowie – oft verwirklicht über ihnen nahestehende NGOs – auch Informationskampagnen, Protestveranstaltungen und

149 Tatsächlich erscheint durch die enge Verflechtung der eigentlich separaten Organisationen eine synonyme Nennung sinnvoll. Der im Weiteren dieser Arbeit verwendete EU-Begriff schließt daher, wenn nicht anders angegeben bzw. sinnhaft, den „Europarat“ mit ein.

150 Vgl. Kapitel 9.5.

151 Mehr zum Handeln und Haltung der rumänischen Parteien vgl. Kapitel 7.

Shadow Reports. Darüber hinaus betreiben sie gezielte Lobbyarbeit in internationalen Institutionen oder suchen die Kooperation mit ausländischen Minderheitenorganisationen.

Die UDMR konnte zudem, als größte Minderheitenpartei und dank ihrer Sonderstellung als Mehrheitsbeschafferin im Parlament, durch Regierungsbeteiligungen viele Zugeständnisse im Minderheitenschutz erzielen.

Die Aktivitäten der ungarischen Regierung zielen auf den Erhalt und die Förderung der ungarischen Minderheit in Rumänien ab, wobei die Einrichtung einer autonomen Region ausdrücklich unterstützt wird. Gleichzeitig scheint aktuell in ihrer Kommunikation und ihren Aktivitäten hierzu auch die ungarische Innenpolitik eine Rolle zu spielen, etwa um sowohl heimische Wähler als auch wahlberechtigte, ethnische Ungarn in den Nachbarländern als Wähler zu halten oder zu gewinnen. Im Bereich der Autonomiefrage kann Ungarn auf internationaler Bühne als Gegenspieler Rumäniens gelten. Maßnahmen umfassen – neben dem rhetorischen Einsatz in Medien und Symbolpolitik – z. B. die Doppelstaatsbürgerschaft, die Einflussnahme auf die ungarischen Minderheitenparteien, den Einsatz für stärkeren Minderheitenschutz in internationalen Gremien sowie eine bedeutende finanzielle Unterstützung für die Minderheiten. Ungarn spielt damit für die ungarische Minderheit in Rumänien nicht nur als Kin-State eine Rolle, sondern auch als bedeutende Stütze ihres Kulturlebens.

Die genannten Akteure agieren wiederum auf unterschiedlichen Ebenen, um auf die Thematik, ihrer jeweiligen Interessenlage nach, Einfluss zu nehmen:

 Als erste Ebene lassen sich die europäischen Institutionen152 ausmachen, in deren Rahmen, z. B. bei Mindeststandards hinsichtlich des Umgangs mit Minderheiten oder in bilateralen Beziehungen, die Akteure Ungarn und Rumänien eingebunden sind.

 Als zweite Ebene kann die intergouvermentale gelten. Hier treten die unmittelbar wie mittelbar betroffenen Staaten Rumänien und Ungarn über die Thematik in Wechselwirkung.

 Als dritte Ebene wäre die intragouvermental-parteipolitische Ebene in Rumänien selbst zu nennen, in der die ungarischen Minderheitenparteien in den Wettstreit mit den rumänischen Mehrheitsparteien bzw. der Regierung treten.

Da die unterschiedlichen Akteure auch ebenenübergreifend agieren (sog. Arena-Switching), ergibt sich eine weitere Komplexitätssteigerung (s. Abb. 5): So treffen die unterschiedlichen Interessen und Ziele der ungarischen bzw. rumänischen Regierung nicht nur auf der intergouvermentalen Ebene aufeinander, sondern auch auf der der europäischen

152 Dies sind im Wesentlichen die Institutionen Europäisches Parlament, Europäischer Rat, Rat der Europäischen Union, Europäische Kommission sowie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH).

Institutionen, etwa im EU-Parlament.153 Auch nimmt die ungarische Regierung mit ihren Maßnahmen auf innerrumänische Angelegenheiten Einfluss. Die ungarischen Minderheitenparteien wiederum sind nicht nur innerhalb der rumänischen Politik aktiv, sondern versuchen z. B. durch Lobbying-Maßnahmen und -Initiativen auch auf europäische Gremien einzuwirken.154

Abb. 5: Multilevel Governance am Beispiel der Autonomiethematik in Rumänien (eigene Darstellung) Das Handeln der Akteure unterliegt ferner bestimmten strukturellen Rahmenbedingungen.

Im Falle der Parteien und der rumänischen Regierung sind dies vor allem die vorherrschende politische Kultur sowie die aktuell geltenden Gesetze in Rumänien.

Ungarische und rumänische Parteien in Rumänien etwa müssen ihr Handeln an dem dort geltenden Rechtsrahmen ausrichten. Das Handeln der rumänischen Regierung wird gleichzeitig durch internationale Rahmenbedingungen und Gepflogenheiten eingeschränkt.

So muss die Regierung bspw. die minderheitenschutzrelevanten Regelungen von bereits

153 Beispielsweise wurden die Regierungsparteien, d. h. die PSD in Rumänien und die FIDESZ in Ungarn, im EU-Parlament auf unterschiedlichen Themenfeldern stark kritisiert. Durch ihre Einbindung in die großen Fraktionen und deren entsprechende Rückendeckung konnten beide Parteien Sanktionen durch EU-Gremien entgehen.

154 Theoretisch gilt dies auch für die rumänischen Parteien. Wie die Untersuchung aber zeigen wird, spielt dies – außer evtl. für die in den jeweiligen Regierungen involvierten Parteien – nur eine marginale Rolle.

ratifizierten Verträgen einhalten. Die ungarische Regierung wiederum muss bei ihrer Unterstützung für die Minderheit z. B. die Souveränitätsrechte Rumäniens beachten. Durch den EU-Beitritt Rumäniens (und Ungarns) – und den damit verbundenen politischen wie rechtlichen Auswirkungen – muss schließlich auch die Europäisierung als Rahmenbedingung beachtet werden.

Die Beschreibung des vorliegenden Forschungsfelds durch den MLP-Ansatz zeigt exemplarisch die Verschränkung ebenenübergreifenden Handelns unterschiedlicher Akteure.

Gleichzeitig verdeutlicht sie, dass für die Beantwortung der Forschungsfrage sowohl die strukturellen Rahmenbedingungen als auch das Handeln der Akteure auf den unterschiedlichen Ebenen erfasst werden müssen. Die in der Dokumentenanalyse und den Experteninterviews gewonnen Daten untermauern somit die hier skizzierte Beschreibung des Forschungsfelds aus MLG-Perspektive.