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III. Abbildungsverzeichnis

6.3 Neue Perspektiven durch den EU-Beitritt? – Eine kritische Betrachtung

6.3.2 Rechtliche Perspektive

6.3.1.1 Qualität europäischer bzw. internationaler Standards im Minderheitenschutz . 163

Maximallösungen. Vielmehr stellen sie – wie etwa die Menschenrechte – den kleinsten Nenner dar, auf die sich die jeweiligen Vertragsstaaten geeinigt haben. Ausgeschlossen ist daher auch nicht, dass Kin-States darüber hinausgehende Maßnahmen nicht anbieten können, sofern diese den Minderheitenstandards nicht widersprechen. De facto werde die Einhaltung von Mindeststandards oft vorgeschoben, um von der Umsetzung angemessener Maßnahmen abzulenken.872

Wie bei fast allen internationalen für den Minderheitenschutz relevanten Dokumenten der Fall, findet sich auch im RSNM kein Recht auf Autonomie. Gleichermaßen lassen sich etwaige Autonomieforderungen jedoch auch nicht mit dem Verweis auf internationale Standards ablehnen.873 Ähnlich wie der Hohe Kommissar für Nationale Minderheiten der OSCE und die Resolution 1334 des Europarats von 2003 streicht das Gutachterkomitee zum RSNM Autonomie zwar als Mittel der Partizipation der Minderheit heraus. In seinen Empfehlungen greift es jedoch eher auf schon bestehende Maßnahmen zurück als den Mitgliedsstaaten Standards vorzugeben. Alle Arten von Autonomie hängen daher von innenpolitischen Entwicklungen ab, bei denen die Gesetze über Selbstverwaltung i. d. R.

verhandelt werden müssen.874 So verwundert es nicht, dass trotz der starken Befürwortung von Territorialautonomien durch Minderheitenparteien – etwa in Rumänien und Serbien – sich dies nie in der Beitrittskonditionalität widerspiegelte. Tatsächlich treibt die EU-Kommission zwar die Dezentralisierung voran, hat diese aber nie mit dem Minderheitenschutz verbunden.875 Minderheitenvertreter haben daher eine schwierige Stellung gegenüber ihren Regierungen, Druck bei der Dezentralisierung auszuüben, da die

870 Vgl. Buchanan, Alan (2004): Justice, Legitimacy, and Self-Determination – Moral Foundations for International Law, New York: Oxford University Press, zitiert nach Salat (2014), S. 132.

871 Vgl. Salat (2014), S. 131 ff.

872 Vgl. Varga (2004), S. 474.

873 Vgl. Vizi (2014), S .27.

874 Vgl. Vizi (2014), S. 29 f.

875 Vgl. Szöcsik (2012), S. 121 f.; s. a. Kapitel 4.3.2.

EU hierzu auf Regionalebene über keinen wirklichen Kompetenzhebel verfügt.876 Nicht zuletzt bewegt sich die EU seit 2000 weg von Ansätzen des Kollektivschutzes, hin zu solchen der individuellen Nichtdiskriminierung.877

Die europäischen Minderheitenschutzstandards selbst werden generell zwar als gut und wichtig angesehen.878 Jedoch können auch hier Problembereiche ausgemacht werden.

Zunächst zeigt sich die Evaluierung der Umsetzung der Normen als problematisch. Sowohl EU-Kommission als auch Resolutionen des EU-Parlaments beziehen sich auf Standards, die eher vage gehalten sind und deren Monitoring nicht mit dem regulären Recht vergleichbar ist. Zwar wurde das Monitoring des Minderheitenschutzes während der Osterweiterung zunehmend professionalisiert und versucht objektivierbarer zu machen. Nicht zuletzt können im Erweiterungsprozess für die Evaluierung der Situation von nationalen Minderheiten die RSNM- bzw. OSCE-Dokumente als Hauptmaßstab gesehen werden. Jedoch sind innerhalb der EU die Regelungen des RSNM nicht wirklich von großer Bedeutung, da diese kein Mandat zum Vorantreiben des Minderheitenschutzes in den Mitgliedsstaaten hat.879

Letzterer Punkt weist zudem auf das Problem der fehlenden Sanktionierungsmöglichkeit hin.

Die EU verfügt mit den Kopenhagener Kriterien nur vor dem Beitritt über einen Hebel880. Nach einem Beitritt hat sie aber keine Mittel zum Minderheitenschutz bzw. Handhabe zur Befolgung der Verträge gegenüber den Mitgliedstaaten881: „[A]fterwards, when they are already members of the EU, they don’t either have to respect the legislation nor do they need to make other steps forward.“882 Dieses gilt auch für den Europarat, der bei mangelnder Vertragstreue de facto keine Kompetenzen hat, Druck auf Staaten wie Rumänien auszuüben.883 Ohne Sanktionierung der Standards sind diese wirkungslos. Es bleiben nur noch andere Wege der Einwirkung von außen, wie etwa im Falle der Autonomie der Aland Inseln, die nur durch internationalen Druck der UN zustande kam.884

Zwar wurden die Um- und Durchsetzung von Minderheitenrechten schon während des EU-Beitritts der MOL problematisiert und stehen nun auch zunehmend bei den neuen Kandidaten des Westbalkans zur Debatte. Die Frage nach einem besseren Monitoring der Umsetzung bleibt aber bestehen.885

876 Vgl. Vizi (2014), S. 35.

877 Vgl. Interview 10-3.2.

878 Vgl. Interviews 5-3.2.; 10-3.2.; 11-3.2.

879 Vgl. Vizi (2014), S. 26 f.

880 D. h. über die Einforderung von Fortschritten bei der Umsetzung der Beitrittsbedingungen gegenüber den Beitrittskandidaten (Anm. d. Autors).; vgl. Kapitel 6.3.1.2.

881 Vgl. Interviews 1-3.2.; 4-3.2.; 5-3.1.; 9-3.4.

882 S. Interview 4-3.2.V2

883 Vgl. Interview 4-3.2.

884 Vgl. Interview 5-3.2.

885 Vgl. Szöcsik (2012), S. 122.

Darüber hinaus hat die Europäisierung zu einem divergierenden Rahmen für Minderheitenschutz geführt.886 Szöcsik veranschaulicht dies in einem Vergleich der Länder Serbien und Rumänien bezüglich des Umgangs mit den Beitrittskriterien im Bereich des Minderheitenschutzes. So förderte die EU in beiden Ländern den Sprachgebrauch in den Bereichen Öffentlichkeit, Bildung sowie Behörden und die Dezentralisierung. Andere Bereiche behandelte sie jedoch unterschiedlich, sie unterstützte insbesondere die kulturelle Autonomie in Serbien, jedoch nicht in Rumänien. So hat die EU keine allgemeinen Minderheitenschutzstandards gegenüber allen Beitrittskandidaten entwickelt, sondern eher auf die jeweils aktuelle Innenpolitik reagiert. In keinem der beiden Staaten wurde kulturelle Autonomie als Minderheitenschutzstandard gefordert, wenngleich er positiv aufgefasst wurde, sobald dies auf der innenpolitischen Agenda erschien.887 Nicht dienlich wirkt sicherlich auch die Akzeptanz doppelter Standards, d. h. die Nichteinhaltung der Kopenhagener Kriterien durch die „alten“ Mitgliedsländer wie Frankreich und Griechenland888: „Minority protection [is] basically a product only for the export not for the import, the internal consumption.“889 De facto klaffen daher die Bedingungen, unter denen Minderheiten in der EU leben, weit auseinander: Während die einen schon die Existenz von Minderheiten nicht anerkennen, gewähren ihnen andere große Autonomie.890

Schlussendlich ist die EU, so Vizi, von einem soliden und durchgehend kohärenten Ansatz beim Minderheitenrecht – und damit auch in ihrer Politik – noch weit entfernt. Jegliche Möglichkeiten der Einflussnahme für nationale Minderheiten auf Regionalebene beschränken sich auf diejenigen Gemeinschaften, die in ihrem Land über eine verfassungsrechtlich verankerte Autonomieregelung verfügen. Optionen ergeben sich hier für die Minderheiten der MOL eher marginal. Vielmehr läuft auch hier der Schwerpunkt auf die innenpolitische Entwicklung hinaus.891 So resümiert ein Beobachter: Essentially state centres are getting a blank check to resolve issues of minority policy. So long as there is no violence, European actors are disengaged.892

6.3.1.2 EU-Konditionalität und -Normimplementierung

Trotz der bisherigen Erkenntnisse gilt die Konditionalitätsphase des EU-Beitritts gemeinhin als großer Impulsgeber im Bereich des Minderheitenschutzes und der Bereitschaft zu entsprechenden Konzessionen in der Politik. Wieso ergeben sich dennoch keine durchschlagenderen Erfolge? Schimmelfennig hat in einem Beitrag die speziellen Auswirkungen der Europäisierung auf die MOL herausgearbeitet, die eben auch den

886 Vgl. Interview 8-3.1.

887 Vgl. Szöcsik (2012), S.121 ff.

888 Vgl. Interview 1-3.2.; 4-3.2.V2.

889 S. Interview 1-3.2.

890 Vgl. Grobe (2018).

891 Vgl. Vizi (2014), S. 35.

892 S. Interview 10-3.2.

Minderheitenschutz als einem Aspekt unter vielen betreffen. Obwohl diese Erkenntnisse bereits im Jahr 2004 veröffentlichit wurden, können sie einen Ansatz zur Erklärung der aktuellen Situation bieten.

Demnach wurden vor der Entscheidung zu Beitrittsverhandlungen einige Regelungen nur selektiv übernommen, während andere – u. a. zum Minderheitenschutz – eher von Europarat und OSZE vorangetrieben wurden statt von der EU.893 Die Übernahme dieser Regeln beruht auf konditionalen, d. h. auf Bedingungen beruhenden Anreizen der EU, in deren Mittelpunkt die Mitgliedschaft steht. Die Bedingungen der Mitgliedschaft (Konditionalität) lassen sich in zwei Gruppen unterteilen, nämlich politische und marktwirtschaftliche. Zu den politischen gehören etwa die Gewähr von Menschenrechten, Minderheitenschutz, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, zu den wirtschaftlichen z. B. funktionierende Institutionen und Konkurrenzfähigkeit. Schließlich wurde auch die Übernahme des umfassenden Regelwerks der EU, der acquis communitaire, verlangt. Die Bedingungen waren aber nicht gleich gewichtet: Während die politischen Grundvoraussetzungen für Verhandlungen darstellten, mussten die wirtschaftlichen und acquis nur mittelfristig erfüllt werden. Schimmelfennig unterscheidet daher auch grob zwischen den Konditionalitätsphasen vor und nach dem Beginn von Verhandlungen.894

6.3.1.2.1 Konditionalität als Transformations-Bremse

Nicht alle Länder waren zu Beginn bereit, alle Beitrittsbedingungen zu übernehmen:

Besonders in den von autoritären Regierungen geprägten Ländern, die ihre Machtbasis u. a.

auf die Einschränkung von Bürgerrechten und Minderheitenschutz stützten und das Risiko eines Machtverlustes nicht tragen wollten (z. B. die Regierungen Iliescu/Rumänien, Meciar/Slowakei, Tudjman/Kroatien und Milosevic/Serbien). 1997 bzw. 1998 wurde mit dem Wechsel zu reformorientierten Regierungen in diesen Ländern der Weg für Beitrittsverhandlungen frei, wodurch sich auch der Fokus auf die Acquis-Kriterien legte. Die demokratische Entwicklung wurde zwar weiterhin von der EU beobachtet, allerdings nur geringe Änderungen, z. B. beim Minderheitenschutz, gefordert. Mit der nun eintretenden massiven Übernahme von Regelungen während der Beitrittsverhandlungen wurden andere Normquellen verdrängt.895 Im Gegensatz zu den autoritär geprägten Staaten Mittelosteuropas (etwa Belarus, Ukraine oder Rest-Jugoslawiens) bedurfte es in den damaligen Vorreiterstaaten wie Polen, Tschechien, Slowenien und Ungarn kaum einer politischen Konditionalität.896 In anderen Staaten, wie etwa Rumänien, setzten sich zwar

893 Vgl. Schimmelfennig (2004), S. 253 f.; Rumänien verweigerte etwa bestimmte Regeln zum Minderheitenschutz, Tschechien Schritte zur Regionalisierung oder Polen die Einschränkung der Luftverschmutzung, vgl. ebd.

894 Vgl. Schimmelfennig (2004), S. 254.

895 Vgl. Schimmelfennig (2004), S. 255 f.; zu weiteren möglichen Normquellen zählen etwa die Regeln internationaler Organisationen oder die USA, vgl. ebd.

896 Vgl. Schimmelfennig (2004), S. 258.

wieder die früheren Regierungschefs gegen die reformorientierten Regierungen durch, jedoch war die EU-Integration und Demokratisierung zwischenzeitlich sehr vorangeschritten.

Die „neuen“ Regierungen konnten sich den vom Wahlvolk als positiv empfundenen Änderungen und dem Momentum der „Beitrittsperspektive“ nicht mehr verschließen.897

Die MOL beschritten nach der Wende einen Weg der Transformation hin zu liberaler Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft, Privateigentum sowie zum Nationalstaat, verstanden als Souveränität von Russland und ethnisch-nationaler Homogenität.898 Die politische Konditionalität des Beitrittsprozesses stärkte Individuen und Zivilgesellschaft gegenüber den Staaten. Der EU-Acquis-Rahmen hingegen limitierte die Möglichkeiten der MOL, stärkte vor allem die Exekutive und verpflanzte technokratische Agenturen und Marktordnungsregeln in die Anwärterstaaten. Ihre Konditionalität wirkte wie eine Bremse wenn nicht gar rückschrittlich auf den Prozess der Dezentralisierung und des gesellschaftspolitischen Wandels.899

Auf Ebene der staatlichen Transformation wirkte wie EU-Konditionalität und -Integration dem in den MOL erstarkenden Leitbild des ethnisch homogenen, souveränen Nationalstaats zweifach entgegen: Zum einen wandte sich die EU aktiv gegen eine territoriale Fragmentierung nach ethnischen Kriterien und unterstützte vielmehr Minderheitenschutz und Modelle der föderalen Machtteilung, so u. a. auch im Falle der ungarischen Minderheiten in der Slowakei und Rumänien. Zum anderen schränkte die Integration in das europäische Mehrebenensystem die Souveränität der MOL ein. Auf den Bereich der politischen Transformation wirkte sich hingegen die technokratisch-exekutivlastige Natur der Acquis-Konditionalität aus: Während auf der einen Seite die EU-Kommission die Anforderungen formuliert und überwacht, verhandelt sie auf der anderen Seite mit speziellen Regierungsvertretern bzw. Behörden. Die Vorbeitrittsphase bestimmte so die Agenda der Parlamente von außen und unterdrückte teilweise den demokratischen Wettbewerb durch beschleunigte Gesetzgebungsverfahren von EU-relevanten Gesetzen. Dies stärkte die Zentralisierung in der Exekutive und marginalisierte gleichzeitig gesellschaftliche Interessengruppen und parlamentarische Vertretungen.900 Die Europäisierung führte in den MOL schlussendlich zu ambivalenten Resultaten:

„Zum einen wurden die Regeln zügig und weiträumig übernommen. Zum anderen ist diese kurzfristige Effektivität […] aber vielleicht mit mittelfristigen Schwächen bei der Umsetzung und Einhaltung der Regeln in den Mitgliedstaaten erkauft worden.“901

Mit dem Ende der Konditionalitätsphase schwand auch in Rumänien der Druck betreffend das Minderheitenstatusgesetz, dessen Annahme – insbesondere wegen des Passus zur

897 Vgl. Schimmelfennig (2004), S. 259 f.

898 Vgl. Schimmelfennig (2004), S. 252.

899 Vgl. Schimmelfennig (2004), S. 260 f.

900 Vgl. Schimmelfennig (2004), S. 261 f.

901 S. Schimmelfennig (2004), S. 264.

kulturellen Autonomie – als sehr unwahrscheinlich scheint.902 Auch der UDMR-Abgeordnete Csaba Sógor weist auf die nachlassenden Fortschritte in Rumänien und der Slowakei nach dem Beitritt hin, weswegen er eine Umsetzung der jeweiligen Verpflichtungen vor einem Beitritt anmahnt. Im Falle des Minderheitenstatusgesetzes in Rumänien etwa seien der EU nach dem Beitritt nun die Hände gebunden.903 Eine ähnliche Wirkung könnte auch bei den bilateralen wie internen Beziehungen vermerkt werden: Während die EU-Integration Rumäniens die Akteure Ungarn, Rumänien und die ungarische Minderheit aufeinander zugehen ließ, erwachten nach dem Beitritt die Streitigkeiten von neuem.904

6.3.1.2.2 „Potemkinsche Harmonisierung“

Ein weiterer Aspekt im Zuge der Übernahme westlicher Regelungen durch Rumänien besteht in der ungenügenden Umsetzung derselben. Der rumänische Literat und Politiker Titu Maiorescu sah dies noch im 19. Jahrhundert mit einem Auseinanderklaffen von „Form und Inhalt“ der rumänischen Gesellschaft begründet.905 Boia führt dies auf eine bestimmte Oberflächlichkeit der politischen und kulturellen Strukturen in Rumänien zurück, das sich zwar oft die Form westlicher Ideen, Gesetze und Institutionen angeeignet habe, ohne sich jedoch mit deren tatsächlichen Inhalt auseinanderzusetzen. Die daraus resultierende, beschränkte Funktionstüchtigkeit führe oft zu Korruption und administrativem Chaos.906

Letztere Meinung gewinnt durch die Beobachtung der EU-Integration der MOL an Substanz.

Demnach gleichen tatsächlich viele Aspekte der Europäisierung der MOL dem organisationstheoretischen Prozess des „Isomorphismus“: Nach diesem passen sich Organisationen zwar aufgrund von Legitimitätsanforderungen inhaltlich und formal zunehmend an. Dies geschieht entweder durch Imitation externer Vorbilder, durch Druck zu einem bestimmten Modell oder durch Verbreitung durch Eliten. Jedoch geschieht dies nicht angesichts interner problemlösungsorientierter Ziele, die der effizienten Lösung lokaler Anforderungen dienen. Den im Zuge der Europäisierung übernommenen EU-Normen fehlte also der direkte Bezug zu den Transformationsproblemen der Beitrittsländer vor Ort.907 Um dem Anpassungsdruck zu entgehen, versuchen Organisationen nach außen zwar alle formalen Kriterien zu erfüllen, jedoch nach innen bei gewohntem Vorgehen zu bleiben und die Kriterien den Bedürfnissen vor Ort anzupassen. Dies hat ein Auseinanderfallen von Form und Inhalt zur Folge: Die Form dient hier der Sicherung externer Legitimität, während die Organisationspraxis von externen Einflüssen abgeschottet wird. Wade Jacoby beschreibt

902 Vgl. Decker (2008), S. 447.

903 Vgl. UDMR (2016b).

904 Vgl. Lupea (2012), S. 1.

905 Vgl. Hitchins (1994), S. 63.

906 Vgl. Boia (2006), S. 19.

907 Schimmelfennig weist auch auf einen weiteren Umstand hin: Während in den „alten“ EU-Ländern nicht allen erweiterten Kriterien der neuen Kandidaten entsprechen musste und die Kriterien an sich oft existierenden, lokalen Gegebenheiten anpassten, kamen sie in den „neuen“

Mitgliedstaaten vielfach als unveränderte Vorlage zum Einsatz. Vgl. a. a. O., S. 265.

diesen Umstand als „Potemkinsche Harmonisierung“.908 Darüber hinaus hinkt die Umsetzung der EU-Regeln der Übernahme in geschriebenes Recht hinterher, was u. a. an zwei Gründen festgemacht werden kann: Zum einen war die formale Übernahme – und damit der Fortschritt – für die EU leicht zu überprüfen. Zum anderen war der Anreiz zur rein formalen Übernahme verstärkt, da die Kommission nur über begrenzte Kompetenzen und Mittel verfügt, um die Umsetzung zu überwachen.909 Im Endeffekt hatte die Europäisierung bei äußerst starken Anreizen eine ambivalente Wirkung: Dank der Beitrittskonditionalität verlief die Übernahme von Regeln zwar schnell und umfassend. Jedoch wurde der demokratische Transformationsprozess samt Dezentralisierung gebremst, die Umsetzung von Regeln vernachlässigt und deren Inhalt teilweise vom Sinn entkoppelt, während sich in den Staatsapparaten der MOL „Inseln der Europäisierung“ bildeten. Die Europäisierung der MOL war einer starken Beitrittskonditionalität zu verdanken, jedoch nicht der Eigenmotivation der Staaten. Angesichts eher schwacher Sanktionsmöglichkeiten stellt sich die Frage nach der weiteren Entwicklung in der post-konditionalen Phase.910

Vergleicht man die obige Analyse von Constantin und die bisherigen Erkenntnisse dieser Arbeit, finden sich auch im Falle Rumäniens einige Indizien, die der Darstellung von Schimmelfennig entsprechen. Merkmale einer „Potemkinschen Harmonisierung“ können etwa in den Phasen 1989 bis 1996 (Trägheit), aber auch noch 1997 bis 2007 (Übernahme) identifiziert werden, schließlich scheint der Versuch der Wahrung des Scheins nach außen in beiden Phasen auf. Während es im Minderheitenschutz zwar mittlerweile zu großen Verbesserungen gekommen ist, existieren dennoch große Defizite bei der Umsetzung der entsprechenden Normen, wie Kapitel 5 dieser Arbeit gezeigt hat.