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III. Abbildungsverzeichnis

2.1 Ethnische Gruppen und Minderheiten

Zur theoretischen Präzisierung bedarf es zunächst einer Definition und Erklärung der in der Arbeit verwendeten, einschlägigen Begrifflichkeiten. Dies soll im Folgenden geleistet werden.

Eine ethische Gruppe ist nach Smith „ein Typ kultureller Einheit, der sich auf einen Abstammungsmythos und historisches Gedächtnis stützt, und der sich durch eine oder mehrere kulturelle Eigenheiten wie Religion, Bräuche, Sprache oder Institutionen abgrenzt“14. Ethnische Gruppen zeichnen sich also durch einen gemeinsamen Namen und Ursprungsmythos, eine geteilte Geschichtserinnerung, eigenständige Kulturmerkmale, die Bindung an ein spezifisches Heimatland und Zusammengehörigkeitsgefühl aus.15

Aufgrund der sehr großen Breite an möglichen Eigenschaften, gestaltet sich die exakte Definition des Begriffs Minderheit, auch hinsichtlich internationaler Verträge, als äußerst

14 S. Smith, Anthony (1991): National Identity, London: Penguin, S. 20, zitiert nach Weller u. Wolff (2005a), S. 4.

15 Vgl. a. a. O., S. 21, zitiert nach Weller u. Wolff (2005a), S. 4.

schwierig.16 Capotorti beschreibt Minderheiten in seiner, von der UN übernommenen17 Definition folgendermaßen:

„A group numerically inferior to the rest of the population of a State, in a non-dominant position, whose members – being nationals of the State – possess ethnic, religious or linguistic characteristics differing from those of the rest of the population and show, if only explicitly, a sense of solidarity, directed towards preserving their cultures, traditions, religion or language.“18

Nach Benedikter sind drei situative Merkmale von Minderheiten zu beachten, die wesentliche Auswirkungen auf das Verständnis von und den Umgang mit Minderheitenkonflikten haben, nämlich die ethnografische Struktur des betroffenen Landes, die etwaige Unterstützung durch einen sogenannten Kin-State (Bruderstaat) und das Siedlungsmuster der Minderheit.

Nicht zuletzt bestimmen die Anzahl der involvierten Akteure und die Komplexität der Situation auch die Art und Herausforderungen der Maßnahmen zur Lösung des Konflikts.19

Die ethnografische Struktur ist insofern von Belang, als dass sie auch den kulturellen Pluralismus eines Staates beeinflusst. Hierbei lassen sich in Europa Nationalstaaten und multinationale Staaten unterscheiden. Der Nationalstaat ist auf die Mehrheitsbevölkerung ausgerichtet, die sich als sogenannte „Titularnation“ sieht ohne Einbezug davon abweichender, kleinerer Gruppen. Der multinationale Staat hingegen – wie z. B. in der Schweiz, Belgien oder Bosnien-Herzegowina – konstituiert sich aus zwei oder mehreren Bevölkerungsgruppen. Während im ersteren Fall insbesondere bei größeren Minderheiten das Konfliktpotential höher ist und Konflikte zwischen Zentralstaat und Minderheiten auftreten, entfachen sich solche im letzteren eher zwischen den verschiedenen Gruppen.20

Weiterhin ist die Situation von Minderheiten mit Kin-States gesondert zu betrachten. Dabei handelt es sich um Staaten, die „die Sprache, Kultur, Geschichte und andere Merkmale mit einer bestimmten Minderheit teilen und bereit sind, sich für den Schutz ihrer Rechte und Interessen im Nachbarland einzutreten“21.

Kin-State-Politik kann in drei Ziele unterteilt werden: Diese sind erstens die (kulturelle, sozioökonomische und institutionelle) Stärkung ko-ethnischen Gemeinschaften im Ausland, zweitens die Förderung grenzüberschreitender (sozialer, ökonomischer, kultureller)

16 Vgl. Benedikter (2008), S. 8.

17 Nämlich von der UN Kommission für Menschenrechte und UN Generalversammlung.

18 S. Lapidoth (1997), S. 10 f. Anmerkung: Immigrierte „neu angesiedelte“ Minderheiten können sich nach herrschender Meinung nicht auf den Schutz nationaler Minderheiten berufen (vgl. Benedikter, 2008, S. 8). Der im Folgenden verwendete Minderheitenbegriff bezieht sich daher nur auf historische, territorial verwurzelte Minderheitengruppen (zur Diskussion s. Benedikter, 2008, S. 15).

19 Vgl. Benedikter (2008), S. 13.

20 Vgl. Benedikter (2008), S. 12.

21 S. Benedikter (2008), S. 13; vgl. auch Riedel (2012), S. 60.

Austausches und drittens die Befähigung von Ko-Ethnien zum Wechsel in den Kin-State (durch vereinfachte Einbürgerungsbedingungen).

Die Maßnahmen zum Erreichen dieser Ziele sind unterschiedlich. Maßnahmen der Außenpolitik und Diplomatie sind indirekt, wie etwa bilaterale Verträge, die Komponenten des Minderheitenschutzes enthalten, oder etwa die Beeinflussung entsprechender internationaler Gesetzgebung, z. B. die der EU. Andere Maßnahmen hingegen beziehen sich direkt auf die Förderung der jeweiligen Minderheit im Ausland. Darunter sind vor allem Gesetze zu nennen, die auf Unterstützung in Unterricht, Wirtschaft und Kultur abzielen, und solche, die Angehörigen der jeweiligen Minderheit die vereinfachte Einbürgerung ermöglichen.22 Nach Meinung Vargas sind solche innerstaatlichen gesetzlichen Maßnahmen rechtmäßig:

„Such legislation can be regarded as legitimate even in cases when the protection of a national minority is exemplary in their home-state, since measures by the kin-state may sometimes put a brake to natural assimilation; this is regarded as constituting legitimate care and conforms to international regulations on minority protection.“23

Ein grenzübergreifender Einsatz für die Minderheit, gerade wenn er von dieser aktiv angeregt wird, wird von den souveränen Titularnationen jedoch oft kritisch und als Zeichen der Illoyalität der Minderheit gesehen. Hierdurch wird nicht nur die Zahl der am ethnischen Konflikt beteiligten Parteien erweitert, sondern auch das Konfliktpotential erhöht: Schließlich birgt jede Verschlechterung der Mehrheits-Minderheits-Situation auch direkte Auswirkung auf die bilateralen Beziehungen.24

Letztlich spielt auch die territoriale Frage des „Heimatlands“ für das interethnische Verhältnis eine Rolle, die eine subjektive und eine objektive Dimension aufweist. Während sich Erstere zunächst nur auf die eigentliche Siedlungsstruktur bezieht, ist bei Letzterer der symbolische Wert einer Region für die Ethnie von Bedeutung: Als „Ursprungsort“ gemeinsamer Herkunft herrscht hier eine besondere regionale Bindung bzw. Identifikation vor, d. h. ein Ort von zentraler Bedeutung für die Ausübung zukünftiger Selbstbestimmung und Forderungen nach territorialer Autonomie. Dies drückt sich oft auch in der Namensüberschneidung von Region und ethnisch-nationaler Minderheit aus, etwa bei den Katalanen, Basken oder Südtirolern.

Auch die territoriale Frage birgt Konfliktpotential: Beanspruchen sowohl Mehrheits- als auch Minderheitsbevölkerung mit Berufung auf die Historie dasselbe „angestammte“ Land, reagieren Staaten häufig mit verstärkter Kontrolle der Region.25

22 Vgl. Csergö (2011).

23 Vgl. Varga (2004), S. 474.

24 Vgl. Benedikter (2008), S. 13 f.

25 Vgl. Benedikter (2008), S. 12 f.