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III. Abbildungsverzeichnis

3.5 Österreichisch-ungarische Monarchie und „Magyarisierungspolitik“

Der Kompromiss von 1867 (sog. „Ausgleich“, Anm. d. Autors) zwischen Österreich und Ungarn befriedete die Forderung der Ungarn nach Eigenständigkeit in Form einer unabhängigen, konstitutionellen Monarchie mit einem in Personalunion österreichischen Kaiser als Oberhaupt. Teil des Vertrags war indes auch die Angliederung Siebenbürgens an die ungarische Reichshälfte, mit der die Idee eines ungarischen Einheitsstaats eine reelle Basis erhielt: Ihr folgten zunächst die Integration des neuen „alten“ Landesteils in die ungarische Verwaltung und die Ausweitung der Zuständigkeit des Reichstags in Budapest, in den jetzt nach Zensuswahlrecht aus den alten Verwaltungsbezirken gewählte Abgeordnete entsandt wurden. Sonderrechte wie die Selbstverwaltung der Konfessionen und die Nationsprivilegien wurden aufgehoben. 1868 wurde ein im europäischen Vergleich relativ liberales, aber in der Folge nie konsequent angewendetes Nationalitätengesetz verabschiedet. Statt den Ethnien gleichberechtigte Kollektivrechte einzuräumen, wurden sie nunmehr als Teil einer „einheitlichen, unteilbaren ungarischen Nation“234 betrachtet.

Ungarisch wurde Staatssprache, wobei die Nationalitäten ihre Muttersprache nun auf lokaler

231 Vgl. Roth (2007), S. 98 ff.

232 Diese waren die katholische, reformierte, lutheranische und unitarische (Anm. d. Autors).

233 Vgl. a. a. O., S. 102 f.

234 S. a. a. O., S. 107.

und regionaler Verwaltungsebene nutzen konnten und Unterricht, außer an den Universitäten, in der jeweiligen Muttersprache stattfand. Beim Wahlzensus galt für Siebenbürgen jedoch eine die Rumänen diskriminierende Sonderregelung, die nur einem Zehntel von diesen – trotz ihrer demographischen Mehrheit in der Region – das Wahlrecht gewährte. Diese reagierten zunächst mit langer politischer Passivität, forderten aber schließlich neben mehr Nationalitätenrechten eine Autonomie Siebenbürgens und zeigten eine grundlegende Ablehnung gegenüber dem Ausgleich. Die 1869 geformte Rumänische Nationalpartei für Siebenbürgen wurde verboten und die politische Interessensartikulation auf Regionalebene beschränkt. Ab 1880 erstarkte das politische Selbstbewusstsein und die Aktivität der rumänischen Bevölkerungsvertreter durch ihre Emanzipation von klerikaler Bevormundung235 und vermehrten Kontakten zu Institutionen und Kreisen in Rumänien.236

War die erste Phase nach dem Ausgleich noch getragen vom eher liberalen Impetus der

„Integration der Minderheiten“237 in der ungarischen Politik, kam es nach einem politischen Generationenwechsel zu einer immer stärkeren sog. Magyarisierungspolitik: Diese rührte vor allem aus einer Mischung aus Angst um den eigenen Fortbestand bei einem gleichzeitigen Gefühl kultureller Überlegenheit her. In vielen Regionen zur zahlenmäßigen Minderheit geworden und angesichts des wirtschaftlichen Aufstiegs der anderen Bevölkerungsgruppen, versuchte man sich nun in Stärkung der eigenen Volksgruppe, zunächst durch Kulturförderung, dann aber durch immer rücksichtsloseres Vorgehen gegenüber den anderen Ethnien, z. B. durch die Verwaltungsbehörden. So wurde etwa ab 1879 der Ungarischunterricht in Volksschulen obligatorisch und die Staatssprache zulasten der mittlerweile etablierten Dreisprachigkeit in der Verwaltung wesentlich aufgewertet. Die Maßnahmen führten insbesondere unter den Rumänen zu einer sich verhärtenden Abwehrhaltung. Während rumänische Kulturinstitutionen den Wegfall finanzieller Unterstützung durch den Zentralstaat nur schlecht verkrafteten, war die Funktion der Organisationen der Siebenbürger Sachsen davon kaum betroffen.238

Ab Mitte der 1890er Jahre galt die Erhöhung des ungarischen Bevölkerungsanteils als höchstes Ziel der ungarischen Regierungspolitik. Gleichzeitig genossen die siebenbürgischen Rumänen mittlerweile die volle Unterstützung Bukarests. Dieser Umstand sowie die restriktive Haltung seitens der ungarischen Regierung bewirkten bei rumänischen Politikern einen langsamen Wandel von Forderungen nach der Stärkung der eigenen Rechte

235 Gemeint ist die bis dahin existierende Dominanz der unierten und rumänisch-orthodoxen Kirchen in Fragen der rumänischen nationalen Identität (Anm. d. Autors).

236 Vgl. Roth (2007), S. 105 ff.; Rumänien hatte sich 1877 bis 1878 durch einen Unabhängigkeitskrieg von der Herrschaft des Osmanischen Reiches befreit, vgl. ebd.

237 Tatsächlich entwickelte sich ein „modernes Minderheitenbewusstsein im ungarischen Gesamtstaat […] erst gegen die Jahrhundertwende“, s. a. a. O., S. 107.

238 Vgl. Roth (2007), S. 110 ff.

hin zur Möglichkeit einer Vereinigung aller Rumänen in einem Staat. 1892 setzte sich schließlich die Rumänische Nationalpartei im Rahmen der rumänischen Nationalbewegung mit einer Denkschriftaktion (sog. Memorandum) für die Verbesserung ihrer Lage ein, insbesondere durch Unmutsäußerungen gegenüber dem Dualismus, über das Wahlrecht, die nationalitätenfeindliche Schulgesetzgebung und unzureichender Rechte der Nationalitäten. Wien und Budapest wiesen die Forderungen jedoch ab. Die Verurteilung der Verfasser zu Freiheitsstrafen im sog. Memorandum-Prozess sowie der Beginn einer Periode von Strafmaßnahmen gegenüber Minderheitenangehörigen zerrüttete das Verhältnis zur rumänischen Bevölkerung noch mehr. Schließlich tat die bei den Millenniums-Feierlichkeiten 1898 in Ungarn zur Schau getragene „Großungarnideologie“ ein Übriges, um auch den Argwohn der restlichen, nicht-magyarischen Bevölkerung weiter zu verschärfen.239

Um die Zeit der Jahrhundertwende bewegten sich die Vorstellungen der ungarischen Regierung und der rumänischen Eliten hinsichtlich der Nationalitätenpolitik zunächst auseinander: Die politische Vertretung der Rumänen richtete ihre Forderungen neu aus und war nun für die Anerkennung des Dualismus der Monarchie (d. h. die Vorherrschaft Österreichs und Ungarns; Anm. d. Autors) und für eine konstruktive Mitarbeit im Parlament.

Das neue Wahlprogramm der Rumänischen Nationalpartei 1905 stellte erstmals nicht eine Siebenbürgische Autonomie in den Vordergrund, forderte aber die Einhaltung des Nationalitätengesetzes von 1868, ethnisch-basierte Selbstverwaltungsgebiete und ein allgemeines Wahlrecht. In der ungarischen Politik hingegen stellten sich eine härtere Gangart und weitere Magyarisierungsmaßnahmen gegenüber den Minderheiten ein, die 1907 im sog. Apponyi-Gesetz zur Schulbildung mündete. Die gegen Wien und für eine ungarische Eigenständigkeit agierenden politischen Kräfte erhielten 1905 eine Parlamentsmehrheit, die das dualistische System in eine Krise führte. Gleichzeitig teilten die föderalistischen Umbaukonzepte des Thronfolgers Franz Ferdinand für eine Gesamtmonarchie den Rumänen eine gewichtige Rolle zu. 1910 setzten schließlich Verhandlungen zwischen Rumänen und der ungarischen Regierung ein, die mit dem Kriegsausbruch 1914 jedoch zum Erliegen kamen.240

Zu diesem Zeitpunkt war das politische Ungarn über das weitere Vorgehen hinsichtlich der Integration der Minderheiten uneins: Auf der einen Seite wollte man die friedliche Koexistenz der Ethnien, sah Siebenbürgen gar als „Schweiz des Ostens“. Auf der anderen Seite fürchtete man die immer stärkere Dominanz der ethnischen Minderheiten, deren gesellschaftlicher Aufstieg und Einfluss zunahm, während die demographische Zahl der ethnischen Ungarn im gesamten Land weiter sank.241

Bei Ausbruch des Krieges 1914 stand trotz der beschriebenen Zustände die „Treue der

239 Vgl. Roth (2007), S. 112 ff.

240 Vgl. a. a. O., S. 115 f.

241 Vgl. a. a. O., S. 117.

verschiedenen Ethnien Siebenbürgens und Ungarns zur Gesamtmonarchie und zur Krone außer Frage“242. Bukarest hingegen drängte auf den Erwerb der rumänisch besiedelten, angrenzenden Regionen und schloss 1916 mit den Entente-Mächten einen entsprechenden Geheimvertrag über Siebenbürgen, die Bukowina, das Banat und ostungarische Landsteile als Gegenleistung für den Kriegseintritt. Nach einem gescheiterten Versuch einer föderativen Umgestaltung der k. u. k. Monarchie durch Kaiser Karl I., der den Ethnien Selbstbestimmung zugestanden hätte, zerfiel der Staatsverband 1918243. Nach dem Waffenstillstandsabkommen vom 13. November folgte die Annektierung Siebenbürgens durch rumänische Truppen, die allerdings von der dort lebenden rumänischen Bevölkerung nur zurückhaltend begrüßt wurde.244 Schließlich ging „die Tendenz […] nicht so eindeutig in Richtung eines Großrumänien, wie dies die national ausgerichtete rumänische Geschichtsschreibung glauben machen möchte“245.