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III. Abbildungsverzeichnis

5.3 Minderheitenrelevante bzw. -spezifische Rechte

5.3.1 Religionsfreiheit

Für den Minderheitenschutz ist u. a. auch die Religionsfreiheit von Relevanz, also das Recht zur freien Ausübung von Religion sowie die diesbezügliche Neutralitätspflicht des Staates.

Religionsfreiheit wird, neben der Gedanken- und Meinungsfreiheit, durch Art. 29 RV gewährt, ist aber nicht für Minderheiten spezifisch. Demnach kann niemand gezwungen werden, entgegen den eigenen religiösen Überzeugungen einen anderen religiösen Glauben oder eine andere Meinung anzunehmen. Die Religionen sind ferner unabhängig vom Staat (Abs.

3 und 5) und erhalten Unterstützung durch diesen, speziell in den Bereichen der Seelsorge etwa in der Armee, Krankenhäusern oder Gefängnissen (Abs. 5).584 Die rumänische Regierung gibt offiziell an, sich z. B. durch eine Zusammenarbeit mit dem Institut für Religionsfreiheit auch international für die Verteidigung der Religionsfreiheit einsetzen zu wollen.585

Die Bedeutung der Religionsfreiheit muss im Falle Rumäniens besonders hervorgehoben werden, wenn man sich die identitätstiftende Rolle der rumänisch-orthodoxen Kirche (ROK) auf der rumänischen Seite sowie die durch ihre Bildungsinstitutionen kulturtragende Rolle der reformierten bzw. katholischen ungarischen Kirchen auf der anderen Seite vor Augen

581 Vgl. Rumänisches Parlament (2003b).

582 Vgl. Rusu (2007), S. 70.

583 Vgl. Interview 1-1.1.

584 Vgl. Rumänisches Parlament (2003c).

585 Vgl. Kirche in Not International (2014).

hält.586 Schließlich ist die „Identität der Menschen in Südosteuropa […] primär ethnisch und religiös definiert [und] die Nationenbildung selbst […] oft ganz eng mit der Konfession und der Kirchenbildung“ 587 verbunden. Für die rumänische Seite gilt dies in doppelter Weise:

Zum einen weist das traditionelle rumänische Selbstbild eine Untrennbarkeit von der ROK auf.588 Zum anderen ist das rumänische Staatswesen durch die Symphonia, d. h. der Eintracht zwischen ROK und rumänischem Staat, in besonderer Weise mit der ROK verbunden.589 Da durch die enge Bindung von Orthodoxie und Nation auch die politische Komponente eine sehr große Rolle spielt,590 ist die genannte Neutralitätsbestimmung für die ungarische Minderheit von besonderer Bedeutung, da sie sich – quasi als Fremdkörper – nicht im Konzept der Symphonia wiederfindet.

Schon während Ausarbeitung der neuen Verfassung nach der Wende versuchte die ROK ihre Stellung als rumänische Staats- oder Nationalkirche zu festigen und für ihre Würdenträger ein Recht auf automatische Mitgliedschaft im Senat festzuschreiben. Zwar konnte sich die ROK mit ihren Forderungen weder 1991 noch in der Novellierung der Verfassung von 2003 durchsetzen, dennoch bestand die Führung der ROK kompromisslos auf die rechtliche Verankerung der dominanten, nationalen Rolle der ROK. Über 16 Jahre verhinderte dies eine Einigung mit den anderen Religionsgemeinschaften über einen Entwurf eines neuen Kultusgesetzes, bis schließlich 2006 das Gesetz Nr. 489/2006 über die Glaubensfreiheit und den allgemeinen Status der Glaubensgemeinschaften verabschiedet wurde. Das neue Kultusgesetz sollte die verfassungsrechtlichen Regelungen konkretisieren sowie die Glaubensausübung, das Verhältnis von Kirche und Staat sowie die Anerkennung der Glaubensgemeinschaften ordnen. Durch das Gesetz wird die Glaubensfreiheit garantiert und jeder Person auf rumänischem Gebiet das Grundrecht auf Meinungs-, Gewissens- und Glaubensfreiheit zugesichert (§ 1 Abs. 1). Das Gesetz nennt die ROK zwar nicht als dominante, nationale Kirche, jedoch als einzige beim Namen. Demnach erkennt der rumänische Staat „die wichtige Rolle der Rumänischen-Orthodoxen Kirche sowie der anderen anerkannten Kirchen und Glaubensgemeinschaften in der nationalen Geschichte Rumäniens und im Leben der rumänischen Gesellschaft“ (§ 7 Abs. 2) an. Der Staat verpflichtet sich ferner zur Wahrung des religiösen Friedens (§ 13 Abs. 2). Auch fixiert das Gesetz die religiöse wie ideologische Neutralität des Staates – sowohl in gesetzlicher als auch behördlicher Hinsicht – und schließt die Existenz einer Staatsreligion kategorisch aus

586 So tragen die Kirchen u. a. Schulen, Sozialeinrichtungen und Kindertagesstätten, vgl. MacDowall (2016); s. a. Kapitel 3.

587 S. Tavala (2011), S. 2.

588 Vgl. Mungiu-Pippidi u. Poiana (2010), S. 20; vgl. auch die Ausführung hierzu im Kapitel 3.3.;

gleichzeitig spielen die eigenen Kirchen als wichtige Kultur- und Bildungsträger auch eine wichtige Rolle für die ungarische wie deutsche Minderheit in Siebenbürgen (vgl. Kapitel 5.3.6.3).

589 Vgl. Tavala (2011), S. 2.

590 Zu politischen Aspekten der ROK vgl. Konzett (2014); s. a. die Einflussnahme im Wahlkampf 2014 in Kapitel 4.

(§ 9 Abs. 1 u. 2). Nicht zuletzt leistet der Staat den Glaubensgemeinschaften direkte Unterstützung, z. B. bei der Besoldung des Personals oder dem Bau und der Renovierung von Kirchen (§ 10 Abs. 4 u. 6). An der klaren Trennung von Kirche und Staat kommen daher in manchen Bereichen Zweifel auf. So erscheint beachtenswert, dass 2007 ca. 83 % der aufgewandten staatlichen Personalmittel an die ROK gingen, da diese mit ca. 87 % der Gläubigen de facto die dominante religiöse Konfession in Rumänien stellt.591 Genauso stark kann die ROK durch die Steuerbefreiung für Religionsgemeinschaften profitieren.592 Dem Neutralitätsgrundsatz wird zwar durch die Gleichstellung genüge getan, dieser aber durch die Subventionierung der faktischen Mehrheit konterkariert. Dies steht in der Kritik:

„Since financing religious activities out of public money is equivalent to sponsoring the Romanian Orthodox Church, more and more voices are asking not only for financial self-sustainability for Churches, but taxing their activity.”593

Neben der staatlichen Finanzierung der über 50.000 rumänisch-orthodoxen Priester594 stößt vor allem die Beihilfe für Kirchenbauten der ROK auf Kritik.595 Gemeint ist hiermit nicht nur die staatliche Förderung der monumentalen „Kathedrale der Erlösung des Rumänischen Volkes“ in Bukarest596, sondern auch die hohe Zahl der seit der Wende errichteten Neubauten: Mit jährlich ca. 120 neuen Sakralbauten verfügt Rumänien mittlerweile über die höchste Zahl an orthodoxen Kirchen in Europa. Die Gebäude, oft ohne tatsächlichen Bedarf errichtet, erhalten dabei problemlos Genehmigungen und Finanzierung durch den Staat. Sie dienen quasi als steingewordene Erinnerung an den früheren und neuen Platz der ROK in der Gesellschaft.597 Da der finanzielle Aufwand nicht alleine durch Spenden zu tragen sei, würden Bau und Instandhaltung durch Lokal- und Zentralbehörden, d. h. Ministerien, Nationalbank und staatliche Firmen unterstützt. Unter die Maßnahmen fällt etwa die starke Allokation von Steuergeldern durch das Staatssekretariat für Religionsfragen, durch über 250 diesbezügliche Regierungsentscheidungen sowie durch die Gemeinden selbst (Baumaterialien, Immobilien, Geld oder unentgeltliche Nutzung von Land).598 In vielen Fällen profitierte die ROK durch Regierungsentscheidungen die viele Liegenschaften unter deren Verwaltung stellten, während eine hohe Zahl von Restitutionsfällen ungarische Gemeinden und Kirchen betreffend ungelöst bleiben.599 Nicht zuletzt wird in der Eilverordnung Nr. 114/2013 die ROK als eine Kerninstitution des rumänischen Staates bezeichnet.600 Die ROK und Befürworter des Vorgehens betrachten die großzügigen Zuwendungen des Staates

591 Vgl. Brusanowski (2011), S. 420 ff.

592 Vgl. Voiculescu (2015).

593 Vgl. Mungiu-Pippidi u. Poiana (2010), S. 10.

594 Vgl. Wagner (2014).

595 Vgl. IG2W (2013).

596 Vgl. Deutsche Welle (2011).

597 Vgl. Stan u. Turcescu (2006), S. 1121 f.

598 Vgl. Andreescu (2007), S. 478.

599 Vgl. UDMR (2016a), S. 18.

600 Vgl. UDMR (2016a), S. 22.

als Kompensation für Enteignungen bzw. Repressionen der ROK im Kommunismus.601 Kritiker sehen dies hingegen als Klientelismus:

„In many cases politicians give public funds to churches and in exchange the priests support them in electoral campaigns. Often you see the construction companies who build the churches owned by people who are very close to the politicians.”602

Die enge Zusammenarbeit zwischen Politik und Kirche während Wahlen wird zwar auch vom Minister für Religionsangelegenheiten Victor Opaschi negativ beurteilt.603 Der Unterstützung des Kathedralbaus sei jedoch legitim, da diese die „nationale Würde“ Rumäniens symbolisiere (Adrian-Nicolae Lemeni, Staatssekretär für religiöse Angelegenheiten).604 Andere Beobachter sehen die Bauwelle als oktroyierte „Kolonisierung“, Eingriff in die Glaubensfreiheit gegenüber Andersgläubigen sowie Zeichen der fehlenden Trennung von Staat und Kirche.605

Darüber hinaus kommt es regelmäßig – wie ein NGO-Bericht feststellt – zum Ausschluss nichtorthodoxer Würdenträger bei offiziellen Anlässen, problematischen Genehmigungsprozessen bei Bauvorhaben für nichtorthodoxe Kirchen und einem Beinahe-Stillstand der Restitution von Kircheneigentum.606 Nach rumänischem Recht gelten diese als soziale Nichtregierungs-Einrichtungen607, die u. a. der Unterstützung lokaler Gemeinschaften dienen. Die Zentralregierung, in Person des Finanzministers, stützte dieses Vorgehen, da die Kirchen keine anderen Finanzierungsquellen für ihre Aktivitäten besäßen.608 Die beschriebenen Vorgänge machen die ROK „zu einem der bedeutendsten Akteure hinter den Kulissen der rumänischen Politik“609.