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III. Abbildungsverzeichnis

5.1 Minderheitenschutz im Europäischen Recht

Der großen Zahl an Minderheiten in Europa wurde auch auf europäischer Ebene durch die Schaffung rechtlicher Bestimmungen Minderheitenschutz Rechnung getragen. Im Folgenden wird eine kurze Übersicht über die wesentlichsten Regelungen gegeben, nämlich die der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) und ihrer Nachfolgeorganisation, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), des Europarats sowie der EU.505

5.1.1 KSZE und OSZE

Normative Grundlage für die Zusammenarbeit der Mitglieder der KSZE ist der sog. Dekalog des Völkerrechts in der Schlussakte von Helsinki von 1975.506 Neben Regeln zum Umgang der Staaten miteinander, wie etwa der Unverletzlichkeit der Grenzen, der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten sowie dem Territorial- bzw. Souveränitätsprinzip, wurden auch die Achtung der Menschenrechte, Grundfreiheiten sowie der Prinzipien der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker festgehalten und der kulturelle Beitrag von Minderheiten anerkannt. Eine weitgehende Ergänzung erfuhr der KSZE-Minderheitenschutz 1989 anlässlich einer Konferenz in Kopenhagen.507 In den Grundlagen wurden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, den Minderheiten Möglichkeiten zur Wahrung ihrer Identität zu schaffen. Darunter fallen u. a. ein Diskriminierungsverbot, das Recht auf eigene Bildungs-, Kultur- und Religionseinrichtungen, der Gebrauch der Muttersprache im Alltag und bei Behörden, muttersprachlicher Unterricht sowie die Partizipation an Selbstverwaltungsstrukturen und öffentlichen Angelegenheiten. Genannt wurde auch die Möglichkeit der autonomen Verwaltung im Einvernehmen mit der Politik des jeweiligen Staates. Der Fokus der KSZE/OSZE-Normierung liegt dabei auf Fördermaßnahmen und dem individuellem Schutz der Angehörigen von Minderheiten. Ohne die Übertragung in bilaterale Verträge – wie dies schon mehrfach geschehen ist – sind diese zwar nicht

504 Vgl. Interview 6-1.3.V2.

505 Die Übersicht stellt eine Zusammenfassung der detaillierten Ausarbeitung von Gruber (2015), S.

95-109 inkl. der dort verwendeten Basisliteratur dar und legt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

506 Vgl. OSZE (1975).

507 Vgl. OSZE (1990).

rechtlich bindend, sie entfalten jedoch eine hohe politisch-moralische Verpflichtung.508

5.1.2 Europarat

Hinsichtlich des Europarates sind für den Minderheitenschutz von Relevanz: die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (ECRM), die sog. Empfehlung 1201 sowie das Rahmenabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (RSNM).

Der Schutz des EMRK liegt hierbei im Wesentlichen in Art. 14 EMRK begründet. Dieser enthält ein Diskriminierungsverbot u. a. wegen Rasse, Hautfarbe, Sprache, nationaler Herkunft und Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit.509 Der Schutzbereich des Art. 14 wird durch das 12. Zusatzprotokoll Art. 1 EMRK510 zu einer allgemeinen Nichtdiskriminierungsnorm hinsichtlich der Rechte erweitert, die einem Individuum im Rechtsrahmen des jeweiligen Staates zugesichert werden, unabhängig von den restlichen in der EMRK erwähnten Rechten. Eingeklagt werden können die Rechte der EMRK vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Seine Urteile sind für die Mitglieder des Europarates bindend.511 Die Befolgung des EMRK in den Bereichen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz wird etwa durch die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) beobachtet. Dabei erstellt sie z. B.

Monitoring-Berichte, arbeitet mit NGOs zusammen und veröffentlicht Empfehlungen.512 Die ECRM513 ist auf den Schutz der Minderheitensprachen fokussiert. Die Maßnahmen umfassen u. a. Bildung, Justiz- und Verwaltungsbehörden, Kultur, Wirtschaft und Soziales.

Die ECRM bezieht sich auf Staatsbürger, die einer Minderheit angehören und nicht die Amtssprache sprechen. Ihre Tragweite ist jedoch relativ beschränkt: Zum einen hängt sie stark vom Ermessen des Mitgliedsstaates ab, der auch die Minderheitensprache selbst bestimmen kann, auf die die Charta angewandt werden soll. Zum anderen fixiert sie lediglich staatliche Verpflichtungen, aber keine Individual- bzw. Kollektivrechte für die Minderheiten. Nicht zuletzt besitzt sie nur geringe Durchschlagskraft, da sie nur im Rahmen eines Staatenberichtsverfahrens überwacht wird.514

Empfehlung Nr.1201, der „Entwurf eines Zusatzprotokolls zur EMRK betreffend die nationalen Minderheiten und ihre Angehörigen“, beinhaltet eine Definition von nationalen Minderheiten und ist politisch verbindlich. Rechtlich verankert werden die Gründung eigener Parteien, Schulen, Ortsbezeichnungen in der Minderheitensprache, die Verwendung der Muttersprache vor Gericht und im Umgang mit der Verwaltung. Zudem wäre in Regionen

508 Vgl. Gruber (2015), S. 97 ff.

509 Vgl. Europarat (1950), S. 13.

510 Vgl. Europarat (2000), S. 49 f.

511 Vgl. Gruber (2015), S. 100.

512 Vgl. Deutsches Institut für Menschenrechte (2016).

513 Vgl. Europarat (1992).

514 Vgl. Gruber (2015), S. 101.

mit Minderheitenmehrheit demnach entweder ein besonderer Status oder aber eine Selbstverwaltung möglich. Schließlich ähneln einige Bestimmungen Kollektivrechten, etwa bei Protokollen, die nicht nur Angehörigen von Minderheiten, sondern auch deren Organisationen bei Verstößen einen Rechtsweg eröffnen. Die Empfehlung 1201 scheiterte jedoch an der geforderten Einbindung des EGMR als gerichtliche Überwachungsinstanz.

Das Zusatzprotokoll wurde daher nur im Rahmen von bilateralen Verträgen in staatliches Recht eingebunden.515

Das RSNM ist das „erste rechtsverbindliche multilaterale Instrument Europas, das dem Schutz nationaler Minderheiten im allgemeinen gewidmet ist“516. Es beinhaltet einen umfassenden Katalog an Rechten, zu denen u. a. gehören: die staatliche Unterstützung kultureller Identität, die Ermöglichung der Teilnahme am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben, Zugang und Schaffung eigener Medien, ein Verbot der Diskriminierung, die Schaffung effektiver Gleichheit vor dem Gesetz bzw. die staatliche Förderung dieser, der freie Sprachgebrauch, die Erziehung, Bildung und Namensführung in der Muttersprache, zweisprachige Orts- und Straßenschilder sowie grenzüberschreitende Kontaktpflege. Ferner gilt das Verbot von Assimilierungsmaßnahmen bzw. einer Veränderungen der Bevölkerungsanteile zum Nachteil der Minderheiten. Sofern angemessen, wird eine positive Diskriminierung sogar gefordert.517 Den Staaten bleibt bei der Umsetzung jedoch ein weiterer Ermessensspielraum: Es reicht, wenn sie sich

„bemühen“, ihre beschriebenen Pflichten sind nicht durch entsprechende Normen fixiert.

Darüber hinaus sind weder Autonomie- oder Beschwerderechte beinhaltet, noch ist das RSNM gerichtlich durchsetzbar. Das Monitoring der Einhaltung geschieht lediglich durch Staatenberichte im Fünf-Jahres-Turnus.518

Hinsichtlich der Autonomiethematik sind außerdem noch die Resolution 1334519 und die Empfehlung 1609520 hervorzuheben, die Autonomie als geeignetes Mittel zur Lösung von Minderheitenkonflikten betonen.

Die Unterzeichnung der oben genannten Abkommen (EMRK, ECRM, RSNM) stellt eine Bedingung für den Beitritt zum Europarat dar. Damit werden die in den Abkommen erwähnten Rechte der Form nach gewährleistet. Festzuhalten ist dabei, dass die genannten Verträge bzw. Abkommen nur einen Minimalkonsens der Mitglieder bilden, in vielen Fällen nur ohnehin schon Bestehendes beschreiben und durch den weiten Ermessensspielraum der Staaten in der Umsetzung eingeschränkt werden können. Darüber hinausgehende

515 Vgl. Gruber (2015), S. 101; s. Grundlagenvertrag zwischen Rumänien und Ungarn, Kapitel 9.3.2.

516 Vgl. Europarat (1995a).

517 Vgl. Europarat (1995b); mehr Details zum Monitoring und Umsetzung bei Hofmann (2004) sowie Hofmann (2009).

518 Vgl. Gruber (2015), S. 102 f.

519 Vgl. Europarat (2003b).

520 Vgl. Europarat (2003c).

Regelungen existieren bis dato nicht, was eventuell auf die in vielen Mitgliedsstaaten ohnehin schon existierenden hohen Standards zurückzuführen ist, die keine zusätzlichen Regelungen nötig machen. Nach einer erst späten Auseinandersetzung der EU mit dem Minderheitenschutz konnten jedoch seit der Wende Fortschritte erzielt werden. Neben den Urteilen des Europäische Gerichtshofs (EuGH), die die Standards vereinheitlichen, zeigen die jüngsten Abkommen, wie etwa der Vertrag von Lissabon und die Grundrechtecharta, das die Thematik zumindest erkannt wurde.521

5.1.3 Europäische Union

Minderheitenfragen wurde in der EU bis zur Jugoslawienkrise Anfang der 90er-Jahre eher marginale Aufmerksamkeit geschenkt. Erst vor dem Hintergrund der Krise einigten sich die Mitgliedstaaten auf „Richtlinien zur Anerkennung neuer Staaten in Osteuropa und der Sowjetunion“522, die den Minderheitenschutzstandard der KSZE zur Bedingung von Neuaufnahmen erklärte.523 1993 wurden in Kopenhagen die Kriterien für den Beitritt zur EU festgelegt und 1995 bestätigt. Hierunter fallen, neben der Stabilität der Institutionen zur Wahrung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, auch die Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten.524

Durch den Vertrag von Maastricht (1992) verpflichteten sich die Mitgliedsstaaten „zur Einhaltung der UN-Charta und der Prinzipien der Schlussakte von Helsinki“525 (Art. J.1.2), er setzt einen „Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedsstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt“526.Minderheitenschutz wird von den Beitrittskandidaten der EU außerdem über den Stabilitätspakt für Europa (überwacht durch die OSZE) sowie die Assoziierungsabkommen gefordert.527 Die Kopenhagener Kriterien wurden auch in den Amsterdamer Vertrag528 eingebunden. Eine Erweiterung stellt dabei Art. 6a dar, der der EU ermöglicht „geeignete Vorkehrungen [zur Bekämpfung] von Diskriminierung aus Gründen der Rasse, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung“529 zu treffen.

Darauf gründen die folgenden Nichtdiskriminierungsrichtlinien, die den Anfang eines einheitlichen Mindestschutzstandards darstellen. Die sog. Antirassismus-Richtlinie530 verbietet ethnische Diskriminierung und dient der Gleichbehandlung in vielen privaten und öffentlichen Lebensbereichen, darunter etwa in Bildung und Beruf. Wie beim RSNM sind Maßnahmen positiver Diskriminierung zwar möglich, jedoch nicht verpflichtend. Auch hängen sie vom Ermessen des jeweiligen Staates ab und müssen laut EuGH

521 Vgl. Gruber (2015), S.103, 109.

522 Vgl. EG-Außenminister (1991).

523 Vgl. Gruber (2015), S. 104.

524 Vgl. Europäische Union (2016).

525 Vgl. Europäische Union (2002), S. 123.

526 Vgl. Europäische Union (2002), S. 48.

527 Vgl. Gruber (2015), S. 105 f.

528 Vgl. Europäische Union (1997).

529 Vgl. Europäische Union (1997).

530 Vgl. Rat der Europäischen Union (2000).

verhältnismäßig sein.531 Eine ähnliche Stoßrichtung für den Minderheitenschutz intendiert zudem der Rahmenbeschluss zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.532

Im Lissabonner Vertrag533, der auch die Kopenhagener Kriterien erhält, werden die Rechte von Angehörigen ethnischer und nationaler Minderheiten zum ersten Mal im Primärrecht der EU berücksichtigt und zu deren Grundwerten gezählt. Zum Schutzrahmen zählen u. a. das Verbot negativer Diskriminierung, die aktive Förderung des Minderheitenschutzes, die Kontrolle der EU durch den EGMR sowie eine Verpflichtung zur Bekämpfung „soziale[r] Ausgrenzung und Diskriminierung“534. Mit dem Lissabonner Vertrag trat auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union535 in Kraft. Auch sie enthält ein „Verbot der Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft, Sprache oder Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit“ sowie ein Bekenntnis zur Achtung und Entwicklung des vielfältigen kulturellen Erbes Europas. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union536 hält die EU ferner an, die Bekämpfung von Diskriminierung z. B. wegen ethnischer Herkunft bei der „Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen“ zu berücksichtigen.537 Mit der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte wurde zudem eine Institution geschaffen, die eine Situationserfassung zur Einhaltung von Grundrechten in den Mitgliedsländern liefern soll538, die allerdings über keine Sanktionskompetenz verfügt, sondern v. a. der Analyse und Beratung dient.539 Zudem fokussiert sie sich thematisch auf Bereiche wie die Diskriminierung wegen Geschlechts, Rasse, ethnische Herkunft, Religion, sexueller Ausrichtung und von Angehörigen von Minderheiten.540 Neben den sexuellen Minderheiten, Migranten und Roma werden die nationalen Minderheiten jedoch nicht im Einzelnen behandelt.541

Anders als der Europäische Rat hat die EU selbst kein Minderheitenschutzsystem durch eigene Rechte für Angehörige von Minderheiten entwickelt. Allerdings ist – wie oben schon erwähnt wurde – der Minderheitenschutz Bestandteil der Kopenhagener Kriterien, die EU-Anwärterstaaten zu erfüllen haben. So orientiert sich die Kommission im periodischen Monitoring der Beitrittsfortschritte der Kandidatenstaaten an den Gutachten des Europäischen Rats und der OSCE.542

531 Vgl. Gruber (2015), S. 105 f.

532 Vgl. Rat der Europäischen Union (2008).

533 Vgl. Europäische Union (2007).

534 Vgl. Europäische Union (2007).

535 Vgl. Europäische Union (2012a).

536 Vgl. Europäische Union (2012b).

537 S. Gruber (2015), S. 107 f.

538 Vgl. FRA (2007).

539 Vgl. Toggenburg, Gabriel (2007), S. 5.

540 Vgl. Rat der Europäischen Union (2008).

541 Vgl. Filep (2018).

542 Vgl. Constantin (2013b), S. 342.