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Relevanz

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3. Struktur und Methodik

4.1 Charakteristische Merkmale

4.1.3 Relevanz

Da politische Kommunikation stets mit der Durchsetzung einer bestimmten Sicht und Interpretation der Welt sowie mit Macht und Herrschaft zu tun hat, sind Fragen zur politischen Kommunikation grundsätzlich immer auch von öffentlichem Interesse (Sarcinelli 2011, 17).

Speziell was transnationale Kommunikationsprozesse im Rahmen der EU betrifft, ist festzuhalten, dass in dem Maß, wie politische Verantwortung auf die transnationale Ebene übertragen wird, aus demokratietheoretischer Sicht auch die öffentliche Diskussion transnationaler Politik und Politikvermittlung gefordert ist (Wessler & Brüggemann 2012, 75).

transnationalen europäischen Öffentlichkeit als normative Voraussetzung für die demokratische Legitimation der EU-Politik (Polownikow 2017, 399–411).

Im Folgenden werden Begründungen aus der Praxis europäischer Governance – mit einem Schwerpunkt auf der Europäischen Kommission, dem Fallbeispiel der vorliegenden Arbeit – und Argumentationen aus Diskursen zu Globalisierungs- bzw.

Transnationalisierungsprozessen dargestellt, welche die Relevanz transnationaler Kommunikationsprozesse und deren wissenschaftliche Reflexion untermauern. Hierbei ist mitzudenken, dass vor allem die Massenmedien eine spezielle Rolle in Hinblick auf die Vermittlung transnationaler politischer Informationen einnehmen: Je weiter ein Thema von der direkten Alltagserfahrung der Bürger*innen entfernt ist, desto größer ist laut Spanier die Bedeutung der Medienberichterstattung für die Meinungsbildung des*der Einzelnen (Spanier 2012, 67). Dabei wird ein Zusammenhang zwischen einer häufigen Erwähnung in den Medien und der Einschätzung von Wichtigkeit, die Bürger*innen politischen Themen zusprechen, festgestellt (Tenscher 2009, 496). Insgesamt ist zu konstatieren, dass nach dem Jahr 2010 – mit der Ausbreitung der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise – in der Literatur zu Europäisierungsprozessen ein expliziter Forschungsfokus auf EU-Kommunikation abhandengekommen ist. Abseits spezifischer wissenschaftlicher Abhandlungen von EU-Kommunikationsaspekten rund um den Brexit, der weithin als ein „fatal communication disaster” (Welfens 2017, 33) auch der Europäischen Institutionen bezeichnet wird, hat das allgemeine Forschungsinteresse seither deutlich abgenommen, was einer aktualisierten Auseinandersetzung mit EU-Kommunikation und ihrer medialen Abbildung im Rahmen dieser Arbeit zusätzliche Relevanz gibt.

1.) Fokus: Europäische Governance

Die politischen Maßnahmen während und nach der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 haben den EU-Institutionen den Vorwurf der Untergrabung der Legitimität demokratisch gewählter nationaler Regierungen eingebracht. Die Zunahme politischer Kompetenzen auf EU-Ebene auch im Finanz- und Steuerbereich – eine neue Architektur zur Regulierung des Bankensektors sowie eine gemeinsame Koordination der Steuer- und Budgetpolitik – führte zu einer Verbreiterung und Vertiefung der europäischen Integration und zu einem Verlust an Souveränität der Nationalstaaten. Auch klassische, nicht auf EU-Ebene vergemeinschaftete

Bereiche der Nationalstaaten wurden von den Maßnahmen berührt: Pensionen, Löhne, Bildung, Gesundheitssysteme und Sozialpolitik (Börzel & Panke 2016, 112–113). Diese Maßnahmen haben Diskussionen über eine demokratische Legitimierung politischer Entscheidungen auf EU-Ebene sowie die Qualität transnationaler Formen demokratischer Steuerung erneut losgetreten (Wessler et al. 2008; Habermas 2011).

Speziell was die Europäische Kommission betrifft, ist festzuhalten, dass ihr im Rahmen der zur Finanz- und Wirtschaftskrise geschaffenen Maßnahmen auch neue Aufgaben im politischen Mehrebenensystem der Europäischen Union übertragen wurden: Administration und Unterstützungsleistungen in Entscheidungsfindungsprozessen, eine Schlüsselrolle im Monitoring von Implementierungsprozessen, eine enge Kooperation mit der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds im Rahmen der sogenannten „Troika“

zur Überwachung von europäischen Ländern in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sowie neue Kompetenzen bei der Kontrolle nationaler Wirtschaftspolitik in allen EU-Ländern wie die „Six-Pack“- sowie „Two-„Six-Pack“-Haushaltsüberwachung. Die Aufgabe der Alarmierung nationaler Regierungen, wenn Kriterien nicht eingehalten werden, veränderte die Beziehung der Europäischen Kommission zu den EU-Mitgliedsländern, weil sie fortan als „Watchdog“ im Bereich ökonomischer Politikplanung der Nationalstaaten auftreten konnte. Auch die neue umgekehrte Mehrheitsentscheidungsregel auf Ratsebene verstärkte die Agenda Setting Rolle der Kommission, indem sichergestellt wurde, dass Vorschläge für Korrekturmaßnahmen gegen EU-Mitgliedsländer, die das Defizit verletzen, angenommen werden – es sei denn, eine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedsländer ist anderer Meinung. Um das Bild zu vervollständigen, muss jedoch hinzugefügt werden, dass in anderen Bereichen wirtschafts- und finanzpolitischer Reformen auch starke Zurückhaltung der EU-Mitgliedsländer herrschte, Befugnisse an die Europäische Kommission zu übertragen (Hodson & Puetter 2016, 372–373;

Christiansen 2016, 108). Was die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise verursachte, veränderte Rolle der Europäischen Kommission und die Legitimität ihrer Exekutiv- und Kontrollbereiche betrifft, sind daher auch unterschiedliche Einschätzungen in der Literatur zu finden: Während Moravcsik diesbezüglich von Vertrauen in die Demokratie spricht (Moravcsik 2012), äußert Scharpf eine Krise demokratischer Legitimität und kritisiert hierbei vor allem die sogenannte „Troika“ zur Überwachung von europäischen Ländern in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, an der die Europäische Kommission beteiligt war (Scharpf 2011). Majone

konstatiert ebenfalls eine veränderte Machtkonstellation innerhalb der EU und kritisiert die neuen Befugnisse der Europäischen Kommission, die aus einer demokratischen Perspektive über die Art von Funktionen hinausgehen, die an nicht mehrheitlich demokratisch legitimierte Institutionen delegiert werden sollten (Majone 2014). Smismans spricht der Europäischen Kommission abseits der Kritik an mangelnder Output-Legitimität generell die Rolle eines explizit politischen Gremiums zu, da sie die Aufgabe hat, europäische Interessen zu repräsentieren, aufgrund derer sie von nationaler Seite immer wieder kritisiert wird (Smismans 2016, 348). Christiansen weist diesbezüglich vor allem auf die Politisierung der Europäischen Kommission durch die Einführung des Spitzenkandidat*innensystems bei Wahlen zum Europäischen Parlament hin (Christiansen 2016, 99).

Probleme mangelnder demokratischer Legitimität der Europäischen Union als Ganzes und der Europäischen Kommission im Speziellen sind nicht erst seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ein relevantes Thema in öffentlichen und wissenschaftlichen Diskursen: Seit den Maastrichtverträgen 1992 und spätestens seit den gescheiterten Referenden in Frankreich und in den Niederlanden zur geplanten EU-Verfassung im Jahr 2005 werden mangelnde Transparenz und Legitimität transnationaler europäischer Politik problematisiert (Gerhards 2002, 135). Neben der institutionellen Ebene der Europäischen Union wird auch ein Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit sowie eines europäischen Demos als Problem benannt:

Nicht nur demokratische Politikprozesse, sondern auch Schwierigkeiten, diese mit einer breiten öffentlichen Debatte zu verbinden, die vielfach den nationalen Interessen der vorrangig national organisierten Medien zugeschrieben werden, sind hierzu anzuführen (siehe Kapitel 4.2.2). Die Vermittlung europäischer Governance sowie eine journalistische Kontrolle spielen gerade auch dann eine Rolle, wenn es um weitreichende politische Entscheidungen wie zur Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise geht. Wenn Medien nur mit Entscheidungsträger*innen der eigenen nationalen Wähler*innenschaft kommunizieren, um nationale Interessen zu verteidigen, wird ein gemeinsames politisches Vorgehen auf EU-Ebene aufgrund zunehmender Skepsis gegenüber der europäischen Integration schwierig.

Renationalisierungstendenzen sowie ein Anwachsen radikaler politischer Bewegungen und Auswirkungen auf gesellschaftliche Solidarität sind zusätzliche Argumente, um der wissenschaftlichen Betrachtung der politischen Kommunikation in transnationalen Räumen Relevanz zuzusprechen (Smismans 2016, 344–350).

2.) Fokus: Globalisierungs- bzw. Transnationalisierungsprozesse

Für die Einschätzung politischer Kommunikation in transnationalen Räumen muss auch die Globalisierungs- und Transnationalisierungsforschung in den Blick genommen werden: Seit den 1980er Jahren wird der Prozess der Globalisierung zum Großteil mit negativen Bewertungen in Hinblick auf die Demokratie-Entwicklung in Verbindung gebracht. Mitunter wird auch von einem Ende der Demokratie gesprochen (Guehenno 1994).

Die grenzüberschreitende Verdichtung gesellschaftlicher Systeme hat dabei zur Folge, dass Entwicklungen im regionalen oder nationalstaatlichen Raum zunehmend auch globale Auswirkungen haben, wie beispielsweise die Finanz- und Wirtschaftskrise vor Augen führte (Assenbrunner 2011, 43). Zu bedenken ist hierbei, dass in transnationalen politischen Räumen nicht nur supranationale, transnationale bzw. internationale Institutionen agieren, sondern auch nationale Regierungen Politik gestalten (Wessler & Brüggemann 2012, 70). Die Wirkung politischer Entscheidungsmacht und der Horizont politischer Problemketten sind aufgrund von Globalisierungs- bzw. Transnationalisierungsprozessen nicht mehr deckungsgleich wie in nationalstaatlichen Demokratien. Meyer bezeichnet das Risiko einer Entdemokratisierung aufgrund von Globalisierungs- bzw. Transnationalisierungsprozessen daher als „politisches Diskrepanzproblem“ (Meyer 2009a, 200), welches zu einer Entkopplung jener Arena, in der politische Probleme erzeugt werden, und jener Arena, in der demokratisch legitimierte Gestaltung möglich ist, führt (Meyer 2009a, 200–202). Werden zusätzlich politische Entscheidungen auf transnationaler Ebene durch die Exekutive getroffen, geht dies mit einer Abnahme des Einflusses der nationalen Parlamente in demokratisch verfassten Staaten einher, die oftmals auf eine nur passive und nachvollziehende Rolle beschränkt sind (Assenbrunner 2011, 44).

Wenn Meyer konstatiert „Demokratie muss so global werden, wie die politischen Probleme, die sie lösen soll“ (Meyer 2009a, 202), dann trifft dies auch auf die politische Kommunikation und Medienberichterstattung zu. Um das Legitimationsdefizit transnationaler Politik zu verbessern, muss auch die Politikvermittlung in Betracht gezogen werden. Da es nicht ausreicht, Demokratie bloß als Herrschaftsorganisationsform im staatlichen Bereich zu analysieren, müssen Probleme auch in Hinblick auf die demokratische Leistungsfähigkeit transnationaler Medienberichterstattung untersucht werden. Es gilt, politische und soziale Rahmenbedingungen von politischer Kommunikation mitzudenken. Am Beispiel der EU,

welche als die am stärksten verdichtete Ausprägung dieses Strukturwandels politischer Herrschaft angesehen wird (Assenbrunner 2011, 44), argumentieren Wessler und Brüggemann, dass demokratische Defizit-Diagnosen nicht auf einer strikten Trennung zwischen transnationaler und nationaler Ebene beruhen dürfen, und definieren transnationale (Medien-)Öffentlichkeit als das Resultat einer Transnationalisierung von nationalen Öffentlichkeiten, die auch in Hinblick auf eine Entwicklung transnationaler Demokratie berücksichtigt werden müssen (Wessler & Brüggemann 2012, 70).

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