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Europäische Kommission

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6. Fallbeispiel: Das transnationale Zusammenspiel zwischen der Europäischen Kommission

6.2 Ausblick: Die Kommunikationsakteur*innen

6.2.1 Europäische Kommission

6.2.1.1 Allgemeine Organisationsstrukturen und Zuständigkeiten

Die Organisationsstruktur der Europäischen Kommission unterteilt sich in einen politischen und einen administrativen Teil, wobei natürlich auch der Administration ein politischer Einfluss zugesprochen werden kann (Egeberg 2016, 129). Egeberg bezeichnet die Europäische Kommission daher als hybrides Gebilde, welches nicht mit einer internationalen Organisation, eher – aber auch nicht gänzlich übereinstimmend – mit der nationalen Exekutive vergleichbar ist, die wie Regierungen von Politiker*innen angeführt wird und für die Administration verantwortlich ist (Egeberg 2016, 136).

Schmidt und Schünemann unterstellen der Europäischen Kommission, eine entscheidende Ursache für kategoriale Unsicherheiten im Umgang mit der EU zu sein: Einerseits sind in ihrem Aufbau strukturelle Ähnlichkeiten mit nationalen Regierungen erkennbar, andererseits stimmen ihre politische Legitimation sowie ihre Bedeutung im EU-Institutionengefüge nicht mit der Charakterisierung einer Regierung überein (Schmidt & Schünemann 2013, 108–109).

An der politischen Spitze der Europäischen Kommission steht der*die Kommissionspräsident*in (zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Arbeit: Jean-Claude Juncker) und die Kommissar*innen (zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Arbeit: ein*e Kommissar*in aus je einem EU-Mitgliedsland). Sie sind untereinander im sogenannten „Kollegium“

verbunden (Mantl 2016, 167). Dort werden die Hauptentscheidungen getroffen – entweder durch Konsens aufgrund von Verhandlungen oder durch eine Abstimmung mit einfacher Mehrheit, die aber in der Regel seltener in Anspruch genommen wird. Unter dem Begriff der

„collegiality“ wird die Verantwortung aller Kommissar*innen verstanden, die gemeinsam nach außen für die getroffenen Entscheidungen eintreten (Egeberg 2016, 129). Schmidt und Schünemann streichen darüber hinaus eine inoffizielle Hierarchie zwischen den einzelnen Kommissar*innen hervor: Sie sprechen vor allem den Kommissar*innen für Haushalt, Landwirtschaft und Außenbeziehungen eine traditionell wichtige Rolle zu. Auch der*die Kommissar*in für Wettbewerbspolitik wird aufgrund seiner*ihrer Machtfülle als relevant erachtet (Schmidt & Schünemann 2013, 112).

Der*die Kommissionspräsident*in wird durch das Generalsekretariat unterstützt. Diesem kommt politische Leadership und im konkreten Politikalltag die Aufgabe zu, die Tagesordnung für die wöchentlichen Sitzungen des Kommissionskollegiums, welche jeweils mittwochs stattfinden, vorzubereiten (Mantl 2016, 167). Als politisches Machtzentrum wurde das Kollegium seit Mitte der 2000er Jahre zunehmend gestärkt. Jean-Claude Juncker führte mit Beginn seiner Administration drei „super-vice-presidents“ ein, welche die Aufgabe der Übersicht über die gesamte Kommissionsarbeit einnahmen, sowie vier Vize-Präsident*innen, welche die Koordination ähnlicher Politikfelder und Überschneidungen zwischen den Kommissar*innen innehatten (Egeberg 2016, 129). Zusätzlich gehörte während der Administration Jean-Claude Junckers auch die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik der EU aus dem European External Action Service zu den Vize-Präsident*innen der Europäischen Kommission, die ihren Sitz dort vertraglich geregelt einnahm (Panichi 2014).

Die Kommissar*innen haben ihre Tätigkeiten in politischer Unabhängigkeit auszuführen und dürfen keine Weisungen der Regierungen annehmen. Jedem*r Kommissar*in wird ein bestimmter Politikbereich (Portfolio) zugewiesen. Ihre Zuständigkeiten fokussieren sich auf die technische und fachliche Vorbereitung von Entscheidungen, die dann anschließend vom gesamten Kollegium getroffen werden (Haddick 2010, 43). Jede*r Kommissar*in verfügt über ein Kabinett, das von den administrativen Abteilungen der Europäischen Kommission getrennt ist. Die Kabinettsmitglieder werden von dem*der Kommissar*in ernannt. Ihre Tätigkeiten verlaufen sowohl horizontal als auch vertikal: Die wöchentlichen Sitzungen mit dem Kollegium und die zuvor stattfindenden Treffen mit den Kabinettschef*innen sind vorzubereiten. Sie haben die Aufgabe, die politischen Ideen in den zuständigen Generaldirektionen zu implementieren sowie Gesetzesvorschläge zu verfassen und zu filtern, bevor sie an das Kollegium weitergereicht werden. Zugleich dienen sie als Gesicht der Europäischen Kommission nach außen und als Zugangstor für Regierungen, Lobbyist*innen und andere Institutionen bzw. Akteur*innen zur Europäischen Kommission (Egeberg 2016, 131).

Der Verantwortungsbereich der Kommissar*innen bezieht sich auf eine oder mehrere Abteilung(en), die als „Generaldirektionen“ oder „Directorates General“ (DG) bezeichnet werden. Diese sind in unterschiedliche Politikfelder unterteilt, die wiederum sektoral (Beispiel: Agrarpolitik) oder funktional (Beispiel: Budget) gegliedert sind. Jede

Generaldirektion ist weiter nach unten in „units“ unterteilt. Zur Unterstützung der Generaldirektionen stehen noch Fachdienste – beispielsweise für juristische Angelegenheiten – zur Verfügung. Zusätzlich sind auf der Ebene der Europäischen Kommission Arbeitsgruppen zur Kooperation zwischen einzelnen Generaldirektionen, an die 1200 Expert*innen-Komitees mit nationalen Beamt*innen und Expert*innen, Interessensgruppen zur Herstellung von Legitimität sowie Komitees zum Komitologie-Verfahren und zur Implementierung von EU-Regelungen organisiert. Darüber hinaus existieren EU-Agenturen und themenspezifische Netzwerke, die ebenfalls der Koordination der Europäischen Kommission unterstehen (Egeberg 2016, 129–135; European Commission 2017a). Was die Kommunikationsarbeit betrifft, ist beispielsweise das „Europe Direct Netzwerk“ (Europe Direct 2020) zu nennen, das zur Unterstützung der Kommunikation in den EU-Mitgliedsländern tätig ist.

Zahlenmäßig werden der Europäischen Kommission insgesamt an die 24.000 Beamt*innen sowie an die 6000 Mitarbeiter*innen mit befristeten Verträgen zugerechnet. Zusätzlich werden an die 1000 Mitarbeiter*innen von nationalen Regierungen an die Europäische Kommission entsandt. Die permanenten Mitarbeiter*innen der einzelnen Generaldirektionen beziehen sich auf 300 bis 700 Personen, deren Anzahl jedoch variabel sein kann (Egeberg 2016, 133).

Zur Einschätzung der Organisationsstruktur der Europäischen Kommission und der Erfüllung ihrer Aufgaben in Hinblick auf die Interpretation der empirischen Ergebnisse der vorliegenden Arbeit erscheinen vor allem folgende Befunde als relevant:

Indem Egeberg auf Kurpas, Gron & Kaczinsky (2008) zurückgreift, stellt er eine Entwicklung der Rolle des Kommissionspräsidenten im Kommissionskollegium von „primus inter pares” zu

„primus super pares” fest. Er konstatiert – auch in Hinblick auf die Präsidentschaft von Jean-Claude Juncker – eine wachsende „presidentialization“ (Egeberg 2016, 129) innerhalb der Europäischen Kommission. Speziell aufgrund des sogenannten „Spitzenkandidat*innen-Systems“, nach dessen Einführung angesichts der Wahlen zum Europaparlament 2014 Jean-Claude Juncker an die Spitze der Europäischen Kommission getreten ist, kommt dem*r Präsident*in mehr Verantwortlichkeit und Legitimität nach außen zu. Nicht nur eine Politisierung, sondern auch eine zunehmende Partei-Politisierung des Kommissionskollegiums wird als Auswirkung dieses Spitzenkandidat*innen-Systems identifiziert (Egeberg 2016, 129;

Fotopoulos 2019, 194). Während seiner Präsidentschaft hat Jean-Claude Juncker häufig auf sein demokratisches Mandat aufgrund des Spitzenkandidat*innen-Systems hingewiesen und eine „politische“ Kommission davon abgeleitet: „as an attempt to counter the negative perceptions of a distant and unaccountable institution. By opposing the technocratic concept of policymaking, Juncker aimed to give the Commission more democratic legitimacy” (Russack 2019, 10). Ob und wie sich dieses Spitzenkandidat*innen-System in Zukunft jedoch weiterentwickelt, ist seit den Europawahlen von 2019 erneut umstritten und bleibt abzuwarten (Schmidt & Schünemann 2013, 112).

Die Frage nach nationalen Komponenten in der Organisationsstruktur der Europäischen Kommission taucht immer wieder in der Literatur zu den Institutionen der Europäischen Union auf: Je nach Perspektive finden sich Eigenschaften, die sowohl auf eine genuin institutionelle Entwicklung in Richtung einer supranationalen Institution hinweisen („institutionalists“), als auch jene, die nationale bzw. zwischenstaatliche Elemente hervorstreichen („intergovernmentalists“). Unterschiedliche Entwicklungen sind dabei erkennbar. „If these trends persist, the Commission is set to become much more of a genuine European Institution than it has been in the past, although one that will inevitably continue to exhibit a mix (albeit a different mix) of both intergovernmental and supranational characteristics.“ (Egeberg 2016, 136) Folgende Komponenten gilt es, diesbezüglich zu berücksichtigen (vgl. Egeberg 2016, 129–

136):

 Während Kabinette früher mitunter als „nationale Enklaven“ bezeichnet wurden, hat die Präsidentschaft von Romano Prodi (1999-2004) eine Regelung eingeführt, dass Kabinette Mitarbeiter*innen aus mindestens drei unterschiedlichen Nationalitäten beschäftigen müssen. Diese Regelung machte die Europäische Kommission stärker zu einer multinationalen Institution. Mittlerweile müssen auch der*die Head of Cabinet bzw.

der*die Deputy Head of Cabinet einer im Vergleich zum*r Kommissar*in unterschiedlichen Nationalität angehören sowie mehr als die Hälfte der Kabinettsmitglieder aus dem Pool der Kommissionsmitarbeiter*innen, die dem allgemeinen Aufnahmeverfahren (Concours) unterliegen, rekrutiert werden.

 Das Kommissionskollegium, in dem jedes EU-Mitgliedsland mit einem*r Kommissar*in vertreten ist, besteht wiederum aus fixierten Nationalitäten, die aufgrund ihrer Ernennung in Abstimmung mit den Regierungen auch weitgehend die parteipolitischen Hintergründe

der nationalen Regierungen zum Zeitpunkt der Ernennung widerspiegeln. Auch die Aufnahmeverfahren für die Beamt*innen rekrutieren zum Teil nach Quoten, die sich an den EU-Mitgliedsländern orientieren (Schmidt & Schünemann 2013, 113).

 Was die Durchsetzung inhaltlicher nationaler Interessen innerhalb der Kommission betrifft, sind unterschiedliche Ansätze in der Literatur zu finden: Obwohl es keine klaren Evidenzen zwischen dem Entscheidungsverhalten von den Angehörigen der Europäischen Kommission und ihrer nationalen Herkunft gibt, wird von Einflüssen der jeweiligen Nationalität ausgegangen. Hierbei werden speziell Arbeitsstile, spezifische Haltungen und Interaktionen benannt, die wiederum auch auf gemeinsame Sprachkenntnisse zurückzuführen sind. Nationalitätenspezifische Rekrutierung kann freilich als ein politisches Kapital der nationalen Regierungen und nationaler Netzwerke angesehen werden. Egeberg fasst jedoch zusammen, dass auf einer inhaltlichen Ebene Konflikte aufgrund sektoraler, funktionaler, parteipolitischer oder institutioneller Spaltungen häufiger vorkommen als jene, die aufgrund einer nationalen Zugehörigkeit entstanden.

Vielfach wird auch von konfligierenden Rollen ausgegangen, zwischen denen sich Angehörige der Europäischen Kommission bewegen (institutionelle Interessen der Europäischen Kommission, Interessen aufgrund der eigenen Portfolio-Verwaltung, der nationalen Affinitäten und – speziell was Kommissar*innen betrifft – auch Erwartungen aufgrund der eigenen Parteizugehörigkeit).

6.2.1.2 Kommunikation im EU-Mehrebenensystem

Die Europäische Kommission wurde ursprünglich als Behörde mit unabhängigen Verwaltungsbeamt*innen gegründet, die nicht aus Politiker*innen zusammengesetzt war. Mit den Vertragsreformen der 1990er Jahre und der weiteren Vertiefung der Europäischen Union wurde schließlich die Rede vom Demokratiedefizit und der sogenannten „Eurokratie“ immer lauter (Schmidt & Schünemann 2013, 108): „Das Etikett einer bürgerfernen, undemokratischen Bürokratie haftet der Kommission – dank seiner kontinuierlichen Pflege durch nationale Politiker und Medien – bis heute an.“ (Schmidt & Schünemann 2013, 108)

Dieses Faktum bildet sich auch auf der Ebene der Kommunikation der Europäischen Kommission ab. Um dem zunehmenden Widerstand der Bevölkerung gegen vertiefende europäische Integrationsprozesse entgegenzusteuern, wurde die PR der EU-Institutionen

spätestens seit dem Maastricht Vertrag 1992 ausgebaut. Vor allem die Europäische Kommission hat seitdem verstärkt in Informations- und Kommunikationspolitik investiert.

Dies geschah nicht nur auf Brüssel-Ebene, sondern auch in den nationalen und regionalen Vertretungen der EU-Mitgliedsländer (Hahn, Rosenwerth & Schröder 2006, 287). War die Kommunikationsverantwortung der Europäischen Kommission bis 1999 beim Kommissionspräsidenten angesiedelt, so wurde sie schließlich unter der Präsidentschaft von Romano Prodi in der „Generaldirektion Presse und Information“ zusammengeführt (Doutlik 2004, 41). Nach dem Abtritt der Santer-Kommission führte er nach heftigem medialen Widerstand, dem die Europäische Kommission gegenüberstand, einige Reformen für die Installation eines modernen Presseservices ein (Anderson & Price 2008, 29).

Manuel Barroso erkannte in seiner ersten Administration der Europäischen Kommission (2004-2009) die Relevanz der Kommunikations- und Öffentlichkeitsarbeit, indem mit Margot Wallström erstmals explizit ein*e Kommissar*in mit dem Portfolio Kommunikation betraut wurde und die Kommunikation nicht nur als Kommissionspriorität formuliert wurde. Sie führte eine Wende von der Informations- zur Kommunikationsarbeit ein. Schlagwörter wie

„communicating Europe“ und „going local“ wurden vor allem nach den gescheiterten Verfassungsreferenden in den Niederlanden und Frankreich von 2005 als zentrale Aufgabe der Europäischen Kommission gebrandmarkt. Mit dem „Plan D for Democracy, Dialogue and Debate“ (2005), dem „White Paper zur besseren Vermittlung des Themas EU“ (2006) und dem interinstitutionellen Abkommen „Communicating Europe in Partnership“ (2007) für eine bessere Koordination der EU-Kommunikation auf EU-Ebene wurden Aufrufe zur Neustrukturierung der Kommunikation gestartet (Brüggemann 2008, 144–149). Ein neuer Fokus, der auf Dialog und Regionalisierung der Kommunikation der Europäischen Kommission setzte, zeigte sich in Veranstaltungen in den EU-Mitgliedsländern, in Kommunikationsmaßnahmen in der jeweiligen EU-Landessprache und Bürger*innenbeteiligungsprojekten, die transnationale Partizipations- mit Kommunikationsaktivitäten auf einen Nenner brachten (Mantl 2016, 180). Van Brussel stellt eine allmähliche Verschiebung zwischen 2001 und 2009 fest von einem „one-way informing approach to a two-way communicating approach” (van Brussel 2014, 91). Während in der ersten Amtsperiode von Barroso die Kommunikation zu einem strategischen Ziel gemacht und als eigenständige Politik anerkannt wurde, fand in seiner zweiten Amtsperiode (2009-2014)

jedoch ein Paradigmenwechsel statt: Fortan war kein*e Kommissar*in mehr ausdrücklich für die Weiterentwicklung der Kommunikation zuständig. Kommunikationsagenden wurden dem Portfolio der zuständigen Kommissar*innen nur noch als „Nebenfach“ zugeordnet (Brantner & Langenbucher 2006, 407–408; Haddick 2010, 64).

Es wäre jedoch falsch, zu behaupten, dass die Kommunikation dadurch in der Folge an Bedeutung verloren hätte: Unter Jean-Claude Juncker wurde sie – wie der empirische Teil dieser Arbeit ebenfalls vor Augen führt (siehe Kapitel 10.3) – sogar als Angelegenheit verstanden, die dem Präsidenten zugeordnet ist. Kassim unterstreicht dies folgendermaßen:

„The Juncker Commission has made a pronounced effort to improve communications” (Kassim 2017, 28). Er führt dies unter anderem auf das Spitzenkandidat*innen-System zurück, das nicht nur Auswirkungen auf das Auswahlprozedere des*r Kommissionspräsident*in, sondern auch Relevanz auf konzeptueller Ebene – die Schaffung einer „politischen Kommission“ – zeigte (Kassim 2017, 28–29). Unter Junckers Administration bestand die Kommunikationspolitik der Europäischen Kommission aus einer Generaldirektion Kommunikation (GD COMM), als deren Aufgabe die Festlegung und Überwachung eines

„Corporate Images“, die Durchführung europaweiter Kampagnen zu den Prioritäten der Europäischen Kommission, die Koordination von Projekten mit anderen EU-Institutionen und den nationalen Regierungen, Informationseinholung und Weitergabe zur öffentlichen Meinung sowie Evaluierungsaufgaben und die administrative Verwaltung galt (European Commission 2017b). Der Generaldirektion waren unter Kommissionspräsident Juncker auch die Kommissionsvertretungen zugeordnet, die Informations- und Kommunikationsaufgaben in den EU-Mitgliedsländern sowie die Berichterstattung über die politische Entwicklung in der EU an die Europäische Kommission innehatten. Die konkreten Aufgaben und Herausforderungen variieren jedoch üblicherweise zwischen den Kommissionsvertretungen (AIM Research Consortium 2007, 163–178). Vielfach wird ihre Arbeit als ein „Näherbringen von Europa an die europäischen Bürger*innen“ beschrieben. Dies wird unter anderem durch Veranstaltungen und Beziehungspflege mit Journalist*innen angestrebt bzw. durch die Überarbeitung der Pressemeldungen aus der Brüsseler Zentrale, um diesen einen nationalen Anstrich zu geben (Deirdre 2007, 201). Neben PR-Tätigkeiten spielt aber auch die politische Berichterstattung eine Rolle in den Vertretungen der Europäischen Kommission, und nicht zuletzt seit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 sind noch zusätzliche Aufgaben

hinzugekommen, die eine engere Zusammenarbeit der Vertretungsmitglieder mit den nationalen Regierungsstellen vor allem in Finanz- und Wirtschaftsfragen notwendig machen.

Aus organisatorischer Sicht war die GD COMM unter Juncker in folgende vier Direktionen geteilt: „Strategy and Corporate Communication“ (Direktion A), „Representations” (Direktion B), „Communication with Citizens” (Direktion C), „Resources” (Direktion D). Im Laufe der Juncker-Präsidentschaft wurde der Sprecher*innendienst (Spokesperson‘s Service) nur noch lose der GD COMM zugerechnet und mit dem Generalsekretariat des Kommissionspräsidenten verbunden. Ihm oblag die Informationsarbeit über politische Prioritäten und aktuelle Themen sowie die Bereitstellung von Kommunikationsinstrumenten und Kommunikationsinhalten für Medien und Öffentlichkeit. Dafür waren zum Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden empirischen Arbeit 19 Pressesprecher*innen, 51 Press Officer und 14 Assistent*innen unter der Leitung von Margaritis Schinas zuständig (European Commission 2017c). Zusätzlich fanden sich Kommunikationsverantwortliche auch in den Kabinetten der Kommissar*innen. Als spezifische Kommunikationsaufgaben der Kabinette benennt Egeberg folgende: Vorbereitung von Reden, Vertretung in Konferenzen, Verbindung zwischen den Kommissar*innen und ihren Regierungen vor allem durch Kooperationen mit den Vertretungen in den EU-Mitgliedsländern, Informationsarbeit für künftige Initiativvorschläge sowie Informationsquelle für nationale Anfragen zu politischen Initiativen der Europäischen Kommission (Egeberg 2016, 131). Auch in jeder Generaldirektion sind Kommunikationsabteilungen angesiedelt. Die Anzahl ihrer Mitglieder und Aufgabenbereiche variierten jedoch stark im Vergleich untereinander.

Unter dem Motto einer „politischen Kommission“ führte Juncker strukturelle und prozedurale Veränderungen der Kommunikationsarbeit ein: die Bereinigung der zuvor unklaren Stellung der Pressesprecher*innen und Press Officer des Spokesperson‘s Service zwischen Kommissionspräsident und Kommissar*innen, eine Zentralisierung des Spokesperson‘s Service im Generalsekretariat direkt unter Juncker sowie deren Portfolio-Aufteilung, die fortan thematisch übergreifend und nicht mehr nur an eine*n Kommissar*in gebunden war (siehe Kapitel 10.3), die Ernennung der Leiter*innen der Vertretungen durch den Präsidenten als seine politischen Vertreter*innen in den EU-Mitgliedsländern (Hönighaus, 2019). Auch beim Auftritt der Europäischen Kommission nach außen und in der Kommunikation mit Journalist*innen wurden Veränderungen vorgenommen, die das Verhältnis zwischen den

Kommunikationsakteur*innen der Europäischen Kommission und des Journalismus beeinflussten. Auch eine Fokussierung auf spezifische inhaltliche Schwerpunkte brachte kommunikative Verschiebungen mit sich (siehe Kapitel 10.3). Kassim betont zusätzlich auch persönliche Aspekte der politischen Figur Juncker, die Auswirkungen auf die Kommunikation und Darstellung der Europäischen Kommission nach außen zeigte: „Though it has its limits, the Commission President’s informal and self-deprecating style makes him accessible, enables him to win trust and has allowed him to deal lightly with insinuations about his personal habits” (Kassim 2017, 28–29). Bauer und Becker betonen zudem, dass keine Kommission zuvor mit einer so großen Anzahl an hochrangigen nationalen politischen „Schwergewichten“

ausgestattet war (Bauer & Becker 2015, 299), die – so ist zu vermuten – mitunter auch den einen oder anderen Abdruck zumindest in den eigenen nationalen Medien hinterließen.

Auf inhaltlicher Ebene sind die Kommunikationsaufgaben der Europäischen Kommission sehr breit gestreut. Aufgrund ihrer Verfasstheit sprengt sie die klassischen Muster der Gewaltenteilung, indem sie innerhalb des EU-Systems sowohl Anteil an Legislative als auch Exekutive hat (vgl. Schmidt & Schünemann 2013, 116–119):

 Recht: Initiative bei der Rechtssetzung, Überwachung bei der Einhaltung des Unionsrechts, Ausführung der Rechtsakte, Einbindung von Expert*innenwissen („Motor der Integration“)

 Rechtliche Kontrolle: Vertragsverletzungsklagen zur Einhaltung des EU-Rechts („Hüterin der Verträge“)

 Exekutive: zentrales Implementierungsorgan der EU (obwohl in nur wenigen Politikfeldern unabhängige Entscheidungsbefugnisse), Haushaltskompetenzen

 Außenvertretung: gegenüber Drittstaaten und internationalen Organisationen, speziell im Bereich der Handelspolitik, enge Verbindung zum Europäischen Auswärtigen Dienst

Diese Aufgaben stellen dar, was Brüggemann als „Hybridnatur der Kommission“ (Brüggemann 2008, 134) beschreibt und ein Identitätsmerkmal der Kommunikationsarbeit der Europäischen Kommission ausmacht: Zum einen besitzt sie mit ihrem Initiativrecht und der politischen Führung durch das Kollegium der Europäischen Kommission sowie durch ihre*n Präsident*in eine gewichtige Rolle in der politischen Führung der EU. Zum anderen ist sie eine Verwaltungsorganisation, die Regelungen ausführt. Aus dieser Doppelrolle lassen sich laut Brüggemann zwei Kommunikationsziele ableiten: einerseits sachliche Information,

andererseits Rechtfertigungen des politischen Handelns (Brüggemann 2008, 134). Der administrative Charakter der Europäischen Kommission erschwert zudem mitunter die Kommunikationsarbeit (Hahn, Rosenwerth & Schröder 2006, 289).

Hinzu kommt, dass die Europäische Kommission neben der Kommunikation ihrer eigenen Agenden auch eine Schlüsselrolle in der allgemeinen EU-Informations- und Kommunikationsarbeit einnimmt. Sie steht an der Spitze der EU, was Kommunikationsstrategien und ihre Umsetzungen betrifft, und verwaltet dafür die größten finanziellen und personellen Ressourcen, welche die Kommunikationsausgaben des Europäischen Parlaments und des Rats deutlich übersteigen. Wie viel Personal insgesamt zur Verfügung steht und wie hoch die Ausgaben sind, ist jeweils schwer einzuschätzen, da es sich hierbei um keine klar identifizierbare Budgetlinie handelt, die sich nicht nur auf die Generaldirektion Kommunikation bezieht, sondern auch auf alle anderen Generaldirektionen (Haddick 2010, 44–48; Mantl 2016, 167). Folgende Aufgabenbereiche der Kommunikation sind hier unter anderem hinzuzurechnen, für die sich die Europäische Kommission verantwortlich zeigt: EU-Kommunikationsnetzwerke in den EU-Mitgliedsländern (Europe Direct Network), Eurobarometer-Umfragen der Statistikbehörde EUROSTAT und die Analyse der öffentlichen Meinung zur EU und ihren Politikthemen, Pressearbeit (tägliche Pressekonferenzen, schriftliche Pressemeldungen und Dossiers), ein virtueller Presseraum sowie Fernseh- und Rundfunkstudios für Journalist*innen, audiovisuelle Kommunikationsinstrumente (Fernsehsender EuroNews, europäisches Rundfunknetz Euranet, Informationen für audiovisuelle Medien via Europe by Satellite (Ebs), Live-Berichterstattung zu Pressekonferenzen, Audiodateien, Fotos und Videos), offizielle Website der EU, Publikationen inklusive Verwaltung des virtuellen „EU-Bookshops“, Fortbildungsprogramme für Journalist*innen, Datenbank zur Archivierung von Informationsmaterial, Telefon- und Online-Frage- und Antwortdienst für die Bürger*innen (Haddick 2010, 66–71; Mantl 2016, 170).

In ihrer Kommunikation nimmt sich die Europäische Kommission also nicht nur als eine für sich handelnde politische Akteur*in wahr, sondern tritt auch als Gesicht der EU als Ganzes in die Öffentlichkeit. Eine wenig abgesicherte rechtliche Grundlage der EU-Informationspolitik schwächt jedoch diese Rolle der Europäischen Kommission (Brüggemann 2008, 134), die vor

In ihrer Kommunikation nimmt sich die Europäische Kommission also nicht nur als eine für sich handelnde politische Akteur*in wahr, sondern tritt auch als Gesicht der EU als Ganzes in die Öffentlichkeit. Eine wenig abgesicherte rechtliche Grundlage der EU-Informationspolitik schwächt jedoch diese Rolle der Europäischen Kommission (Brüggemann 2008, 134), die vor

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