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EU-Vermittlungsprobleme

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3. Struktur und Methodik

4.2 Die Kommunikation der EU-Institutionen

4.2.2 EU-Vermittlungsprobleme

Kommunikation spielt eine essentielle Rolle für demokratische Politik. Speziell in Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit – die Interaktionen der Europäischen Kommission mit dem Journalismus – soll im Folgenden gefragt werden, welche Hindernisse Kommunikationsinhalte der EU-Institutionen bis zu einer öffentlichen Publikation mitunter zu überwinden haben.

Das Ausmaß an Öffentlichkeit, Legitimität und Demokratie, welches aus normativer Sicht durch die politische Kommunikation zustande kommen soll, wird – auf die EU projiziert – in der Literatur als gering beschrieben. Nach und nach entwickelte sich in den 1990er Jahren eine Debatte zu den Defiziten des europäischen Mehrebenensystems. So wurden Demokratie-, Legitimitäts- und Öffentlichkeitsdefizite festgestellt. Als eine Ursache des Öffentlichkeitsmangels gilt wiederum ein „Kommunikationsdefizit“ der EU (u.a. Meyer 1999;

Gerhards 2000; Gerhards 2002). Brüggemann bezeichnet dieses als fehlende „funktionsfähige Kommunikationsinfrastruktur zwischen EU und den Bürgern“ (Brüggemann 2008, 23).

Er konstatiert, dass mit einer Zunahme an politischen Kompetenzen auf EU-Ebene auch deren Legitimations-, Demokratie- und Öffentlichkeitsbedarf steige und somit auch die Forderung nach politischer Informationsvermittlung zunehme. Die EU-Institutionen sind daher aufgefordert, den Kommunikationsansprüchen sowie der Einbindung der Bürger*innen entgegen zu kommen (Brüggemann 2008, 23). Nach Donges und Jarren, die dabei wiederum auf Gerhards (Gerhards 2002) zurückgreifen, kann das Demokratiedefizit der EU als Ursache des Öffentlichkeitsdefizites interpretiert werden, was in der Folge bedeuten würde, dass eine Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten entstehe, wenn Entscheidungsträger*innen und Entscheidungsprozesse innerhalb der EU stärker an die Bürger*innen gekoppelt würden (Donges & Jarren 2017, 89).

Zahlreiche Analysen der Dokumente und Kommunikationsprodukte aus den Europäischen Institutionen zeigen zwar, dass die Institutionen den Forderungen nach medialer Präsenz, politischer Transparenz und größerer Bürger*innennähe gerecht zu werden versuchen. In der Literatur wird aber viel Kritik an den Institutionen geäußert, den europäischen Integrationsprozess nur mangelhaft kommunikativ begleitet zu haben (Brüggemann 2008, 37–

38). Analyseergebnisse führen vor Augen, dass Anstrengungen unternommen wurden, öffentliche Kommunikation von Seiten der Institutionen auszubauen und zu institutionalisieren. Spätestens seit der Ablehnung der Verfassungsreferenden in Frankreich und in den Niederlanden 2005 kann ein diesbezügliches institutionelles Umdenken in der Tat festgestellt werden (Gröber & Riedel 2005, 54). Während die Professionalität der Kommunikationsprodukte der Europäischen Institutionen, die Zahl der ausgebildeten PR-Expert*innen in den EU-Institutionen und deren Intensität an Berichterstattung steigen, ist jedoch eine zunehmende Unzufriedenheit gegenüber der EU-Informationspolitik festzustellen. Brüggemann bezeichnet die Kommunikationshandlungen der Institutionen als

„Arkanpolitik“ (Brüggemann 2005, 57), mitunter werden sie als selbstbezogen und nach innen gerichtet charakterisiert (Altides 2009, 31). Spanier konstatiert: „In the context of the

‚communication deficit‘ there is a striking paradox: the results of opinion polls clearly show that, on the one hand, the European Public claims to seek to be more informed about European issues, but on the other hand there is an abundance of information available to them that is apparently not used.“ (Spanier 2012, 65)

Diese Aussage führt zu einer weiteren wesentlichen Gruppe der EU-Kommunikator*innen, die einen Beitrag zum proklamierten Kommunikationsdefizit leisten: Betrachtet man die Kommunikationsarbeit der Journalist*innen, so werden auch ihnen wesentliche Anteile an mangelnder Kommunikationsarbeit zu EU-Themen zugeschrieben (de Vreese 2003, 12-22).

Für das Forschungsinteresse der vorliegenden Arbeit ist die Tatsache relevant, dass das EU-System – im Vergleich zu nationalen politischen EU-Systemen – als für die mediale Berichterstattung mitunter ungeeigneter behandelt wird. Folgende Gründe werden genannt:

das Fehlen einer politischen Logik zwischen Opposition und Regierung auf EU-Ebene (Altides 2009, 35) sowie langwierige Prozeduren in EU-Governance-Prozessen, die charakteristische Kennzeichen von EU-Politik sind und dem journalistischen Kommunikationsinteresse widersprechen, dessen Fokus auf kurzfristigen Ereignissen liegt. Informationen über politische Prozedere stehen gegenüber kurzfristigen politischen Entscheidungen im Hintergrund (de Vreese 2003, 8). Auch wenn das Ausmaß der Folgewirkungen von Massenmedien umstritten ist, so zeigen unterschiedliche Studien einen positiven Zusammenhang zwischen medialer Berichterstattung, politischem Wissen und politischem Verhalten: „Media is positively associated with a wide range of indicators of political knowledge, trust and mobilization.”

(Norris 2000, 17) Ausgehend von der Annahme Dahlgrens, „actors who want to accomplish things requiring public visibility will always turn to the media“ (Dahlgren 2009, 35), ist zu konstatieren, dass die Kommunikationsarbeit der EU-Institutionen stets auch im Zusammenspiel mit Akteur*innen nationaler Medien erfolgt. Von Seiten der Europäischen Kommission wird ebenfalls immer wieder auf die Rolle der Medien als Informationsvermittler für die Kommunikation der EU-Institutionen verwiesen (Breser 2016, 101).

Auch die Bürger*innen selbst betreffend, sind Anzeichen einer Kommunikationskrise der EU-Institutionen sichtbar: Nach Kurpas, Meyer und Gialoglu haben Kommunikationsanstrengungen sowohl von Seiten der Europäischen Institutionen als auch von Seiten des Journalismus versagt, um bei den europäischen Bürger*innen öffentliche Aufmerksamkeit zu EU-Themen sowie Grundwissen und Interesse für die politischen Prozesse auf EU-Ebene zu erzeugen (Kurpas, Meyer & Gialoglu 2004, 1). Dies wird als Grundlage für niedrige Wahlbeteiligungen auf EU-Ebene in zahlreichen EU-Ländern und für fehlende öffentliche Legitimität der EU als Ganzes betrachtet (Leppee Fraize 2006, 60). Es bleibt also der Eindruck, dass EU-Kommunikation die an sie gerichteten Erwartungen und normativen

Standards nicht erfüllt bzw. nicht erfüllen kann, was ihren Kommunikations-Output betrifft.

Die folgende Auflistung soll daher einen Überblick über Begrenzungen geben, die in Hinblick auf Kommunikationshandlungen an die Kommunikator*innen der EU-Institutionen als auch des Journalismus gestellt werden. Um die identifizierten „EU-Vermittlungsprobleme“ zu strukturieren, werden im Folgenden die auftretenden Phänomene und komplexen Ursachen, welche auf ein EU-Kommunikationsdefizit hinweisen, in unterschiedliche Ebenen eingeordnet.

Schwachstellen werden aufgezeigt, die zugleich auch den Zusammenhang des Öffentlichkeitsdefizites mit dem Kommunikationsdefizit auf EU-Ebene vor Augen führen.

1.) Schwer vermittelbare EU-Governance

„Der erste Grund, wieso Europa so schwer zu vermitteln ist, liegt in seiner Komplexität“

(Sabathil 2011, 67), lautet das Urteil einer breiten Autor*innenschaft zur EU-Kommunikation.

Als Gebilde „sui generis“, einem Modell eines vernetzten Mehrebenen-Regierens, wird die Europäische Union in der Literatur bezeichnet. Allein aufgrund ihrer komplexen Ausgestaltung, die keinen Vergleich mit anderen institutionellen Gebilden standhält, zeigt sich EU-Governance als spezielle Art des Regierens, die sich durch Verhandlung und Kooperation mit multiplen Akteur*innen charakterisiert (u.a. Kohler-Koch & Larat 2009; Hüller 2010). Diese Architektur europäischen Regierens bedarf insgesamt auch mehr an Kommunikation als ein System mit einer zentralen Entscheidungsinstanz. Der Entscheidungsfindungsprozess innerhalb der EU ist für die EU-Bürger*innen jedoch nicht nur aufgrund seiner Komplexität mitunter unverständlich, sondern auch intransparent, da er zum Teil auch in nicht öffentlich zugänglichen Sitzungen stattfindet (Peters 2009, 30).

Was die Vermittlung von Informationen zur Europäischen Union betrifft, sind einige Besonderheiten hervorzustreichen, die den Vermittlungsprozess von EU-Kommunikation deutlich beeinflussen (vgl. Brüggemann 2008, 29–30):

a) Die netzwerkartige Governance-Struktur der Europäischen Union zeigt sich durch Kooperation verschiedener relativ unabhängiger Akteur*innen und Verhandlungen, welche hierarchische Entscheidungen ersetzen. EU-Governance heißt demnach in erster Linie ein Initiieren und Koordinieren politischer Interessen auf unterschiedlichen Ebenen.

b) Der Wettbewerb politischer Parteien in der EU ist nur ansatzweise sichtbar. Dadurch fällt die Zuspitzung von Politik entlang der Parteilinien weg.

c) Da dem Mehrebenensystem der EU eine Regierung fehlt, wird sie auch als „governance without government“ (Rosenau & Czempiel 1992) bezeichnet. Hinzu kommt, dass sich durch das Fehlen einer Opposition auf EU-Ebene die Gestaltung von Politik deutlich von der eines Nationalstaates unterscheidet.

d) Die nationalen Regierungen sind zwar im Mehrebenensystem der EU nach wie vor die mächtigsten Institutionen. Je nach Gegenstand der politischen Materie auf EU-Ebene unterscheiden sich die politischen Kompetenzen jedoch auf supranationaler, nationaler und regionaler Ebene.

e) Eine weitere Eigenschaft ist eine Metamorphose des politischen Gestaltungsprozesses, da sich der Modus von EU-Governance ständig wandelt. Nach Hooghe und Marks wird die europäische Integration daher als „polity-creating process“ (Hooghe & Marks 2001, 2) beschrieben.

2.) Institutionelle und rechtliche Hürden der EU

Was die EU-Kommunikation betrifft, existiert eine Vielzahl an Kommunikationsakteur*innen – Brüggemann verwendet diesbezüglich den Begriff des „Mehrebenensystems der Informationspolitik“ (Brüggemann 2008, 128). Oft unabhängig voneinander agieren sie auf supranationaler, nationaler und lokaler Ebene. Ihre Kommunikationsaktivitäten finden auf einer persönlichen, institutionalisierten und anlassbezogenen Ebene statt. Die Verbindungen zwischen den Kommunikationsakteur*innen sind einerseits vertikal (EU-Institutionen mit Institutionen in den Nationalstaaten) und andererseits horizontal (interinstitutionelle Zusammenarbeit). Hinzu kommt, dass die Europäischen Institutionen selbst mit einem ausgeprägten Eigeninteresse agieren, was wiederum die Fähigkeit zur gemeinsamen Kommunikation schwächt. Jede EU-Institution übt Informationspolitik autonom aus und hat eine eigene Medien- und Öffentlichkeitsarbeit inne. Bezüglich Zielen, Ressourcen und Vorgaben sind häufig Differenzen ersichtlich, wie auch Altides in ihrer empirischen Untersuchung der Kommunikation der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments vor Augen führt (Altides 2009, 183–197). In der Praxis stellt sich auch heraus, dass die drei Institutionen – die Europäische Kommission, der Rat und das Europäische Parlament – nicht selten widersprüchliche Informationen verbreiten und dass auch kein einheitliches News Management der EU-Mitgliedsländer im Vergleich zur institutionellen EU-Ebene existiert, was

mitunter zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen führt (Hahn, Rosenwerth &

Schröder 2006, 290).

Analysen der EU-Kommunikation ergeben, dass die Europäische Kommission unter den Europäischen Institutionen eine Schlüsselfunktion einnimmt (Haddick 2010, 44–45). Ihrer spezifischen Rolle im EU-Entscheidungsprozess, an der sich auch nach dem Lissabon Vertrag von 2009 in den letzten Jahren nichts Grundlegendes geändert hat, werden jedoch Ursachen für Kommunikationsprobleme mit Medien und der europäischen Öffentlichkeit zugeschrieben: „Even though the Commission is putting more resources and thought into addressing its complex communication environment, it continues to be constrained by its own past and current role within the policy-making process. Its strength is communication with various stakeholder groups, but it struggles to adjust to increasing media attention and pressure to seek publicity” (Meyer 2009b, 1060). Die breite Palette ihrer Kommunikationsaktivitäten zeigt zugleich auf, dass die kommunikationsbezogenen Anforderungen an sie groß, ihre kommunikativen Handlungsmöglichkeiten jedoch begrenzt sind. Im Folgenden werden einige Merkmale herausgegriffen (vgl. Brüggemann 2008, 34–35):

a) Hybridnatur der Europäischen Kommission: Einerseits dient die Europäische Kommission als Verwaltungsinstitution, welche die Beschlüsse von Seiten des Rats und des Europäischen Parlaments ausführt. Durch die Kommissar*innen und deren Präsident*in ist sie aber auch eine politische Institution, die sich selbst verkaufen muss. Diese Doppelrolle hat für die Europäische Kommission zur Folge, zwei unterschiedliche Kommunikationsaufträge erfüllen zu müssen – einerseits sachliche allgemeine Informationen zu politischen Prozessen und andererseits auch die Rechtfertigung eigener Politik.

b) Schwache rechtliche Grundlage: EU-weit fehlt es an einer klaren Beauftragung der Europäischen Kommission in Sachen Kommunikationspolitik zu EU-Angelegenheiten.

Diese Tatsache führt zu Abhängigkeiten und hindert die Europäische Kommission daran, auf Erfordernisse von außen eigenmächtig zu reagieren, was ihre eigene Kommunikationsrolle schwächt. Da sämtliche politische Programme der Europäischen Kommission zu allgemeinen EU-Themen jährlich mit dem Rat und dem Europäischen Parlament abgestimmt werden müssen, ist es der Europäischen Kommission mitunter nicht möglich, notwendige Kommunikationsprioritäten selbst flexibel umzusetzen.

c) Verantwortungsproblem: Aufgrund des Faktums, dass die allgemeine Informationspolitik der EU nicht einheitlich geregelt ist, entsteht ein Verantwortungsvakuum zwischen den Europäischen Institutionen in Bezug auf die allgemeine Kommunikationspolitik zur EU.

Was die Europäische Kommission betrifft, ist die Tendenz erkennbar, dass sie ihren Fokus mitunter auf Informationen über die eigene Arbeit setzt und die Vermittlung allgemeiner Informationen zur EU dabei auf der Strecke bleibt.

3.) Strukturelle Schwäche der europäischen Öffentlichkeit

Innerhalb der Kommunikations- wie auch der Politikwissenschaft findet seit den 1990er Jahren eine breite Debatte darüber statt, ob es eine „europäische Öffentlichkeit“ überhaupt gibt bzw. geben kann, und was das Fehlen einer solchen Öffentlichkeit für die Kommunikation der EU-Institutionen sowie in der Folge für den europäischen Einigungsprozess bedeuten würde (Donges & Jarren 2017, 88). Feststellungen eines Kommunikations- und Demokratiedefizits werden unter dem Begriff der „europäischen Öffentlichkeit“ debattiert (u. a. Koopmans & Erbe 2004; Neidhardt 2006; Koopmans 2007; Trenz 2015; Donges & Jarren 2017). Die Thematik einer europäischen Öffentlichkeit als Vermittlungsinstanz zwischen der EU-Politik und den EU-Bürger*innen wurde 1992 durch den Maastrichter Vertrag erstmals virulent. Widerstände der EU-Mitgliedstaaten angesichts auch darauffolgender Vertragsveränderungen machten deutlich, dass es an einem gemeinsamen europäischen Kommunikationsraum und gemeinsamen europäischen Medien als Vermittlungsinstanz fehlte. Eine solche, so erwartete man, würde dazu führen, die EU besser zu kommunizieren und einen Informationsaustausch zu ermöglichen, um das politische Handeln an den Wünschen der Bürger*innen zu orientieren (Brüggemann 2008, 34).

Grundsätzlich wird zwischen der Entstehung einer einheitlichen „europäischen Öffentlichkeit“

und der „Europäisierung nationaler Öffentlichkeiten“ unterschieden (Machill, Beiler & Fischer 2006, 134–137). Eine Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten definiert Gerhards als

„die Thematisierung europäischer Themen in den jeweiligen nationalen Medien, zum zweiten die Bewertung dieser Themen unter einer europäischen, nicht nationalstaatlichen Perspektive“

(Gerhards 1993, 102). Seiner Ansicht nach spricht gegen eine Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten die geringe Bedeutung europäischer Inhalte für Nachrichtenwertfaktoren:

„Die Öffentlichkeit hinkt einer Transnationalisierung der Politik hinterher, sie bleibt

nationalstaatlich verhaftet, während sich die Politik europäisiert hat“ (Gerhards 2000, 299).

Koopmans und Erbe haben Formen der Europäisierung von Medienkommunikation anschließend noch weiter differenziert (vgl. Koopmans & Erbe 2004, 101):

• Supranationale europäische Öffentlichkeit: Sie zeigt sich durch die Interaktion zwischen EU-Akteur*innen und EU-Bürger*innen zu einem europäischen Thema. Im Idealfall leisten europaweit erscheinende Medien Berichterstattung.

• Vertikale Europäisierung: Sie charakterisiert sich durch Kommunikationsverbindungen zwischen EU- Akteur*innen und nationalen Akteur*innen, die sowohl bottom up als auch top down verlaufen können.

• Horizontale Europäisierung: Sie entsteht durch Kommunikationsbeziehungen zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten. Dies kann in Form einer medialen Berichterstattung über andere Länder beobachtet werden und ist laut Koopmans und Erbe von der Vergemeinschaftung des jeweiligen Politikfelds abhängig.

Die Transnationalisierung von Politik schafft vielfältige Anknüpfungspunkte und Anlässe für transnationale Debatten. Grenzüberschreitende Probleme wie die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 oder die Flüchtlingsbewegungen von 2015 können als Motor einer Transnationalisierung von Öffentlichkeit dienen, indem sie Probleme konstituieren, die grenzüberschreitend kommunikativ gelöst werden müssen (Wessler & Brüggemann 2012, 68).

Eine solche Entwicklung auch von medienvermittelten öffentlichen Debatten zu erwarten, wäre jedoch ein fehlgeleiteter Befund für den Kommunikationsraum der EU, denn die massenmediale Wahrnehmung europäischer Politik hinkt im Vergleich zur nationalstaatlichen Politik hinterher (Assenbrunner 2011, 132). Eine schwache europäische Öffentlichkeit zeigt sich empirisch dadurch, dass sich nationale Öffentlichkeiten in Europa kaum horizontal zueinander vernetzen wie zum Beispiel durch gegenseitige Zitierung und intensivere Beobachtung. Die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Debatte bleibt somit aus. Als Gründe dafür werden die europäische Vielsprachigkeit, kulturelle Segmentierung und eine rein kommerzielle Logik der Medien, die sich an Nachrichtenwerten mit dem Ziel einer Maximierung des Publikumsinteresses orientiert, angeführt (Sabathil 2011, 68). Gerhards und Hans weisen auf die Relevanz von Sprachkenntnissen hin, die sich als wichtige Ressource zur Teilhabe an einer transnationalen Öffentlichkeit zeigen. Da Bildung und Mehrsprachigkeit jedoch innerhalb der EU-Länder ungleich verteilt sind, wird die Teilhabe an einer

transnationalen Öffentlichkeit auch zu einer Frage sozialer Ungleichheit, was in der bisherigen Debatte kaum zum Thema gemacht wurde (Gerhards & Hans 2012, 30).

Auch das Fehlen eines transnationalen Medienmarkts in Europa wird als Ausdruck der Schwäche europäischer Öffentlichkeit betrachtet (Hasebrink 2003). Die Grenzen von Öffentlichkeit werden traditionell als deckungsgleich mit Grenzen nationalstaatlicher Herrschaft gesehen, weil sich demokratische Herrschaft im Rahmen des Nationalstaats entwickelt hat (Wessler & Brüggemann 2012, 61). Die Einschätzung der Erfüllung einer Herstellung von Öffentlichkeit hängt jedoch auch immer vom jeweiligen Öffentlichkeitsverständnis ab. Drei Varianten von Öffentlichkeit werden von Assenbrunner dargelegt (vgl. Assenbrunner 2011, 124–129):

a) Öffentlichkeit in einem kommunitaristischen Vorverständnis: Sie gründet sich demnach auf geteilte Überzeugungen, historische Erfahrungen, Geschichtsbilder und Mythen tradierter Gemeinschaften. Öffentlichkeit schließt sich dabei an eine „kollektive Identität“

oder an die Nation als „Erfahrungs-, Erinnerungs- und Kommunikationsgemeinschaft“ an (Kielmannsegg 2003, 60).

b) Öffentlichkeit aus Sicht liberal-pluralistischer Demokratietheorien: Sie ist nicht an bestimmte kontextuelle Kodierungen gebunden. Die Öffentlichkeit ist hierbei nicht mit der Gesamtheit der Bürger*innen identisch, sondern zerfällt in viele kleine Einheiten, die sich je nach Interesse verschiedenen Themen mit unterschiedlicher Aufmerksamkeit zuwenden. Nicht die kulturelle Zugehörigkeit, sondern die Betroffenheit ist bestimmend für die Entstehung von Öffentlichkeit.

c) Öffentlichkeit in einem deliberativen Demokratieverständnis: Im Sinne der Diskurstheorie, die Habermas (1990) geprägt hat, wird Öffentlichkeit als ein Netzwerk für die Kommunikation von Inhalten und Meinungen konzipiert – mit dem Anspruch, dass ein anonymes Massenpublikum zur gleichen Zeit die gleichen Themen debattiert.

Kommunikationsflüsse sollen so gefiltert werden, dass sie sich zu themenspezifisch gebündelten, öffentlichen Meinungen verdichten. Nach Habermas soll ein möglichst herrschaftsfreier, gleichberechtigter Austausch von Argumenten zustande kommen, der möglichst die Gesamtheit aller Bürger*innen miteinbezieht, um so Prozesse der Meinungsbildung in Gang zu setzen.

In der neueren Literatur wird die Realitätstauglichkeit dieses Konzeptes hinterfragt: Nicht die Partizipation aller Sprecher*innen und Themen, sondern aller relevanten Themen und Perspektiven in der Öffentlichkeit werden eingefordert (Wessler & Brüggemann 2012, 60).

Schlussendlich sind bei der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit auch soziokulturelle Faktoren wie Sprachbarrieren und unterschiedliche kulturelle Identitäten mitzudenken (Latzer

& Saurwein 2006, 23).

4.) Mediale Strukturbedingungen

In empirischen Analysen werden die Ursachen für Defizite europäischer Öffentlichkeit auch in medialen Strukturbedingungen gefunden und dort eine Reihe von hemmenden Faktoren identifiziert (Latzer & Saurwein 2006, 23). Grundsätzlich wird festgestellt, dass das „News Management“ auf institutioneller EU-Ebene oftmals nicht den Nachrichtenwerten, Formaten und der typischen Logistik der Medien entspricht, was eine Veröffentlichung von Nachrichten zur EU erschwert (Hahn, Rosenwerth & Schröder 2006, 290). Auch journalistischen Arbeitsorganisationen, den damit verbundenen Sozialisationsfaktoren sowie unterschiedlichen Arbeitsnormen bei der Berichterstattung über europäische Themen wird darüber hinaus eine nicht zu unterschätzende Rolle zugesprochen (Hummel 2006, 298).

Da ein übergreifendes europäisches Mediensystem nicht realistisch ist, fokussiert sich die Diskussion auf die Transnationalisierung von Kommunikation in nationalen Medienöffentlichkeiten (Pfetsch & Koopmans 2006, 190). Forschungen zeigen, dass die Medienberichterstattung über Europa und die EU-Mitgliedstaaten wiederum vor dem Hintergrund unterschiedlicher nationaler, journalistischer und politischer Kulturen zu erklären ist. Sie schaffen politische, gesetzliche, ökonomische, soziale, historische, kulturelle und technologische Rahmenbedingungen für die journalistische Alltagspraxis und führen auch zu inhomogenen Voraussetzungen in der EU-Berichterstattung (Hahn, Rosenwerth & Schröder 2006, 286). Medienspezifische Faktoren wie die Fragmentierung der nationalen Mediensysteme, Nachfrageorientierung, Kommerzialisierung und die nationalstaatliche Fixierung des Journalismus nehmen eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung von Öffentlichkeit ein. Ihnen wird eine wesentliche Rolle bei der jeweiligen Ausgestaltung medialer Inhalte und bei Strukturbedingungen der Nachrichtenproduktion zugeschrieben, was eine Berücksichtigung der Medienbedingungen unbedingt notwendig macht, um

Berichterstattungsprozesse adäquat analysieren zu können (Latzer & Saurwein 2006, 23).

Seethaler macht speziell darauf aufmerksam, dass Medien nicht nur auf Basis der Inhaltsebene, sondern auch auf der System- und Infrastrukturebene zu analysieren sind, um Defizite der EU-Berichterstattung zu verstehen: Strukturen des Mediensystems und die Organisation der Medienbetriebe, Journalismus und journalistische Handlungsroutinen, Publikum und Mediennutzung, weltanschauliche und kulturelle Faktoren sowie die Berücksichtigung gesellschaftlicher Teilsysteme (vor allem der Politik und Wirtschaft) werden aufgezählt (Seethaler 2006, 251).

Nach Latzer und Saurwein müssen bei Strukturanalysen vor allem folgende Medienentwicklungen berücksichtigt werden (vgl. Latzer & Saurwein 2006, 25–30):

a) Fragmentierung von Öffentlichkeit: Abseits nationaler Medienarenen wird durch eine zunehmende Ausdifferenzierung der Kommunikationssysteme die Herausbildung einer Öffentlichkeit und gemeinsamer Verständigung erschwert, was wiederum Auswirkungen auf die Demokratie zeigt.

b) Mediale Vernetzung: Transnationale Kommunikationsnetze ermöglichen die Verbreitung von EU-Informationen auch über Europa hinaus. Grenzüberschreitende mediale und journalistische Zusammenarbeit hat einerseits durch den transnationalen Austausch zugenommen. Vor allem durch internationale Nachrichtenagenturen werden mehrere Medienarenen gleichzeitig angesprochen. Auch transnationale Medienbeobachtungen und dadurch entstehende Synchronisierungen werden festgestellt. Andererseits ist die Transnationalisierung von Besitz- und Eigentumsstrukturen im Mediensektor aber auch als Risiko für Medienvielfalt und als demokratiepolitisches Problem einzuschätzen. Die Beurteilung grenzüberschreitender Medienkooperationen fällt also ambivalent aus und ist

b) Mediale Vernetzung: Transnationale Kommunikationsnetze ermöglichen die Verbreitung von EU-Informationen auch über Europa hinaus. Grenzüberschreitende mediale und journalistische Zusammenarbeit hat einerseits durch den transnationalen Austausch zugenommen. Vor allem durch internationale Nachrichtenagenturen werden mehrere Medienarenen gleichzeitig angesprochen. Auch transnationale Medienbeobachtungen und dadurch entstehende Synchronisierungen werden festgestellt. Andererseits ist die Transnationalisierung von Besitz- und Eigentumsstrukturen im Mediensektor aber auch als Risiko für Medienvielfalt und als demokratiepolitisches Problem einzuschätzen. Die Beurteilung grenzüberschreitender Medienkooperationen fällt also ambivalent aus und ist

In document Publish or Perish? (Pldal 34-45)