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Gemeinsames Handlungssystem

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5. Interaktionen zwischen Politik(-PR) und Journalismus

5.2 Ansätze zur Erklärung der Verhältnisse zwischen (Politik-)PR und Journalismus . 62

5.2.4 Gemeinsames Handlungssystem

Weitere Erklärungsansätze schweifen ab von der Perspektive der Ermöglichung – wie beim Intereffikationsmodell – und fokussieren stärker die Tatsache des wechselseitigen Nutzens von PR und Journalismus in einem gemeinsamen Handlungssystem: Vielfach wird dabei von

„bargaining“ oder „win-win“ (Merten 2004, 24) gesprochen. Journalist*innen erhalten Informationen, Politiker*innen Publizität (Fengler & Vestring 2009, 20). Unterschiedliche Formen von „Interpenetrationszonen“ zwischen Journalismus und PR (Weber 2004, 61) werden von Westerbarkey als „Verhältnisse wechselseitiger Durchdringung“ bezeichnet (Westerbarkey 1995, 152). Sarcinelli spricht von Politik und Medien als Spannungsverhältnis (Sarcinelli 2011, 119). Auch von symbiotischen Verbindungen ist die Rede (Rinck 2001, 79):

Plasser bringt den Begriff des „Supersystems“ ein, zu dem sich Politik und Medien verschränken, indem sie die jeweils anderen Aufgaben übernehmen. Dieser Konzeption nach verliert das politische System durch Medialisierung und das Mediensystem durch die Instrumentalisierung der Politik an Autonomie (Plasser 1985, 97).

Was die Einflüsse der PR bzw. des Journalismus in diesem gemeinsamen Handlungssystem betrifft, sind zwei unterschiedliche Einschätzungen in der Literatur zu finden: Merten bezieht sich auf die Spieltheorie und spricht davon, dass die Frage nach dem größeren Einfluss der beiden Kommunikationsakteur*innen sekundär ist, da sich ein prinzipielles Gleichgewicht einstelle, sodass beide Kommunikator*innen profitieren können (Merten 2004, 24). Meyer

die mediale Öffentlichkeit, und die Medien benötigen die Informationen der Politik, um ihre Kommunikationsaufgaben zur Herstellung von Öffentlichkeit garantieren zu können. Medien können von einem symbiotischen Verhältnis mit der PR profitieren, wenn sie das Politiker*innenhandeln positiv, neutral oder negativ darstellen. Politik hingegen profitiert von dieser Symbiose nur dann, wenn sie positiv oder zumindest neutral dargestellt wird. Meyer zufolge könne man daher nur dann von einer Symbiose sprechen, wenn nicht in Vergessenheit gerät, dass dabei sowohl PR als auch Journalismus von ihrem Zusammenwirken in höchst unterschiedlicher Weise profitieren oder auch Schaden nehmen können (Meyer 2009a, 191).

Ein weiterer Ansatz spricht ebenfalls das gemeinsame Handlungssystem zwischen PR und Journalismus an und bezeichnet dieses als „Produktionsgemeinschaft“. Im Unterschied zu Erklärungsansätzen, die symbiotische Verhältnisse ansprechen, werden in diesem Modell aber nach wie vor klare Unterschiede zwischen den Kommunikationsakteur*innen identifiziert.

Somit können auch Parallelen zu Interdependenzmodellen erkannt werden. Unterschiede sind jedoch darin zu finden, dass in diesem Modell des gemeinsamen Handlungssystems auch Überschneidungen aufgefunden werden. Aufgrund der kongruenten Eigenschaften ist es somit als Erweiterung von Interdependenzmodellen aufzufassen: „Die Beziehungen zwischen Politikern, Öffentlichkeitsarbeitern und Journalisten sind nicht grundsätzlich von einem Interessengegensatz geprägt, sondern vielmehr vergleichbar mit zwei Branchen, die auf Zulieferung der jeweils anderen angewiesen sind. So entsteht ein Tauschverhältnis mit wechselseitiger Abhängigkeit.“ (Donges & Jarren 2017, 191) Donges und Jarren, die diesen Erklärungsansatz geprägt haben, betonen dabei Interaktionen als zentrale Voraussetzung für die Positionierung und die Strategien der Kommunikationsakteur*innen. Als Akteur*innen in diesem Produktionsmodell werden dabei sowohl Politiker*innen als auch die Akteur*innen der Politik-PR und des Journalismus konzipiert (vgl. Donges & Jarren 2017, 191–193):

 Politiker*innen: Ziel von Politiker*innen ist der Erhalt bzw. der Erwerb der Macht für die Organisation, die er*sie vertritt sowie für sich selbst. Zur Erreichung dieses Ziels ist er*sie auf die massenmediale Vermittlung und Rechtfertigung nach Außen sowie auch nach Innen angewiesen. Alle Handlungen – auch die Interaktionen mit Journalist*innen – beinhalten diesen Aspekt. Zu bedenken ist, dass auch zum Erhalt innerorganisatorischer Macht, die als Voraussetzung für politische Macht gilt, in der Mediengesellschaft zunehmend Aspekte der PR ausschlaggebend sind. Ihren Einfluss können Politiker*innen

durch die Steigerung von Medienpräsenz und dadurch von Aufmerksamkeit erhöhen. Vor allem Spitzenpolitiker*innen spielen eine bedeutende Rolle als Gesprächspartner*innen für Journalist*innen. Damit entstehen hierarchische Kommunikationsstrukturen mit Journalist*innen. Politiker*innen verfolgen nach Donges und Jarren außerdem eine sogenannte „angebotsorientierte Kommunikationsstrategie“: Sie formulieren politische Probleme und treffen damit Auswahlentscheidungen für Themen, mit denen sie sich öffentlich profilieren wollen. Sie sind vor allem daran interessiert, dass ihre Themen und Problemdeutungen möglichst positiv und zum richtigen Zeitpunkt dargestellt werden.

 PR-Akteur*innen: Zu ihrer Unterstützung greifen Politiker*innen auf PR-Akteur*innen zurück. Sie werden von Donges und Jarren als ein untergeordnetes politisches System mit Teilautonomie konzipiert. Ihre Aufgabe ist das Management der Interaktionen zwischen Politiker*innen und der Öffentlichkeit, insbesondere aber zwischen Politiker*innen und Journalist*innen. Sie sind der Logik des politischen Systems verpflichtet. Da ihre berufliche Karriere mit der von Politiker*innen verbunden ist, sind sie freilich am Erfolg der Politiker*innen interessiert. Die Beobachtungs- und Selektionsregeln der Journalist*innen nach der Medienlogik professionell zu beherrschen, ist ein wesentliches Ziel. Sie sind an Interaktionen mit Journalist*innen beteiligt, können aber auch umgangen werden. Dies führt generell zu einem geringeren Gewicht im Metier der politischen Kommunikation.

Daher sind PR-Akteur*innen herausgefordert, ihre Bedeutung, Fachkenntnis und Unentbehrlichkeit sowohl der Politik als auch dem Journalismus gegenüber zu betonen.

Werden sie jedoch als eigenständige Sprecher*innen erkennbar, fällt es ihnen leichter, den Kommunikationsprozess zu steuern. Aufgrund normativer Anforderungen und ihrer Systemzugehörigkeit sind PR-Akteur*innen stärker auf das politische System als auf das Mediensystem angewiesen. Ihr Ziel muss es daher auch sein, die Relevanz ihrer Tätigkeit sowie ihre Unersetzbarkeit innerhalb der politischen Organisation darzustellen.

 Journalist*innen: Durch ihre Veröffentlichungen von im politischen System hergestellten Themen nehmen Journalist*innen an politischen Funktionen des Mediensystems teil.

Aufgrund der Konkurrenz zwischen den Medien und den Journalist*innen sind sie ständig auf der Suche nach neuen, exklusiven Informationen. Die Interaktionen mit Politiker*innen oder PR-Akteur*innen werden laut Donges und Jarren von Journalist*innen nicht als ein Spiel im politischen System, sondern als ein Teil des Spiels

mit journalistischen Konkurrent*innen um journalistische Leistungen und Positionen gesehen: Mit guten Informationen und dem Erreichen eines breiten Medienpublikums kann innerhalb der Redaktionen Aufmerksamkeit erlangt und die berufliche Position verbessert werden. Vor allem in einer stark durch Konkurrenz geprägten Mediensituation gelten exklusive Informationen und Zugänge zu Politiker*innen als ein wertvolles journalistisches Gut. Bei der Beobachtung des politischen Handelns greifen Journalist*innen zwar durchaus eigenständig Probleme und Problemdeutungen auf. Im Regelfall nehmen sie jedoch viel eher jenes Material, das PR-Akteur*innen ihnen anbieten oder übernehmen Themen von Agenturen bzw. der Medien-Konkurrenz. Journalist*innen sind mit einem Überangebot an Themen und Deutungen konfrontiert, aus dem sie Selektionsentscheidungen treffen müssen. Die Vielzahl an politischen Prozessen und das große Angebot an politischen Informationen führen laut Donges und Jarren bei den Journalist*innen zu einer eher passiv-selektiven Haltung bei der Informationsbeschaffung.

Für das Verständnis des Modells der „Produktionsgemeinschaft“ sind nach Donges und Jarren darüber hinaus noch folgende Elemente der Verhältnisse zwischen Politik, Politik-PR und Journalismus relevant (vgl. Donges & Jarren 2017, 194–201):

1.) Interaktionen

PR-Akteur*innen und Journalist*innen sind durch vielfältige Interaktionsformen verbunden:

Die PR investiert in Beziehungen zu Journalist*innen, um die Nachfrage kennenzulernen und in der Folge möglichst das zu produzieren, was tatsächlich auch gebraucht wird. Für Journalist*innen sollen durch Interaktionen mit den PR-Akteur*innen vor allem knappe Ressourcen geschont werden. Zum Teil enge Abstimmungen in der Zusammenarbeit zeigen die Existenz von Überschneidungen in den Kommunikationshandlungen der beiden Kommunikationsakteur*innen. Dies kann auch zu Einflussnahmen führen: Durch Interaktionen von der Politik-PR sollen journalistische Selektionsentscheidungen beeinflusst, die journalistische Aufmerksamkeit gelenkt und bestimmte Formen der Kooperation erreicht werden.

Weiters sprechen Donges und Jarren im Zusammenhang mit Interaktionen zwischen PR und Journalismus auch von „Formalität“ und „Informalität“ und somit von zwei unterschiedlichen kommunikativen Bühnen, auf denen Politik und Journalismus miteinander interagieren. Ihre

Akteur*innen verhalten sich auf diesen Bühnen unterschiedlich, weil jeweils andere Regeln gelten. Auf der sogenannten „Vorderbühne“ herrscht die Erwartung nach Distanz und formalisierten Beziehungen, während auf der sogenannten „Hinterbühne“ Platz für stärkere Überschneidungen ist: Donges und Jarren verstehen darunter Absprachen, persönlichen Austausch und durchaus auch enge Kooperationen. Aufgrund dieses gemeinsamen Handelns auf der Hinterbühne wird es Journalist*innen mitunter möglich, eine Rolle als Mitspieler*innen im politischen Prozess anzunehmen. Zwar ist ihnen eine Mitwirkung an der Herstellung allgemein verbindlicher Entscheidungen nicht möglich. Sie dienen dort mitunter aber als politische Berater*innen, Informationsübermittler*innen oder Vermittler*innen von Deutungen und können so Einfluss auf die Politik ausüben.

2.) Interessen

Die Kommunikationsakteur*innen handeln laut Donges und Jarren nach bestimmten Rollen, die sich aus ihrem „Systemhintergrund“ erklären lassen und dementsprechend Differenzen bei der Verfolgung ihrer Ziele verursachen: Politische Akteur*innen suchen politischen Einfluss. Journalist*innen wiederum sind auf der Suche nach exklusiven Themen. Dadurch wollen sie ihren eigenen Wert innerhalb der Redaktion sowie bei den Medienrezipient*innen steigern.

Die Interessen von Politik-PR und Journalismus sind zwar entsprechend ihrer jeweiligen Systeme unterschiedlich. Was übergeordnete Ziele betrifft, konstatieren Donges und Jarren aber weitgehende Kongruenz: Politische Akteur*innen versuchen mit einem möglichst geringen Ressourcenaufwand an Geld, Personal und Zeit möglichst andauernd und den Zielen entsprechend, ihre Themen in den Medien unterzubringen. Durch Interaktionen zum Journalismus können sie mitunter auch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie von anderen Journalist*innen nach Stellungnahmen gefragt werden. Aufgrund ihrer beschränkten Ressourcen an Geld, Personal und Zeit haben auch Journalist*innen ein Interesse an sozialer Stabilität mit den Kommunikationsakteur*innen der PR: Kostengünstig, rasch, zuverlässig und möglichst exklusiv Informationen von der Politik zu erhalten und dabei sowohl Konkurrenzmedien als auch Medienrezipient*innen zu berücksichtigen, ist laut Donges und Jarren ein wesentliches Interesse der Journalist*innen.

3.) Kooperation und Konflikte

In der Interaktion zwischen den Kommunikationsakteur*innen können Konflikte entstehen, die mitunter zu Rollenproblemen führen. Nach Donges und Jarren müssen vor allem Journalist*innen bei den Interaktionen mit der Politik Konflikte in ihre Handlungsüberlegungen einbeziehen: Aufgrund ihrer normativen Verpflichtung, die Öffentlichkeit zu vertreten, wird von ihnen ein hoher Grad an Autonomie, Unabhängigkeit, Neutralität und Distanz verlangt. Politiker*innen und PR-Akteur*innen ist es hingegen erlaubt, bestimmte Interessen zu vertreten und durchzusetzen. Sie dürfen durchaus auch Nähe herstellen bzw. Distanz verletzen.

Im Modell der „Produktionsgemeinschaft“ streben PR-Akteur*innen und Journalist*innen zur Stabilisierung der gemeinsamen Interaktionsprozesse danach, Routinen und Vertrauensverhältnisse zu den jeweils anderen Kommunikationsakteur*innen zu schaffen, ohne dabei an eigener Autonomie zu verlieren. Sie sprechen dabei weder von einem Subsystem des politischen noch des journalistischen Systems, sondern stellen einen eigenständigen Typus eines sozialen Handlungsfeldes vor: Demzufolge entwickeln die Kommunikationsakteur*innen aus PR und Journalismus „einen gewissen Grad an Autonomie gegenüber den gesellschaftlichen Teilsystemen, fungieren damit systemübergreifend und sind insoweit als Interpenetrationszonen aufzufassen“ (Donges & Jarren 2017, 202). Laut Donges und Jarren werden im Rahmen der Interaktionen zwischen Politik-PR und Journalismus gemeinsame Handlungsvollzüge erzeugt und ein Handlungssystem mit eigenen Routinen und Regeln entwickelt. Dieses Handlungssystem kann als Rahmen für das jeweils konkrete Verhalten der beteiligten Akteur*innen interpretiert werden, die jeweils ein spezifisches Interesse an gemeinsamen Regeln haben, um die gegenseitigen Interaktionen zu stabilisieren.

Ebenso gibt es in diesem Handlungssystem Separatlösungen und Sonderbeziehungen. Für das richtige Handeln zählen daher weniger rechtliche Vorgaben, sondern vielmehr soziale Normen und Regeln. Mit diesen gemeinsamen Spielregeln bilden sich gewisse Traditionen heraus.

Gewisse Grenzen müssen jedoch auch immer wieder neu kommunikativ ausgehandelt werden (Donges & Jarren 2017, 200–202). Mit Miebach gesprochen kann die Produktionsgemeinschaft daher als eine Akteur*innenkonstellation betrachtet werden, in der auf die jeweiligen Intentionen der anderen reagiert wird und neue Intentionen herausgebildet

werden, „die als Resultat von Gruppenprozessen ein kollektives Phänomen darstellen, das mehr als die Summe der individuellen Intentionen darstellt“ (Miebach 2014, 414).

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