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Normative Erwartungen und kommunikationsbezogene Anforderungen

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3. Struktur und Methodik

4.2 Die Kommunikation der EU-Institutionen

4.2.1 Normative Erwartungen und kommunikationsbezogene Anforderungen

Zwar fehlt eine klare Rechtsgrundlage für eine EU-Kommunikationspolitik – in den Verträgen sind keine spezifischen Artikel dazu eingefügt –, dennoch kann man den Auftrag zur Informationsvermittlung zu Angelegenheiten der Europäischen Union aus der Europäischen Charta der Grundrechte ableiten, die durch den Vertrag von Lissabon denselben rechtlichen Status wie die EU-Verträge einnimmt. Die dazu passenden Absätze betreffen vor allem die Verpflichtung der EU-Institutionen, den Bürger*innen die Funktionsweise und Politik zu erläutern, das Recht auf Information und Meinungsäußerung sowie die Freiheit der Medien und ihre Pluralität (Charter of Fundamental Rights of the European Union 2010, Art.11).

Bei der Analyse der EU-Kommunikationspolitik stellt Brüggemann die Relevanz einer breiten Perspektive fest: Nicht bloß technische Fragen zu effektiver und professioneller Arbeit sollten fokussiert werden, sondern normative Ansprüche an Informations- und Kommunikationstätigkeiten der Institutionen (Brüggemann 2005, 63). Aufgrund fehlender Vergleichsobjekte und der Unmöglichkeit, demokratische Governance auf EU-Ebene mit den Demokratiemodellen der Nationalstaaten gleichzusetzen und zu messen, ist man darauf angewiesen, normative Demokratie-Ideale als Maßstäbe für die EU-Kommunikation anzusetzen. Hüller formuliert: „Demokratisch ist eine Herrschaftsordnung, wenn ihre wesentlichen Entscheidungen öffentlich hervorgebracht werden“ (Hüller 2010, 62). Als demokratisches „Hilfsprinzip“ (Hüller 2010, 66) nennt er die Publizität von EU-Politik. Um einen wirksamen Bindungsmechanismus zwischen den Bürger*innen und den politischen

Verantwortungsträger*innen herzustellen, brauche es die Möglichkeit, sich ohne großen Aufwand über die Inhalte politischer Entscheidungen zu informieren. Darüber hinaus ist erforderlich, dass Verfassungsinhalte sowie Gegenstände und Positionen in den wichtigsten politischen Entscheidungen auch allgemein bekannt sind. Weit verbreitet sind diesbezüglich die Forderungen nach Transparenz (Hüller 2010, 66). Bijsmans und Altides wiederum betonen die Notwendigkeit einer medialen Beobachtung des politischen Prozesses von Anfang an, um somit den Bürger*innen in der Folge auch Partizipation zu ermöglichen: „The media are expected to scrutinize political processes from the very beginning and enable public debate on sensitive political issues before the actual decisions are taken. This can generate the occasion for an inclusive, multi-level deliberative process, offering the European citizenry opportunities to engage in debates and hold accountable their representatives in the EU political arena”

(Bijsmans & Altides 2007, 325). Die Europäischen Institutionen sollten die Öffentlichkeit über politische Fakten und Ziele aufklären, fordert Meyer (Meyer 1999, 631), welche wiederum als Grundlage für gesellschaftliche Diskussionen und Meinungsbildung dienen (Gramberger 1997, 76). Für Sarcinelli ist demokratische Politik von der Zustimmung der Öffentlichkeit abhängig und muss begründet werden (Sarcinelli 2011, 55). Nach Altides sind von politischen Kommunikator*innen klare Informationen über politische Vorgänge zu erwarten – dazu gehören die Sichtbarmachung politischer Verantwortung und des Entscheidungsprozesses, das Erklären von Konfliktlinien, die rationale Argumentation politischer Entscheidungen sowie ein Informationsaustausch zwischen der Politik und ihren Bürger*innen. Konkretisiert man die Erwartungen an die politische Kommunikation, so entsteht auch die Forderung, Kommunikation in reziproker Form herzustellen (Altides 2009, 32–33).

In der Praxis der Politikgestaltung der Europäischen Kommission ist außerdem zu konstatieren, dass von Seiten der EU-Institutionen politische Partizipationsmöglichkeiten für den*die Individual-Bürger*in auch als Beitrag zur Kommunikationspolitik gedeutet werden:

Hierzu dienen die Online-Konsultation der Europäischen Kommission (European Commission 2020b) oder die Europäische Bürgerinitiative (European Parliament 2020) als Beispiele, welche von den EU-Institutionen immer wieder als „direkte Kommunikationskanäle“ für die europäischen Bürger*innen und als „Agenda Setting Instrumente“ für den*die Einzelne*n zur Politikgestaltung auf EU-Ebene gedeutet werden (Breser 2016, 110–111). Die oben genannten Beteiligungsformen für individuelle Bürger*innen beinhalten jedoch keine politischen

Diskursfunktionen für reziproke politische Debatten und bleiben einseitige Kommunikationsakte. Da in transnationalen politischen Gebilden wie der EU politische Forderungen grenzüberschreitend gestellt werden bzw. politische Entscheidungen grenzüberschreitende Auswirkungen haben, sind nach Wessler und Brüggemann jedoch auch vernetzte Diskussionsforen herzustellen. In Hinblick auf die Europäische Kommission kann statuiert werden, dass fehlende Responsivität vor allem dann als problematisch gilt, wenn es sich bei den Entscheidungsträger*innen um nicht abwählbare Beamt*innen handelt. Vielfach ist daher in Frage zu stellen, ob sich deren Handeln daher an öffentlich diskutierten Meinungen orientiert. Bei der Analyse normativer Erwartungen an politische Kommunikation im transnationalen Raum gilt es daher auch, politische Strukturen sowie politische und soziale Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation mitzudenken (Wessler & Brüggemann 2012, 70; Bijsmans & Altides 2007, 325). Brüggemann ergänzt hierzu: „Executive bodies such as the European Commission lack a strong incentive for dialogue if they are not elected by the citizens and do not have to fear sanctions if they ignore the needs of the citizens. In these cases, responsiveness is primarily a voluntary act of the administration.” (Brüggemann 2010, 19) Der Anspruch auf Inklusion in politische Entscheidungs- und Implementierungsprozesse sowie eine direkte Kommunikation mit dem*der Individualbürger*in ist in einem transnationalen politischen Gebilde wie der EU aufgrund ihrer großen Anzahl an politischen Bezugsgruppen und Bürger*innen natürlich auch kritisch in Frage zu stellen. Altides hängt diesbezüglich die Forderung an, zumindest den Kommunikationsinhalt und das Timing von politischer Kommunikation so abzustimmen, dass Rückmeldungen möglich sind (Altides 2009, 33). Dies könne nach Brüggemann jedoch nur dann passieren, wenn politische Vorhaben der europäischen Bürger*innenschaft angekündigt werden, bevor Entscheidungen getroffen werden (Brüggemann 2005, 68).

Es reicht freilich nicht, wenn sich die Analyse politischer Kommunikation der EU-Institutionen bloß auf normative Standards der institutionellen EU-Kommunikation fokussiert. In der gegenwärtigen Mediengesellschaft werden Informationen über Medien publiziert, um gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu bekommen. Das Interesse der traditionellen und der sozialen Medien ist daher ein essentielles Merkmal für eine erfolgreiche politische Kommunikation. Mediale Aufmerksamkeit schafft – gemeinsam mit institutionellen Partizipationsmöglichkeiten und der Demoskopie – die Grundlage, damit politische Prozesse

transparent gemacht und die Interessen der Bürger*innen an das politische System vermittelt werden (Latzer & Saurwein 2006, 38). Die Informationen der EU-Institutionen, wenn sie nach außen treten, werden von Journalist*innen aus vorrangig national geprägten Medien gefiltert, welche wiederum spezifische Anforderungen an Kommunikationsinhalte stellen. Hierbei spielen unter anderem die journalistischen Nachrichtenwerte (u.a. Schulz 1976) – Kriterien der Journalist*innen bei der Auswahl von Inhalten – eine wesentliche Rolle. Sie wirken als Verhinderer oder Ermöglicher für die Vermittlung von Kommunikationsinhalten der EU-Institutionen. Die Kommunikationsforschung hat diesbezüglich beispielsweise Faktoren wie Einfachheit, Konflikt, Personalisierung, Prominenz, Nähe und kurze Ereignisdauer als Merkmale von erfolgreichen Botschaften, die der Medienselektion entgegenkommen, identifiziert (Brüggemann 2008, 31). Somit stellt die Sphäre des Journalismus kommunikationsbezogene Anforderungen auf, die über den Erfolg der Kommunikationshandlungen der EU-Institutionen bestimmen. Altides‘ Analysen zeigen jedoch, dass die Medienbedingungen nicht unbedingt den normativen Standards, die an eine politische Information gestellt werden, widersprechen müssen (Altides 2009, 35).

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