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Empirische Ergebnisse

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3. Struktur und Methodik

4.3 Die mediale Berichterstattung zur EU

4.3.2 Empirische Ergebnisse

Der Überblick zum empirischen Forschungsstand zeigt ein äußerst heterogenes Feld an Analyseansätzen und widersprüchlichen Ergebnissen zur medialen Europäisierung: Die Berichterstattung in den Medien der EU-Mitgliedstaaten wird als „terra incognita“ und als

„Schattenexistenz“ bezeichnet (Hahn, Rosenwerth & Schröder 2006, 286). Dass EU-Politik den Selektionskriterien von Medien nicht entspricht, wird von Brüggemann ebenfalls verdeutlicht (Brüggemann 2008, 30–33). Dieser Einschätzung wird jedoch auch widersprochen: Am Beispiel Deutschlands zeigen Pfetsch und Koopmans, dass Medien andererseits auch als Motoren der Europäisierung politischer Öffentlichkeit sowie als Unterstützung der EU-Integration auftreten (Pfetsch & Koopmans 2006, 190). Als häufige Ursachen für diese Widersprüche in der Literatur können laut Latzer und Saurwein unterschiedliche Indikatorensysteme und Messverfahren angeführt werden (Latzer & Saurwein 2006, 23).

Was die journalistische Berichterstattung zu Europa- und EU-Themen in Österreich betrifft, bleibt die Literatur äußerst lückenhaft. Generell ist festzustellen, dass kleinere EU-Länder wie Österreich in der bisherigen internationalen Forschungslandschaft zur EU-Kommunikation völlig fehlen oder unterrepräsentiert sind (AIM Research Consortium 2007). Brüggemann

(2012) und Trenz (2005) sind zwei nennenswerte Ausnahmen. Aber auch die österreichische Journalismusforschung bleibt zu diesem Thema bislang nur vage und bruchstückhaft: Die Analyse der EU-Berichterstattung in österreichischen Medien und der Europäisierung der österreichischen Öffentlichkeit hat in etwa zeitgleich zu europaweiten Debatten zum europäischen Öffentlichkeitsdefizit rund um die gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden von 2005 zwar zugenommen, die Zahl der umfangreichen Studien hält sich jedoch in engen Grenzen (Vitouch & Mayer 2004; Saurwein, Brantner & Dietrich 2006). Die Mehrzahl der empirischen Literatur findet sich im Feld der unveröffentlichten Hochschulschriften. Sie sind stark fokussiert auf die Analyse der Berichterstattung kurzfristiger politischer Entwicklungen und Ereignisse – beispielsweise die österreichische Ratspräsidentschaft (Weber 2010; Reiter 2011), Sanktionen der EU gegen Österreich (Maier 2010), Osterweiterung (Brantner 2007) oder Europathemen im Nationalratswahlkampf (Jungwirth 2011). Eine Langzeitstudie fehlt genauso wie internationale Vergleiche. EU-Themen in den Medien der letzten Jahre wurden bislang weitgehend außer Acht gelassen.

Auch die internationale empirische Forschungslandschaft zur medialen Berichterstattung zur EU ist im letzten Jahrzehnt mit Ausnahme der Brexit-Kampagne in britischen Medien – genauso wie theoretische Debatten zur EU-Kommunikation und zur europäischen Öffentlichkeit – kaum dem neuesten Stand politischer Entwicklungen in der EU gefolgt. Im Folgenden werden, wenn teilweise auch veraltet, ausgewählte Forschungsergebnisse der empirischen Journalismusforschung zusammengefasst, die zum inhaltlichen Rahmen dieser vorliegenden Arbeit passen und mit deren empirischen Ergebnissen Berührungspunkte aufweisen. Diese werden einerseits auf der Makroebene und andererseits auf der Mikroebene der Nachrichtenproduktion betrachtet.

1.) Makroebene

Eine Reihe an Inhaltsanalysen führt vor Augen, dass mediale Berichterstattung über europäische Themen abhängig vom Medientypus, Land und Thema in unterschiedlichem Ausmaß erfolgt (Hummel 2006, 296). Die Niederlande, Dänemark und Deutschland werden als die am meisten europäisierten Medienöffentlichkeiten identifiziert. Auch Medien in Frankreich, Spanien und Österreich widmen sich Machill, Beiler und Fischer zufolge in einem

überdurchschnittlichen Ausmaß europäischen Themen (Machill, Beiler & Fischer 2006, 77–

79).

Was die politische Berichterstattung in Europa betrifft, konstatieren Latzer und Saurwein einen fehlenden europäischen Blickwinkel, der trotz sachlich gebotener transnationaler Problemstellungen oft nicht gegeben sei (Latzer & Saurwein 2006, 22). Zudem wird dem Journalismus in Europa eine vorrangig nationale Selbstreferenzialität zugeschrieben (Latzer &

Saurwein 2006, 22). Nationale Bezugsrahmen seien den europäischen nicht gewichen, sondern existieren weiter parallel, argumentieren Hahn, Rosenwerth und Schröder, wobei unterschiedliche Vermittlungsschwierigkeiten vom jeweiligen Medienressort abhängen (Hahn, Rosenwerth & Schröder 2006, 286). Trenz sieht zahlreiche europäische Politikthemen in einer Konkurrenz mit nationalen und regionalen Themen (Trenz 2005, 287). Auch Hummel ortet eine vorwiegende Berichterstattung durch die Brille der nationalen Politik. Als Konsequenz folgen Journalist*innen den jeweiligen nationalen Politiker*innen, die europäische Themen nationalisieren bzw. lokalisieren. Medieninhalte werden somit vorrangig aus dem Kontext nationaler und regionaler Interessen selektiert und interpretiert (Hummel 2006, 296–297). Inhaltsanalysen medialer Berichterstattung belegen, dass nationale Journalist*innen in EU-Belangen vorwiegend nicht auf die EU-Institutionen zurückgreifen.

Akteur*innen, die in den Medien bevorzugt als „Europasprecher*innen“ auftreten, teilen Brüggemann et al. in drei unterschiedliche Gruppen: Nationale Regierungen werden in der Qualitätspresse überwiegend als Sprecher*innen zu europäischen Belangen verwendet. Die Opposition, Zivilgesellschaft, Expert*innen und Individualbürger*innen werden bei Europathemen hingegen seltener zitiert als bei anderen Themen. Darüber hinaus zählen Journalist*innen zu den Europasprecherinnen, indem sie durch Themensetzung, Framing und eigene Kommentierung zur Transnationalisierung öffentlicher Debatten beitragen. Schließlich sind auch EU-Institutionen in medialen EU-Debatten präsent, kommen jedoch selten direkt als Sprecher*innen zu Wort (Brüggemann et al. 2009, 398–399). Koopmans bezeichnet nationale Kommunikationsakteur*innen als die Gewinner im Diskurs über transnationale Themen (Koopmans 2007, 183). Eine Transnationalisierung der Themen in den Medien bedeutet demnach also nicht automatisch auch eine Transnationalisierung der Informationsquellen und der Sprecher*innen in den medialen Diskursen.

Die Erklärungen hierzu sind vielfältig – zwei Ansätze dominieren die Journalismusforschung.

Zum einen werden Ursachen innerhalb der Medienorganisationen gefunden, und zum anderen werden Journalist*innen für die Themensetzung als bestimmend identifiziert:

Während Heikkilä und Kunelius den nationalen Fokus der Berichterstattung nicht bloß auf „frei schwebende“ Identitäten und Narrative zurückführt, sondern diesen in erster Linie in institutionalisierten Strukturen der Nachrichtenorganisationen erkennt (Heikkilä & Kunelius 2008, 391), macht Statham neben der Beachtung institutioneller Zwänge durch Medienbetriebe und aufgrund der Verhältnisse zwischen Medien und Politik auf die Rolle und die Motivationen der Journalist*innen aufmerksam (Statham 2007, 464–465). Firmstone betont hierzu, dass vor allem Elite-Journalist*innen deutlichen EInfluss auf Nachrichtenentscheidungen zur EU nehmen: „although news values constitute one of the most important editorial values, journalists’ judgements of the level of editorial importance attributed to an issue motivate their decisions to the same extent” (Firmstone 2008, 224).

Anhand einer Analyse von zehn britischen Tageszeitungen zeigt sie, dass führende Journalist*innen die Sichtbarkeit von EU-Themen, deren Formulierung und Stil beeinflussen (Firmstone 2008, 220–225). Dazu passt auch der Befund von Trenz: Er konstatiert eine mangelnde Eigenrecherche der Journalist*innen, die bevorzugt Informationen aus anderen Quellen wie Nachrichtenticker oder Konkurrenzmedien entnehmen, aber nur selten eigene Recherchen zu EU-Themen und persönliche Themen-Relevanzen zeigen. Zudem stellt er gleiche Selektions-, Interpretations- und Bewertungsmaßstäbe der Journalist*innen fest, die das traditionelle Links-Rechts-Schema nicht berücksichtigen. Ideologische Muster verlieren Trenz zufolge an Relevanz bei der Medienberichterstattung europapolitischer Themen (Trenz 2005, 286). Wenn Journalist*innen als Kommentator*innen europäischer Politik auftreten, identifiziert Statham vor allem eine sogenannte „educational role”: „journalists see themselves as adopting an educational mode of raising public awareness, more than a political

‘partisan’ or ‘ideological campaign’ mode” (Statham 2007, 467).

Mangelnde Substanz der EU-Berichterstattung wird wiederum auf fehlende journalistische Ausbildung und Kompetenz zurückgeführt. Journalist*innen wird häufig ein Mangel an profundem Wissen über Institutionen, Politikfelder und Entscheidungsprozesse der EU unterstellt (Hahn, Rosenwerth & Schröder 2006, 290). Davon ausgenommen sind Korrespondent*innen, die Trenz als „Hoffnungsträger einer europäischen Publizistik“ (Trenz

2005, 287) bezeichnet, welche die Hauptlast der EU-Nachrichtenproduktion tragen (Trenz 2005, 287) (siehe Kapitel 6.2.3).

2.) Mikroebene

Was die Nachrichtenproduktion zu EU-Inhalten betrifft, formuliert Trenz folgende Befunde aus Analysen der Medienberichterstattung in der europäischen Qualitätspresse. Die Ergebnisse werden speziell auch in Hinblick auf den empirischen Teil dieser Arbeit zusammengefasst (vgl. Trenz 2005, 282–284):

 Qualitätspresse: Sie gilt als Hauptmedium für die Europaberichterstattung. Eine wirklichkeitsgetreue Spiegelung der politischen Agenda der EU wird von Trenz jedoch nicht festgestellt. Er konstatiert vor allem systematische Selektionsraster für die Filterung von Nachrichten, die zu relativ gleichförmigen Ergebnissen führen, wie vergleichende Analysen europapolitischer Kommunikation in der Qualitätspresse ergeben.

 Europäische Berichterstattung: Sie zeichnet sich sowohl durch Konvergenz als auch durch Gleichzeitigkeit aus. Es lassen sich länder- und zeitungsübergreifende Symmetrien und Synchronizität ableiten. Ein Zusammenhang mit Regierungsakteur*innen wird als Vorteil für eine Publikation ausgemacht. Aber auch Divergenz und ein unterschiedliches Ausmaß der Kopplungen zwischen den Kommunikationsarenen werden festgestellt.

 EU-Themen: Sie werden in der Qualitätspresse regelmäßig in innen- und außenpolitischen Themen-Ressorts abgebildet. Schwerpunkte sind keineswegs ausschließlich auf die wirtschaftspolitische Berichterstattung fokussiert, sondern auch auf sicherheitspolitische Aspekte sowie auf die Debatte allgemeiner konstitutioneller und institutioneller Belange zur EU. EU-Themen werden aber auch in untergeordneten Zusammenhängen erwähnt, wobei die Routineberichterstattung über einzelne Politikbereiche wie Agrarpolitik, Regionalpolitik, Umwelt, Arbeit, Sozialpolitik, Wissenschaft und Technologieförderung weitgehend aus dem Blick der Printmedien geraten. Insgesamt kann sowohl von länderübergreifenden Themenkonzentrationen als auch von nationalen Themenpartikularitäten gesprochen werden.

 Europäische Kommission: Sie wird in der Medienberichterstattung häufig in Verbindung mit Mehrebenen-Entscheidungen gebracht, bei denen sich Betroffenheit ungleichmäßig im europäischen Raum verteilt wie beispielsweise bei Subventionsentscheidungen. Die

Europäische Kommission tritt in den Medien zwar in ihrer Rolle als Agenda Setter für EU-Nachrichten auf, ihre Themen werden jedoch nicht im gleichen Maß und in derselben Konstanz in der Qualitätspresse aufgenommen wie jene von Regierungsakteur*innen.

Bijsmans und Altides, die in ihrer Studie die Informationsprodukte der Europäischen Kommission und der Medienberichterstattung hinsichtlich Politikthemen, Politikprozessen, Akteur*innen und deren Positionen vergleichen, kommen zum Ergebnis, dass die Europäische Kommission und die nationalen Medien unterschiedliche Aspekte des politischen Prozesses der EU betonen: „Whereas the Commission is quite elaborate about its role in and the development of the policy process, the media reflect this information only partly. The lack of references to European citizens’ interest in the media further complicates the Commission’s attempts to prove its legitimacy and the legitimacy of its policies.” (Bijsmans & Altides 2007, 337) Darin orten sie eine Gefahr für die transnationale demokratische Entwicklung: „This could pose problems in terms of the legitimacy of EU policies and the Commission’s role therein.“

(Bijsmans & Altides 2007, 323)

Weitere Eigenschaften der EU-Berichterstattung aus Studien zur europäischen Presse lassen einen Konnex zu den journalistischen Nachrichtenwertfaktoren erkennen: Bei der Selektion europapolitischer Themen wird eine Medienlogik festgestellt, die realpolitischen Macht- und Einflussverhältnissen folgt. Wenn vorhanden, dann folgen transnationale Referenzen überwiegend den bevölkerungsreichsten EU-Ländern sowie einer sogenannten

„konfliktinduzierten Transnationalisierung“ – transnationale Berichterstattung erfolgt vor allem bei sensiblen Themen (Latzer & Saurwein 2006, 22). Eine Analyse der Berichterstattung zum Brexit-Referendum zeigt einen starken Fokus der britischen Presse auf Politiker*innen und Vertreter*innen der Kampagnen. Die Autor*innen konstatieren eine mediale Personalisierung und dadurch entstehende Abhängigkeit von Informationsmaterial der PR-Stellen: „This may have been a way of simplifying the issues but it also ended skewing the coverage to the political game and away from serious debate of the topic. It made the press heavily dependent on the material fed to them by each campaign and by the politicians“ (Levy, Aslan & Bironzo 2016, 34).

Diese Ergebnisse führen zur Frage, welche journalistischen Nachrichtenwertfaktoren im Kontext der EU-Berichterstattung besondere Relevanz zeigen. Unter dem Titel „trigger constellations“ analysierte Brüggemann jene Eigenschaften von EU-Informationen, die einer

Nachricht zu einer größeren Publikationswahrscheinlichkeit verhelfen, und teilt diese in folgende drei Kategorien (vgl. Brüggemann 2012, 409–410):

 Auslöser: institutionelle Politik, alle offiziellen Handlungen des politischen Prozesses und Verfahrens der öffentlichen Verwaltung, andere Medienberichte, ein hohes Maß an gegenseitiger medialer Orientierung (diese sind wichtiger als Nachrichtenagenturen und Aktivitäten von Beamt*innen, Lobbyist*innen und der Zivilgesellschaft)

 Journalistische Bewertung der Nachricht: spezifische Schlagworte und Nachrichtenwertfaktoren (wobei die medialen Entscheidungsträger*innen hierzu sehr unterschiedliche Begründungen, weit gefasste und vage Konzepte nennen)

 Redaktioneller Kontext: Redaktionspolitik, Kontext in der Zeitung (passend zu anderen Artikeln auf der Seite und der gesamten Zeitung, redaktionelle Meta-Narrative, bestimmte inhaltliche Interessen)

Auch die Präferenzen der Journalist*innen spielen eine Rolle bei der Auswahl eines Themas, als entscheidender Faktor werden sie jedoch seltener als redaktionelle Selektionsentscheidungen genannt.

Vor allem in Hinblick auf europaweite Tendenzen der Renationalisierung ist schließlich auch folgende aktuelle Studie zum Kontext der vorliegenden Arbeit passend: Im Ländervergleich zwischen Deutschland und Großbritannien wurde untersucht, inwiefern die Europa-Berichterstattung durch einen systematischen Negativitätsbias geprägt wird. Negativität wird dabei von Galpin und Trenz als Nachrichtenwert fokussiert, der politische Fehlleistungen, Polemiken, Skandale oder Krisen fokussiert. Sie interpretieren Negativität ambivalent:

einerseits als mediale Untergrabung des Vertrauens in die demokratische Politik und ihre Repräsentant*innen und andererseits als Ausdruck, Machtstrukturen herauszufordern, Politiker*innen zur Verantwortung zu ziehen und eine kritische Öffentlichkeit herzustellen (Galpin & Trenz 2018, 167–168). Ihre Analyse der EU-Berichterstattung kommt jedoch zum Befund, dass es Medien durch negative Berichterstattung nicht gelingt, eine kritische Öffentlichkeit auszubilden. „Hier wäre vor allem auf die Art und Weise der medial vermittelten politischen Konfrontation hinzuweisen, durch die eine fundamentale Systemkritik der EU in den Vordergrund, parteipolitische Auseinandersetzungen hingegen in den Hintergrund gestellt werden. Mediennegativität wird also nicht in Kritik mit der Programmatik des europäischen Regierens übersetzt, sondern bleibt diffus.“ (Galpin & Trenz 2018, 167–168)

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