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Dependenz

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5. Interaktionen zwischen Politik(-PR) und Journalismus

5.2 Ansätze zur Erklärung der Verhältnisse zwischen (Politik-)PR und Journalismus . 62

5.2.2 Dependenz

In dieser Kategorie kommen Autor*innen einerseits zum Schluss, dass die journalistische Arbeit von Politik-PR abhängig ist bzw. von ihr sogar determiniert wird. In recht unterschiedlichem Ausmaß wird die Unabhängigkeit von Journalismus bezweifelt bzw.

zumindest in Frage gestellt. Andererseits existieren auch Ergebnisse aus Fallstudien, die vielmehr eine Dependenz der PR vom Journalismus betonen.

„Die Vorstellung vom eigenständigen, durch selbständige Recherche Nachrichten und Informationen produzierenden Journalisten ist mit Recht als Mythos zu bezeichnen“ (Nissen &

Menningen 1977, 168), kommen Nissen und Menningen zu einem klaren Urteil: Das Ergebnis ihrer Analyse dreier Tageszeitungen im Jahr 1977 zeigt kaum Abweichungen zwischen Medieninput und Medienoutput. Medieninhalte wurden demnach hauptsächlich von der

Politik vorgeprägt. In der Folge wird von „Determinationsleistungen“ der Politik-PR gesprochen (Nissen & Menningen 1977, 159–180). Baerns, die lange Zeit den Diskurs zur Determinationshypothese der PR prägte, prüfte mit der im Jahr 1978 durchgeführten Analyse den Niederschlag der PR der nordrhein-westfälischen Landespolitik in den Tageszeitungen des Bundeslands mittels einer Inhaltsanalyse und durch Befragungen. Ihr Ergebnis zeigte, dass zwei Drittel aller untersuchten Berichte aus den Informationen der Politik-PR herzuleiten waren (Baerns 1991, 55). Sie bescheinigt den Medien in der Folge nur wenig Eigenleistungen und streicht nicht nur deren Abhängigkeit von der PR, sondern sogar eine Determinationsleistung der PR hervor, die „Informationen platziert, Nachrichten initiiert, Themen forciert, Timing kontrolliert und Wirklichkeit konstruiert“ (Baerns 1991, 55). Ihr Befund lautet, dass PR in der Lage ist, „journalistische Recherchekraft zu lähmen und publizistischen Leistungswillen zuzuschütten“ (Baerns 1991, 55). Informationsvielfalt entstehe laut Baerns nicht durch journalistische Recherche, sondern durch unterschiedliche Selektion, Interpretation und Bewertung der von der PR vorgegebenen Themen (Baerns 1991, 89). Sie kommt zu folgendem Ergebnis: „Je mehr Einfluss Öffentlichkeitsarbeit ausübt, umso weniger Einfluss kommt Journalismus zu und umgekehrt“ (Baerns 1991, 17).

Liegler hat die Determinationsthese von Baerns 1991 durch eine Input- und Output-Analyse der innenpolitischen Berichterstattung in drei österreichischen Tageszeitungen und der Austria Presseagentur bestätigt. Sie konstatiert eine Abnahme an Eigenleistungen der Medien durch eine Zunahme der Politik-PR (Liegler 1990, 168–169). Darüber hinaus sind noch Kepplinger und Maurer zu nennen, welche die Pressearbeit der deutschen politischen Parteien zum Thema Wirtschaftspolitik in sechs deutschen Tageszeitungen während der Parlamentswahlen in Deutschland 2002 analysierten und ebenfalls die Determinationshypothese bestätigten (Kepplinger & Maurer 2004). Abschließend muss festgehalten werden, dass Baerns‘ Determinationshypothese mittlerweile umstritten ist: „In dem Maße, in dem intervenierende Variablen aufseiten des Journalismus wie aufseiten der Öffentlichkeitsarbeit mit einbezogen wurden, erwies sich die These einer vollständigen Determinierung des Journalismus durch PR jedoch als nicht länger haltbar.“ (Raupp 2015, 314) Sie bleibt in Abhandlungen zu diesem Thema jedoch bis heute nicht unerwähnt.

In dieser Kategorie sammeln sich darüber hinaus auch jene Analysen, die den Forschungsarbeiten von Baerns teilweise widersprechen, wie zum Beispiel folgende:

„Journalisten verlassen sich so sehr auf die Leistungen der Öffentlichkeitsarbeit, dass der Anteil der Recherche kaum ins Gewicht fällt“ (Dorer 1995, 128), konstatiert Dorer anhand einer Untersuchung zur PR politischer Institutionen in Österreich in den 1990er Jahren. Sie stellt aber auch unterschiedliche Bedingungen durch Themenselektion der Medien oder mediale Besitzverhältnisse in Österreich fest (Dorer 1995, 125). Saffarnia hat wiederum bei seiner im Jahr 1992 durchgeführten Beobachtung der innenpolitischen Berichterstattung der österreichischen Tageszeitung Kurier keine völlige Determination des Journalismus festgestellt und konstatiert, dass das Mediensystem durch PR aufgrund einer hohen Eigenrecherche nicht gänzlich an Autarkie verloren habe (Saffarnia 1993, 170).

Im Kontrast dazu stehen wiederum theoretische Erklärungsansätze und empirische Studien, die nicht eine Determination, sondern eine Dependenz der PR gegenüber den Medien betonen und letztere als dominant einschätzen, in deren Abhängigkeit die PR steckt: Meyer verweist beispielsweise auf die „Kolonisierung der Politik durch das Mediensystem“ (Meyer 2001) und spricht diesbezüglich von einer Anpassung der politischen Logik an die Logik des Mediensystems, um politische Informationen öffentlich hervorzubringen: Massenmedien erzeugen gesellschaftliche Aufmerksamkeit, wenn zwei aufeinander abgestimmte Regelsysteme befolgt werden: mediale Nachrichtenwerte (Selektionslogik) und bestimmte Inszenierungsformen, um das Publikumsinteresse zu gewährleisten (Präsentationslogik).

Abhängig vom jeweiligen Medium spielt auch die Inszenierung von Bildern eine wesentliche Rolle (Meyer 2009a, 186–187). In seiner empirischen Untersuchung des Niederschlags von Pressetexten in vier österreichischen Tageszeitungen beurteilt auch Ettinger die Autonomie der Printmedien und die Abhängigkeit der PR von den Medien als relativ hoch: „Der tatsächliche Abdruck beruht auf interessensorientierter Selektion seitens der Medien“ (Ettinger 1986, 38). Sie identifiziert Faktoren, die eine Veröffentlichung begünstigen, aber beurteilt den Einfluss von PR insgesamt eher als gering, da sich „die Pressestellen in der Thematisierung nach den Zeitungen richten“ (Ettinger 1986, 40).

Meyer beschreibt das Handeln der politischen Akteur*innen in der Folge als „von dem existentiellen Interesse an möglichst positiver Repräsentation in den Massenmedien getrieben, zunehmend dazu neigen, sich auf Kosten der eigensinnigen Funktionslogik der Politik den Regeln einer mediengerechten Selbstdarstellung zu unterwerfen“ (Meyer 2009a, 191). Geht es nach Meyer, so strukturieren die Auswirkungen dieser Entwicklung nicht nur die Darstellung

von Politik, sondern auch den politischen Prozess zum Teil neu. Sie schmelzen jedoch die Logik der Politik keineswegs vollständig in die des Mediensystems ein (Meyer 2009a, 191). Ihm zufolge sind zwei Phänomene hervorzustreichen, welche die Grenzen zum politischen System deutlich verschoben haben und den Einfluss der Massenmedien veranschaulichen (vgl. Meyer 2009a, 187–189):

 Mediatisierung von Politik: Aufgrund der von Meyer konstatierten Schlüsselrolle des Mediensystems im Prozess der Legitimation von Politik hat sich die Professionalisierung politischen Handelns zum Ziel gesetzt, die Kontrolle über die Darstellung der Politik im Mediensystem zurückzugewinnen. Dies geschieht durch die Übernahme der medialen Logik und zeigt sich durch mediengerechte Selbstdarstellung der Politik.

 Ästhetisierung der politischen Öffentlichkeit: Auch die Öffentlichkeit ist durch die Eigenlogik der Massenmedien geprägt und folgt ihren Regeln der ästhetischen Inszenierung. Nach Meyer verursacht die Dominanz inszenierter Bilder, Handlungen und Symbole im öffentlichen Raum, dass Politik auf eine Weise dargestellt wird, die ihrer Logik nicht gerecht wird und mehr Schein als Wirklichkeit darstellt. Einzuwenden ist jedoch, dass die Verbindung von politischer Information und Inszenierung mitunter auch Teilhabe an Politik ermöglicht und eine Erweiterung der politischen Öffentlichkeit erreichen kann.

Zugleich ist aber auch kritisch anzumerken, dass eine Inszenierung durch Bilder ebenso den Verlust der Distanz zwischen den im Bild dargestellten Informationen und Deutungen und den Medienrezipient*innen bewirken und in der Folge als Spiegelungen objektiver Realität missverstanden werden kann.

Die Erklärungsansätze für Verhältnisse zwischen PR und Journalismus zur Kategorie der Dependenz sind insgesamt vielfältig und widersprüchlich. Donges und Jarren fassen ihre Gemeinsamkeiten folgendermaßen zusammen: „Gemeinsam ist den Anhängern dieser [Dependenz-] These aber ein bestimmtes normatives Politik- wie auch Medienverständnis:

Medien sollen als Politikvermittlungsagenten fungieren. Damit wird den Medien eine Aufgabe zugewiesen, die sie in der Tat zu erfüllen haben, aber eben nicht als ‚Anhängsel‘ des politischen Systems. Andererseits wird beim Bild der Politik in der Opferrolle übersehen, dass es die Politik ist, die durch ihre (medien)politischen Entscheidungen und die Wahl der Mittel in der politischen Kommunikation zu diesem – von den Autoren beklagten – Zustand beigetragen hat.“ (Donges & Jarren 2017, 187)

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