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Medien und (Print-)Journalismus in Österreich

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6. Fallbeispiel: Das transnationale Zusammenspiel zwischen der Europäischen Kommission

6.2 Ausblick: Die Kommunikationsakteur*innen

6.2.2 Medien und (Print-)Journalismus in Österreich

„Österreich ist anders“ (Weder 2010, 498), konstatiert Weder zur österreichischen Medienlandschaft und präzisiert folgende charakteristische Eigenschaften: eine Beeinflussung durch die überschaubare Größe des Landes, die sehr späte Privatisierung des Radio- und Fernsehmarkts sowie ein hochkonzentrierter Printmedienmarkt (Weder 2010, 498). Nach dem Vergleichsmodell der Mediensysteme nach Hallin und Mancini gehört Österreich der Ländergruppe rund um Skandinavien, Deutschland und die Schweiz an, in denen sich Printprodukte traditionell als starke Leitmedien entwickelt haben (Hallin & Mancini 2004).

Speziell im internationalen Vergleich weist Österreich bei der Nachrichtenrezeption eine hohe Fixierung auf Printmedien auf (Gadringer et al. 2020, 21), deren nationale Reichweite keinem anderen europäischen Land entspricht (Kaltenbrunner et al. 2020, 34).

Laut ARGE Media-Analysen, der österreichweiten Erhebung des Medienkonsums in Österreich zum zweiten Halbjahr 2018 und ersten Halbjahr 2019, weisen österreichische Tageszeitungen eine Netto-Reichweite von 62,6 Prozent der Wohnbevölkerung auf, die täglich von einer österreichischen Tageszeitung erreicht werden (vgl. ARGE Media-Analysen 2019):

 Tageszeitungen mit nationaler Reichweite: Als langjähriger Spitzenreiter der Tageszeitungen mit nationaler Reichweite stellt sich die Kronen Zeitung mit 27,8 Prozent heraus. Danach folgt die Gratis-Tageszeitung Heute mit 12,1 Prozent, die Tageszeitungskombination Österreich (Kaufzeitung)/oe24(Gratiszeitung) mit 9,3 Prozent,

die zum Qualitätsspektrum zählende Tageszeitung Der Standard mit 7,4 Prozent, der Kurier mit 7,3 Prozent sowie die ebenfalls dem Qualitätsspektrum angehörende Tageszeitung Die Presse mit 4,6 Prozent.

 Regional- und Lokalzeitungen: Bei den Bundesländerzeitungen führt die Tageszeitung Kleine Zeitung mit 10,3 Prozent, was die Reichweite betrifft. Sie rangiert mit Abstand vor den Oberösterreichischen Nachrichten, die eine Verbreitung von 4,9 Prozent vorweist.

Dahinter liegt die Tiroler Tageszeitung mit 3,7 Prozent. Eine bedeutende Rolle spielen die Bezirkszeitungen der Regionalmedien Austria: Sie erreichen 47,6 Prozent der Wohnbevölkerung in Österreich.

 Magazine: Die von der ARGE Media-Analysen benannte „VGN-Kombi“ – Magazine aus dem VGN-Verlag wie Auto Revue, E-Media, Gusto, Lust aufs Leben, News, Profil, Trend, TV-Media, Woman – weist unter den wöchentlichen Magazinen mit 27,7 Prozent die höchste Reichweite auf. Bei den monatlichen Magazinen steht die sogenannte „Red Bull Media House-Kombi“ mit 21,7 Prozent an erster Stelle – dies sind Magazine aus dem Red Bull Verlag wie Bergwelten, Servus in Stadt & Land, Terra Mater, The Red Bulletin.

 Special-Interest-Zeitschriften: In dieser Kategorie findet sich die Fachzeitschrift Auto Touring mit 28,4 Prozent an erster Stelle.

Trotz des weit verbreiteten internationalen Trends zum Bedeutungsverlust der Printmedien spielen diese in Österreich laut österreichischer Auflagenkontrolle von 2018 mit mehr als zwei Millionen täglich verbreiteten Zeitungsexemplaren (Österreichische Auflagenkontrolle 2018) nach wie vor eine relevante Rolle in der österreichischen Medienlandschaft. Auch E-Papers, deren Anteil sich auf einen einstelligen Prozentbereich der Gesamtauflagen beläuft, sind hier inkludiert. Ein erster grober Blick auf die Reichweite der Printmedien birgt allerdings die Gefahr eines verzerrten Bildes in sich: Bei der Interpretation muss berücksichtigt werden, dass im Jahr 2018 ungefähr die Hälfte der vertriebenen Zeitungen als Gratis-Exemplare verschenkt wurden. Die Tageszeitung Heute verzichtet gänzlich auf Abos und Einzelverkauf. Überwiegend ohne Verkaufserlös wird auch die Tageszeitung Österreich/oe24 produziert, die teils als Kauf- und teils als Gratiszeitung angeboten wird (Kaltenbrunner et al. 2020, 47).

Auch ein Blick auf die langfristige Entwicklung zeichnet kein positives Bild der österreichischen Printmedienlandschaft: Das gesamte Printmedienspektrum erreichte im Jahr 2006 noch 72,7 Prozent der Wohnbevölkerung in Österreich. Beim Spitzenreiter Kronen Zeitung reduzierten

sich die täglichen Leser*innen seit 2006 von einer – im weltweiten Vergleich einzigartigen – Reichweite von 43,8 Prozent auf 27,8 Prozent. Auch die lange Zeit starken Bundesländerzeitungen verloren im letzten Jahrzehnt ein Fünftel ihrer Reichweite. Gegen den abnehmenden Trend scheren Qualitätszeitungen wie Die Presse und Der Standard aus, der von 4,9 Prozent im Jahr 2006 auf 7,2 Prozent deutlich zugelegt hat. Allerdings ist in diesem Zeitraum bei beiden Tageszeitungen die gedruckte Auflage um ein Viertel zurückgegangen.

Kaltenbrunner et al. erklären sich diese Kluft aufgrund der starken Markenwahrnehmung durch die Bevölkerung, die vermutlich durch die Online-Auftritte der Tageszeitung Der Standard gestiegen ist, was sich bei der Befragung deutlich macht. Diese Erklärung zeigt auch, dass bei Erhebungen eine strikte Trennung zwischen Print- und Online-Medien in der Praxis möglicherweise nicht mehr haltbar ist (Kaltenbrunner et al. 2020, 50–51). Auch was die Medienvielfalt betrifft, sind Veränderungen der österreichischen Printmedienlandschaft vor allem im regionalen Bereich bemerkbar: Durch den Wegfall anderer Zeitungsredaktionen haben die Kleine Zeitung und die Salzburger Nachrichten ihre Positionen als Marktführerinnen in der Steiermark und Kärnten bzw. in Salzburg verstärkt (Kaltenbrunner et al. 2020, 46). Einen deutlichen Verlust an Leser*innen verzeichnen fast alle Printmedien mit wöchentlicher Erscheinung. Nur die Wochenzeitschrift Falter konnte ihre nationale Reichweite verdoppeln und die Verkaufszahlen erhöhen (Kaltenbrunner et al. 2020, 51).

Auch an Österreich ist die „Krise des Journalismus“ also nicht spurlos vorübergegangen:

Sinkende Auflagen und Marktanteile, die Verlagerung der Werbung in das Internet, Konkurrenz durch kostenlose Online-Angebote und der sogenannte „Citizen Journalismus“

bedrohen vielfach auch die österreichische Medienlandschaft. Zusätzlich wird die journalistische Autorität als „vierte Gewalt“ zunehmend in Frage gestellt – befeuert durch populistische Vorwürfe der politischen Elite an die sogenannte „Lügenpresse“, tendenziöse Berichterstattung zu leisten (Hanitzsch, Seethaler & Wyss 2019, 1). Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Umbruch bei den Printmedien jedoch viel länger stabil geblieben. Die Digitalisierung geht in Österreich etwas langsamer vor sich und steht nach wie vor erst am Anfang. Geschäftsmodelle ändern sich aber zunehmend, weil immer weniger Printprodukte verkauft werden können. Seit 2007 wurden im österreichischen Printmediensektor an die 1500 Arbeitsplätze von Journalist*innen abgebaut. Der stärkste Personalrückgang wurde bei Wochen- und Monatszeitschriften, Illustrierten und Fachmagazinen verzeichnet. Zwar bleibt

der österreichische Printmediensektor weiterhin dominant, monomediale Printredakteur*innen sind nach wie vor die Mehrheit, aber ihre Zahl reduziert sich zunehmend (Kaltenbrunner et al. 2020, 209–211).

Folgende Phänomene des Wandels zeichnen sich ab: crossmediales Arbeiten, beschleunigtes Tempo, zentralisierende und medienübergreifende Reorganisation der Redaktionen, journalistische Leistungsanforderungen zugunsten technischer Fähigkeiten (Lauerer, Dingerkus & Steindl 2019, 98–99). Seethaler et al. identifizieren vor allem soziale Netzwerke und Online Medien als zentrale Komponente des Wandels. Dadurch erhöht sich die journalistische Orientierungsfunktion, welche jedoch durch ökonomische Aspekte wie zunehmenden medialen Wettbewerb erschwert werde (Seethaler et al. 2019, 235–236). Dem Digital News Report Austria folgend ist ein starker künftiger Trend in Richtung Digitalisierung in Österreich zu erkennen: 41 Prozent der 18- bis 24-Jährigen konsumierten im Jahr 2020 Nachrichten ausschließlich digital. Altersübergreifend waren dies durchschnittlich nur 22,1 Prozent (Gadringer et al. 2020, 29).

Die Anzahl der österreichischen Journalist*innen ist im Vergleich zu 2006 insgesamt um rund ein Viertel geschrumpft. Demgegenüber steht ein deutliches Wachstum in anderen Kommunikationsberufen wie auch der PR politischer Institutionen in Österreich. Hier versucht man, mit deutlich größerer Ressourcenausstattung als in manchen Zeitungsredaktionen neben der Pressearbeit die Öffentlichkeit auch über neue Kanäle direkt zu erreichen und den Journalismus so zu umgehen (Kaltenbrunner et al. 2020, 209). Zugleich wird auch von einer

„symbiotischen Politik-Medien-Beziehung“ (Kaltenbrunner et al. 2020, 48) als zentraler Faktor der Medienentwicklung in Österreich gesprochen, die zu einer immer kleiner werdenden Medienvielfalt in einer bereits stark konzentrierten Medienlandschaft führt. Kaltenbrunner et al. identifizieren die österreichische Medienpolitik seit 1945 bis in die Gegenwart als „eine ganz bestimmende, nicht alleinige, aber die kontinuierliche Kraft für die sehr spezifische Konstitution des österreichischen Marktes“ (Kaltenbrunner et al. 2020, 36). Das Selbstverständnis von Medienpolitik als Ergebnis parteipolitischer Begehrlichkeiten erschwerte die Etablierung eines unabhängigen, pluralistischen Journalismus nach transparenten Kriterien und nach dem Niedergang der Parteipresse, die bis 1955 höhere Gesamtauflagen produzierte als die sogenannte unabhängige Presse. Erst in den 1970ern entstanden neue Printmedien, wodurch sich auch ein kritischerer, mitunter investigativer

Journalismus entwickelte. Der österreichische Medienmarkt orientierte sich stark an großen Medieneigentümern, die Bedeutung im Beziehungsgeflecht mit den Machteliten des Landes einnahmen – allen voran Hans Dichand von der Kronen Zeitung (Kaltenbrunner et al. 2020, 35–37). Auch Blum konstatiert eine große Nähe zwischen Politik und Journalismus, in Österreich als „Verhaberung“ bezeichnet. Allerdings identifiziert er auch eine neue Generation von Journalist*innen, die politischer Macht gegenüber kritischer und distanzierter geworden ist (Blum 2008, 237).

Für die Zeit ab den 1980er Jahren sprechen Kaltenbrunner et al. von „permanenter Fehlleistung der Medienpolitik für seither chronisches Marktversagen“ (Kaltenbrunner et al.

2020, 37). Ein Ausbleiben kartellrechtlicher Widersprüche produzierte eine starke Konzentration der Medienbetriebe auf wenige Verlagsgruppen, was der österreichischen Medienvielfalt schadete (Kaltenbrunner et al. 2020, 37–39).

Ein weiteres Thema der Verquickung zwischen Politik und Medien, dem in der Öffentlichkeit aktuell bedeutende Relevanz unterstellt wird, sind die Ausgaben der öffentlichen Hand für Werbung und Information in österreichischen Medien. Nach unklaren und intransparenten Kriterien werden hier pro Jahr Medien mit rund 200 Millionen Euro finanziell gefördert. Die Politik entpuppt sich damit als ein zentraler Faktor der Medienmarktentwicklung. 2018 lag dabei die Mediengruppe Österreich vor der Kronen Zeitung und Heute, die allesamt dem Boulevard-Medienspektrum angehören. Vergleichsweise gering ist die staatliche Presseförderung, die bis 2019 auf 8,5 Millionen Euro jährlich gesunken ist. Sie enthält Förderungen für den gesamten Tages-, Wochen- und Monatszeitungsmarkt und ist wenig geeignet, um den sich rasch verändernden Printmedienmarkt positiv beeinflussen zu können (Kaltenbrunner et al. 2020, 47–49).

Laut Lauerer und Keel steht die subjektive Sicht der Journalist*innen in Österreich in Kontrast zu kritischen öffentlichen Stimmen, die von ökonomischer und politischer Abhängigkeit und zunehmender Hörigkeit sprechen: Folgt man der „Worlds of Journalism Study“ (Worlds of Journalism 2020), so messen Journalist*innen in Österreich externen politischen und wirtschaftlichen Einflussquellen eine nur geringe Rolle bei und beteuern, hohe Entscheidungsfreiheit zu besitzen. 92 Prozent der Zeitungsjournalist*innen in Österreich sehen sich bei ihren journalistischen Tätigkeiten mit großer oder voller Autonomie ausgestattet, wobei hinzugefügt werden muss, dass Journalist*innen bei Zeitschriften im

Vergleich dazu stärker um Autonomie kämpfen (Lauerer & Keel 2019, 132–133). Lauerer und Keel erklären sich dieses widersprüchliche Bild mit der öffentlichen Wahrnehmung folgendermaßen: „Politische und ökonomische Einflüsse dürften die Journalisten eher in Form von Beziehungsarbeit mit ihren Informationsquellen oder durch den Filter der Redaktionsmanagements erreichen – und werden daher mitunter eher den organisationalen und professionellen Abläufen geschuldet wahrgenommen.“ (Lauerer & Keel 2019, 133) Seethaler et al. konstatieren diesbezüglich: „Die Befragten wollen die Voraussetzungen für einen unabhängigen Journalismus, der nach einer Eigenlogik zu funktionieren vermag, weiterhin intakt wissen – dies möglicherweise gerade deshalb, weil ihren Antworten zufolge der strukturelle Wandel der Medien zu einer stärkeren Beeinflussung […] geführt hat.“

(Seethaler et al. 2019, 246) 6.2.2.2 Journalismusforschung

Die Journalismusforschung kämpft seit jeher mit einer präzisen Definition von „Journalismus“.

Wenn es darum geht, auch den weiten Raum der Online-Veröffentlichungen mitzudenken, wird eine klare Einschätzung noch schwieriger. Die mitunter verschwimmenden Grenzen zwischen PR, Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Bürger*innenjournalismus und Journalismus erschweren eine Unterscheidung (Kaltenbrunner et al. 2020, 18). Dies hat auch damit zu tun, dass Journalismus in Österreich ein offener Berufsstand ist, was eine Festlegung der Grundgesamtheit schwierig macht. Die Statistik Austria erfasst Journalist*innen nicht gesondert, sondern gemeinsam mit Autor*innen und Linguist*innen: „Die zu definierenden Grenzen des Systems Journalismus zu seiner Umwelt sind weder eindeutig noch ‚natürlich‘, sie müssen konstruiert werden.“ (Kaltenbrunner et al. 2007, 161)

Eine Schätzung der Autor*innengruppe rund um Hanitzsch, Seethaler und Wyss (2019) geht davon aus, dass in Österreich an die 4100 hauptberuflich festangestellte oder freie Journalist*innen tätig sind. Die Zahl beinhaltet jedoch eine Eingrenzung auf Erscheinungshäufigkeit, redaktionelle Mindestgröße und Reichweitengrenze. Auch Kunden- und Fachzeitschriften sind nicht inkludiert. Man schätzt, dass sich die Zahl der österreichischen Journalist*innen ohne diese Selektionskriterien auf 8300 belaufen würde (Steindl, Lauerer &

Hanitzsch 2019, 40–41). Das Team des österreichischen Journalismus-Reports rund um Kaltenbrunner geht wiederum von rund 5350 Journalist*innen in Österreich aus, die

hauptberuflich angestellt oder mit fixen Pauschalhonoraren entlohnt werden. Dazu kommt eine geschätzte Anzahl von 600 bis 900 freien Journalist*innen in Österreich (Kaltenbrunner et al. 2020, 209).

Die beiden Autor*innengruppen können auch die aktuellsten Analysen zur österreichischen Journalismusforschung – die insgesamt sehr überschaubar ist – vorweisen. Ihre Ergebnisse werden im Folgenden zusammengefasst: Die Studie von Kaltenbrunner et al. (2020) bezieht sich auf eine Gesamterhebung aller Journalist*innen in Österreich sowie auf eine zusätzliche Umfrage zwischen Dezember 2018 und Februar 2019 von 501 repräsentativ ermittelten Journalist*innen. Hanitzsch, Seethaler und Wyss (2019) haben zwischen 2014 und 2015 2500 Journalist*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Ihre Studie war eingebettet in die internationale „Worlds of Journalism Study“ (Worlds of Journalism 2020).

Für den österreichischen Teil wurden Befragungen mit 818 Journalist*innen durchgeführt. Die Auswahl ist auch deshalb interessant, da Hanitzsch, Seethaler und Wyss (2019) einen Vergleich zwischen dem Journalismus in Österreich, Deutschland und der Schweiz möglich machen.

 Alter: Das Durchschnittsalter der Journalist*innen liegt in Österreich bei 43 Jahren, in Deutschland bei 46 und in der Schweiz bei 42. 61 Prozent der Journalist*innen in Österreich sind älter als 40 Jahre (Dietrich-Gsenger & Seethaler 2019, 57–58).

Kaltenbrunner et al., deren Studie im Vergleich später entstanden ist, kommen auf ein Durchschnittsalter von 44,5 Jahren. Mit einem Drittel an Journalist*innen, die älter als 50 sind, und nur jedem Zehnten unter 30 Jahren muss sich der österreichische Journalismus die Frage nach seiner Zukunftsfähigkeit stellen lassen.

 Professionalisierung: Hier unterscheiden sich die Zahlen der beiden Autor*innengruppen etwas stärker, beide sprechen jedoch von einer deutlich zunehmenden Akademisierung der Journalist*innen: Kaltenbrunner et al. kommen auf 48 Prozent der Journalist*innen in Österreich mit einem Hochschulabschluss (Kaltenbrunner et al. 2020, 213). Die Studie der Autor*innengruppe rund um Hanitzsch, Seethaler und Wyss ergab 63 Prozent der Journalist*innen mit einem Studienabschluss. Insbesondere in Österreich werden deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern angeführt: 76 Prozent der Frauen haben hier einen Universitätsabschluss. Die männlichen Journalisten kommen auf nur 54 Prozent. Österreich hinkt bei der Akademisierung der Journalist*innen im Vergleich mit dem internationalen Raum jedoch hinterher, wobei sich die Anzahl der akademischen

Abschlüsse der österreichischen Journalist*innen seit 2007 fast verdoppelt hat. Durch eine Akademisierung des journalistischen Berufsstandes kommt es darüber hinaus immer häufiger zu einem späteren Berufseinstieg (Dietrich-Gsenger & Seethaler 2019, 60–61).

 Geschlechter: Beide Autor*innengruppen gehen von einer starken Zunahme des Frauenanteils in journalistischen Berufen aus. Kaltenbrunner et al. kommen auf 47 Prozent, betonen aber, dass diese Zunahme aufgrund einer hohen Zahl an weiblichen Teilzeitbeschäftigten und wenigen Frauen in Führungspositionen nicht als Beispiel für zunehmende Chancengleichheit dienen kann (Kaltenbrunner et al. 2020, 213). Vor allem klassische Journalismus-Ressorts wie Politik und Wirtschaft werden laut der Analyse von Hanitzsch, Seethaler und Wyss nach wie vor stark männlichen Journalisten zugeschrieben.

Vier von fünf Chefredaktionen befinden sich sowohl in Österreich als auch in Deutschland und der Schweiz in männlichen Händen. Die gläserne Decke für weibliche Journalistinnen verschiebt sich demnach nur in kleinen Schritten nach oben (Dietrich-Gsenger & Seethaler 2019, 53–56).

 Politische Einstellung: Journalist*innen in Österreich haben laut Kaltenbrunner et al.

mittlerweile kaum noch Nähe zu Parteien oder Ideologien, sehen sich mehrheitlich in klarer Distanz zu Parteien oder verweigern ausdrücklich die Auskunft (Kaltenbrunner et al.

2020, 212). Im Ländervergleich mit Deutschland und der Schweiz stehen Journalist*innen in Österreich deutlich weniger links von der Mitte. Vor allem mit zunehmendem Alter bewegen sich die befragten Journalist*innen in Richtung Mitte. Auch jene, die eine Leitungsfunktion im Journalismus innehaben, und jene mit höherem Monatseinkommen sind weiter rechts im Politikspektrum zu verorten. In allen drei Ländern sind Journalist*innen von Zeitschriften, Agenturen und dem öffentlichen Rundfunk etwas stärker dem linken Spektrum zuzuordnen. Journalist*innen aus überregionalen Medien identifizieren sich in Österreich und der Schweiz stärker links als jene aus den regionalen und lokalen Medien (Dietrich-Gsenger & Seethaler 2019, 65–66).

 Journalistische Rollendefinition: War im Journalisten-Report von 2008 die Kritikfunktion der Journalist*innen in Österreich mit 13 Prozent sehr gering (Kaltenbrunner et al. 2008, 20–21), interpretieren Kaltenbrunner et al. die aktuellen Befragungsergebnisse nunmehr so, dass sich viele Journalist*innen als Kritiker*innen und Kontrollor*innen von Politik, Wirtschaft und Kultur sehen. Auch wenn die Vermittlung neutraler und präziser

Information für 90 Prozent die wichtigste Aufgabe ist, gibt fast jede*r Zweite an, auch zu Meinungsjournalismus bereit zu sein – vor allem in Hinblick auf Rechtsstaatlichkeit und Klimaschutz (Kaltenbrunner et al. 2020, 212).

 Arbeitsbedingungen: Ein wachsendes Ausmaß an kritischer und beruflicher Selbstreflexion und ein zunehmendes Wissen um ethische Regeln des Journalismus stehen sich verschlechternden Arbeitsbedingungen gegenüber: Mehr als zwei Drittel der Journalist*innen in Österreich geben an, in kürzerer Zeit mehr recherchieren und mehr Inhalt produzieren zu müssen. Nur jede*r vierte Tageszeitungsjournalist*in ist sehr zufrieden mit der eigenen Jobsicherheit (Kaltenbrunner et al. 2020, 212). Zunehmend oft ist auch von „Journalismus als Prekariat“ (Weish 2015, 9–10) die Rede – was auch bei der Interpretation von medialen Inhaltsanalysen freilich mitgedacht werden muss.

 Europa/EU: Zu den europäischen Bezügen, eigenen Identitätsbeschreibungen und EU-bezogenen Einstellungen der Journalist*innen in Österreich existiert keine aktuelle Studie.

Das Thema zählt generell zu den großen Defiziten der österreichischen Journalismusforschung. Da die EU jedoch einen wesentlichen Bezugspunkt der vorliegenden Arbeit ausmacht, wird hier auf eine Untersuchung der österreichischen Opinion Leader von Jenny, Müller und Eder bereits aus dem Jahr 2009 eingegangen: Im Vergleich zu österreichischen parlamentarischen Abgeordneten und Arbeitnehmervertreter*innen konsultieren demnach Politik-Journalist*innen in Österreich mehr ausländische Medien, besaßen zum Zeitpunkt der Befragung deutlich mehr Kontakte zu EU-Institutionen und haben eine etwas größere Bindung an die EU entwickelt, speziell aber zeigten sie deutlich geringere nationale Bindungen. Darüber hinaus zeigten sie insgesamt eine stärker ausgeprägte europäische Identität als die beiden anderen Befragungsgruppen. Lässt man die Landesregierungen außer Acht, vertrauten die Journalist*innen etwas stärker den nationalen als den EU-Institutionen. Im Vergleich zu den anderen beiden Opinion Leadern gaben Journalist*innen das positivste EU-Bild und die positivste Bewertung der EU-Institutionen ab. Jenny, Müller und Eder kamen daher zur Erkenntnis, dass Politik-Journalist*innen in Österreich kaum als Ursache des vergleichsweise großen Euroskeptizismus in Österreich auszumachen sind (Jenny, Müller & Eder 2010, 46).

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