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Problemstellung und Kontext

In document Publish or Perish? (Pldal 8-15)

Das Zusammenspiel zwischen Kommunikator*innen politischer Institutionen und Journalist*innen in ihrer Funktion als Informationsvermittler*innen für eine demokratische Öffentlichkeit in den Blick zu nehmen, heißt Vernetzungen und (Inter-)Dependenzen kommunikativer Handlungen zu fokussieren. Dabei werden Prozesse der Reproduktion, Transformation und Abbrüche von politischer Kommunikation sichtbar. Bis zu deren öffentlicher Hervorbringung oder deren Abbruch entstehen in diesem Kommunikationsprozess zwischen Akteur*innen der politischen Öffentlichkeitsarbeit bzw.

Public Relations (im Folgenden: Politik-PR) und des Journalismus sowohl Gleichklang und Verstärkungen, als auch Reibungen, Konflikte und Brüche (u. a. Rinck 2001; Altmeppen, Röttger & Bentele 2004; Merkel, Russ-Mohl & Zavaritt 2007; Donges & Jarren 2017).

Wie verläuft dieses Zusammenspiel zwischen Politik-PR und Journalismus speziell in transnationalen Räumen? Welche Aspekte beeinflussen diese Prozesse grenzüberschreitender politischer Kommunikation? Aktuelle Befunde aus dem Bereich der politischen Kommunikation zur Europäischen Union (im Folgenden: EU) dienen eingangs als Beispiele, um den Kontext dieser vorliegenden Arbeit sowie gegenwärtige Anknüpfungspunkte zur transnationalen Kommunikation zwischen politischen Institutionen und dem Journalismus darzustellen:

Demokratie im Spannungsfeld zwischen Transnationalisierung und Renationalisierung:

Politische Kommunikation dient als konstituierender Faktor demokratischer Prozesse. Die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren, ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für Demokratie (Dahl 1989, 111). Demnach besteht ein Abhängigkeitsverhältnis der Bürger*innen zu den Vermittler*innen politischer Information. Wenn Politik in transnationalen Räumen stattfindet, dann ist aus demokratischer Sicht auch kommunikatives Handeln über

nationalstaatliche Grenzen hinweg erforderlich (u. a. Abromeit 2003; Erikssen & Fossum 2000;

Meyer 2009a).

Durch Entgrenzung von Politik und die Zunahme politischer, sozialer und ökonomischer grenzüberschreitender Interaktionen jenseits des Nationalstaats wie in der EU passiert die Auflösung der Kongruenz zwischen der zumeist national geprägten Öffentlichkeit von Journalismus und dem sie betreffenden Raum politischer, sozialer und ökonomischer Prozesse (Kohler-Koch 1998, 11–25). Die EU-weite, zentral geregelte Koordination und Kontrolle von wirtschaftspolitischen Maßnahmen seit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 oder die aktuellen Debatten rund um die Bekämpfung der durch die Corona-Pandemie verursachten wirtschaftlichen und sozialen Folgen in der EU zeigen Verdichtungen und Ausweitungen dieser transnationalen Prozesse. Zugleich ist mitunter auch eine Informalisierung von Politik jenseits demokratischer Verfahren mit der Konsequenz mangelnder Transparenz und dem Verlust von Legitimation zu beobachten (Daase 2009, 290; Hodson & Puetter 2016, 376).

Auf der anderen Seite sind Renationalisierungstendenzen im Gange: Brexit, das Scheitern einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik und umstrittene nationale Gesetzgebungen, die eine Rückübertragung transnationaler Kompetenzen bezwecken, sind Beispiele aktueller europäischer Politikentwicklungen, die von einer Renationalisierung innerhalb der EU sowie einer Abwendung von transnationalen politischen Institutionen zeugen. Damit verbunden lassen sich nationalpopulistische Tendenzen feststellen, wodurch sich auch das Gesicht von Demokratie verändert. Zwei aktuelle Ausprägungsmerkmale von Nationalpopulismus sind auch in Hinblick auf demokratische Entwicklungen bedeutsam: Gerade Transnationalisierung fördert die Verbreitung von Nationalpopulismen, indem transnationale Kommunikationsvernetzungen wie Social Media als Katalysatoren dienen, die nationenübergreifend Widerstand gegen Pluralität von außen mit Widerstand gegen Pluralität von innen verstärken. Dies zeigt sich vor allem auch durch Anfeindungen gegen Journalist*innen (Decker 2017, 16; Sarikakis 2017, 9). Nicht nur Pluralität und gesellschaftliche Vielfalt werden angegriffen, sondern auch bestehende demokratische Institutionen in Gefahr gebracht (Wilde & Meyer 2018, 9).

An diesen gegenwärtigen Entwicklungen europäischer demokratischer Gesellschaften knüpft die vorliegende Arbeit an und betrachtet diese aus der Perspektive der politischen Kommunikation. In diesem Kontext nehmen Politik-PR und Journalismus eine zentrale

gesellschaftliche Funktion und eine wesentliche Rolle als demokratischer Faktor für die Beobachtung und den politischen Diskurs im Spannungsfeld zwischen Transnationalisierung und Renationalisierung ein. Indem sich nationale Kommunikationsinhalte mit transnationalen überlappen, vollzieht sich Entgrenzung auch über Kommunikation (Hepp et al. 2012, 22–23).

In Hinblick auf demokratisch notwendige politische Kommunikationsprozesse ist gerade bei transnationalen Inhalten aber auch von einem „Dilemma unvollständiger Informationen“

(Kaiser 2014, 27) die Rede. Durch die Herausbildung neuer Governance-Strukturen im transnationalen Raum erhöhte sich in den letzten Jahrzehnten zudem die Komplexität von Kommunikationsinhalten. Die Akteur*innen aus dem Bereich der Politik-PR und des Journalismus stehen also vor zusätzlichen Herausforderungen, wenn es um die transnationale Vermittlung von politischer Kommunikation geht.

Übertragungsprobleme bei der Vermittlung transnationaler politischer Kommunikation:

Dass es im Kommunikationsprozess zwischen den EU-Institutionen und dem in Europa vorrangig national geprägten Journalismus grundsätzlich Übertragungsprobleme gibt, liegt freilich in der Natur der Sache und muss von einem Journalismus aufgrund seiner Gatekeeper-Funktion in einem demokratischen Gemeinwesen auch verlangt werden. Genauso sind selektive Auswahlprozesse und Verzerrungen politischer Informationen verständlich, wenn durch Kommunikation bestimmte politische Interessen betont und andere wiederum weggelassen werden sollen. Ein genaueres Hinsehen auf den Kommunikationsprozess, in dem politische Informationen übertragen werden und welcher im Vorfeld einer öffentlichen Publikation stattfindet, ist aus Sicht der Demokratie-Entwicklung dennoch erforderlich. Denn die Eigenschaften kommunikativer Handlungen im Zusammenspiel zwischen Politik-PR und Journalismus im transnationalen Raum der EU geben Aufschlüsse über die Qualität demokratischer Diskurse, die europaweit vor allem in nationalen Öffentlichkeiten stattfinden.

„Communicating Europe“ ist ein Schlagwort, das spätestens seit den gescheiterten EU-Verfassungsreferenden 2005 als zentrale Aufgabe der EU-Institutionen hervorgehoben wird.

Die Wissenschaft diagnostiziert den EU-Institutionen seither ein „Vermittlungsproblem“

(Brüggemann 2008, 23) im transnationalen Kommunikationsfluss. Trotz zunehmender Professionalisierungsbemühungen sind die Europäischen Institutionen nicht in der Lage, ihre Informationsfunktion ausreichend zu erfüllen: Das jüngste Beispiel rund um den Brexit hat

diese Problematik deutlich vor Augen geführt und wurde mitunter nicht nur von außen als Kommunikationskrise der EU-Institutionen bezeichnet (Welfens 2017, 62–68). Auch von Jean-Claude Juncker wurde der Brexit unter anderem als Folge einer unzureichenden Kommunikation der politischen Positionen der EU in Großbritannien deklariert (Steiner-Gashi 2019). Politische Kommunikation im transnationalen Gebilde der EU kann aber freilich nicht ohne Massenmedien als Funktionssystem auskommen (Altmeppen & Löffelholz 1998, 99). Die politischen Institutionen der EU sind trotz Möglichkeiten der sozialen Kommunikation nach wie vor auf die Leistungen des Journalismus angewiesen, um national geprägte europäische Öffentlichkeiten zu erreichen. Zugleich gibt es klare Befunde, dass sich nationale Journalismus-Kulturen explizit gegen Transnationalisierungsprozesse wenden: Den britischen Printmedien wird vorgeworfen, über Jahrzehnte hinweg EU-institutionenfeindliche Kritik geleistet, die Einstellung der Brit*innen zu Europäischen Institutionen durch negative Berichterstattung geprägt und so die Skepsis gegenüber einem Verbleib in der EU verschärft zu haben (Copeland & Copsey 2017, 710–711). In Österreich steht unter anderem die Kronen Zeitung für eine Kampagnisierung gegen die EU (Schwarzenegger 2008, 26–27).

Die mitunter fehlende Brückenfunktion zwischen den EU-Institutionen und den europäischen Bürger*innen, wie ein Tenor im wissenschaftlichen Diskurs zur europäischen Öffentlichkeit und zu transnationaler Demokratie-Entwicklung auf EU-Ebene lautet (Brüggemann 2008, 252), führt Übertragungsprobleme bei der Vermittlung transnationaler Kommunikationsinhalte vor Augen. Angesichts der seit geraumer Zeit angestoßenen Fake-News-Debatte sowie der Vorwürfe an einen sogenannten „Elite-Journalismus“ (Hachmeister 2002, 7) oder „Verhaberungs-Journalismus“, der sich durch große Nähe zu politischer Macht und unreflektierte Wiedergabe des Diskurses politischer Eliten kennzeichnet, sich durch fehlende kritische Distanz, wenig investigative Arbeit und oft parteiisch präsentiert (Blum 2008, 36–37; Zielina 2010), wird zudem vermehrt die Frage nach der Entstehung, Selektion, Zusammensetzung und Prüfung journalistischer Berichterstattung aufgeworfen. Der kommunikative Übertragungsprozess von politischen Informationen bis zu deren öffentlicher Publikation gerät somit aktuell vermehrt in den Fokus gesellschaftlicher Debatten. Dabei zeigt sich eine akteur*innenzentrierte Sicht auf den Kommunikationsprozess im Vorfeld von Veröffentlichungen – gerade für die Vermittlung politischer Kommunikation zur EU – noch als wenig beforscht.

Veränderungen im Zusammenspiel zwischen Politik(-PR) und Journalismus:

Einflüsse der Politik auf den Journalismus und umgekehrt sind ein Thema, das seit den 1970ern immer wieder ins Blickfeld der Journalismus- und Kommunikationsforschung genommen wurde (u. a. Baerns 1991; Bentele, Liebert & Seeling 1997; Hoffjann 2001; Donges & Jarren 2017). Insgesamt lassen sich zur Beziehung und dem Verhältnis zwischen Vertreter*innen der Politik(-PR) und Journalist*innen aufgrund verschiedener empirischer Befunde und theoretischer Erklärungsansätze durchaus unterschiedliche Interpretationen finden.

Während die wissenschaftliche Literatur dazu seit einigen Jahren brach liegt, wird dem Verhältnis zwischen Politik und Medien seit der Trump-Administration in den USA und dem weltweit zunehmenden Nationalpopulismus zumindest in gesellschaftlichen Debatten gegenwärtig wieder neue Relevanz zugesprochen. Dies zeigt sich auch im Diskurs in Österreich, wenn dem Journalismus „Atemprobleme“ (Hausjell 2020) angesichts einer Schieflage durch wachsende Ressourcen für PR der österreichischen Regierung attestiert werden. Politische Interventionen bei Chefredakteur*innen, eine Interview-Zensur und Exklusiv-Geschichten der Ministerien mit PR-Spin für ausgewählte Medien werden immer öfter publik gemacht (Presseclub Concordia 2020; Der Standard 2020a). Auch im Bildjournalismus greifen Medien und die österreichische Presseagentur APA vermehrt auf offizielle PR-Produkte direkt aus politischen Büros zurück (Der Standard 2020b). Auf der einen Seite verneinen Chefredakteur*innen österreichischer Tageszeitungen eine neue Qualität der Phänomene politischer Interventionen im Journalismus und titulieren sich selbst der Politik gegenüber mitunter als „zu wehleidig" (Fidler 2020). Auf der anderen Seite wird von Politik-Beobachter*innen auf Veränderungen im Zusammenspiel zwischen Politik(-PR) und Journalismus hingewiesen, die nicht nur auf den Politik-Bereich zurückzuführen sind. Von einer Neuordnung gesellschaftlicher Machtverhältnisse spricht Plaikner und bezeichnet damit veränderte Beziehungen zwischen Politik und Journalismus: „Die Grenzen verschieben sich dabei so rasant, dass Überschreitungen von allen Seiten geradezu zwangsläufig geschehen“

(Plaikner 2019, 60).

Evident ist, dass vor allem nach dem Einbruch des Anzeigenmarktes durch die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 und aufgrund des Konkurrenzdrucks sozialer Medien speziell die Printmedien verwundbarer geworden sind. Gut ausgestattete Politik-PR-Büros stehen immer kleiner werdenden Redaktionen gegenüber (Diez 2009; Presseclub Concordia 2020). Mit

sogenannter „message control“ und strukturellen indirekten Einflussnahmen wie Inseraten-Sponsoring oder Presseförderungen werden von politischer Seite Disziplinierungsversuche unternommen, die bei Journalist*innen Muster von Willfährigkeit bewirken sollen (Völker &

Weißensteiner 2020; Fidler 2020). Auf Seiten der Medien hat sich nicht zuletzt aufgrund zunehmender politischer Demagogie und Hetze (auch gegenüber Journalist*innen) Kritik am

„Neutralitätsjournalismus“ entflammt. Forderungen wurden laut, im Journalismus mehr Farbe gegenüber der Politik zu bekennen, was zusätzliche Gegnerschaft der Politik nach sich ziehen kann (Hahn, Kappacher & Atzara 2018; Treichler 2020). Hinzu kommt, dass Social Media einen wesentlichen Beitrag zur Zunahme an individueller Macht und gewandelten Rollenbildern von Akteur*innen in Politik(-PR) und Journalismus geleistet haben, welche sich durch die eigenen Kommunikationskanäle immer mehr zu selbstständigen Medienmacher*innen entwickeln.

Die Verschiebung dieser Machtkonstellationen hat zur Folge, dass Akteur*innen sowohl aus Politik(-PR) als auch aus Journalismus vermehrt den Kontakt zum Publikum suchen, um dieses auf die eigene Seite zu ziehen, was durch Social Media wiederum erleichtert wird (Hahn, Kappacher & Atzara 2018). Trotz des abnehmenden Gewichts des Journalismus in der Medienlandschaft zeigen die Anstrengungen politischer Pressearbeit aber, dass Journalist*innen auch neben den sozialen Medien nach wie vor eine wichtige Rolle als Träger*innen politischer Kommunikation einnehmen.

Ein neues Ausloten von Nähe und Distanz in der Verquickung von Politik(-PR) und Journalismus zeigt sich auch auf transnationaler Ebene: Journalist*innen österreichischer Medien werden nicht nur von nationalen, sondern auch von internationalen Politik-Vertreter*innen öffentlich als politische Gegner*innen kritisiert oder als Verbündete an die Seite genommen. Die offensive Kontaktaufnahme und die damit verbundene transnationale Kommunikation mit den österreichischen Journalist*innen werden neuerdings auch explizit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wie zwei Beispiele illustrieren: Der ungarische Botschafter in Österreich hat im Juli 2020 an einige österreichische Medien einen Brief mit der Aufforderung geschickt, sich aufgrund falscher Informationen in der Berichterstattung über die Corona-Krise in Ungarn bei der ungarischen Regierung und Bevölkerung zu entschuldigen. Das Schreiben wurde auf der Website der ungarischen Botschaft auch für die Öffentlichkeit publiziert und von

„Reporter ohne Grenzen“ kritisiert (Salzburger Nachrichten 2020). Nach einem Ausschluss dreier österreichischer Printmedien – Falter, Kurier und Der Standard – von einer

Pressekonferenz des österreichischen Innenministeriums aufgrund zu kritischer Berichterstattung lud der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker Vertreter*innen dieser Medien bei seinem Österreich-Besuch im Oktober 2018 zu einem Pressegespräch ein. Er verteidigte sie dabei öffentlich gegenüber dem Vorgehen der österreichischen Regierung: „Ich mochte nicht, dass Sie in Bedrängnis gebracht wurden." (zit.

n.: Klenk et al. 2018) Ob „demonstrative Belohnung“ oder „Statement“ gegenüber politischem Druck der österreichischen Innenpolitik auf die Medien bzw. Angriffen auf die Pressefreiheit im Allgemeinen (Klenk et al. 2018) oder doch vielmehr eine PR-Geste an die österreichische Öffentlichkeit – das Vorgehen wirft jedenfalls die Frage nach dem Verhältnis zwischen der supranational und transnational verfassten Europäischen Kommission und dem in der EU vorrangig national geprägten Journalismus auf und führt damit zum zentralen Forschungsinteresse dieser Arbeit.

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