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Mündliche Expert*innen-Interviews

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8. METHODIK

8.2 Theoretische Anmerkungen zu den Methoden

8.2.4 Mündliche Expert*innen-Interviews

1.) Definition und Charakteristika

Expert*innen dienen als Vermittler*innen von Spezialwissen über die zu erforschenden sozialen Sachverhalte. Interviews mit ihnen sind eine geeignete Methode, dieses Wissen zu erschließen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Expert*innen nicht bloß das „Objekt“ der Untersuchung, sondern vielmehr „Zeugen“ der Prozesse sind, die für die Forschungsfrage von Relevanz sind (Gläser & Laudel 2010, 12). Obwohl in der deutschsprachigen Forschung der Expert*innen-Begriff aufgrund von historischen Belastungen des Eliten-Begriffs umstritten ist, hat sich die Bezeichnung im Zusammenhang mit Befragungen von Angehörigen einer Funktionselite durchgesetzt. Aufgrund ihrer Position verfügen sie über besondere Informationen und besonderes Wissen zu sozialen Sachverhalten (Gläser & Laudel 2010, 10–

13).

2.) Erkenntnisziele und Forschungsprozess

Informationen von Expert*innen sind speziell für die Beforschung jener Bereiche des sozialen Lebens wichtig, die sich – wie im Fall der vorliegenden Arbeit – nicht transparent und wenig zugänglich zeigen, aber für demokratische Prozesse Bedeutung haben: „Nur die unmittelbar Beteiligten haben dieses Wissen, und jeder von ihnen hat aufgrund seiner individuellen Position und seiner persönlichen Beobachtungen eine besondere Perspektive auf den jeweiligen Sachverhalt.“ (Gläser & Laudel 2010, 11).

Im Forschungsprozess werden explorative und deskriptive bzw. fundierende Zugänge gewählt: Während bei ersterem das subjektive Deutungswissen im Vordergrund steht, wird das zweitere vor allem zur detaillierten Rekonstruktion von Prozessabläufen genützt – speziell wenn Prozesse komplex sind (Lamnek 2005, 333; Jacob, Heinz & Décieux 2013, 62):

Explorative Interviews im Rahmen der vorliegenden Arbeit dienen zur Sammlung von technischem Wissen und Prozesswissen sowie zur ersten Exploration von Deutungswissen, um das Problembewusstsein der Forscherin zu schärfen, weil bislang noch kaum fundierte Annahmen zum Forschungsfeld vorliegen. Unterschiedliche handlungsanleitende Interpretationen, Routinen, Entscheidungs- und Handlungsgrundsätze im Feld werden eruiert.

Dabei steht die subjektive Dimension des Wissens im Mittelpunkt (Bogner, Littig & Menz 2014, 22–25). Die Fragen dafür ergeben sich weniger aus konzeptionellen Vorüberlegungen, sondern aus der unmittelbaren Beobachtung der Umwelt. Sie dienen für später erfolgende stärker standardisierte oder strukturierte Analysen (Kaiser 2014, 29–30). Interviews mit stärker deskriptivem bzw. fundierendem Charakter suchen im Rahmen der vorliegenden Arbeit nach einer möglichst umfassenden Erhebung des Wissens zum Forschungsthema.

Wissen wird hier differenzierter abgefragt, verdeckte Informationen sollen ans Tageslicht kommen und Lücken geschlossen werden (Bogner, Littig & Menz 2014, 22-25). Der explorative Befragungscharakter wird vor allem bei den Leitfaden-Interviews I (siehe Kapitel 9.3.2) betont.

Bei den Leitfaden-Interviews II (siehe Kapitel 9.3.4) kommt – neben dem explorativen Forschungszugang – vermehrt auch das deskriptive bzw. fundierende Interview zum Tragen.

Bei der Abfrage von technischem Wissen (Daten, Fakten) wird der*die Expert*in als Überbringer*in von Informationen konzeptualisiert. Diese Art von Erkenntnisgewinnung kann grundsätzlich zwar nicht als Stärke der Expert*innen-Interviews betrachtet werden, da sich Expert*innen als Fehlerquellen herausstellen können. Wenn jedoch Informationen

anderweitig gar nicht oder kaum zugänglich sind, was auf die vorliegende Arbeit zutrifft, kann dennoch darauf zurückgegriffen werden. Fokussiert sich die Befragung auf das Prozesswissen des*der Expert*in, so werden Einsichten in Handlungsabläufe, Interaktionen und strukturelle Konstellationen eruiert, in welche die Befragten involviert sind. Die Erkenntnisse sind weniger dem Bereich des Fachwissens im engeren Sinn, sondern mehr dem personen- und standortgebundenen Erfahrungswissen zuzuordnen. Deutungswissen sucht wiederum nach Relevanzen, Sichtweisen und Interpretationen der Expert*innen. Dieses umfasst auch subjektive Bewertungen und zielt auf perspektivische Eigenschaften. Sie müssen jedoch nicht automatisch individuellen Charakter haben, sondern können durchaus kollektiv geteilt werden – wie dies beispielsweise innerhalb von Organisationen der Fall sein kann und somit auch zur Interpretation der vorliegenden Arbeit passt (Bogner, Littig & Menz 2014, 17–19). Ob Äußerungen des*der Expert*in als Tatsache oder als subjektive Deutung verstanden werden, hängt vom Standpunkt des*der Interpret*in ab. Während in der anglophonen Debatte der empirischen Umfrageforschung positivistische Ideale dominieren, geht die vorliegende Arbeit speziell von einer konstruktivistischen Auffassung über das Verhältnis des*der Befragten zur sozialen Wirklichkeit aus (Bogner, Littig & Menz 2014, 6–13).

3.) Schlüsselprobleme und Grenzen

Indem Expert*innen mit ihren Deutungen das konkrete Handlungsfeld strukturieren, verfügen sie über einen gewissen Machtaspekt zur Konstruktion von Wirklichkeit. Durch ihre Informationen bestimmen sie mit, aus welcher Perspektive und wie über welche Sachverhalte nachgedacht wird (Gläser & Laudel 2010, 13–15, Bogner & Menz 2005, 13).

Speziell in Hinblick auf die vorliegende Befragung von Expert*innen aus Politik-PR und Journalismus müssen folgende Gefährdungen der Datenqualität in den Befragungssituationen berücksichtigt werden: soziale Erwünschtheit von Normen, Selbstpräsentation des*der Befragten wie beispielsweise Framing-Strategien, Vermeidung heikler Antworten, die sich mit abweichendem Verhalten beschäftigen und negative Reaktionen zur Folge hätten (Alvesson 2011, 100; Scholl 2015, 219–225; Porst 2008, 124–126). Schließlich muss mitgedacht werden, dass Expert*innen in Befragungssituationen im Vergleich zu ihrem Alltag mitunter unterschiedlich reagieren. Die Anpassung des Fragebogens an die Voraussetzungen der

Zielgruppe hat daher wesentliche Auswirkungen auf die Umfragequalität und kann Antworten verzerren (Faulbaum, Prüfer & Rexroth 2009, 58–59).

Eine ebenso wesentliche Problematik der vorliegenden empirischen Arbeit liegt in den Interviews, die über sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg geführt wurden (Alvesson 2011, 100). Dabei können Grenzen des Verständnisses beim Erkennen und Zuordnen von Bedeutungen sichtbar werden, wenn Befragte mit Begriffen unterschiedliche Bedeutungen verbinden, ebenso wie bei unklaren oder unpräzisen Formulierungen und vor allem, wenn es um unterschiedliche Interpretationen geht (Faulbaum, Prüfer & Rexroth 2009, 63). Auch non-verbale Kommunikation und ihre non-verbale Reaktion darauf kann davon betroffen sein (Keats 2000, 129). Wenn – wie in der vorliegenden Arbeit – in vielen Fällen auf Englisch als gemeinsame Zweitsprache zurückgegriffen wird, muss durch die Übersetzung vor der eigentlichen interpretatorischen Datenanalyse ein zusätzlicher Interpretationsschritt eingeführt werden. Da es sich bei den vorliegenden Interviews aber nicht um Interviews handelt, die ihre Aufmerksamkeit auf latente Strukturen richten, sind diese Eingriffe durch Übersetzungen als weniger gravierend einzuschätzen. Bei den Leitfaden-Interviews der vorliegenden Arbeit geht es vielmehr um manifeste Inhalte, bei denen der Informationsgewinn im Vordergrund steht. Die Art und Weise, wie etwas gesagt wird, ist für die Interpretation der Interviews nicht von Bedeutung (Inhetveen 2012, 43; Bogner & Menz 2005, 45–47).

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