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Forschungszugänge

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3. Struktur und Methodik

4.3 Die mediale Berichterstattung zur EU

4.3.1 Forschungszugänge

Transnationalisierung und Europäisierung sind als multidimensionale und graduelle Prozesse zu betrachten, welche die Grenzen nationaler Räume überschreiten. Unterschiedliche Muster und Qualitäten von Europäisierung und Transnationalisierung sind jeweils differenziert zu analysieren (Brüggemann et al. 2006, 215). Als wichtiger Indikator für Europäisierungsprozesse gilt die mediale Aufmerksamkeit für europäische Politik. In der Literatur finden sich unterschiedliche Dimensionen der Transnationalisierung von Öffentlichkeit auch auf der Ebene der Medieninhalte, um die Europäisierung von Medienöffentlichkeit zu messen (Latzer & Saurwein 2006; Neidhardt 2006). Mediale Berichterstattung ist Voraussetzung für die Beobachtung und Kontrolle der EU-Politik, die als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für eine europäische Öffentlichkeit gesehen wird. Letztlich wird Europäisierung auch dann festgestellt, wenn es zu einer transnationalen Verschränkung nationaler Öffentlichkeiten kommt (Latzer & Saurwein 2006, 16–17). Für eine Analyse der Europa- bzw. EU-Berichterstattung muss zugleich darauf hingewiesen werden, dass Transnationalisierungsprozesse von Öffentlichkeit anhand der Medienberichterstattung nicht komplett von der nationalen Perspektive entrückt analysiert werden sollten, damit nicht der Eindruck erweckt wird, dass diese eigenständig und unabhängig voneinander ablaufen (Polownikow 2017, 118). Massenmedien dienen zwar als Hauptträger für die Entfaltung einer europäischen politischen Öffentlichkeit, können aber auch neue Defizite herbeiführen, indem sie politische Kommunikation selektiv und populistisch umgestalten und damit anstelle des rationalen Austauschs und der Verständigung auch Nationalismen verstärken (Trenz 2003, 163).

Die Messung von transnationalen Verschränkungen im europäischen Kontext wird in der Literatur vor allem in Form von Inhaltsanalysen durchgeführt, um die Bedeutung von transnationaler Information und Kommunikation in der Medienberichterstattung zu erfassen.

Autor*innen greifen mitunter auch auf diskurstheoretische Öffentlichkeitsmodelle zurück und überprüfen transnationale Synchronisierungen wie die länder- und medienübergreifende Artikulation gleicher Themen zur gleichen Zeit und zu gleichen Relevanzkriterien. Auch die Dichte transnationaler Interaktionen via Medien wie wechselseitige Bezugnahmen und

Referenzen dienen als Kriterien für die Analyse transnationaler Mediendiskurse (Latzer &

Saurwein 2006, 17–18). Was die Nachrichtenproduktion auf EU-Ebene betrifft, ist jeweils mitzudenken, dass das Konzept der transnationalen EU-Governance nicht ein hierarchisches Konstrukt ist, sondern eine breite Ansammlung an Governance-Phänomenen (Kohler-Koch &

Rittberger 2006, 27; Christiansen 2016, 97), was Medienanalysen auf einer Inhaltsebene zusätzlich erschwert.

Da die Herstellung von Referenzen zu europäischen Themen auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sein kann, differenziert Trenz zwischen verschiedenen Formen der Messung von Europäisierung in der medialen Berichterstattung. Bei der Analyse von Prozessen des kommunikativen Austauschs über die Medien unterscheidet er zwischen der Herausarbeitung fallspezifischer Thematisierungsaspekte und der Herausarbeitung allgemeiner Themenstrukturen zu Europa (Trenz 2006, 194–195). Darüber hinaus gelten folgende Berichterstattungselemente nach Trenz als Indikatoren für eine mediale Sichtbarkeit Europas (vgl. Trenz 2006, 203–210):

a) Europa als Verallgemeinerung: Europa wird als Metapher für das Allgemeine und Verbindende, als „Abstraktionsformel“ oder „kontextgebundene Bedeutungseinheit“

hergenommen, die sich auf bestimmte Akteur*innen, Ereignisse, Probleme, Handlungszusammenhänge oder bestimmte Interessens- und Zielvorstellungen bezieht.

b) Europa als Vergleichsebene: Immer wieder existieren Vergleiche zwischen dem politischen Handeln, der Leistungsfähigkeit und Effizienz nationaler Politik in den unterschiedlichen EU-Ländern und mitunter auch Vergleiche mit der Europa-Ebene.

c) Bezug zu europäischen Ereignissen: Typische europapolitische Medienartikel beinhalten Bezüge zum tagespolitischen Geschehen in Brüssel, zu Entscheidungen der EU-Behörden, zu Treffen von Politiker*innen, Verhandlungen und Vertragsabschlüssen sowie inszenierten Ereignissen wie Pressekonferenzen und Interviews. Dabei wird festgestellt, dass europäische Ereignisse mitunter kein autonomes Agenda-Setting leisten und nicht automatisch von den Medien aufgegriffen werden. Die Selektion der Nachrichtenberichterstattung wird weniger über Nachrichtenwerte als über Routinen gesteuert. Zudem wird europäischen Ereignissen meist nur ein geringer Überraschungseffekt zugesprochen. Die hohe Erwartbarkeit von EU-Themen mindert ihren Nachrichtenwert, erleichtert aber auch das journalistische Handwerk.

Trenz unterscheidet zwischen „Routine-Ereignissen“ (aufgrund von Formalisierung und Verrechtlichung des EU-Verwaltungshandelns oder bestimmter Programme der Institutionen vorgegeben), „spontanen Ereignissen“ (kein herausstechendes Merkmal europäischer Politik, womit einem wesentlichen Nachrichtenwertfaktor des Journalismus nur wenig entsprochen wird) sowie „Schlüsselereignissen“ (Inszenierung von großen Ereignissen mit hohem Aufmerksamkeitspotenzial und Aufhänger für europäische Themen).

d) Bezug zu europäischen Akteur*innen und Institutionen: Europäische Institutionen können sich in der Printmedien-Berichterstattung gut durchsetzen – insbesondere die Europäische Kommission, wobei Status und Funktion der Akteur*innen wichtig für eine mediale Publikation sind. Neben ihrer Information als Agenda Setter werden europäische Akteur*innen häufig aber nur passiv erwähnt. Ihre Nennung erfolgt mitunter auch in Kontexten, die in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der EU-Politik stehen.

Darüber hinaus werden europäische Akteur*innen auch in Sammelbezeichnungen zusammengefasst (z. B. „mehrere europäische Regierungen“) oder Europa als Kollektivakteur bezeichnet (z. B. „Europa stand nur im Hintergrund“). Weiters unterscheidet Trenz zwischen einer „positiven Stigmatisierung“ und einer „negativen Stigmatisierung“ von europäischen Akteur*innen und Institutionen.

e) Bezug zur europäischen Legislative und zu EU-Verträgen: Der Verbindlichkeit und Tragweite von europäischem Recht wird eine weitere Dimension der Sichtbarkeit und Relevanz Europas in der medialen Diskussion zugeschrieben: Hierbei spielen journalistische Hinweise auf rechtliche Bindungskraft, auf Recht als Restriktion oder Potential von Handlungen eine wesentliche Rolle.

Was die Themenstrukturierung der europäischen Nachrichtenberichterstattung betrifft, die in der Praxis vor allem auf die Qualitätspresse fokussiert ist, unterscheidet Trenz darüber hinaus folgende Analyseebenen (vgl. Trenz 2006, 197–198):

 Themenstreuung: Die politische Europaberichterstattung zeichnet sich durch eine große Breite und Vielfalt an Themen aus.

 Themenkonzentration: Innerhalb des breiten Themenspektrums lassen sich Themen finden, die in einer gewissen Regelmäßigkeit vorkommen oder zu bestimmten Zeitpunkten öfter aufgegriffen werden (z. B. Gipfeltreffen).

 Themengewichtung: Von den verschiedenen Zeitungen werden unterschiedliche Gewichtungen der Themen vorgenommen. Zeitungskoalitionen oder Ländergruppen können dabei in Bezug auf die Diskussion bestimmter Themen erkannt werden.

 Themenpartikularität: Abseits von Themenüberschneidungen gibt es auch EU-Themen, die nur von einer Zeitung oder einem Land aufgegriffen werden.

 Fehlende Themen: Betrachtet man die Agenda der unterschiedlichen Politikfelder der EU, wird deutlich, dass einige Themen in allen Zeitungen durch den Selektionsraster der Medien fallen, was auf kongruente Muster und Selektionsregeln politisch-medialer Kommunikation in Europa hinweist und als Indikator für die Anwendung gleicher Nachrichtenwertfaktoren in den europäischen Medien angenommen werden kann.

 Themenreziprozität: Gemeinsame Debatten, welche eine europäische Öffentlichkeit ausmachen, ermöglichen eine Angleichung der Argumente und Deutungen sowie möglicherweise auch eine Entstehung gemeinsamer Ziele.

Das Modell nach Wessler und Brüggemann, die hierbei auf unterschiedliche Autor*innen zurückgreifen (u.a. Latzer & Saurwein 2006; Neidhardt 2006; Wessler et al. 2008; Brüggemann et al. 2006), umfasst wiederum folgende Dimensionen zur Analyse der Transnationalisierung von Öffentlichkeit auf Medieninhaltsebene (vgl. Wessler & Brüggemann 2012, 66):

a) „Monitoring Governance“: Diese Berichterstattung und Zitierung von EU-Institutionen und Akteur*innen der EU-Politik wird als „vertikale Europäisierung“ bezeichnet (Koopmans & Erbe 2004). Diesbezügliche Analysen überprüfen, ob und wie andere europäische Sprecher*innen in nationalen Medien zu Wort kommen und Themen entweder als nationale Angelegenheiten konstruiert oder im Hinblick auf transnationale Ursachen und Folgen diskutiert werden.

b) „Discourse Convergence“: Angleichung des Framings von Themen in der jeweiligen nationalen Berichterstattung.

c) „Discursive Integration“: Zunehmende Berichterstattung über andere Länder und Zitierung von Sprecher*innen aus diesen Ländern (Referenzialität).

d) „Collective Identification“: Die Berichterstattung enthält implizite und explizite europäische Identifikationen und Teilnehmer*innen einer gemeinsamen europäischen Debatte.

In der Kommunikationsforschung wird die mediale Berichterstattung über trans- und supranationale Institutionen im Rahmen der Europäischen Union, wie im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit, als wichtige, aber nicht als einzige Dimension der Transnationalisierung von Öffentlichkeit(en) gesehen. Wissenschaftliche Analysen berücksichtigen neben der Messung von Medieninhalten und der Thematisierung transnationaler Belange durch die Medien darüber hinaus noch weitere unterschiedliche Analyseebenen. Wessler und Brüggemann führen dazu folgende Formen der Entgrenzung europäischer Medienöffentlichkeit an (vgl. Wessler & Brüggemann 2012, 64):

 Technische und soziale Kommunikationsinfrastrukturen

 Präsenz und Strategien der (medienexternen) Akteur*innen, die sich in öffentlichen Debatten zu Wort melden

 Publikum öffentlicher Kommunikation (technische Reichweite, Zielgruppen der Medien und Mediennutzung)

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