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9. Die Lenkung der Minderheitenpresse

9.2. Der Verband und die Zeitung

Die Beziehung zwischen dem Verband und der deutschsprachigen Zeitung war eine besondere – aus verschiedenen Gründen. Bei den anderen anerkannten Minderheiten der Nachkriegszeit Ungarns – den Südslawen, Rumänen und Slowaken – erfolgte die Gründung eigener Presseprodukte erst nach der Errichtung ihrer Verbände. Im Falle der deutschen Minderheit vollzog sich dieser Prozess umgekehrt. Am 10. Januar 1953 beschloss das ZK der Partei die Gründung einer deutschsprachigen Monatszeitschrift unter dem Namen ‘Freies Leben’, die ab Juli 1954 erschien. Ein Jahr später entschied das Politbüro über die Gründung des Verbandes für die deutsche Minderheit Ungarns.

Unter der Agenda befand sich auch die Lösung der redaktionellen Probleme der Zeitschrift, die fortan wöchentlich erschien. Damit wurde die deutsche Minderheit den anderen wenigstens organisatorisch angeglichen.

Zu den wichtigsten Aufgaben des Verbandes gehörte auch die Leitung der Redaktion, obwohl die Zeitung organisatorisch dem Staatlichen Zeitungsverlag (Állami Lapkiadó Vállalat) untergeordnet war. Redaktionelle Personalfragen wurden durch den Verband geklärt, die Kontrolle des Vertriebes der Zeitung gehörte gleichfalls zu den Aufgaben des Verbandes.152 Da die Kontrolle der Presseprodukte                                                                                                                

151 Fortsetzung: „Wir – die Mitglieder der gewählten Körperschaften, die Kongressdelegierten und andere Aktivisten der Nationalität sowie das Sekretariat des Verbandes – spornen in unserer Propagandatätigkeit, durch Aufklärung und Überzeugung die Ungarndeutschen an, ihre Nationalitätenansprüche mutiger und eindeutiger zum Ausdruck zu bringen, von den gebotenen Möglichkeiten zur Beibehaltung der Nationalitäteneigenschaften maximal Gebrauch zu machen und helfen den Partei-, staatlichen und gesellschaftlichen Organen in ihrer Bestrebung, bessere Voraussetzungen und neue Möglichkeiten zu schaffen”Arbeitsplan, Demokratischer Verband der Ungarndeutschen,1984. NZ-Archiv. Ohne Signatur.  

152 Ungarisches Staatsarchiv - MOL, XXVIII-I-1. Schachtel 29.  

im sozialistischen Staat weitgehend zentral verlief und von der Gründung einer Zeitung bis hin zur Verteilung der Druckereikapazitäten, der Verteilung des Papierkontingents und dem Vertrieb alles in der Partei oder im Informationsbüro der Regierung entschieden wurde, hing die Produktion der Zeitung von der Unterstützung dieser zentralen Organe ab. Dass der Verband zwischen diesen Organen und der Redaktion stand, bestätigt ein Brief des Generalsekretärs des Verbandes, Dr. Friedrich Wild153, an das Informationsbüro des Ministerrates, in dem er wegen der sinkenden Leserzahl der ‘Neuen Zeitung’ um Unterstützung bittet. Der Verband war auch für personelle Fragen zuständig und vermittelte die Wünsche und Nöte der Redaktion an die entsprechenden Organe weiter. Wie der Verband, hatte auch die Zeitung von oben vorgeschriebene Ziele zu verwirklichen. In den Anfangsjahren hatte sie kein anderes Ziel, als Propagandamittel der Partei zu sein, durch das die deutschsprachige Bevölkerung mit Unterstützung des Verbandes erreicht werden sollte. „Die Wochenzeitung des deutschen Verbandes, die ‘Neue Zeitung’, muss mehr agitativ, kämpferischer werden, die Mitarbeiter des Blattes müssen Beziehungen auf einer breiteren Basis ausbauen, das Blatt muss stärker gegen die schädlichen Reminiszenzen der Vergangenheit, den Nationalismus und Chauvinismus kämpfen.

Auf den Seiten der Zeitung muss ein größerer Raum für die fortschrittlichen Traditionen der inländischen deutschsprachigen Werktätigen und den fortschrittlichen deutschsprachigen Personen bereitgestellt werden.”154 Zu den vom Verband formulierten Aufgaben des Blattes gehörten noch die Bekämpfung der revanchistischen Politik der BRD, die Betonung der Fortschritte der DDR und die Steigerung der Popularität der Sowjetunion und anderer befreundeter Volksrepubliken. Diese Aufgaben waren nicht vom Verband festgelegt: diese Organisation war nur für die Durchführung und Kontrolle der Presse zuständig und außerdem auch für die Einbindung der deutschsprachigen Minderheit verantwortlich.155 Die Leitung der Zeitung, die Journalisten und auch der Inhalt                                                                                                                

153 Brief an das Informationsbüro des Ministerrates vom 18. November 1959, Ungarisches Staatsarchiv - MOL-XXVIII-I-1. Schachtel 29.  

154 Arbeitsbesprechung des Verbandes, 1960, LdU Bibliothek- 3076. „A Német Szövetség hetilapjának, a Neue Zeitungnak agitatívabbá, harcosabbá kell válnia, a lap munkatársainak szélesebb tömegkapcsolatokat kell kiépíteniök, a lapnak fokozottabban kell harcolnia a múlt káros maradványai, a nacionalizmus, sovinizmus ellen. A lap hasábjain nagyobb teret kell szentelni a hazai németajkú dolgozók haladó hagyományai, valamint haladó németajkú személyek ismertetésének.”  

155„Seit der ersten Arbeitskonferenz erhielten die „Neue Zeitung” und auch die übrigen Nationalitätenzeitungen prinzipielle Anleitungen, teils von den zuständigen Parteiorganen, teils vom

standen unter Aufsicht des Verbandes. Denn den ehrenamtlichen Redaktionsausschuss wechselte die Leitung des Verbandes genauso aus wie auch die Journalisten. Wie auf anderen Gebieten der Medien durfte auch die ‘Neue Zeitung’

nur die genehmigten und von der Partei erwarteten Themen behandeln. Artikel, die bei der Kontrolle durchfielen, weil sie Themen bearbeiteten, die der offiziellen Weltanschauung nicht entsprachen, brachten gezwungenermaßen Änderungen mit sich. „In diesem Sinne kam es im März 1964 zur Neugestaltung des ehrenamtlichen Redaktionsausschusses und als anstelle der ausgeschiedenen Mitglieder Genossen von einheitlicher ideologischer Weltanschauung und Stellungnahme einbezogen wurden, versuchten wir eine der Voraussetzungen, zur besseren, einheitlicheren Arbeit mit entschiedener Richtlinie zu schaffen.”156 Die Jahre der Automatismus-Periode vergingen im Zeichen der Erwartungen der Partei, der Weiterleitung ihrer Wünsche durch den Verband an die Redaktion der ‘Neuen Zeitung’. Die Zeitung war das Sprachrohr der Partei, des Verbandes, sie sollte so viele Leser wie möglich erreichen.

In der Geschichte des Blattes, besonders in den 50ern und 60ern wurde durchgehend als Problem wahrgenommen, dass die ‘Neue Zeitung’ zu wenig Abonnenten hatte.

Auch der als Verleger fungierende Zeitungsverlag (Lapkiadó Vállalat) machte den Verband mehrfach auf die geringe Zahl der Abonnenten aufmerksam.157 Ungefähr ein Fünftel der verkauften Exemplare der ‘Neuen Zeitung’ wurde abonniert, die Mehrzahl wurde an Zeitungskiosken verkauft. Als Grund nannte der Verband die Zurückhaltung der deutschen Bevölkerung: „Viele würden nicht abonnieren, weil sie so auf eine Liste kämen und als Deutsche erkennbar würden.” Die niedrige Zahl der Abos lag aber auch an der mangelhaften Zusammenarbeit mit der Ungarischen Post und dem staatlichen Verlagshaus. Diese Scheu, als Deutsche oder Deutscher identifiziert zu werden, zeichnet sich bis zur Wende in der Zahl der Abonnenten ab. Deren Zahl blieb konstant niedrig. Bis auf wenige Privatpersonen waren Institutionen die Mehrzahl der Abonnenten.

Dass der Verband auch die Richtung der Arbeit der ‘Neuen Zeitung’

bestimmte, beweist der Bericht aus dem Jahre 1970 über die Tätigkeit des Verbandes                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              

Ministerium für Bildungswesen.” 2. Landesarbeitskonferenz des Verbandes, 1964 LdU-Bibliothek 3082.  

156 Arbeitskonferenz des Verbandes, 1964, S.27, LdU-Bibliothek 3082.  

157 Brief vom Zeitungsverlag, Ungarisches Staatsarchiv - MOL, XIX-J-3-a 371. Schachtel, Rede des Generalsekretärs vor dem III. Kongress des DemokratischenVerbandes der Deutschen in Ungarn, 1969, LdU-Bibliothek 3088.  

seit dem Kongress 1969. Die Neue Zeitung wurde als Medium angesehen, das als primäre Aufgabe der Weiterleitung und Erklärung der Politik der Partei und der Regierung diente. Sie sollte das sozialistische Bewusstsein der deutschsprachigen Bevölkerung formen und die erreichten Ergebnisse der Nationalitätenpolitik hervorheben. Sie sollte auch die Arbeit des Verbandes widerspiegeln und zum ersten Mal seit der Gründung des Organs eine konstruktive Kritik und Selbstkritik üben. Als wichtigste Aufgabe wurde 1970 der Muttersprachenunterricht genannt und die Veröffentlichung einer Serie über Methodik des Sprachunterrichtes vorgeschlagen.

Diese kritische Stimme – die vom Verband gefördert und unterstützt wurde – bezog sich auf den Unterricht, wurde vom Kongress sogar gefördert, das Blatt wurde vom Verband selbst als Sprachrohr für die Probleme der deutschen Minderheit genutzt.

Die Veränderungen in der Nationalitätenpolitik vergrößerten den Bewegungsraum für den Verband und die Redaktion.

Auf dem IV. Kongress 1973 beschlossen die Delegierten die Gründung eines neuen Redaktionsausschusses. Dem hatte man verschiedene Aufgaben zugeteilt, wie etwa „die Pflege, Erhaltung und Weiterentwicklung der ungarndeutschen muttersprachlichen Kultur (…) Weiterhin hat der Ausschuss die Aufgabe, dem Organ des Verbandes, der Neuen Zeitung, bei der Lösung von gesellschaftlichen Aufgaben Hilfe zu leisten, über die Arbeit der Neuen Zeitung zu beraten.”158 Durch die Gründung des Redaktionsausschusses, dessen erster Vorsitzender Lorenz Kerner wurde, sollte die Arbeit der Redaktion der ‘Neuen Zeitung’ professioneller gestaltet und ein Korrespondentennetz ausgebaut werden. Es ging auch darum, mehr auf die Wünsche und Interessen der Leserschaft einzugehen, um die Leserzahl der Zeitung zu erhöhen. Durch die Gründung des Redaktionsausschusses konnte zwischen dem Verband und der Redaktion eine Pufferzone aufgebaut werden und das ermöglichte der Redaktion, eine unabhängigere Stellung zu bekommen. Zwar wurde dies bei den Zielen des Ausschusses aufgelistet, die ‘Neue Zeitung’ konnte sich dennoch nicht gänzlich vom Einfluss des Verbandes befreien. Das Programm des Verbandes für das Jahr 1976 sprach sich für die Beibehaltung des Formats und die Weiterentwicklung der schon 1975 eingeführten Veränderungen aus. Die Ziele der Wochenzeitung waren nach wie vor die ursprünglichen: „Weiterhin die Vermittlung der Politik                                                                                                                

158 Arbeitsplan – Entwurf für das Jahr 1974, Demokratischer Verband der Deutschen in Ungarn, LdU Bibliothek- 3093., Sitzung des Redaktionsausschusses am 21. Januar 1974. Ungarisches Staatsarchiv - MOL, XXVIII-I-1, 29. Schachtel.  

unserer Partei und Regierung, Widerspiegelung der Stimmung, der Wünsche und Meinungen des Deutschtums in Ungarn.”159 Die Zeitung wurde immer noch als Blatt des Verbandes angesehen, aber es erschienen minderheitenpolitische Texte, die Zeitung gewann immer mehr einen eigenständigen Charakter und entfernte sich mehr und mehr von der offiziellen Politik der Partei, sie konnte sich aber nicht vollständig von der Organisation lösen. Denn die Themen des Verbandes, wie Unterricht und Bewahrung von Kultur und Sprache, waren auch für die Redaktion wichtige Angelegenheiten. Die literarische Sektion oder die Jugendspalte waren ebenfalls wichtige Entscheidungen im Inhalt, die sowohl vom Verband, als auch von der Redaktion getragen wurden.

Der Ton der Zeitung änderte sich im Verlauf der 80er Jahre weitgehend. Die Aufweichung der Parteipolitik sowie das Aufgreifen der Situation der Auslandsungarn veränderten die Minderheitenpolitik auch innerhalb Ungarns. Auch die Organisationen der Minderheiten folgten diesem Trend. 1984 trat der Verband in seinem Arbeitsplan für die kollektiven und individuellen Rechte der ungarländischen Deutschen ein. Neue Töne klangen in den offiziellen Verbandsveröffentlichungen an und der Verband versuchte, sich als Interessenvertretung zu etablieren.160 Die Zeitung wurde professioneller und selbstständiger geführt. Dies führte automatisch zu mehr Distanz zum Verband. Die Vereinnahmung der Zeitung durch den Verband wurde immer weiter abgewehrt und sie wurde in der Behandlung vom Verband mit den beiden anderen Redaktionen – des Hörfunks und des Fernsehens – gleichgesetzt. Der Verband formulierte seine medialen Ziele nunmehr einheitlich.

Der Verband entwarf in diesem Schreiben den Redaktionen und den Journalisten gegenüber erstmals inhaltliche und professionelle Ansprüche, bezeichnete außerdem die Einbettung der Journalisten – als „Aktivisten des Verbandes der Nationationalität”161 für nötig – auch für ein gemeinsames                                                                                                                

159 Arbeitsplan des Demokratischen Verbandes der Deutschen in Ungarn. Magyarországi Németek Demokratikus Szövetségének Munkaterve 1976 évre. LdU-Bibliothek 3094.  

160 „Wir – die Mitglieder der gewählten Körperschaften, die Kongressdelegierten und andere Aktivisten der Nationalität sowie das Sekretariat des Verbandes – spornen in unserer Propagandatätigkeit, durch Aufklärung und Überzeugung die Ungarndeutschen an, ihre Nationalitätenansprüche mutiger und eindeutiger zum Ausdruck zu bringen, von den gebotenen Möglichkeiten zur Beibehaltung der Nationalitäteneigenheiten maximal Gebrauch zu machen und helfen den Partei-, staatlichen und gesellschaftlichen Organen in ihrer Bestrebung, bessere Vorausetzungen und neue Möglichkeiten zu schaffen.” Arbeitsplan 1984, Verband, S. 2. NZ Archiv, ohne Signatur.  

161 Arbeitsplan 1984, Verband, S. 28. NZ Archiv, ohne Signatur.  

Identitätsmanagement. 1980 beschäftigte sich der Presseausschuss mit der Frage des Journalistennachwuchses. Der Verband organisierte ein Journalistenlager für die Lösung dieses Problems. Da es keine Journalistenausbildung an den Hochschulen Ungarns gab, lag es an den Redaktionen, für den eigenen Nachwuchs zu sorgen. In den Redaktionen waren jedoch wenig Arbeitsstellen zu vergeben, das sorgte für eine gewisse Unsicherheit der Praktikanten, denn über die Besetzung der wenigen Stellen konnten die Redaktionen nicht selbst entscheiden.

Obwohl der Verband immer noch eine gewisse Führungsrolle über die Zeitung beanspruchte, agierte die Redaktion immer freier und Kritik war ausdrücklich erwünscht. 1982 diskutierte der Presseausschuss über 'Die Notwendigkeit der Kritik in den ungarndeutschen Massenmedien’. Die Frage der Kritik in Minderheitenmedien war ein sensibles Thema. Von den Minderheitenmedien wurde erwartet nicht gegen die eigene Organisation vorzugehen, um deren Lage zu festigen, Kritik könnte eine Blöße bedeuten.162Außerdem hatte sich die Kommunikation nach außen, zu den ungarischsprachigen Mehrheitsmedien, immer als schwierig erwiesen. Denn Ereignisse und Erfolge sollten auch außerhalb des Umkreises der eigenen Medien kommuniziert werden. Da Minderheitenfragen die Interessenschwelle der Mehrheitsmedien selten erreichten, konnte der Verband keine besonderen Erfolge auf diesem Gebiet erzielen.

Der VI. Kongress des Verbandes im Dezember 1983 bekam wegen der Rede von György Aczél besondere Aufmerksamkeit. Allerdings wurde das erste Mal über die Wichtigkeit der Kommunikation innerhalb der Minderheit gesprochen und zwar nicht nur aus propagandistischen Gesichtspunkten.163 Sowohl die ‘Neue Zeitung’, als auch das Hörfunkprogramm und die Fernsehsendung bekamen nunmehr die Aufgabe, die Ziele des Verbandes zu unterstützen, für eine innere Kommunikation zu sorgen, außerdem den Unterricht und die Benutzung der Muttersprache und der Zweisprachigkeit zu fördern.

                                                                                                               

162 „Denn: gerade dadurch, daß wir eine Diskussion provozieren, machen wir auch unsere Leute darauf aufmerksam, die besser nicht noch mehr verbreitet werden, besonders, wenn es sich um Sachen handelt, die der Wahrheit nicht entsprechen. Zweitens: was erreichen wir denn mit einem in deutscher Sprache veröffentlichten Antwortschreiben, mit dem wir den deutsch nicht verstehenden Verfasser und sein Publikum sowieso nicht erreichen.” Presseausschuss-1982.03.10.- Ungarisches Staatsarchiv - MOL, XXVIII-I-1, 29. Schachtel.  

163 „Presse, Rundfunk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel spielen im Leben der Ungarndeutschen eine zunehmend wichtige Rolle. Das trifft sowohl für die Nachrichtenübermittlung, die Informierung in der Muttersprache, als auch für die Erhaltung und Pflege der Muttersprache und Kultur und nicht zuletzt für die Stärkung des Nationalitätenbewusstseins zu. Rechenschaftsbericht des Demokratischen Verbandes der Ungarndeutschen.1983 LdU – Bibliothek 1693 S.30.  

Erst in den 80er Jahren versuchte der Verband, als Interessenvertretung zu wirken. Neben der Kritik in ungarndeutschen Medien wurde erstmals über Funktion und Aufgaben der Medien innerhalb des Verbandes diskutiert. Erkannt wurde die Wichtigkeit der Massenkommunikation und die Verbreitung des Fernsehens. Aber auch Hörfunk und Printmedien wurden als Möglichkeit für eine erfolgreiche Kommunikation mit den Angehörigen der Gruppe entdeckt.164

Im Rahmen der allmählichen Demokratisierung der ungarischen Gesellschaft wurde auch die Integrität des Verbandes angezweifelt. Der Bericht des Presseausschusses aus dem Jahr 1988 beschrieb die Sinnlosigkeit der eigenen Sitzungen. Diese Kritik richtete sich in erster Linie gegen den Verband und dessen ergebnislose Strukturen. Die Mitglieder des Ausschusses – fast ausnahmslos Journalisten – kannten die Probleme, der Verband besaß nicht den Einfluss und die Mittel etwas zu ändern, so erwiesen sich diese Sitzungen meist als nutzlos. „Erstens:

weil die Ausschüsse – wie auch der Verband – keine Befugnisse haben; zweitens: ihre Aufgabe wäre eigentlich etwas anderes, als sich mit sog. technischen Fragen wie Zeitungsvertrieb, Wellenlängen, Programmhäufigkeit und -länge sowie Empfangsmöglichkeit zu beschäftigen.”165 Der Verband verschloss sich nicht vor Veränderungen und als Vorbereitung auf seinen VII. Kongress 1988 gab der Vorbereitungsausschuss zu, dass der Verband nicht als Interessenvertretung funktionierte. In ihrem Schreiben166 verlangten sie nach einer neuen Satzung, die nicht zentral vorgeschrieben werden sollte und auf die Interessen und Wünsche der deutschen Minderheit einzugehen habe. Der Bericht des Kongresses von Dezember 1988 betreffend die Minderheitenmedien, war ebenfalls sehr kritisch formuliert.

Sowohl die ‘Neue Zeitung’, die mit dem Verband eng zusammenarbeitete, als auch die Spartenprogramme der Minderheiten in den elektronischen Medien steckten in einer großen Krise, aus der sie aus eigener Kraft nicht herauskommen konnten. Nicht nur diese Medien hingen von einer übergeordneten Struktur ab, auch der Verband konnte der Redaktion der ‘Neuen Zeitung’ nicht helfen, da die wichtigsten Entscheidungen über Finanzierung, Herstellung und Vertrieb nicht von der Minderheitenorganisation abhängig waren. Der Schlusssatz des Berichtes ist                                                                                                                

164 „Nur effektv gestaltete und gebrauchte Medien können wie gewünscht wirken, was aber einen entsprechend hohen technischen Standard, ausreichend qualifizierte Mitarbeiter sowie eine regional möglichst komplette kommunikative Erfassung und Betreuung voraussetzt.” Szende (1986:1)  

165 Der Presseauschuss, NZ Archiv, Ohne Signatur, gezeichnet im Mai, 1988 von Lorenz Kerner.  

166 Kongressvorbereitungen – Diskussionsvorlage 1988, NZ Archiv, ohne Signatur.  

eindeutig: „Will man diese Medien als Mobilisierungsquellen verstehen, so muss man sagen, dass sie versagen.”167 Ende 1990 verabschiedete der Sonderkongress des Verbandes ein Programm, in dem er gemäß der Veränderungen in der Gesellschaft auch für die Gruppe selbst mehr Rechte verlangte.

Mit der Wende musste die Position der Wochenzeitschrift neu konzipiert werden. Um unabhängige Strukturen für die ’Neue Zeitung’ zu schaffen, waren die Vertreter der deutschen Minderheit bemüht, der Zeitung einen sicheren, systemunabhängigen Rahmen zu schaffen. Daraus entstand 1992 die ‘Neue-Zeitung-Stiftung’, die seitdem das Wochenblatt verlegt.

Der ‘Deutsche Kalender’ war ebenfalls ein Produkt des Verbandes. Er war nie von der Politik befreit und nach dem Typus eines Bauernkalenders entworfen worden.

Die politischen Inhalte wurden mit der Zeit weniger und wurden seit 1958 jährlich vom Verband veröffentlicht. Die Auflage handelte der Verband mit den entsprechenden Regierungs- und Parteibehörden aus und diese Zahl erhöhte sich bis auf 12.000 und blieb auch nach der Wende so hoch. Der Kalender war im Gegensatz zur Zeitung mehr ein Chronist des Lebens der Ungarndeutschen und lieferte Lesestoff für das ganze Jahr mit Bildern und Geschichten. Am Anfang waren diese Themen Lehrstücke eines sozialistischen Landes, später berichtete der Kalender über die Ereignisse der ungarndeutschen Dörfer und stand bis zur Wende unter der Kontrolle des Verbandes. Seit der Gründung der ‘Neuen-Zeitung-Stiftung’ wird er im Auftrag von der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen von der Stiftung herausgegeben.

9.3. Der Verband und das deutschsprachige Programm des Ungarischen Hörfunks