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4. Zur Mediengeschichte im östlichen Europa

4.3. Journalisten in der ungarischen Pressegeschichte der Nachkriegszeit

Der Journalist wurde als Soldat der Partei betrachtet. Die Presse blieb dem Prinzip Lenins treu, der Journalist als kollektiver Agitator, kollektiver Propagandist und kollektiver Organisator.85 Diese Sichtweise wurde aus der Sowjetunion übernommen und auf den Beruf „Journalist” angewendet und bestimmte für die kommenden Jahrzehnte die Auffassung über diesen Beruf. Die Arbeit für die Ziele der Partei hatte Priorität.

Der über einen großen Einfluss verfügende Ungarische Journalistenverband formulierte in seinem Verhaltenskodex (Etikai kódex) im Jahr 1974: „Die Journalisten, die Akteure der Massenmedien, sind aktive Teilnehmer am Aufbau des Sozialismus in unserer Heimat. Mit ihrer Tätigkeit dienen sie der Verwirklichung der Bemühungen in der ganzen Bevölkerung, für den weltweiten Fortschritt der edelsten Ideologien.”86 Der Journalist durfte mit seiner Arbeit die Interessen der Medienpolitik, der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik und des Staates nicht                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              

die ungarische Gesellschaft (Soziologen haben erforscht, dass fünfundzwanzig Prozent der Bevölkerung unter unsicheren Umständen versuchte zu überleben), die Situation der ungarischen Minderheit außerhalb der Landesgrenzen. Auch bei Romsics (2010:501)  

84 Ich beschränke mich nur auf die sogenannte „erste Öffentlichkeit”, obwohl zu dieser Zeit sich eine

„zweite Öffentlichkeit” herausbildete, die in der damaligen Zeit eine wichtige Rolle spielte. Im Bezug auf die Minderheitenmedien besaß die „zweite Öffentlichkeit” keine Relevanz.  

85 Lenin über die Presse (1970)  

86   „…az újságírók, a tömegtájékoztatásban részt vevők aktív részesei hazánkban a szocilaizmus

építésének. Tevékenységükkel az egész nép törekvéseinek megvalósulását, a világméretű haladás legnemesebb eszméinek érvényesülését szolgálják.” Sipos/Takács (2005:57)  

gefährden. Das ging so weit, dass er neben wichtigen, strategischen Themen sogar für die Bewahrung der optimistischen Stimmung in der Gesellschaft verantwortlich war.

Die Kontrolle erfolgte auch durch subtilere Formen: durch die Personalpolitik, die Verteilung des Geldes, die Ausbildung der Journalisten, die an Journalisten verteilten Privilegien. Journalisten, die Fehler begingen, mussten mit verschiedenen Konsequenzen rechnen. In der ersten Runde gab es ein Gespräch mit dem Chefredakteur, vielleicht mit dem Parteisekretär des Presseorgans. In ernsten Fällen aber wurden Privatbriefe von der Staatssicherheit geöffnet oder Telefongespräche abgehört, die Person überwacht. Wer den Spielregeln nicht folgen wollte, wurde zur Polizei vorgeladen oder sogar vor Gericht gestellt und verurteilt. Zu den Eigenheiten dieser Zeit gehört es, dass Polizeibeamte, Staatsanwälte und Richter Zeitungsartikel, aber auch andere Sendungen oder literarische Werke bewerteten und untersuchten.87 Journalisten wurden bis zur Wende nur vom Ungarischen Journalistenverband, MÚOSZ (Magyar Újságírók Országos Szövetsége) ausgebildet. Dieser schloss die als nicht dazugehörig Bewerteten aus und war für die Verbreitung der Ideologie und Richtlinien der Partei zuständig.88 Ende der 1950er Jahre wurde die Journalistenausbildung an Hochschulen aufgelöst. Nur wer die Journalistenschule des Verbandes absolvierte, durfte auch als Journalist arbeiten. Wenn man die Prüfungen der Kurse nicht meisterte, aus fachlichen oder auch aus ideologisch-politischen Gründen, war das Grund genug, den Arbeitsvertrag zu kündigen. Die Privilegien erfolgten nach dem System Zuckerbrot und Peitsche: Es wurden Reisen ins Ausland genehmigt oder man musste nicht so lange auf die Mangelware Pkw warten.

Nur der Staat durfte Presseorgane oder Medienanstalten gründen. Bis zur Wende galt alles als illegal, was nicht von der Partei genehmigt wurde, also wurden auch die Mitarbeiter der Massenmedien hierfür entsprechend ausgewählt. Die Auswahl der Belegschaft erfolgte primär aufgrund politischer Loyalität und erst danach wurde nach Kompetenz gefragt. Es bestand auch die Erwartung, dass Journalisten Mitglied in der Partei seien. Je höher man in der Hierarchie aufstieg, desto größer wurde der prozentuale Anteil der Parteimitglieder. 1972 waren bei den Zeitungen und Zeitschriften rund fünfundachtzig Prozent der Führungspositionen in                                                                                                                

87 Horváth (2013)  

88  Für alle Journalisten galten drei Regel die immer eingehalten werden mussten: Parteilichkeit, Massenverbundenheit, Wissenschaftlichkeit (hier ist der Marxismus-Leninismus als Grundlage verstanden). Ohlhausen (2005:85–86)  

der Hand von Parteimitgliedern, beim Hörfunk und Fernsehen lag der Anteil sogar noch höher, nämlich bei vierundneunzig Prozent.89

Kein Wunder also, dass der Journalist auch seine politisch-ideologische Rolle als selbstverständlich betrachtete. Gyula Bereczky von der Agitations- und Propagandaabteilung der Partei bezeichnete die Journalisten als „die Helfer der Politiker”, aber sie wurden auch die „Diener der Politiker” genannt. Die Machthaber sahen die Journalisten als Werkzeuge, die für die Verbreitung der Parteiideologie zuständig waren. Der Journalist hatte kurzum die Sache der Partei und des Sozialismus zu vertreten. Der über großen Einfluss verfügende Ungarische Verband der Journalisten formulierte 1974 auf seinem Kongress: „Der sozialistische Journalismus verlangt: eine ständige Weiterbildung in Marxismus-Leninismus, fachliches Können, sozialistisches Selbstbewusstsein, prinzipielle und praktische Stellungnahme, Tapferkeit, Ergebenheit, Information ohne Unterlass, aber vor allem die unbedingte Treue zum Volk, zur Arbeiterklasse und zur Sache des Sozialismus”.90 Der Journalist durfte mit seiner Arbeit die Interessen der Medienpolitik, der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik des Staates nicht gefährden. Er war auch für die Aufrechterhaltung einer optimistischen Stimmung in der Gesellschaft zuständig. Die Erwartungen wurden offen artikuliert, die Regeln waren allen klar.91

Nur wenige der Journalisten verfügten über einen Hochschul- oder Universitätsabschluss, siebenunddreißig Prozent hatten als Diplom die marxistisch-leninistische Abenduniversität absolviert. Sogar das Pressegesetz von 1986 ermöglichte noch, ohne Hochschulabschluss den Beruf des Journalisten auszuüben.

Abschlüsse der Parteihochschule oder des Lenin-Institutes genügten. Auch die Sprachkenntnisse der Journalisten blieben unter dem Durchschnitt derer der Intelligenz, was auf den obligatorischen Russischunterricht und die internationale Isolierung zurückzuführen war. Den Beruf selbst konnte man nur von den erfahreneren Journalisten erlernen. Was sie weitergaben, hing auch vom Umfeld ab, das nur eine sehr eingeschränkte Bewegungsfreiheit ermöglichte. Wie auch in anderen Bereichen, verlor auch das Pressewesen den Kontakt mit anderen Ländern, blieb                                                                                                                

89 Vásárhelyi (1999)  

90 Webseite von MÚOSZ, http://www.muosz.hu/tortenet.php?page=datum&sub=datum18  

91 „Der Unterschied zwischen uns und der westlichen Presse ist, dass wir bewusst den Dienst der Macht auf uns nehmen, die Politik der Partei vertritt mit Überzeugung jeder ungarischer Journalist, auch dann, wenn er kein Mitglied der Partei ist.” Rede von József Pálfy, dem Vorsitzenden von MÚOSZ http://www.muosz.hu/tortenet.php?page=datum&sub=datum18  

isoliert und ohne Weitblick.92 Die Treue der Journalisten zum System wurde nicht nur kontrolliert, sondern auch anderweitig erkauft: ein gutes Gehalt, die Lösung von Wohnungsproblemen, günstige Reisen usw. Die Branche sah ein, dass ihr Grenzen gesetzt waren und die Mehrheit arrangierte sich mit dem System.

Im klassischen stalinistischen Journalismus sah der Redakteur sich selbst als Diener des Systems. Er war damit einverstanden, von oben dirigiert zu werden. Das wichtigste Phänomen dieser Zeit war die Selbstzensur. Verschiedene Studien haben sich damit beschäftigt, dass der Journalist in erster Linie durch die Sozialisierung am Arbeitsplatz nach dem vorherrschenden Wertekatalog seine Arbeit zu verrichten lernte. Mit der Zeit lernten die Redakteure, nur das zu schreiben, was auch wirklich gedruckt wurde und Themen, die keine Chancen hatten, wurden auch von den Journalisten vergessen.93 Erst die Wende versetzte die Journalisten in eine neue Situation. So wurden sie zwar nicht mehr von den Gremien des Staates kontrolliert und mussten nicht mehr die Interessen einer Partei berücksichtigen, allerdings wurden sie mit den Herausforderungen der Marktwirtschaft konfrontiert. Die Presse wurde schnell privatisiert, der Pressemarkt wurde umstrukturiert. Bei den elektronischen Medien einigten sich die Politiker auf ein Frequenzmoratorium bis zur Verabschiedung des Mediengesetzes. Viele Journalisten fanden sich auf der Straße oder als nicht regelmäßig bezahlte freie Mitarbeiter wieder. Man tat gut daran, politisch Farbe zu bekennen, die Präferenzen für eine politische Partei wurden aus existenziellen Gründen dem freien Journalismus gegenüber höher gestellt. Der Mediensoziologe Tamás hebt diese Tendenz hervor: „Nach der Wende wurden keine neuen professionellen Journalistengruppen geschaffen, die der vor 89er existierenden Journalistengesellschaft zumindest teilweise als Alternative dienen konnten.”94 Die Medienlandschaft wurde zwar bunter, aber die Eingrenzung der eigenen Freiheit war in den Redaktionen Alltag.

                                                                                                               

92 „Journalisten machen sich auch selbst ein Bild von ihrem Beruf. Sie orientieren sich an bestimmten Leitbildern – Informationsermittler, Kritiker, Unterhalter etc. –, die in einer jeweils charakteristischen Mischung ihr berufliches Selbstverständnis bestimmen. (...) Es ist keineswegs unumgänglich, dass Journalisten die beruflichen Anforderungen einfach verinnerlichen uns sich dann in ihrem eigenen Aufgabenverständnis zu eigen machen.” Esser/Weßler (2002:167)  

93 „So verboten sie den Journalisten und Schriftstellern auch über große Naturkatastrophen, Verkehrsunfälle, Versorgungsengpässe und Kriminalitätszahlen sowie über verschiedenen Privilegien der Funktionäre zu berichten.” Bock (2011:454)  

94 „Lényegében nem hozott létre olyan professzionális újságírócsoportokat, amelyek a rendszerváltás után a 89 előtti újságíró-társadalommal szemben – akár csak egyes területeken – alternatívaként jelenhettek volna meg.” Sipos/Takács (2005:76)  

5. Geschichte der deutschsprachigen Medien in Ungarn bis zum Ende des