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10. Das Printmedium der Deutschen in Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg

10.2. Der Neubeginn: Die Herausgabe der ‘Neuen Zeitung’

10.2.3. Inhaltliche Bemerkungen zur ‘Neuen Zeitung’ vor 1989

Da es im sozialistischen Journalismus Tabuthemen und folglich klar gezogene äußere und innere Grenzen gab, hat auch die zentral von der Partei verlegte Zeitung ihre Direktiven erhalten und wurde von verschiedenen Gremien kontrolliert. Die ‘Neue Zeitung’ war ein Produkt der sozialistischen Medienindustrie, und das Blatt konzipierte die Partei für eine gewisse gesellschaftliche Gruppe. Da für die deutsche Minderheit in Ungarn die Sprachbenutzung eine sehr wichtige Angelegenheit blieb,

                                                                                                               

278 Schuth (2010:90)  

279 „In einem Idealfall ist es so, dass die Gemeinschaft eine Zeitung für sich aufrechterhält, sie finanziert, sie bestellt, weil sie in der Zeitung das und das lesen will. Jetzt stellt sich die Frage, ist die ungarndeutsche Gemeinschaft eine solche Gemeinschaft oder ist sie nicht? Sie ist nicht eine solche Gemeinschaft. Sie ist mit einem erheblichen Sprachverlust, mit erheblichem Identitätsverlust, mit zum Teil – mindestens drei Jahrzehnte lang – erheblichen Ängsten in der Szene. Von einer solchen Gemeinschaft kannst du nicht erwarten, dass sie sagt: ich brauche eine Zeitung, die das und das und das macht.” Gespräch mit Peter Leipold, s. Anhang  

war für die Spracherhaltung der Gruppe die Zeitungsprache sehr wichtig.280 Doch stand hier die ‘Neue Zeitung’ vor einer schwer zu lösenden Aufgabe, denn der Sprachverlust war weit fortgeschritten und Ungarisch übernahm die erste Stelle als Kommunikationssprache auch innerhalb der Gruppe – das hatte auf die Sprache der Zeitung einen wichtigen Einfluss. Die Entscheidung, eine deutsche Zeitung in der Literatursprache zu machen, bedeutete eine limitierte Leserschaft und eine stark eingeengte Ausstrahlung der Zeitung. „Eben deshalb, weil sich die Ungarndeutschen nur zu einem gewissen Prozentsatz der deutsch geschriebenen Presse bedienen. Es ist wohl die Mehrheit dieser Minderheit, die sich ihre Informationen in ungarischer Sprache holt, einfach deshalb, weil es sprachliche Hindernisse zu bewältigen gälte, die durch mangelnde oder überhaupt fehlende schulische Ausbildung in der Muttersprache entstehen.”281 Die wichtigen Themen der ‘Neuen Zeitung’ waren aus der Sicht des Verbandes Sprachunterricht und Kultur. „Die Pflege dieser Elemente der ungarndeutschen Volksgruppe sind ein unerschöpfliches Thema. Gerade die dabei praktizierte Volksnähe ist wohl die stärkste Seite dieser Medien.”282 Nach Ohlhausen betrug dieser Anteil zwei Drittel der Themen.283 In ihrer Untersuchung stufte sie die nun folgenden Themen als für die Minderheit relevant ein: „Soziales, Kultur, Kirche/Religion, Service und aus dem politischen Sozial- und Kulturpolitik.”284 In ihrer Untersuchung zwischen 1980 und 2000 blieb Kultur konstant als wichtiges Thema, die anderen verloren an Bedeutung, so etwa Soziales, oder nahmen zu, so wie Kirche und Religion. Ebenso erwähnte Ohlhausen auch die Wichtigkeit als Quelle andere Minderheitenmedien, die von der Zeitung genutzt wurden. Dies wies auf eine Zusammenarbeit der Journalisten verschiedener Redaktionen und bewies die klare Ausrichtung der Zeitung an den Themen der Minderheit.285

Es bestand natürlich ein Unterschied in der Auffassung über die Funktion der

‘Neuen Zeitung’ zwischen der Partei und der Gruppe selbst. Die USAP und die von ihr ernannte Vertretung der Nationalität, der Verband, waren der Ansicht, dass die                                                                                                                

280   „Die Sprache in Zeitungen spiegelt häufig unmittelbarer den Sprachzustand ihrer Zeit, als die

meisten anderen gedruckten Medien.” Meier (2005:354)  

281 Leipold (1982:153)  

282 Hambuch (1982:46)  

283 „Schon zu sozialistischen Zeiten hatten mindestens drei Viertel dieser Themen über den Themenschwerpunkt hinaus noch einen weitergehenden Bezug zur deutschen Minderheit. Das ist auch in der Transformationsphase so geblieben.” Ohlhausen (2005:289)  

284 Ohlhausen (2005:288)  

285 Ohlhausen (2005:288–289), ebd. S. 291.  

Aufgabe des Blattes nicht nur eine Sprachrohr-Funktion, sondern auch die Verwirklichung der Ziele der Partei sei. Dagegen versuchten die Angehörigen der Minderheit – die auch mittlerweile in der Redaktion vertreten waren– ihre eigenen Themen in der Zeitung unterzubringen.286 „Die Neue Zeitung verstand sich zwar seit Anbeginn als Zeitung der Ungarndeutschen, doch da im Sozialismus das Deutschtum verpönt war, blieb ihr wenig Spielraum um spezifisch auf ihre Leser einzugehen. (…) Kritik an Missständen, die die Ungarndeutschen betrafen, war allerdings im engen Rahmen möglich.”287 Es gab auch für die ‘Neue Zeitung’ eine Liste von Tabuthemen, wie etwa zur Kritik an den Entscheidungen der Partei oder der Sowjetunion und die Revolution von 1956.288 Spezifisch nicht als Tabuthema galt für die ‘Neue Zeitung’

die Situation in der Bundesrepublik Deutschland, die Ausreise und Informationen über die dortige wirtschaftliche Lage. Religiöse Themen oder die Kirche durften am Anfang nur in einem negativen Kontext erwähnt werden, später waren solche Themen jedoch, im Zuge der Veränderung der politischen Situation im Land selbst, zugelassen.

Der Redaktion der ‘Neuen Zeitung’ standen dieselben Informationsquellen zur Verfügung wie den anderen Zeitungen auch. Das waren in erster Linie die Nachrichten der Ungarischen Nachrichtenagentur (MTI – Magyar Távirati Iroda), die es zu übersetzen galt. Als Quellen kamen nur Organe der Partei, der Regierung oder gesellschaftlicher Organisationen in Frage. Daher war die Recherche von Informationen aus mehreren Quellen nicht nötig. So reichte es aus, wenn Aussagen oder – im Fall eines wichtigen Ereignisses – Reden von einer Person zitiert oder vorgestellt wurden. Die ‘Neue Zeitung’ stand unter Aufsicht des Verbandes. Wenn es auch eines ihrer Ziele war, den Interessen der Gruppe zu dienen, war der Einfluss des Verbandes zu spüren und so kamen die Minderheitenfunktionäre am häufigsten vor.289 Ebenso wurden in den ersten Jahren die Leitartikel, also die Publizistik von                                                                                                                

286 Manuela Ohlhausen hat in ihrer Inhaltsanalyse unter anderem die Jahrgänge 1980, 1989, 1990 und 2000 der ‘Neuen Zeitung’ untersucht. Sie hat nach der klassischen Unterteilung in einer Zeitung zwischen informierenden (z. B. Nachricht), interpretierenden (z. B. Reportage, Interview), kommentierenden (z. B. Leitartikel, Kolumne, Kritik) und unterhaltenden Textgattungen (Zeitungsromane, Gedichte, Witze, Rätsel) unterschieden. Ohlhausen (2005)  

287 Ohlhausen (2005:198–199)  

288 Deswegen musste Mickey Hay die Redaktionsleitung abgeben. S. NZ 06.03.1959 „ Mária Gárdos erinnert sich”.  

289 „Die häufigsten inländischen Politiker aber waren in der Neuen Zeitung konstant die Vertreter ihrer Leserschaft: die Minderheiten-Akteure. Bereits zu den sozialistischen Zeiten waren sie mit einem Drittel aller Nennungen die stärkste Gruppe der inländischen Akteure. Im Jahr des Umbruchs und der

„vertrauensvollen” ungarischen Journalisten geliefert, die dann in der Redaktion übersetzt wurden. Mit Peter Leipold kam nach einer längeren Periode ein Chefredakteur, der selbst der Nationalität angehörte. Er änderte die Themenpalette gegen Ende der 70er und in den 80er Jahren weitgehend: die minderheitenspezifischen Themen traten in den Vordergrund, Außenpolitik, die Erklärung der Welt nach sozialistischer Vorstellung war nicht mehr so wichtig. Die Nationalität als Gruppe war nun interessiert an Sprache und Sprachpflege und damit im Zusammenhang an Schulsystem, Kultur und Jugend.

Die ‘Neue Zeitung’ übernahm – als Medium der Tätigkeit des Verbandes – dessen Ziele. Diese waren in erster Linie kultureller und schulpolitischer Natur.290 Die Zuwendung zu kulturellen und kulturpolitischen Themen, die die Minderheitenpolitik und die Presse ebenfalls vorzogen, ermöglichte der Redaktion, sich auf dem sicheren Terrain der Kultur zu bewegen. Von der Parteizentrale wurde die Pflege der Kultur gefördert, außerdem blieb dieses Gebiet apolitisch. So konnte man über Feste und Tanz- und Musikauftritte unzensiert berichten. Neben der Kulturtätigkeit bildete die Schulpolitik Ungarns ein sehr wichtiges Thema. In jeder Ausgabe der Zeitung erschienen Beiträge, die dem Sprachunterricht gewidmet waren. Der Deutschunterricht zog sich durch die Jahrzehnte der ‘Neuen Zeitung’ und sorgte für die meisten Konflikte, sogar für die Ablösung des Chefredakteurs Géza Hambuch.

Die Frage des Unterrichtes der deutschen Sprache – als Kompensation für den Sprachverlust – wurde durch Artikelserien (S. ’Dem Muttersprachunterricht auf der Spur’) aus ungarndeutschen Dörfern, durch Beiträge, in denen Eltern, Schulen, Kindergärten, Experten, Behörden befragt wurden, erörtert. Die Rückgewinnung der Muttersprache, die Identifikation durch sie waren ständig aktuelle Themen. Dazu Anton Reger: „Gefährlich sind nicht unsere Bemühungen, sondern die Assimilation, die katastrophale Lage in den Schulen. Vor der Geschichte müssen wir uns einmal verantworten. Man wird uns fragen: Warum ist die deutsche Nationalität verschwunden? Wo seid ihr damals gewesen?”291 Die Förderung des institutionellen

„Erlernens” der Muttersprache gehörte zu den wichtigsten Aufgaben des Verbandes.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             

politischen Neuausrichtung Ungarns erreichten die ungarndeutschen Politiker mit 42,8% der Nennungen ihre größte Bedeutung der untersuchten 20 Jahre.” Ohlhausen (2005:277)  

290 „Zwar hatte das Thema Politik mit 31,8% durchaus einen hohen Anteil, doch Kultur war in diesem sozialistischen Jahr 33,3% sogar noch umfangreicher. (1980 Anm.) Erst seit der politischen Wende in Ungarn im Jahr 1989 ist Politik zum wichtigsten Thema avanciert und hat seitdem konstant weiter zugenommen.” Ohlhausen (2005:249)  

291 NZ, 1989/23. 10.06.1989, S.6–7.  

Nicht selten wurden in Artikeln der ‘Neuen Zeitung’ Ortschaften oder Personen, die ihre Kinder nicht für den Deutschunterricht einschreiben lassen wollten, an den Pranger gestellt.292 Die Chefredakteure Hambuch, Leipold und Schuth hoben übereinstimmend dieses Thema als sehr wichtig hervor.

Die Redaktion der ‘Neuen Zeitung’ war den Inputs verschiedener Schichten ihrer Leserschaft gegenüber immer offen. Neben direkten Redaktionsbesuchen spielten die Leserbriefe eine wichtige Rolle der Orientierung. Die hohe Zahl der Leserbriefe zeigte, dass die Leserschaft am Alltag der Redaktion teilnahm. Dass sie größtenteils in Angelegenheiten der Minderheit von dieser, aber auch aus dem Ausland, der DDR, der BRD kamen, dokumentierten die Präsenz der Leser im Produktionsbetrieb.293

Es gab natürlich Themenbereiche, auf die neben den Schwerpunkten Kultur und Sprache im Rahmen der gesellschaftlichen Veränderungen eingegangen wurde.

In der Zeit der Automatismusthese (1954–1968) war dies etwa die Ansiedlung der Deutschen in Ungarn. Dazu wurden verschiedene Serien gestartet, beispielsweise

’Vergangenheit und Gegenwart’, ’Unsere Dörfer’. Zum Thema wurde aber auch die Aufarbeitung der Revolution von 1918–1919 und deren ungarndeutsche Beteiligung oder etwa die ungarndeutsche Arbeiterbewegung. In den 70er Jahren waren es Themen zur ’Revolution’: der Rákóczi-Freiheitskampf, Revolution und Freiheitskampf von 1848–1849, die Revolution von 1918–1919, die ungarndeutsche Arbeiterbewegung. Erste Versuche wurden unternommen, über die Nachkriegsjahre des Zweiten Weltkrieges, den Volksbund und die Treuebewegung zu schreiben. In den 80ern wurden die Veränderungen in der ungarischen Gesellschaft in erster Linie aus ungarndeutscher Sicht begleitet, und bis dahin nicht in der Öffentlichkeit diskutierte Themen, wie die Vertreibung, die Verschleppung, die Deportation der deutschen Minderheit in die Sowjetunion wurden erstmals angesprochen. Die Themen der verschiedenen Perioden sollten einen Ausgleich schaffen zwischen den                                                                                                                

292 „Die Erhaltung und Förderung der deutschen Muttersprache ist sogar die Grundlage, die Grundbedingung unserer kulturellen Arbeit. Die schwäbischen Eltern müssen diese Aufgabe, diese Pflicht in ihrer ganzen, umfassenden Bedeutung erkennen. Sie sollten für den Deutschunterricht viel größeres Interesse bekunden als bisher. Unsere Partei und Regierung spornen uns an, von den Möglichkeiten Gebrauch zu machen.” NZ, 1960/4, 21.01.1970, S.1. Friedrich Wild: Unser kulturelles Programm.  

293 Die Zahl der Leserbriefe sank stark nach der Wende, laut Ohlhausen betraf 2,2% des Inhaltes 1980, in der Wendezeit stieg dieser Prozentsatz auf 8,3% und nahm danach dramatisch ab. Ohlhausen, (2005:261), aber auch Altbäcker bewies, dass die Zahl der Leserbriefe nach der Wende stark abnahm.

Altbäcker (2007)  

Vorschriften und Erwartungen aus der Parteizentrale und den Interessen der deutschen Gruppe: „Der 1955 gegründete ’Verband der deutschen Werktätigen in Ungarn’ hatte daher einen schwierigen Manövrierkurs zu bewältigen: Einerseits sollte er die Anliegen der deutschen Bevölkerungsgruppe in Politik und Gesellschaft vertreten und die Ungarndeutschen über ihre Rechte bezüglich Einführung des Muttersprachenunterrichtes beraten, andererseits aber auch die offizielle Staatsdoktrin des “Sozialismus” vertreten und damit auch Maßnahmen wie Zwangskollektivierung, die die deutschen Bauern besonders getroffen hatten, rechtfertigen.”294

Da es klare Zielsetzungen für die sozialistische Presse gab, hatte diese auch die ‘Neue Zeitung’ einzuhalten. Die zentralen Nachrichten, mit denen alle Redaktionen arbeiteten, waren häufig mit verschiedenen Instruktionen seitens ihrer Aufarbeitung und Darstellungsweise versehen. Vorgegeben war, wen man zu loben, wen man zu verurteilen hatte. Dabei halfen die regelmäßigen Sitzungen der Chefredakteure und die Orientierung an die leitende Presse: in der Kádár-Ära übernahm die Funktion die Tageszeitung der Partei, die ‘Népszabadság’

(Volksfreiheit) als solche. Kritik an den inländischen politischen Akteuren der Partei und der Regierung durfte nicht geübt werden, aber auch die Minderheiten-Funktionäre des Verbandes gehörten dazu. Das Agenda-Setting der Zeitung, also jene Themen, die den Lesern angeboten werden, war von außen gelenkt. Der vorgeschlagene Stoff bot der Leserschaft keine richtige Grundlage für einen Diskurs innerhalb der Gruppe und war nicht geeignet, die Anforderungen einer Minderheitenzeitung zu erfüllen.