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10. Das Printmedium der Deutschen in Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg

10.4. Ausblick – Nach der Wende – die ‘Neue-Zeitung-Stiftung’

Die, bis zur Wende zentral gelenkte, Presse wurde von einem Tag auf den anderen unabhängig und musste selbst einen Verlag, einen Investor finden und dafür Sorge tragen, wie der Vertrieb in der Zukunft funktionieren sollte. 1989 waren Presseprodukte nicht mehr zu genehmigen, die Republik wurde ausgerufen, neue Gesetze verabschiedet, die eine pluralistische Gesellschaft ermöglichten. Die Umgestaltung des Pressemarktes geschah über Nacht. Bereits 1988 war die erste unabhängige Zeitschrift ‘Hitel’ erschienen. 1989 erschienen in Budapest, aber auch in anderen größeren Städten, zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften unter eigener Leitung. Die ausländischen Investoren kauften sich in den ungarischen Pressemarkt ein. Große Verlagshäuser wie ‘News Corporation’301, aber auch ‘Axel Springer’ und die ‘WAZ’-Gruppe sicherten sich landesweite und regionale Tages- und Wochenzeitungen. Im Juli 1990 übergab die Partei dem Staat den Staatlichen                                                                                                                

301 Rupert Murdochs Firma  

Zeitungsverlag (Állami Lapkiadó Vállalat), der auch für die Nationalitätenzeitungen zuständig war.302 Nun musste der Verband als Inhaber der Zeitung einen Weg finden, die Zeitung weiterhin herauszubringen. Die Idee war die Gründung einer Stiftung, die von ungarndeutschen Organisationen und Vereinen, aber auch von Privatpersonen ins Leben gerufen werden sollte. Der Entscheidungsträger sollte ein Kuratorium sein.303Als Vertretung der verschiedenen Organisationen und Personen erlangte die Stiftung eine Abkehr vom Verband und schuf eine unabhängige Position. Das Blatt sollte zum Forum der ganzen deutschen Minderheit werden. Finanziert wurde es immer noch aus dem zentralen Budget der Regierung, aus Einnahmen der Abonnements und der Werbung. Ein anderes Konzept von Géza Hambuch, seit 1983 Generalsekretär des Verbandes, beschrieb die Zeitung als „überparteilich, politisch unabhängig, ideologisch neutral. Sie versteht sich als Forum, ist offen für unterschiedliche, auch gegensätzliche Meinungen. (…) Die Zeitung ist der Volksgruppe, nicht jedoch einzelnen Organisationen verpflichtet. Keine Organisation hat das Recht, ihre eigene Meinung der Zeitung aufzuzwingen, die Zeitung als eigenes Sprachrohr zu vereinnahmen”.304 Die Nationalitätenzeitungen blieben auch nach der Wende vom Staatsbudget abhängig. Obwohl sie nicht mehr zentralistisch, sondern im Sinne einer kulturellen Autonomie sich selbst verwalten konnten, waren sie nicht in der Lage, sich vom ungarischen Staat finanziell loszulösen. Demnach bekam die ‘Neue Zeitung’ für das Jahr 1992 eine finanzielle Unterstützung von dreizehn Millionen Forint.305 Die Auflage der Zeitung erreichte dreitausend Exemplare, und hatte damit im Vergleich zu anderen Minderheitenzeitungen die höchste Auflage. Die langfristige Lösung für die Trägerschaft und die Bewahrung der Zeitung gewährleistete die ‘Neue-Zeitung-Stiftung’, die am 20. Mai 1992 gegründet wurde. Als Ziele wurden genannt: „die Bewahrung und Pflege der Identität, Kultur, Traditionen, Muttersprache – so auch der Mundarten –, der Deutschen in Ungarn, Sorge für den Journalistennachwuchs der Ungarndeutschen, Fachausbildung und                                                                                                                

302 Juhász (2005)  

303 Neue Zeitung- Stiftung von Peter Leipold, vom 4. März 1991, Ungarisches Staatsarchiv - MOL, XXXVIII-I-1. Schriften des Verbandes der Deutschen in Ungarn.  

304 Zeitung der Ungarndeutschen – Gedanken zu einem Konzept über Ziele und Herausgabe, von Géza Hambuch, am 7. Dezember 1991. Ungarisches Staatsarchiv - MOL, XXXVIII-I-1. Schriften des Demokratischen Verbandes der Deutschen in Ungarn.  

305 Brief des Vorsitzenden des Minderheitenamtes, János Wolfart an Géza Hambuch, den Generalsekretär des Verbandes, am 20. Januar 1992. S. Anhang, Ungarisches Staatsarchiv - MOL, XXXVIII-I-1. Schriften des Demokratischen Verbandes der Deutschen in Ungarn. Tabelle über die finanzielle Unterstützung der Minderheitenzeitungen s. Anhang.  

Fortbildung von Journalisten und Mitarbeitern der Zeitung (…)”.306 Da die Stiftung sowohl finanziell,307 als auch juristisch unabhängig war, war die Redaktion in die Lage versetzt, sich selbstständig und frei, ohne staatliche Aufsicht zu entfalten.

Die vom Staat gegründete „Gemeinnützige Stiftung für Nationale und Ethnische Minderheiten in Ungarn” ließ 1998 eine Erhebung über die Leserschaft der Minderheitenzeitungen durchführen.308 Die Stiftung wollte erfahren, wie die Leser an ihre Zeitungen kommen, wer sie sind, wie ihre Meinung vom Printprodukt ihrer Nationalität ist. Die Studie bezifferte die Auflage der ’Neuen Zeitung’ mit zweitausendvierhundertfünfzig. Der Anteil der Leser, die die Zeitung direkt kauften betrug fünfzehn Prozent, fünfundachtzig Prozent der Leser hatten ein Abonnement.

Hervorgehoben wurde durch die Studie, dass der professionelle Vertrieb der deutschsprachigen Zeitung, verglichen mit den anderen Minderheitenzeitungen, gut lief. Durch die Studie wurde jedoch klar, dass die Leserschaft der ’Neuen Zeitung’

auch in Jahre 1998 verglichen mit dem Lesepublikum der Zeitungen der Rumänen, Slowaken, Serben und Kroaten, den niedrigsten Prozentanteil an Muttersprachlern hatte.309 Die Zeitung hat sich auch nach der Wende nicht weiterentwickeln können, ihre Auflage sank und für ihre Leserschaft blieb Deutsch höchstens eine Zweitsprache, die man bestenfalls in der Schule gut erlernt hat.

10.5. Zusammenfassung

Die bis zur Wende einzige Zeitung der deutschsprachigen Nationalität entstand abweichend von den anderen Minderheitenzeitungen. Die Partei wollte auch die deutschsprachige Bevölkerung für ihre Propaganda erreichen, sie in die sozialistische Gesellschaft mit Hilfe der Presse integrieren. Daher wurde 1954 die Redaktion der Zeitschrift ’Freies Leben’ eingerichtet, noch bevor die Interessenvertretung, der

’Verband der deutschen Werktätigen in Ungarn’, gegründet wurde. Die Redaktion der Zeitung war ein Jahr lang die einzige offizielle Anlaufstelle für die Angelegenheiten                                                                                                                

306 Stiftungsurkunde der ‘Neuen-Zeitung-Stiftung, 20. Mai 1992 MOL-Ungarisches Staatsarchiv-XXXVIII-I-1 Schriften des Demokratischen Verbandes der Deutschen in Ungarn  

307 Sogar die bestens ausgestatteten Minderheitenzeitungen mit einer großen Leserschaft bekommen finanziellen Zuschuss vom Staat, s. ’Dolomiten’ in Südtirol.  

308 Zur Finanzierung der Minderheitenzeitungen trug der Staat durch die Gemeinnützige Stiftung für die Nationalen und Ethnischen Minderheiten bei (Nemzeti és Etnikai Kisebbségekért Közalapítvány), die die Förderung übernahm. Fábián (1998)  

309 Tabelle-Anhang Nr.10.  

der deutschen Nationalität. Im Oktober 1956 wurde die Zeitung eingestellt und erschien erst ein Jahr später im September 1957 wieder, ab jetzt unter dem Namen

’Neue Zeitung’, die bis zum heutigen Tag die Wochenzeitung der Minderheit geblieben ist.

Die Funktionsdefizite der ’Neuen Zeitung’ in der Periode des Sozialismus gruppieren sich um zwei Probleme: auf der einen Seite stehen politisch-historische, auf der anderen kommunikationswissenschaftliche Bedingungen. Schon die Gründung der Zeitung diente einem politischen Ziel, dass nämlich von der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft jede Gruppe erfasst werden soll. So konnte auch die deutschsprachige Zeitung nur auf eine Initiative der Parteileitung gegründet werden. Die Parteiaufsicht zog sich durch die ganze Geschichte der Zeitung. Sie bezog sich sowohl auf personelle, als auch auf inhaltliche Fragen. Das zeigte sich darin, dass entsprechend den politischen Verhältnissen die Zusammensetzung der Redaktion von oben geändert wurde und 1963 ein politischer Skandal ausgelöst wurde, der dem damaligen Chefredakteur seinen Posten kostete.

Wie es zu dieser Zeit üblich war, versah die Kontrolle der Nationalitäten eine Vermittlungsinstitution, der Verband, der sich den Anschein gab, eine richtige Interessenvertretung zu sein. Zu den Aufgaben des Verbands gehörte die Weiterleitung der offiziellen Propaganda und der Erwartungshaltung der Zentrale an die Leserschaft. Zu der sozialistischen Presselenkung gehörte die ’Ein-Personen-Verantwortung’, die auch bei der Zeitung selbstverständlich war. Im Falle der ’Neuen Zeitung’ ging es so weit, dass sogar die Journalisten aus den Reihen der Nationalitäten von diesem Posten ferngehalten wurden.

Die Redaktion des Wochenblattes bestand anfangs aus Journalisten, die sehr gut Deutsch konnten und absolut zuverlässig waren. Der erste Journalist aus dem Kreis der Nationalität war Géza Hambuch, der als junger Deutschlehrer 1957 aus Fünfkirchen/Pécs in die Redaktion nach Budapest geholt wurde. 1963 wurde er zum Chefredakteur ernannt. Doch nach kurzer Zeit wurde er seines Postens enthoben, weil er die Publikation von partei- und regierungskritischen Artikeln gefördert hatte. 1965 wurde György Gráber zum Chefredakteur ernannt und unter seiner Leitung bis 1978 blieb die Zeitung auf Parteilinie. 1979 ernannte der Verband, mit Genehmigung der Parteileitung, Peter Leipold zum Chefredakteur. Durch die Veränderungen in der Gesellschaft und Politik änderte sich der Stil der Zeitung und fokussierte mehr denn je auf die Bedürfnisse der Gruppe selbst. Peter Leipold blieb bis 1992 Chefredakteur, in

seiner Zeit wurden Themen wie die Verschleppung in die Sowjetunion, die Vertreibung, die Enteignung und andere historische Tatsachen aus der Nachkriegszeit in die Öffentlichkeit gebracht. Die Person des Chefredakteurs im Sozialismus war nicht nur eine professionelle, sondern in erster Linie eine politische Entscheidung.

Das beste Beispiel dafür lieferte die Periode unter Chefredakteur György Gráber, einem Parteimitglied, der um jeden Preis für Ruhe in der Redaktion sorgte. Die Absetzung von Hambuch und die Einstampfung einer Ausgabe setzten eindeutige Signale für die Mitarbeiter der Redaktion. Eingeschüchtert, teilweise auch selbst schon von der Ideologie der Partei überzeugt, erschien in der Zeitung nichts mehr, was nicht den Erwartungen der Partei entsprach. Die Schweigespirale beherrschte die Redaktion, und die Bestrafung Hambuchs, die Besetzung des Postens des Chefredakteurs mit György Gráber, garantierte die Loyalität der Redaktion und unterdrückte mögliche Abweichungen. Mit seiner eigenen Zuverlässigkeit310 ließ er die Mitglieder der Redaktion nur solche Themen aufgreifen, die mit den Interessen der Partei in Einklang standen. Während seiner Zeit als Chefredakteur lenkte er die Arbeit der Redaktion wieder in die von der Partei erwartete Richtung. Gemäß dem Agenda-Setting fand die Auswahl der Themen innerhalb der Redaktion statt und beinhaltete nur jene, die der Vorgabe der Partei entsprachen. Während Peter Leipolds Zeit als Chefredakteur fand die denkwürdige Rede György Aczéls auf dem Kongress des Verbandes 1983 statt, die eine langsame, aber grundsätzliche Veränderung für die deutschsprachige Minderheit bedeutete. Aber in der Informationspolitik der Partei erfolgte ebenso ein Umdenken, das mit dem langsamen Abbau der Tabuliste einherging. Béla Bellérs Serie, ’Abriss der Geschichte des Ungarndeutschtums’ im Jahrgang 1982 der Zeitung, aber auch Themen, die bis dahin nicht behandelt werden durften, schufen eine neue Öffentlichkeit. Das Angebot an Themen wurde erweitert, aufgegriffen werden durfte vieles mehr, auch wenn nach wie vor der Inhalt einer Kontrolle unterlag.

Die kommunikationswissenschaftlichen Probleme bestanden in erster Linie in der Wahl der Zeitungssprache. Diese Diskussion zog sich durch die Geschichte des Blattes. Die Leitung entschied sich für Standarddeutsch, das den Leserkreis der Zeitung bestimmte und einschränkte. Die in den Dörfern gesprochenen Dialekte eigneten sich nicht als Zeitungssprache und die Angehörigen der Minderheit                                                                                                                

310 Gráber war ein zuverlässiger Parteisoldat, besuchte die Frunze Militärakademie in Moskau, war Parteimitglied. http://mek.oszk.hu/00300/00355/html/ABC04834/05415.htm (Stand: 10.03.2015)  

wechselten von der Mundart zur ungarischen Sprache. Die Zeitung wurde sprachlich nicht verstanden.

Die Mobilisierung der Leserschaft erschwerte im Weiteren die Angst, durch ein Abonnement der ’Neuen Zeitung’ als „Deutsche“ identifiziert zu werden. Die Auflage der ’Neuen Zeitung’ überstieg niemals fünftausend Exemplare. Die Redaktion bestand am Anfang aus Journalisten, die gut Deutsch sprachen, aber keinen Kontakt zu der Gruppe hatten, für die sie ihre Artikel verfassten. Dass in der Redaktion die Präsenz der Minderheitenjournalisten wichtig war, wurde erst in den späten 60er Jahren bewusst. Die Selbstdarstellung als eine Minderheitenzeitung konnte so nur fehlschlagen. Ihre Wirkung war begrenzt, sie blieb ein Sprachrohr der Partei und hat sich besonders in den ersten zwei Jahrzehnten innerhalb der deutschen Gruppe nicht etablieren können.