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9. Die Lenkung der Minderheitenpresse

9.1. Der Verband

Nach 1945 begann der Aufbau einer neuen Ordnung, die durch die Machtübernahme der Kommunistischen Partei Strukturen nach sowjetischem Vorbild, auch auf dem Gebiet der Nationalitätenpolitik, durchsetzte. In dieser neuen Ordnung spielte – offiziell – die ethnische Zugehörigkeit keine Rolle. Der Nationalstaat wurde durch eine neue Ideologie ausgewechselt, auf der anderen Seite „jedoch beanspruchte die neue Herrschaftsordnung die totale Kontrolle über die gesamte Gesellschaft und all ihre Lebensbereiche”.141 Die Partei (Partei der Ungarischen Werktätigen) nahm in diesem Sinne die Frage der Nationalitäten in die Hand. Der Aufbau einer eigenen Interessenvertretung war unmöglich, die Initiative für eine Organisation der jeweiligen Nationalitäten ging von der Partei aus. Die Partei genehmigte zeitlich sehr unterschiedlich die Bildung dieser Organisationen. 1947 wurde der Demokratische Verband der Südslawen Ungarns gegründet. Ende 1948 entstand der Demokratische Bund der Slowaken Ungarns. Auf der Grundlage einer Entscheidung des Politbüros gründeten die Rumänen ihren Kulturbund, den sie Anfang 1949 in „Demokratischen Bund der Rumänen Ungarns” umbenannten. Dies waren die vom sozialistischen Staat                                                                                                                

141 Seewann (2012:373)  

anerkannten Nationalitäten. Obwohl die im August 1949 erlassene sozialistische Verfassung allgemein die Gleichheit der Staatsbürger bestimmte und jedwede Diskriminierung auf Grundlage des Geschlechtes, der Konfession oder der Nationalität verbat, musste die deutsche Nationalität Ungarns noch weitere sechs Jahre auf eine eigene Organisation warten. Die Gründe hierfür waren: die ungarische Regierung ließ noch 1948 ihre Staatsbürger deutscher Herkunft in die russische Besatzungszone Deutschlands abtransportieren und zeigte sich politisch unentschlossen in ihrer Einstellung den Angehörigen der Minderheit gegenüber, so dass die Frage der Vertretung der deutschen Gruppe nicht auf die Tagesordnung fand.

Die Kommunistische Partei gehörte zu den stärksten Unterstützern der Vertreibung und der Kollektivschuld, eine Abkehr von dieser Propagandalinie war zu dieser Zeit nicht realistisch. Erst durch die Verfassung und die darauffolgende Verordnung des Ministerrates142 im Oktober 1949 wurden alle die deutsche Minderheit betreffenden Beschränkungen aufgehoben und deren Angehörige als vollwertige Staatsbürger anerkannt. Mit dem Schuljahr 1952/53 startete der Ausbau des deutschsprachigen Unterrichts. Die Agitations- und Propagandaabteilung beschloss 1953 die Gründung einer deutschsprachigen Monatszeitschrift und ein Jahr später gab das Politbüro die Herausgabe der Zeitschrift frei, auch wenn sie zunächst noch die Gründung einer Organisation der deutschen Nationalität ablehnte. Erst ein Jahr später, 1955, wurde die Gründung des Kulturverbandes der deutschen Werktätigen Ungarns beschlossen und damit eine Organisationsstruktur für die Deutschen in Ungarn geschaffen.143

Der Verband war keine Interessenvertretung wie in einer demokratischen Gesellschaft. Er wurde von der Partei gegründet und diente auch dazu, die Ziele der Partei zu verwirklichen. Der Verband war ein weiteres Rädchen in der Parteiorganisation, die darauf ausgerichtet war, jedes Segment der Gesellschaft zu erreichen und so vollends unter ihre Kontrolle zu bringen. Angestrebt wurde die Integration – auch die der Nationalitäten – in die sozialistische Wirtschaft und Gesellschaft. Die Zerstörung der Strukturen im Agrarbereich, die Kollektivierung und die erzwungene Industrialisierung trugen dazu bei, dass sich die Gesellschaft rapide                                                                                                                

142 Nr. 4274/1949 (213), Brandt (2008:216)  

143 Ungarisches Staatsarchiv - MOL, MDP PB, 276 53/174 Dossier, 58/238 Dossier. Dokumente der Partei der Ungarischen Werktätigen. Der Name des Verbandes änderte sich bis zu seiner Auflösung im Jahre 1995 mehrmals. 1955 hieß er Kulturverband der Deutschen Werktätigen in Ungarn, ab 1969 Demokratischer Verband Ungarnländischer Deutschen, ab 1978 Demokratischer Verband der Ungarndeutschen und ab 1989 Verband der Ungarndeutschen. Manherz/Wild (2002:45)  

veränderte, was nicht nur die Nationalitäten betraf. Doch dieser soziale Wandel traf sie mehr als die Mehrheitsgesellschaft, denn ihre traditionellen, teilweise auch sprachlich geschlossenen Gemeinschaften lösten sich auf, mussten sich in eine neue Umgebung integrieren, was zum Verlust der Sprache und der Identität führte. Die Partei wollte die gesamte Gesellschaft erfassen und unter ihre Kontrolle bringen.

Deswegen startete die Partei ihre Propaganda, um auch die Minderheitenbevölkerung einzubeziehen.144 Auch die Gründung der Minderheitenverbände diente nur diesem Zweck. Zentral geleitet, durch Direktiven gelenkt, dienten diese Organisationen als exekutive Organe der Partei. So gesehen hat der sozialistische Staat den Nationalitäten keine kollektiven Rechte gegeben, „ließ von sich aus keine freie, offene und damit pluralistische Gesellschaft zu. (…) Unabhängige, gesellschaftlich relevante Gruppenbildung und Interessenartikulation wurden daher prinzipiell unterdrückt. Innerhalb der somit verstaatlichten Gesellschaft war Gruppenbildung nur insoweit zugelassen und gefördert, als sie durch Staat und Partei kontrolliert und kontrollierbar blieb.”145 Daher dienten diese Organisationen der Minderheiten nicht ihrer Interessenvertretung. Sie waren Konstruktionen von oben und ließen den Nationalitäten keine Möglichkeit der Artikulation und öffentlichen Vertretung von für sie relevante Themen. Vielmehr erfüllten sie die Erwartungen der Partei und ihre Leiter waren darauf bedacht, die von oben kommenden Direktiven in der Organisation zu erfüllen. Das Ergebnis war, dass die Nationalitäten eine passive Rolle gegenüber der Partei und dem Staat einnahmen. Ihre Tätigkeit beschränkte sich so nur auf Reaktionen; Initiativen gingen nur selten von diesen Organen aus.146 Außerdem war die Organisationstruktur von oben nach unten konstruiert und verfügte nun über eine von oben ins Leben gerufene Basis, die natürlich ebenfalls auf die Ideen und Initiativen von oben angewiesen war.

                                                                                                               

144 „Wir sollten unseren Nationalitäten zeigen, dass die in unserer Verfassung beschriebenen Rechte und Pflichten uns allen zugesichert sind. Andererseits erforschen wir in unserer Vergangenheit all die Erinnerungen, die den einheitlichen Kampf der ungarischen, südslawischen und deutschen Arbeiter gegen die Klasse der Unterdrücker für die Unabhängigkeit der Heimat zeigen.” (1951) Archiv des Komitates Branau, AgitProp Abteilung, 36. Fond, 2. Fondgruppe, 1949–1953, 48/2. „Nemzetiségeink felé mutassunk meg, hogy az Alkotmányunkban lefektetett jogok és kötelezettségek valamennyiünknek egyformán biztosítvavannak. Másrészt kutassunk fel az elmúlt időkből mindazokat az emlékeket, amelyek a Magyar, Délszláv, Német dolgozók egységes harcát mutatják az elnyomó uralkodó osztállyal szemben a Haza függetlenségéért.”  

145 Seewann (2012:375)  

146 Seewann (2012), Brandt (2008)  

Durch die Gründung des Verbandes, die erst im Juli 1955 beschlossen wurde, wurde die deutsche Nationalität diesmal auch organisatorisch vom sozialistischen Staat anerkannt und in das öffentliche Leben offiziell eingebunden. Als Begründung wurde unter anderem die Passivität der deutschen Bevölkerung aufgeführt, die immer noch existierenden nationalistischen Tendenzen sowie das Singen von deutschen Soldatenliedern oder das Hören des österreichischen Hörfunks. Andererseits erschien die schon begonnene Kulturarbeit und die Zahl der deutschen Schulen nicht ausreichend, die Zeitschrift ‘Freies Leben’ erschien nur einmal im Monat. All das konnte der Propagandaarbeit nicht genügen. Durch die Gründung des Verbandes wollte die Partei die Erziehung der deutschen Bevölkerung in Ungarn und ihre Aktivität im öffentlichen Leben effizienter gestalten und sie in diese einbinden. Die zwei Aufgaben des Verbandes in dem Beschluss waren: die Einbeziehung der deutschen Werktätigen in den Aufbau des Sozialismus und die Umstrukturierung der Monatszeitschrift ‘Freies Leben’ in eine Wochenzeitung.147

Die Aktivitäten des Verbandes waren sehr breit gefächert und deckten den Schulunterricht, die kulturellen Aktivitäten, auch den Kontakt mit der Presse weitgehend ab. Er sollte sich auch im Bereich der Presse und der elektronischen Medien einbringen und war im Allgemeinen für die deutsche Minderheit insgesamt verantwortlich. Er vermittelte die Botschaften der Partei zur Basis, sammelte und versuchte die Wünsche und Nöte der ungarndeutschen Minderheit – in einem vorgeschriebenen Rahmen – zu bündeln und sie in der Partei, aber auch in den entsprechenden Ministerien zu kanalisieren. Die Ziele des Verbandes hat die Leitung am 29. November 1960 auf einer Arbeitsbesprechung eindeutig formuliert: „Die wichtigste Aufgabe unserer Volksbildungsarbeit ist die Schaffung der sozialistischen Weltansicht, die Formung des Bewusstseins und die Erziehung zum sozialistischen Menschen der deutschsprechenden Nationalität. Um das zu verwirklichen, muss die schon angefangene gute Praxis der Agitationsarbeit, die Verbindung der Kulturprogramme mit den politischen Reden fortgesetzt werden.”148 In der Tätigkeit des Verbandes gab es in der ersten Zeit – solange die Partei an der                                                                                                                

147 Ungarisches Staatsarchiv- MOL, 276 f.53./238 Dossier. Beschluss des Politbüros.  

148 Magyarországi Németek Demokratikus Szövetsége, Munkaértekezlet, 29. November, 1960 S.6.

„Népművelési munkánk legfontosabb feladata a németajkúak szocialista világnézetének kialakítása, tudatuk átformálása, a német nemzetiségiek szocialista emberré való nevelése. Ennek érdekében tovább kell folytatni a területen folyó agitációs munka eddig jól bevált gyakorlatát, a kulturális előadások és politikai beszédek összekapcsolását.” NZ Archiv. Ohne Signatur.  

Automatismusthese festhielt – folgende Schwerpunkte: die Beschäftigung mit Themen der Kultur, des Unterrichtes, die Überzeugungsarbeit im politischen Bereich, Integration in den neuen sozialistischen Staat und die Unterstreichung der Rechte der Nationalitäten laut der sozialistischen Verfassung und den Errungenschaften der Nationalitätenpolitik Lenins.149 1968 verabschiedete sich die Parteiführung von der Automatismusthese; nach Seewann kann erst ab diesem Zeitpunkt überhaupt von einer Nationalitätenpolitik gesprochen werden. Die Partei sah ein, dass die Minderheiten sich nicht der stalinistischen Automatismusthese entsprechend entwickelten, dass gesellschaftliche Unterschiede jeglicher Art nicht von alleine verschwanden, sondern Kultur und Sprache teilweise erhalten blieben. Diese Entwicklung veranlasste die Parteileitung zur Änderung ihrer Minderheitenpolitik.150 Die Verbände wurden 1970 in die Patriotische Volksfront (Hazafias Népfront) integriert, aber auch weitere Institutionen, wie die wiedererrichtete Nationalitätenabteilung des Kulturministeriums sowie Beratungsgremien in Nationalitätenangelegenheiten wurden auf Landes- und Komitatsebene errichtet.

Nunmehr bewertete die Führung die Sprachen und Kultur der Nationalitäten als Bereicherung und versuchte der Assimilation entgegen zu wirken. Das Schulsystem für den Nationalitätenunterricht wurde weiter ausgebaut, die Nationalitätenliteratur und -kultur gefördert. Die bedeutsamste Änderung kam aber erst nach 1983 und ist mit der Rede des Politbüromitglieds György Aczél verbunden. Dieser hielt vor dem IV. Kongress des Demokratischen Verbandes am 3. Dezember 1983 eine Rede, in der er die bis dahin als Tabu behandelten Themen der Vertreibung und der Kollektivschuld ansprach und letztere verurteilte. Aczél eröffnete damit die Möglichkeit, in der Öffentlichkeit und in der Geschichtsschreibung diese Themen aufzuarbeiten und erlaubte es ferner den Ungarndeutschen, über die eigene Vergangenheit weniger belastet zu sprechen. Vor diesem Hintergrund änderte sich auch die Rhetorik des Verbandes und er versuchte sich immer mehr als Interessenvertretung der deutschen Minderheit in Ungarn zu etablieren. „Der Verband vertritt die kollektiven und individuellen Nationalitätenrechte und -interessen der

                                                                                                               

149 Bericht über die Arbeit des Verbandes seit dem III.Kongress, 18. April, 1970, NZ Archiv. Ohne Signatur.  

150 Seewann (1994:105)  

ungarländischen Deutschen. Er tut sein Möglichstes dafür, dass die Ungarndeutschen in Frieden und Sicherheit leben, sich geschätzt und geborgen fühlen.”151

Obwohl in den 80er Jahren in der ungarischen Politik – durch internationale wie innenpolitische Einwirkungen – auch den Minderheiten immer mehr Bewegungsraum eingeräumt wurde, konnte die Assimilierung der Nachkriegsjahre nicht mehr gestoppt werden. Im Grunde bildete die Tätigkeit des Verbandes immer noch ein Mosaikstück innerhalb des Einparteiensystems und konnte sich ohne eine funktionierende Basis von der staatlichen Struktur nicht freimachen.