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10. Das Printmedium der Deutschen in Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg

10.3. Deutscher Kalender als Ersatz des „Bauernkalenders”

Es gab eine zweite deutschsprachige Veröffentlichung für die Angehörigen der Minderheit, die sich teilweise eines größeren Erfolgs erfreute als die ’Neue Zeitung’

selbst. Der ‘Deutsche Kalender’ erschien das erste Mal im Jahr 1958 in fünftausendfünfhundert Exemplaren.295 Der Kalender296 bediente von Anfang an auch                                                                                                                

294 Heuberger (1995:152–153)  

295 Hambuch schrieb, dass der erste DK (Deutscher Kalender) 1958 erschien, Miklós Holzmann erwähnte im Jahre 1970 in einem Brief die oben genannte Zahl von 5500. Geplant war für das Jahr 1957 einen Kalender herauszubringen, aber wie auch die ’Neue Zeitung’ nach der Revolution pausieren musste, wurden auch die Arbeiten am ’Deutschen Kalender’ gestoppt und erst 1958 wurde der erste herausgebracht. Hambuch (1982), Holzmanns Brief am 21.01.1970, Friedrich Wild’s Brief

die ungarndeutsche Leserschaft im Ausland, in erster Linie in der BRD, der Schweiz und der ehemaligen DDR. Der Kalender bot und bietet bis heute eine Chronik der Geschehnisse mit vielen Bildern, mit einem Kalenderteil am Anfang, mit Geschichten, Literatur und Jugendteil. Mit ihm wollte der Verband eine größere Leserschaft in den Dörfern erreichen.

Der Kalender sollte einen Ersatz für die früheren Bauernkalender schaffen, die vor dem Zweiten Weltkrieg in den Dörfern sehr bekannt und beliebt waren. Er war ein Produkt des Verbands. Friedrich Wild schrieb in seinem Brief an einen LPG-Direktor, dass der Kalender ähnlich wie die ‘Neue Zeitung’ mehr über das Leben auf dem Lande schreiben möchte. Auch der Kalender hatte politische Ziele zu verfolgen und das deutsche Kollektiv im sozialistischen Sinne zu erziehen, obwohl das Produkt selbst, auch wegen der nur jährlichen Erscheinungsweise, für eine erfolgreiche Propaganda weniger geeignet war.297 Deswegen wurde im Kalender die Tätigkeit des Verbands dokumentiert, Kongresse und andere wichtige Ereignisse, die in der Minderheitenpolitik des Landes eine wichtige Rolle spielten. Der Kalender wurde schnell – weil harmlos – zu der beliebtesten Lektüre ungarndeutscher Haushalte. Die verhältnismäßig hohen Verkaufszahlen des Kalenders verleiteten den Generalsekretär des Verbands, Dr. Friedrich Wild, zu euphorischen Aussagen. „Der Kalender wird immer gern gelesen und gekauft. Bei Besuchen bei deutschen Familien machten wir die Erfahrung, dass der Kalender eine beliebte Alltagslektüre ist, ihren Inhalt können die älteren Schwaben fast auswendig.”298 Im Gegensatz zu der ‘Neuen Zeitung’

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             

zum Thema ’Deutscher Kalender’ 1957, an das Volksbildungsministeriums am 5.09.1956. Ungarisches Staatsarchiv - MOL, XXVIII-I-1- Schriften des Verbandes.  

296 Der Kalender ist eine literarische Gattung, „daß der christl. Ritus die Kalenderdaten mit Heiligen- u. Märtyrernamen belegt u. so mit Sinn ausstattet; (...) er dient den praktischen Bedürfnissen von Bauern, aber von Gelehrten verfaßt worden ist, verzeichnet nach relativ festem Schema die vier Jahreszeiten, die vermutliche Witterung durch die zwölf Monate, die zu erwartenden Finsternisse sowie die ›Fruchtbarkeiten‹ des Jahres. (...) Der ›volkstümlich‹ aufgemachte Typus des Volkskalenders bleibt in weniger brisanten Vertretern bis ins 20. Jahrhundert erhalten und beschränkt sich immer mehr auf ländlich geschlossene und bäuerlich-traditionsverhaftete Gebiete. Im 20. Jahrhundert wird es für den Volkskalender Brauch, seinen zweiten Teil als Sammelsurium für alte u. neue Geschichten zu nutzen, die als ›volkstümlich‹ in konservativem Sinn gelten können.” Knopp (1992:462–464) In: Killy Literaturlexikon.  

297„Der Kalender legt großen Wert auf den ideologischen Gehalt, zugleich fehlt aber auch jede marktschreierische Propaganda aus seinen Spalten. Sein Bildmaterial ist reich. So kann der Kalender getrost im Wettlauf mit jedem in der Bundesrepublik oder sonstwo auf deutschem Sprachgebiet erschienenem Kalender bestehen. Außerdem widerspiegelt der Deutsche Kalender mit großer Überzeugungskraft die in Ungarn auf jedem Gebiet eingetretene Entwicklung, die Praxis der marxistisch-leninistischen Nationalitätenpolitik unserer Partei und Regierung, ihre unleugbare Erfolge.” Rede vom Generalsekretär auf dem III. Kongress des Verbandes, 1969, LdU-Bibliothek 3088. S.64.  

298Rede vom Generalsekretär auf dem III. Kongress des Verbandes 1969, LdU-Bibliothek 3088.  

verzeichnete der ‘Deutsche Kalender’ einen Zuwachs seiner Exemplare fast Jahr für Jahr. Während die Auflage der ‘Neuen Zeitung’ unter fünftausend blieb, überstieg die Auflage des Kalenders in manchen Jahren die zehntausend Exemplare und 1970 ließ der Verband sogar eine Auflage von fünfundzwanzigtausend drucken. Der Verband begründete diese hohe Auflage mit dem Interesse im Ausland: Das Fremdenverkehrsbüro ‘IBUSZ’ sah im ‘Deutschen Kalender’ das Potenzial, ihn im Ausland gut verkaufen zu können und übernahm fünfzehntausend Stück.299 Auch die Seitenzahl wuchs mit der Zeit. Der ‘Deutsche Kalender’ war das Produkt, das wahrscheinlich am besten in die Ära des Sozialismus hineinpasste. Das dort gezeichnete Bild einer Minderheit entsprach der Erwartung der Parteizentrale.

Harmlose Tätigkeiten, wie Pflege und Bewahrung der Traditionen, der Sprache,

„persönliche” Geschichten, Erzählungen in der Mundart, alles vermittelte das Bild einer heilen Welt. Der Kalender wurde deswegen auch im Ausland so populär, weil die Vertriebenen, die aus den Dörfern der Vorkriegszeit kamen, durch den Kalender das Gefühl von „Heimat” vermittelt bekamen. Typische Themenkreise waren: ‘Wir stellen uns vor’ – darunter verstand man sowohl Personen, als auch Dörfer oder Gemeinschaften, ‘Jugend- und Kindersparte’, ‘Ungarndeutsche Kultur’, ‘Heute-gestern-vorgestern’. Über den ‘Deutschen Kalender’ von 1985 schrieb János Szabó:

„Auch Gemeinden (…) werden im Kalender vorgestellt, mit besonderem Akzent auf dem Miteinander der Ungarndeutschen, Ungarn und anderen. (…) Es ist ein hoher Grad an Selbstbewusstsein, an Überwindung tradierter Abwehrreflexe nötig, um Reportagen zu schreiben, in denen das Gemeinsame, das Verbindende betont wird.

Nicht nur in Josef Bálings und Wendel Hambuchs Arbeiten wird aber der Leser Zeuge vom begrüßenswerten Abbau gewisser Tabus. Es könnte auch literarisch Interessierten als Anregung dienen, wie prägnant die menschliche Dimension der Aussiedlung (...) mit einer scheinbar harmlosen Anekdote angedeutet wird.”300

Die redaktionelle Arbeit übernahm eine Kommission, die vom Presseausschuss des Verbandes gewählt wurde. Herausgabe und redaktionelle Leitung übernahm der Verband. Das Erscheinungsbild war traditionell: auf der Frontseite Trachtenpaare, Bilder aus Dörfern und wichtige Beziehungspunkte der ungarndeutschen Präsenz, wie Kindergärten und Schulen. Der ‘Deutsche Kalender’

                                                                                                               

299 Bericht über die Arbeit seit dem III. Kongress 1970, LdU-Bibliothek 3097.  

300 János Szabó, Deutsch Kalender 1985. Jahrbuch der Ungarndeutschen. Am 7.12.1984, NZ Archiv.

Ohne Signatur.  

entstand in der Zusammenarbeit von professionellen Journalisten der ‘Neuen Zeitung’

und Aktivisten, die aus ihrem eigenen Leben berichteten. Probleme gab es mit dem Vertrieb, denn bis Mitte der 70er wurde der ‘Deutsche Kalender’ durch ein System von Rundbriefen verteilt, es gab Knotenpunkte, Personen, die vor Ort oder in der Region für die Verteilung des Kalenders zuständig waren. Da die Verteilung so nicht effizient war und weitere Leser außerhalb dieses Kreises den Kalender kaufen wollten, ging man dazu über, ihn in einigen Buchläden zu verkaufen. Ein weiteres Problem bedeutete die lange Bearbeitungszeit des Kalenders, der Redaktionsschluss war sehr früh, nämlich Anfang des Sommers – im Jahre 1984 beispielsweise schon am 15. Juni –, was ausschloss, dass gewisse Themen in den Kalender für das nächste Jahr aufgenommen werden konnten. Der Kalender war daher nicht aktuell, konnte es auch nicht sein, das war aber auch nicht sein Ziel.

Die redaktionelle Arbeit übernahm nach der Wende die ‘Neue-Zeitung-Stiftung’, nachdem der Verband sich 1994 – nach Gründung der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen – aufgelöst hatte. Der ‘Deutsche Kalender’ erscheint jetzt im Auftrag der Landesselbstverwaltung, redaktionell betreut wird er von der Redaktion der ‘Neuen Zeitung.’