• Nem Talált Eredményt

Die Rezeption des radikalen IT-Konzeptes in der Textlinguistik

In document Roberta V . Rada (Pldal 23-26)

2.1 Die „radikale“ Sicht: Intertextualität als texttheoretische Größe

2.1.2 Die Rezeption des radikalen IT-Konzeptes in der Textlinguistik

Aus textlinguistischer Sicht haben sich Heinemann (1997) und Linke/Nussbaumer (1997) mit diesem radikalen IT-Konzept kritisch befasst und die Frage gestellt, ob es sich für die Linguistik lohnt, bei ihren Bemühungen um eine Theoriebildung auf dieses radikale IT-Konzept zurückzugreifen. In ihrer Argumentation haben sie zu-nächst in Bezug auf die sprachtheoretischen Hintergründe gewisse Gemeinsamkeiten des poststrukturalistisch-dekonstruktivistischen Textbegriffes mit pragmatisch-kom-munikativ gerichteten und kognitionswissenschaftlichen Textauffassungen entdeckt.

Beide Textkonzepte stellen nach Heinemann eine Form der Relativierung und Rest-ringierung des ursprünglichen als autonom verstandenen Textes dar. In pragmatisch orientierten Textmodellen kommt den Texten grundsätzlich nur noch der Status einer Variable zu. Texte haben keine Bedeutung an sich, nur relative zu bestimmten Inter-aktionskontexten, da die pragmatischen Faktoren der Interaktion als grundlegend für alle Kommunikationsprozesse betrachtet werden können. Sie sind es, die bestimmen, ob und wenn ja, in welcher Gestalt der Text zu formulieren ist, bzw. wie er verstan-den sein sollte. Der Text ist stets eingebunverstan-den in Produktions- und Rezeptionssitua-tionen, Kohärenz und Bedeutung erhält er nicht primär aus der Textstruktur sondern durch entsprechende aktive Dekodierungsleistungen der kommunikativ Handelnden.9 Die kognitive Sicht auf Texte zeugt sogar von einer Auflösung des Textbegriffs in kognitive Operationen und Prozeduren aufgrund entsprechender Wissenskomponen-ten. Dies wiederum kommt einer Aufhebung des Textes in übergreifende

prozedura-9 Dazu muss jedoch angemerkt werden, dass bei Kristeva Größen wie Autor und Leser ausgeklam-mert bleiben, vgl. oben.

le kognitive Konstellationen und Prozesse gleich, was mit der Auflösung des Textes im Sinne der radikalen Auffassung in der Literaturwissenschaft verwandt ist. Eine derartige Auflösung des Textbegriffs wird übrigens von Krause (2000: 61) auch als radikales textlinguistisches Konzept bewertet.

In einigen Punkten scheinen also Gemeinsamkeiten zwischen dem radikalen IT-Konzept und den modernen linguistischen Texttheorien vorhanden zu sein, doch war-nen Linke/Nussbaumer (1997: 119) vor „einer vorschnellen Versöhnung”, zumal auch in der kognitivistischen Texttheorie das Produkt von kognitiven Operationen und Prozeduren als ein festes und stabiles Text- und Sinngebilde modelliert war. Ähnlich betont auch Heinemann (1997: 30 ff.), dass Texte als materielle Korrelate von Kogni-tionsprozessen, als Zwischenresultate von kognitiven Schreib- und Sprechprozessen konkret fassbar und (…) potenziell konservierbar, d.h. speicherbar seien. Problema-tisch erscheint auch die Ausblendung des Autors als Textproduzenten und des Lesers als Textrezipienten, zumal in der kommunikativ-pragmatisch orientierten Textlingu-istik Texte immer in einem komplexen Kommunikationsmodell verortet sind, in dem das Kriterium Intentionalität als zentrales Merkmal erscheint, die die Konstruktion von Kohärenz und Bedeutung für das Textverstehen möglich macht. Texte gelten als wesentliche Festpunkte im Interaktionsprozess, indem sie als Orientierungshilfe für die Kommunikationspartner fungieren. Das radikale IT-Konzept aber verortet den Text in einem „interaktionsleeren Raum”, der Text erscheint nicht mehr als Produkt einer sprachlichen Handlung des Autors, und damit als Ausdruck seiner Intention.

Es fehlt auch der Leser, der dem Text diese Intention – wenn auch nicht unbedingt ganz genau dieselbe – unterstellt. Die kommunikative Einbettung und funktionale Zuordnung eines Textes ist für die Textlinguistik, die sich an Alltagsinteraktionen orientiert und Gebrauchstexte zum Gegenstand hat, im Unterschied zu literarischen Texten unabdingbar. 10 Im Zusammenhang mit der These des radikalen IT-Konzep-tes, der Text gelte lediglich als ein „Gewirr von Stimmen”, entsteht auch die Frage nach dessen Interpretation. Das Konzept legt eine große Freiheit im Verstehen nahe, die nicht nur Verschiedenheit sondern sogar Beliebigkeit der Interpretation bedeuten muss. Dieser Beliebigkeit wird aber – zumindest im Falle von Gebrauchstexten – einerseits durch soziale, kulturelle und epochale Prägung, andererseits durch den

„Widerstand des Textes” Grenzen gesetzt (Linke/Nussbaumer 1997: 123). Letzterer meint, dass dem Leser der Text nicht in Form von einer ungeordneten Ansammlung von Zeichen sondern in Form einer komplexen, hierarchischen Struktur entgegen-tritt, die die Deutung der Zeichen relativ streng regelt.

Insgesamt gelangen Linke/Nussbaumer zur Schlussfolgerung, dass die „radikale Konzeption der Intertextualität insgesamt, d.h. auch für die Literatur als verfehlt

zu-10 Linke/Nussbaumer (1997: 122) machen in Anlehnung an Burger (1995) auf die Brisanz der Ausblen-dung des Autors im Zusammenhang mit Nachrichtentexten aufmerksam, bei denen in der modernen Medienlandschaft zunehmend schwieriger wird, einen Text einem ganz bestimmten Autor zuzuord-nen.

rückzuweisen (ist)” (ebd. 113), und zwar weil sie einerseits wissenschaftlich unpro-duktiv andererseits unverständlich ist.

Der Intertextualitätsbegriff ist in die Linguistik – wie oben erwähnt – zuerst von Zimmermann (1978) in einem textlinguistischen Kontext eingeführt worden. In sei-nen „Erkundungen zur Texttypologie” definiert er den Begriff, wie folgt: „Jeder Text ist vermittelte Verbindung zu vorangehenden Texten, sowohl was die Inhaltsform als auch die programmatische Seite betrifft. Somit ist der Text eine Antwort auf voran-gehende Texte bzw. Äußerungen” (Zimmermann 1978: 198 f).11

Anfang der 80er Jahre haben Beaugrande und Dressler (1981) den Begriff „Inter-textualität” verwendet, und ihn in den Rang eines allgemeinen Textualitätsmerkmals erhoben. An letzter Stelle in der Liste der sieben Textualitätskriterien (Kohäsion, Ko-härenz, Intentionalität, Akzeptabilität, Situationalität, Informativität) wird das Krite-rium Intertextualität angeführt. „Das siebente Kriterium der Textualität nennen wir INTERTEXTUALITÄT. Diese betrifft die Faktoren, welche die Verwendung eines Textes von der Kenntnis eines anderen oder mehrerer vorher aufgenommener Texte abhängig macht.” (1981: 12-13, Hervorh. im Original). Der Begriff IT meint aber in erster Linie eine Beziehung des Einzeltextes auf das zugrunde liegende Textmus-ter. „Intertextualität ist, ganz allgemein, für die Entwicklung von TEXTSORTEN als Klassen von Texten mit typischen Mustern von Eigenschaften verantwortlich.”

(ebd. 13, Hervorheb. im Original). IT meint also für Beaugrande/Dressler eine im-manente Eigenschaft jedes Textes, ein allgemeines Textmerkmal, weil jeder Text als Repräsentant einer Textsorte gilt. Im Zusammenhang mit den Textualitätskriterien bemerken Beaugrande/Dressler, dass sie ihrer Natur nach relational sind, d.h. eine Verbindung zwischen Texten herstellen, wobei die IT in der wechselseitigen Bezie-hung verschiedener Texte zu sehen ist (ebd. 39 f.).

Ähnlich wurde der Begriff auch in der textlinguistischen Auffassung von Hei-nemann/Viehweger (1991) gedeutet, zumal hier die Textualitätsmerkmale von Beau-grande/Dressler lediglich referiert werden.

Zwar geht es bei Beaugrande/Dressler um den typologischen Charakter des Tex-tes, aber der Gedanke, IT als allgemeines Textmerkmal ist zentral auch in der radi-kalen Auffassung von Kristeva. Daher bemerkt Rößler „Damit ist auch bei ihnen – wie (…) bei Kristeva (wenn auch unter anderen Voraussetzungen) – IT als generelle Dimension von Texten und der Sprache ein wesentliches Merkmal eines Begriffs von Textualität” (Rößler 1999: 31). Linke/Nussbaumer deuten den IT-Begriff von Beau-grande/Dressler jedoch vor dem Hintergrund des Textmusterwissens. Äußerungen werden nicht beziehungslos produziert und rezipiert. Textproduktion und -rezeption korrelieren mit Vorwissen und mit der Welt der mit ihnen in Beziehung stehenden Texte. Jeder Text ist auf einen bestimmten Adressatenkreis gerichtet, berücksichtigt dessen spezielles Textmusterwissen. In diesem Sinne hängen Produktion und

Re-11 In dieser Definition lässt sich unschwer Bachtins Gedanke (vgl. oben), aber gewissermaßen auch Kristevas Konzept erkennen (vgl. Rößler 1999: 30).

zeption jeden Textes von dem Wissen der Kommunikationsteilnehmer über andere Texte, d.h. vom Textmusterwissen ab (vgl. Beaugrande/Dressler 1981: 182). Im Ge-gensatz zu Rößler schlussfolgern Linke/Nussbaumer (1997: 111): „dieser Intertextua-litätsbegriff ist vom (radikalen) literaturwissenschaftlichen also weit entfernt.”

Insgesamt erwies sich die universalistische Konzeption der IT für die textlingu-istische Theoriebildung als nicht besonders fruchtbar. Das Konzept der IT ist extrem extensioniert. Für eine an sprachlichen Strukturen und Funktionen orientierte text-linguistische Analyse konnte sie wegen der Unabgeschlossenheit und Immaterialität des Textes auch keinerlei Ansatz für die handfeste Analyse der IT liefern (vgl. Steyer 1997: 83, Harras 1998: 602). Wenn man nämlich unter Text alle kulturell geregelten Zeichensysteme versteht, und wenn sich alle Texte eines kulturellen Zusammenhan-ges aufeinander beziehen, kann man nicht mehr nach den konkreten Beziehungen zwischen (zwei) konkreten Texten fragen.

2.2 Moderate Konzeptionen: IT als textdeskriptive

In document Roberta V . Rada (Pldal 23-26)