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Wortschatz in der Sprache

In document Cathedra Magistrorum 2019/2020 (Pldal 24-29)

Fachliche Kompetenzen IV: Zur Rolle der Fach- Fach-kenntnisse von Fremdsprachenlehrenden beim

2 Wortschatz in der Sprache

Der Wortschatz ist die Gesamtmenge aller Wörter einer Sprache oder einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt (Tschirner 2010: 236).

Der Terminus ‚Wort‘ ist nicht einheitlich definiert. Aus kognitivistischer Pers-pektive dienen Wörter der Benennung von Gegenständen und Sachverhalten in der außersprachlichen Welt, aus linguistischer Sicht sind es Zeichen mit Form- und Ausdrucksseite, selbstständige sprachliche und kommunikationsorientierte Grundeinheiten (Neveling 2010a: 331)

Wörter können daher von der Bedeutung ausgehend oder von den Wortformen her beschrieben werden (ausführlicher dargestellt unter ande-rem bei Ernst 2004: 187ff.; Fandrych/Thurmair 2018, Graefen/Liedke 2008;

Gross/Fischer 1998: 109ff.; Kocsány 2010). Zwischen Wörtern gibt es viele Verbindungsmöglichkeiten, die den Sprechern der Sprache bewusst sind und deren Kenntnis ihre lexikalische Kompetenz ausmacht (Tschirner 2010: 236).

Der Wortschatz kann in einen Allgemeinwortschatz, eine Vielfalt von va-rietätentypischen Wortschätzen, insbesondere Fachwortschätzen unterteilt werden. Der Allgemeinwortschatz des Deutschen wird auf ca. 500000 Wörter geschätzt, jährlich kommen etwa 4000 neue Wörter bzw. Wortbedeutungen hinzu. Die Fachwortschätze zusammen umfassen ca. zehn Millionen Wörter (Tschirner 2010: 237).

Von dieser gewaltigen Wortmenge beherrschen auch Muttersprachler nur einen geringen Teil rezeptiv, produktiv noch weniger. Dabei spielen indi-viduelle Faktoren wie Ausbildung, Beruf, unterschiedliche Interessen eine wichtige Rolle. Lerner von Deutsch als Fremdsprache brauchen für die all-tägliche Kommunikation mindestens 8000 Wörter rezeptiv und wenigstens 2000 Wörter produktiv (Löschmann 1993).

Der Allgemeinwortschatz kann unterschiedlich beschrieben werden: Er lässt sich auf der Basis der Wortbedeutungen oder auf der Basis der Wortformen erfassen, kann nach zeitlichen Kriterien (Neologismen, Archaismen) oder nach Häufigkeitskriterien (Grundwortschatz, Aufbauwortschatz) gegliedert werden, außerdem

[…] lässt er sich nach grammatischen Merkmalen gliedern, insbesondere nach Wortarten (Substantiven, Verben u.a.), nach Merkmalen von Wortarten (Valenz von Verben, Substantiven oder Adjektiven), nach Wortbildungsmustern (Kompo-sita, Derivation) und nach weiteren syntagmatischen Kriterien (Phraseologismen, Kollokationen). Schließlich lässt er sich nach pragma- und soziolinguistischen Kriterien wie Textsorten, Gruppensprachen und Register einteilen. (Tschirner 2010: 238)

Eine für den Unterricht relevante Gruppensprache ist beispielsweise die Jugendsprache (ausführlicher dargestellt bei Neuland 2010, 2018).

Neben diesen Gesichtspunkten kann der Wortschatz noch nach weiteren linguistischen Kriterien klassifiziert werden (Bohn 2001: 7f.). Die Kenntnis dieser Kriterien ist für die Lehrenden bei der Vorbereitung ihres Unterrichts von besonderer Bedeutung.

• Die Unterscheidung zwischen Inhalts- und Funktionswörtern ist für den Fremdsprachenunterricht besonders relevant. Inhaltswörter sind zum Beispiel Substantive, Verben, Adjektive (Schule, lernen, fleißig), Funkti-onswörter beispielsweise Artikel, Präpositionen, Konjunktionen usw. (der, in, weil). Inhaltswörter sind der offene, dynamische und umfangreichere Teil des Wortschatzes, während Funktionswörter den relativ geschlosse-nen, stabilen und kleineren Teil des Wortschatzes ausmachen.Wie aus ihrem Namen hervorgeht, haben sie keine eigenständige (lexikalische) Bedeutung, sondern erfüllen hauptsächlich auf syntaktisch-struktureller Ebene die Funktion, bestimmte grammatische Inhalte auszudrücken. Im Kontext der Funktionswörter soll noch der Begriff der textgrammati-schen Mittel explizit erwähnt werden. Sie erfüllen eine Funktion auf der Textebene, sie wirken satzübergreifend und dienen dazu, aufeinanderfol-gende Sätze innerhalb eines Textes inhaltlich miteinander zu verbinden.

Zwischen Funktionswörtern und textgrammatischen Mitteln gibt es Überlappungen. Wegen des besonderen Stellenwertes ihres Gebrauchs kommt im DaF-Unterricht den Funktionswörtern, unter anderem den textgrammatischen Mitteln, eine wichtige Bedeutung zu. Letztere spielen beim Textverstehen und in der Textproduktion eine zentrale Rolle.

• Diese Unterscheidung zwischen Inhalts- und Funktionswörtern kann auch nach anderen Merkmalen erfasst werden. Die Wörter einer Sprache können auf einem Kontinuum zwischen bedeutungsstarken und -schwa-chen Wörtern klassifiziert werden:

An einem Pol liegen die Autosemantika, die aus sich selbst heraus verständlich sind (Straße als Konkretum oder Freiheit als Abstraktum), am anderen die Synsemantika, grammatische Wörter mit sehr geringer Bedeutung. (Neveling 2010a: 331)

Solche Wörter sind Partikeln (doch), Präpositionen (in, nach), Konjunktionen (dass, weil) oder Hilfsverben (haben, sein); die Deiktika (ich, du, wir, hier, dort) haben zwar eine eigene Bedeutung, die jedoch erst im Kontext verständlich wird (Péteri 2002). Das Verständnis von Wörtern, nach dem „die Grenzen zur Grammatik als fließend betrachtet werden“

(Neveling 2010a: 331), gilt als wichtiger Baustein des Lehrerwissens. Diese Unterscheidung der Wörter hat bei der Förderung der Textkompetenz eine entscheidende Rolle. Diese Fähigkeit liegt dem kompetenten Umgang mit Texten im rezeptiven und produktiven Bereich sowie dem Wissenserwerb gleichermaßen zugrunde und fungiert deshalb im ganzen schulischen Bereich, in allen Fächern, also weit über den Fremdsprachenunterricht hinaus als eine Schlüsselkompetenz.

• Nach der morphosyntaktischen Komplexität unterscheidet man Einzel-wörter und Wortgruppen mit Wortcharakter (Heft, Abschied nehmen). Bei der Wortbildung sprechen wir vom Stammwort (Schule), mit dem Ablei-tungen (schulisch), Zusammensetzungen (Schulgebäude) und Präfixbil-dungen (Vorschule) möglich sind. Die Kenntnisse über die Regularitäten der Wortbildung sind gleichfalls für die Förderung der Sprachhandlungen im rezeptiven, aber auch im produktiven Bereich von Bedeutung.

• Wörter können nach ihren strukturellen und inhaltlichen Beziehungen eingeteilt werden. Die syntagmatische Beziehung von sprachlichen Aus-drücken bezieht sich auf die chronologische Abfolge beim Sprechen bzw.

die lineare Abfolge von links nach rechts beim Schreiben/Lesen. Hier geht es darum, welche Rolle oder Funktion die einzelnen Elemente im Verhältnis zu den vorangehenden und den nachfolgenden sowie beim Aufbau von größeren Einheiten haben (Peter [Subjekt] geht [Prädikat]

ins Kino [Adverbial]. Die paradigmatische Beziehung besteht zwischen zwei oder mehr Einheiten, die miteinander austauschbar sind und sich im gegebenen Kontext gegenseitig ausschließen (Marta erzählt ihrer Mutter eine Geschichte. Anna erzählt ihrer Mutter ein Märchen. Petra erzählt ihrer Mutter einen Witz (Geschichte, Märchen, Witz sind Realisierungen des Akkusativobjekts und sind untereinander austauschbar).

• Es gibt bedeutungsgleiche oder bedeutungsähnliche Wörter, Synonyme genannt (gehen, laufen), andere Wörter haben eine gegenteilige Bedeu-tung, Antonyme genannt (arm – reich). Untergeordnete Wörter heißen Hyponyme (Kinder: Junge, Mädchen), nebengeordnete Wörter hei- ßen Kohyponyme (Baum: Birne, Linde) (Brdar-Szabó 1991).

• Wörter können nach ihrer Herkunft beschrieben werden: es gibt Fremd-wörter wie adäquat, trivial, Internationalismen wie Chef, Film oder Lehn-wörter wie Atelier, Exposé. Internationalismen haben ein großes Potenzial für das Textverstehen bei der Bedeutungserschließung fremder Wörter (s. Abschnitt 5).

• Wörter können nach Wortfamilien, d.h. nach Wörtern, die auf eine ge-meinsame Wurzel wie z.B. gehen, Gang, gängig usw. zurückgeführt wer-den, gruppiert werden.

• Die zu einem Sachgebiet gehörenden Wörter können Wortfeldern zuge-ordnet werden wie z.B. Schule, Lehrer, Lerner usw. Ein Wortfeld besteht aus einem Wörter-Paradigma, dessen Wörter alle aus derselben syntaktischen Kategorie und einer dazu geeigneten semantischen Struktur stammen.

• Wörter lassen sich unterschiedlichen Stilebenen zuordnen wie z.B. ver-stehen, begreifen im Unterschied zu kapieren, mitkriegen.

• Neben den stilistischen Varianten (formal, familiär, poetisch, Prosaspra-che) gibt es soziale (Hochsprache, Umgangssprache, Slang) und regionale Varianten (Dialekte). (Zum Begriff von Varianten s. die untenstehende Definition.)

• Nach der Art der Sprachverwendung in einer konkreten Situation spricht man von geschriebener und gesprochener Sprache (medial) oder Schrift-sprache und UmgangsSchrift-sprache (bzw. BildungsSchrift-sprache und AlltagsSchrift-sprache).

• Der Wortschatz setzt sich nicht nur aus einzelnen Wörtern, sondern aus Wortgruppen und Sätzen mit Wortcharakter (Sprichwörter wie z.B.

Morgenstunde hat Gold im Munde in der Bedeutung ‘frühes Aufstehen lohnt sich, weil man am Morgen sehr gut und in Ruhe arbeiten kann’) zusammen.

• Zu den Wortgruppen gehören zum Beispiel idiomatische Wendungen, Phraseologismen. Sie sind feste Wendungen, die man zumeist nicht in der wörtlichen Bedeutung ihrer Konstituenten, sondern nur als Ganzes und im übertragenen Sinn verstehen kann. Zwei Gruppen von Phrasemen sind für den Fremdsprachenunterricht besonders wichtig:

∙ Routineformeln spielen bei der Bewältigung alltäglicher Standard-situationen (z.B. ehrlich gesagt) eine wichtige Rolle (Mujzer-Varga 2016: 186)

∙ Kollokationen (z.B. jemandem einen Gruß ausrichten) sind wegen ih-rer Häufigkeit besonders wichtig bei der Textproduktion (Reder 2006).

Der kompetente Umgang mit Kollokationen stellt beispielsweise Sprachlernende vor große Herausforderungen. Beim Gebrauch von festen Wendungen kommen typischerweise Interferenzfehler vor, die auf den Einfluss der Muttersprache zurückzuführen sind (Handwerker 2010; Juhász 1970; Lüger 2019; Rada 2010). Zur Veranschaulichung sei hier ein Beispiel aus einem Aufsatz eines ungarischen Abiturienten an-geführt: [Als die Tragödie eintrat, Thiel hat das Verstand seines Lebens verloren.] [Er konnte diese Situation abtragen.] – *diese Situation abtra-gen ist das Ergebnis einer Spiegelübersetzung aus dem Ungarischen ins Deutsche (weitere Beispiele s. bei Feld-Knapp 2010; Perge 2014). Für die Bezeichnung aller Wörter und Wortgruppen hat sich der Begriff der lexikalischen Einheit als Oberbegriff etabliert (Löschmann 1993: 28).

Der Wortschatz der deutschen Sprache umfasst neben dem Allgemein-wortschatz eine Vielfalt von varietätentypischen Wortschätzen. Das ergibt sich u.a. daraus, dass die deutsche Sprache eine plurizentrische Sprache ist, die über mehrere Zentren verfügt und mindestens drei gleichwertige Varietäten umfasst (deutsche Standardsprache, Schweizer Hochdeutsch und österreichi-sche Standardsprache – Ammon 1995; de Cillia 2006; Muhr 1993; von Polenz 1988). Varianten sind die einzelnen konkreten lexikalischen Einheiten (Sahne [D] – Rahm [CH] – Schlag [A]) einer Varietät (deutschländisches, schweizeri-sches, österreichisches Standarddeutsch). Eine nationale Varietät umfasst also nicht nur nationale Varianten, d.h. Austriazismen, Helvetismen, Teutonismen (Deutschlandismen), sondern auch (und zwar weitaus mehr) gemeindeut-sche Konstanten (Hägi 2014: 84; die Relevanz der Plurizentrik für den DaF-Unterricht wird von Hägi im CM-Band „Mehrsprachigkeit“ [ebd., S. 84ff.]

ausführlich beschrieben und anhand von zahlreichen Beispielen dargestellt).

Die Berücksichtigung der Plurizentrik im DaF-Unterricht verlangt allerdings von den Lehrenden eine neue Einstellung zur deutschen Sprache. Der DaF-Unterricht wurde lange Zeit durch die „monozentrische“ Sprachauffassung geprägt, die von einer einheitlichen Norm, von der Vorstellung von „Zentrum“

und „Rand“ ausgeht und die sprachlichen Unterschiede als „Abweichungen“

von der Norm betrachtet. Dem DaF-Unterricht lag meistens eine sterile, va-riationslose Sprache zugrunde, die für die Lernenden zwar ein gutes und korrektes Deutsch bot, aber nicht auf die Realität in den deutschsprachigen Ländern vorbereitete.

Zum Schluss sei noch in diesem Abschnitt der Begriff von Chunks erwähnt.

Dieser Begriff wird im Sinne eines Oberbegriffs für lexikalische Einheiten ver-wendet und hat einen besonderen Stellenwert für den Fremdsprachenunterricht.

Darunter sind diejenigen rekurrenten, mehrteiligen Formulierungen (Kollokationen, Idiome, Doppelbenennungen, Funktionsverbgefüge, Routineformeln) zu verstehen, die beim Sprachgebrauch nicht jedes Mal aus ihren Komponenten gebildet werden, sondern bei der Rezeption als Ganzes wahrgenommen bzw. memorisiert und bei der Produktion ebenfalls als Ganzes abgerufen werden (Aguado 2014; Ellis 2003; Götze 2013; Handwerker 2008, 2010). Chunks weisen eine zweifache Funktion im Sprachlernprozess vor.

Ihre primäre Funktion liegt in ihrer Speicherung als Ganzheit: Da auf sie in der Sprachproduktion als Ganzes zugegriffen wird, wird dabei auf die Regelanwendung verzichtet. Dadurch wird das Kurzzeitgedächtnis entlastet (was besonders bei Lernenden im Anfangsstadium von großer Relevanz ist), und die entstandene Zusatzkapazität kann für parallel ablaufende kognitive Prozesse bereitgestellt werden. Die sekundäre Funktion liegt in der Analyse ihrer Struktur: Bei der späteren expliziten Grammatikarbeit kann auf sie

zugegriffen werden, d.h. sie können als Beispiel für die jeweilige grammatische Struktur fungieren (Kránicz 2016: 349; Westhoff 2011: 245).

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