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Interlanguage, Multicompetence und Mehrsprachigkeit

In document Cathedra Magistrorum 2019/2020 (Pldal 93-96)

Überlegungen zum Lexikon mehrsprachiger Sprachverwender*innen

3 Interlanguage, Multicompetence und Mehrsprachigkeit

Ein Modell, das eigentlich für den Phonologieerwerb entworfen wurde, ist das der Ontogeny and Phylogeny (OPM) von Major (2001). Es erklärt den Zugriff von Sprachverwender*innen auf unterschiedliche Sprachsysteme im Spracherwerbsprozess. Das OPM ist ein dynamisches Modell, das den Einfluss 1) der so genannten Erstsprachen (L1) der Lernenden, 2) der Regeln des neu-en Sprachsystems, dem sie über dneu-en Input begegnneu-en und 3) die Wirkungneu-en der Universalgrammatik (U) während des gesamten Spracherwerbsprozesses abbildet. Diese Einflussfaktoren ändern sich während des Erwerbsprozesses, abhängig von Faktoren wie Zeit, Register bzw. Ausmaß von Formalität der Sprachverwendung, Markiertheit und Ähnlichkeiten.

Interessant ist in unserem Kontext vor allem die Feststellung Majors, dass die „interlanguage“ der Lerndenden nicht als etwas angesehen werden kann, das zwischen ihrer L1 und der zu erwerbenden L2 liegt. Er argumentiert mit phonologischen Beispielen wie VOT (voice onset time, also der Zeit, die zwischen einem Plosiv und dem nachfolgenden Vokal vergeht) oder den verschiedenen Realisierungen von [r] und [R], die nicht als „zwischen dem Japanischen und dem Englischen [r] liegend“ definiert werden können, sie stellen ganz im Gegenteil einen Bestandteil eines eigenen Sprachsystems dar, das aus drei Systemen zusammengesetzt ist:

Such a model does not view IL as something necessarily intermediate between L1 and L2. A particular IL phenomenon may or may not be intermediate between L1 and L2: Although IL VOT may be intermediate between L1 and L2, it would be difficult to argue how an IL [R] is intermediate between L1 [r] and L2 [r].

IL is also not a deficient version of the L2, but rather a complete system in its own right, composed of parts of three other systems: L1, L2 and U. (Major 2001: 82 – Hervorhebung von mir: TF).

Ein weiteres Beispiel für eine Modellierung von Mehrsprachigkeit ist die von Herdina und Jessner (2002) entwickelte multicompetence (sie-he auch Cook 1992), die als ein dynamisc(sie-hes Gegenmodell zu Chomskys Universalgrammatik, die dem „Principes and Parameters Model“ (Chomsky 1995) zugrunde liegt, mit einem allgemeinen, abstrakt formulierten und auf eine allgemeine Sprachkompetenz bezogenen Set an Parametern den Spracherwerb zu erklären versucht. Multicompetence ist vielmehr ein „com-plex dynamic system with its own parameters“ (ebd., S. 19), das nicht mit dem Sprachsystem von Monolingualen verglichen werden kann. Ganz im Gegenteil zum einsprachig formulierten Chomskyschen Konzept handelt es sich hier um eine Kooperation von Systemen, die etwas ergeben, das nicht die Summe

der beiden ist, sondern ein Vielfaches und Neues (vgl. ebd., S. 27). An dieser Stelle scheint es jedoch auch wichtig anzumerken, dass sich Chomskys Modell der Prinzipien und Parameter auf den Erstspracherwerb bezieht, das Modell Jessner und Herdinas hingegen auf den Zweit- bzw. Fremdspracherwerb.

In diesem Modell erkennen wir ein Zusammenwirken von einzelnen Sprachsystemen, die gemeinsam etwas Neues entstehen lassen, vergleichbar mit Majors „interlanguage“. Kontakt von Sprachen ist also ein wesentliches Merkmal sprachlicher Entwicklung. Aus diesem Grund sei ein kurzer Blick auf die Kontaktlingusitik erlaubt. Diese untersucht die Vermischung von Sprachen, „mixed languages oder split languages“, wie sie genannt werden (vgl. Myers-Scotton 2018). Arbeiten zur Kontaktlinguistik (vgl. u.a. Zenner 2018) sehen jedoch, anders als Major oder Jessner und Herdina, Sprachen als komplette, zählbare und tendenziell monolithische Einheiten. Ziel der Analyse ist die Ermittlung der Einflüsse einzelner Sprachen aufeinander. So untersuchen Matras und Bakker (2018) Mitchif, eine Sprache, die in den Prärien von Kanada und in angrenzenden Regionen der USA gesprochen wird und sowohl Einflüsse aus dem Cree als auch dem Französischen aufweist. Die Analyse des Lexikons, also der Verwendung von Wörtern aus verschiedenen Sprachen bleibt jedoch innerhalb der klar abgegrenzten Einheiten der beiden Sprachen und inkludiert keine Vermischung von „Sprachen“ innerhalb ein-zelner lexikalischer Einheiten (ebd., S. 3).

Aus einer soziolinguistischen, kritischen und post-kolonialen Perspektive stellen Pennycook und Makoni grundsätzlich den tradierten Sprachbegriff in Frage:

[…] languages were, in the most literal sense, invented, particularly as part of the Christian / colonial and nationalistic projects in different parts of the globe.

All languages are social constructions, artefacts analogous to other constructions such as time […]. (Makoni/Pennycook 2007: 1)

Damit wird auch das Konzept der Einsprachigkeit verworfen, das einerseits von Busch in ihrem Buch „niemand ist einsprachig“ (2012) als politisch motivier-te Konstruktion enttarnt wird, sowie andererseits von Pennycook und Otsuji (2015: 17) als „ideological construct rather than a linguistic reality“ bezeichnet wird. (Mehr zu den diversen Theorien der Mehrsprachigkeit siehe unten).

4 Mehrsprachigkeit

Ein kurzer Blick auf verschiedene theoretische Ansätze zur Erklärung von Mehrsprachigkeit und dem Zusammenwirken von Sprachen zeigt eine Vielfalt

von Mustern, die sich in einigen Merkmalen ähneln: erstens in der Tatsache, dass mehrere Strukturen kollaborieren, um sprachliche Performanz zu er-zeugen und zweitens darin, dass wir nicht mehr von einem monolithischen Konzept von Sprache, das abgegrenzt und klar definiert ist, sprechen können.

Das bedeutet, dass der Einfluss von einer „Sprache“ auf die andere(n) stets vorhanden und normal ist.

Die Grenzen zwischen den Sprachen sind also offen und durchlässig, Sprachen nähern sich einander an und bereichern sich gegenseitig. Das ist ein normaler Prozess, den wir unter anderem an den unzähligen „englischen“

Wörter erkennen, die mittlerweile fixer Bestandteil des Deutschen geworden sind. Bekanntlich ist diese Form der gegenseitigen Beeinflussung keinesfalls neu: so haben sich seit über tausend Jahren etwa zahlreiche lateinische Wörter in die meisten europäischen Sprachen integriert, und die von uns als lingua franca bezeichnete Sprache war ursprünglich die Sprache des Handels im Mittelmeerraum, die aus französischen, italienischen, arabischen, türkischen, persischen, griechischen und slawischen Elementen bestand und der überre-gionalen Kommunikation diente.

In der Mehrsprachigkeitstheorie sind derzeit verschiedene Modelle gleich-zeitig erkennbar, wie zum Beispiel das eher pädagogisch gefasste Modell des Translanguaging (Garcia 2009), sowie Konzepte wie Polylanguaging (Jørgensen 2008), Plurilingualismus (Canagarajah 2009) oder Metrolingualismus (Pennycook/Otsuji 2015). Alle Modelle gehen von einer Konzeption von Sprache aus, die keine klare Abgrenzung von einzelnen Sprachen mehr anerkennt, die die Anwendung von Sprachen als eine permanente Grenzüberschreitung ver-steht, also als „transgressive practises not only of crossing borders, but also of disrupting boundaries“ (Pennycook 2012: 22). Der Begriff Sprache wird durch den des sprachlichen Repertoire ersetzt, also durch die Summe aller sprachli-chen Mittel, die einem Menssprachli-chen zur Verfügung stehen, um sich sprachlich zu äußern und zu kommunizieren. Der Begriff Repertoire wurde von Gumperz (1964) in die Diskussion gebracht und „wird als ein Ganzes begriffen, das jene Sprachen, Dialekte, Stile, Register, Codes und Routinen einschließt, die die Interaktion im Alltag charakterisieren“ (Busch 2013: 21). Er beinhaltet also alle sprachlichen Mittel, die „Sprecher_innen einer Sprachgemeinschaft zur Verfügung stehen, um (soziale) Bedeutungen zu vermitteln“ (ebd.).

Pennycook und Otsuji entwerfen das Konzept des metrolingualism, ei-nem Modell von Mehrsprachigkeit vor allem in urbanen Kontexten, das Einsprachigkeit als eine bloß politisch motivierte, eng mit dem Nationenbegriff verbundene Konstruktion sieht. Mehrsprachigkeit stellt die „creative lingu-istic conditions across space and borders of culture, history and politics“ dar, also einen Weg „to move beyond current terms such as multilingualism and

multiculturalism (Pennycook/Otsuji 2015: 3). Der Autor und die Autorin belegen ihre Annahmen mit einigen Beispielen so genannter metrolingualer Kommunikation aus Märkten und Baustellen in Sydney und in einem Restaurant in Tokio. Die meisten Beispiele beschreiben auch hier Sprachmischungen, die vor allem aus Wörtern verschiedener Sprachen bestehen. Kommunikative Handlungen sind auch unter diesen Umständen zumeist erfolgreich, jedoch nicht immer, wie das folgende Beispiel, das in unserem Kontext sehr relevant erscheint, zeigt. In einem Restaurant in Tokyo findet folgender Dialog statt (Na: Nadil, der Kellner; C: ein Restaurantgast; kursiv: Japanisch):

Na: Kore … mashu serori. Ni serori. (das … pürierter Sellerie. Sellerie Püree) C: Ni serori (Sellerie Püree)

N: Ni serori (Sellerie Püree)

Nach einigem Nachfragen, wie z.B. ob es sich um Rote Beete (betterave) handelt, versucht Nadil über den Umweg der Bezeichnung „rosa Sellerie“

eine Klärung herbeizuführen, was aber nicht gelingt. Schließlich wird klar, dass es sich um Rhabarber handelt, ein Wort, das Nadil auf Japanisch nicht kennt, und, das er durch Sellerie ersetzt. Nach einiger Diskussion wird dem Kunden klar, dass er eine Rhabarbertarte bekommen hat (ebd., S. 125ff.).

Dieses Beispiel zeigt, wie eine semantische Uminterpretation dazu führt, gemeinsam Bedeutungen zu erzeugen (siehe dazu auch die unten angeführ-ten Beispiele).

5 Beispiele für die Interaktion von „Sprachen“ im

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