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Beispiele für die Interaktion von „Sprachen“ im mehr- mehr-sprachigen Lexikon

In document Cathedra Magistrorum 2019/2020 (Pldal 96-102)

Überlegungen zum Lexikon mehrsprachiger Sprachverwender*innen

5 Beispiele für die Interaktion von „Sprachen“ im mehr- mehr-sprachigen Lexikon

In der Folge werden einige Beispiele, die sich eventuell auch als Strategien bezeichnen lassen, aus drei verschiedenen Kontexten exemplarisch behandelt.

Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie

1. nicht einer einzigen Sprache exklusiv zugeordnet werden können 2. ein konzeptionelles Zusammenwirken verschiedener Sprachen darstellen 3. eine semantische Uminterpretation von „deutschen“ Wörtern sind.

Die Quellen für diese Beispiele sind ein Forschungsprojekt zu „Linguistic Landscapes“ in Wien,1 Unterrichtsbeobachtungen im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Mehrsprachigkeit im DaZ- und Basisbildungs-

1 https://www.vhs.at/de/e/lernraum-wien/projekte#linguistic-landscapes.

Unterricht (Fritz et al. 2020) und informelle Gespräche mit Freund*innen und Kolleg*innen.

a) Beispiele, die nicht einer Sprache exklusiv zugeordnet werden können, sondern das Ergebnis einer Kollaboration zweier Sprachsysteme sind i) sinitlah: Dieses Wort wurde am Wiener Brunnenmarkt 2015 im

Rahmen eines „Linguistic Landscapes“-Forschungsprojektes auf ei-nem Gemüsestand gefunden und entspricht dem deutschen Wort Schnittlauch. Interessant ist hier das Zusammenwirken von Deutsch und Türkisch: Den Einfluss des Türkischen erkennen wir vor allem an der Schriftweise – mündlich würde das Wort wahrscheinlich als [ˈʃnɪtlaɔ̯x] erkennbar sein. Schriftlich aber wirkt das phonologische System – und hier vor allem die Silbenstruktur – auf das Wort ein.

Türkisch ist eine der Sprachen, die eine strikte CV Silbenstruktur ha-ben (vgl. Hayes 1985). Daher ist ein Konsonantencluster am Beginn der Silbe nicht möglich und aus SCHN wird SCh i N, ein Prozess, der in der Phonologie Epenthese genannt wird (Hall 2011) und durch den das zweisilbige Wort phonotaktisch bedingt nunmehr als dreisil-big erscheint. Das Türkische kennt den Diphthong /au/ nicht, daher wird dieser zu einem /a/ verändert und im Auslaut wird /h/ verwen-det, was dem Deutschen /ch/ entspricht. Wir erkennen hier also ein Zusammenwirken einer deutschen Grundstruktur und deren türki-scher Umsetzung.

ii) Ähnlich verhält es sich mit dem Wort gurunes, das auf dem selben Schild zu finden war, und anhand dessen wir erkennen, dass der Konsonantencluster zum Beginn der ersten Silbe verändert wird.

Abb 2: Foto TF Brunnenmarkt Wien 2015

Blommaert (2010: 176) beschreibt einen Schüler, Vladi, der in seinen schrift-lichen Produktionen das Antwerpener Idiom verwendet, das er von seinem Lehrer hört. Er verwendet die orthographischen Regeln, die er bereits gelernt hat, und in den Fällen, in denen dies nicht funktioniert, erfindet er neue Formen. Blommaert kommentiert diese Leistungen wie folgt: „Vladi produ-ces voice here: the voice of the eager and enthusiastic learner who pushes the limits of his learning by experimenting with the resources he already has.“

(ebd., S. 177).

b) Konzeptionelles Zusammenwirken

i) Ein Wort, das zeigt, wie Lerner*innen Konzepte verschiedener Sprachen nützen, um neue Bedeutungen zu konstruieren, ist „Eier Weihnachten“ (Fritz et al. 2020: 122). Das Wort stammt von einer Notiz einer Lernenden in einem Basisbildungskurs in Wien und stellt die arabisch geschriebene Notiz zu „Frohe Ostern“ dar. „Eier Weihnachten“ ist mehrfach interessant, als die Übersetzerin der Notiz die als erste Übersetzungsvariante anbot, die sich aber nach längerem Nachfragen als ungenau herausstellte, denn es war nicht Weihnachten sondern Bayram, die türkische Bezeichnung für Feiertag bzw. Fest, wie in den Bezeichnungen Şeker Bayramı (das Zuckerfest) oder Kurban Bayramı  (das Fest des Fastenbrechens). Die Lernende hat also den Begriff für Fest mit dem sichtbaren Zeichen von Ostern, den Eiern verbunden, wie im oben angeführten Wort Zuckerfest.

ii) Ein anderes Beispiel in diesem Kontext stammt ebenfalls von einem Lernenden aus einem Basisbildungskurs. Er hat in einem Aufsatz beschrieben, dass sein Freund aus „Pollenland“ kommt. Sehen wir von der Schreibung Pollen ab, so können wir erkennen, dass der Lernende hier eine Parallelkonstruktion zu Ländern wie Deutschland verwendet, also das Land, aus dem die Polen kommen. Eine ande-re Interpande-retation dieses Wortes könnte die teilweise Übernahme des englischen Wortes Poland sein. Beides zeugt von einem hohen Ausmaß an Kreativität des Lerners.

Abb. 3: Aus einem Aufsatz eines Lernenden in Wien (März 2020)

c) semantische Uminterpretation

Das Wort Körperheizung statt Heizkörper (mündliche Kommunikation) kann als Beispiel für eine semantische Uminterpretation dienen. Es handelt sich beim Heizkörper um ein Gerät, das als zusätzliche Heizquelle verwen-det wird, die Erklärung für Körperheizung besticht durch Logik, denn diese Umdeutung wird dadurch begründet, dass es sich um ein Gerät handelt, das den Körper wärmen soll.

Wir haben an den drei Phänomenen gesehen, dass Mehrsprachige über komplexe Systeme der Verarbeitung von Lexik verfügen, die oft, aber nicht immer, auf die Erstsprachen zurückzuführen sind. Es entstehen neue Wörter, Mischungen aus Sprachen, die aus dem Zusammenwirken der sprachlichen Repertoires der Anwender*innen resultieren.

6 Resümee

Diese Phänomene als Fehler anzusehen, wie es uns als Unterrichtenden nahe liegen würde, greift zu kurz; im Gegenteil ist es sinnvoll, sie als Anlass für bewusste Spracharbeit zu nutzen und mit den Lernenden die deutschen Formen zu erarbeiten. Im Fall der „Vermischung“ erkennen wir jedoch, dass unbewusste Prozesse wie das phonologische System beteiligt sind, die schwer bewusst adressiert werden können. Wir sollten diese kreativen Lösungen an-erkennen und schätzen lernen. Mehrsprachigkeit ist, wie bereits oben ex-pliziert, mehr als nur die Addition von Sprachen und mehr als Transfer aus einzelnen Systemen. Sie ergibt besonders im Bereich der Wörter erstaunliche und wunderbare Neuformungen, die es meines Erachtens mit Neugierde zu beobachten gilt, das gemeinsame Aushandeln von Bedeutungen kann nämlich einen bereichernden Prozess im Unterricht darstellen (vgl. dazu Fritz et al.

2020: 92), in dem alle verfügbaren sprachlichen Mittel angewendet werden, wie z.B. bei der Klärung des Begriffs Friseur, die sich über das vermeint-lich internationale Wort Coiffeur, das arabische halla und das Wort (in Dari) Arajeschgar vollzieht. Das mehrsprachige Lexikon ist ein Hort der Kreativität und des Einfallsreichtums. Ein ethnographischer, also neugieriger und nicht wertender Blick ermöglicht es uns, dies zu erkennen und zu schätzen.

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