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Wortschatz als Lehr- und Lerngegenstand

In document Cathedra Magistrorum 2019/2020 (Pldal 38-60)

Fachliche Kompetenzen IV: Zur Rolle der Fach- Fach-kenntnisse von Fremdsprachenlehrenden beim

5 Wortschatz als Lehr- und Lerngegenstand

Vor der Auseinandersetzung mit dem Thema Wortschatz als Unterrichts- und Lerngegenstand muss hier das Wesen des Fremdsprachenunterrichts noch einmal hervorgehoben werden (s. Einleitung). Wir haben es im Fremdsprachenunterricht mit einer besonderen Form des Lehr- und Lerngegenstands zu tun. Der Fremdsprachenunterricht unterscheidet sich von anderen schulischen Fächern dahingehend, dass im Zentrum des Unterrichts keine Sache an sich, d.h. kein vermitteltes fachspezifisches, be-grifflich und theoretisch formiertes Wissen, sondern die Förderung der praktischen Sprachkenntnisse und der Aufbau einer Sprachkompetenz steht,

die der sprachlichen Handlungsfähigkeit zugrunde liegt. Im Zentrum der Fremdsprachendidaktik steht also nicht die Frage nach dem Was, sondern die Frage, wie zu lehren und zu lernen ist. Alle Fragen zu dem Was müssen auf diese zentrale Frage bezogen werden (Portmann 1997: 220).

In Bezug auf den Wortschatz als Lehr- und Lerngegenstand lässt sich da-raus folgern, dass der Wortschatz für die Lernenden nicht an sich bedeut-sam ist, sondern in seiner Rolle bei der Kommunikation, beim Umgang mit Texten im schriftlichen und mündlichen Bereich, was die Wichtigkeit der funktionalen Sichtweise für die Wortschatzvermittlung erneut unterstreicht (s. Abschnitt 4). Alle Aktivitäten, die unterschiedlichen Lehr- und Lernverfahren im Rahmen der Wortschatzarbeit sollten dementsprechend darauf abzielen, dass sich die Lernenden ihren fremdsprachlichen Wortschatz systematisch auf-bauen und bei der Realisierung von relevanten Kommunikationsabsichten und bei der Bewältigung bestimmter Themen und Kommunikationssituationen nutzen lernen.

Bevor wir uns dem Umgang mit dem Wortschatz als Lehr- und Lerngegenstand im Rahmen der Wortschatzarbeit widmen, denken wir darüber nach, welche Menge an Wörtern und Wendungen überhaupt ausgewählt werden sollten, damit für den Fremdsprachenunterricht ein funktionierender Lernwortschatz bereitgestellt werden kann. Bei der Auswahl der Wörter kommt es darauf an, für welche Stufe und für welche Lernergruppe der Wortschatz ausgewählt wird. Grundsätzlich wird zwischen Grundstufe (Anfängerstufe), Mittelstufe (Aufbaustufe) und Fortgeschrittenenstufe unterschieden. Die Grundstufe er-fordert ca. 2000 Wörter, die Mittelstufe ca. 3000 bis 4000 lexikalische Einheiten, während auf der Fortgeschrittenenstufe ca. 5000 bis 6000 lexikalische Einheiten verlangt werden. Diese Menge des zu erlernenden Wortschatzes entspricht den allgemein akzeptierten Prüfungsanforderungen, wobei der erreichte Kompetenzstand der sprachlichen Handlungsfähigkeit unter institutionel-len Rahmenbedingungen nachgewiesen wird (Bohn/Schreiter 2001: 173f., 166–199).

Für die Unterstützung des unterrichtlich gesteuerten Wortschatzerwerbs etablierte sich ein Modell, das die Arbeit mit dem Wortschatz in vier Schritte gliedert. In diesem Modell wird der Prozess des Erwerbs aus der Perspektive der Lernenden erfasst. Die einzelnen Erwerbsphasen werden durch didaktisch aufeinander abgestimmte Verfahren der Lehrenden unterstützt (s. Abschnitt 3).

Im ersten Schritt erfolgt die Darbietung des Wortschatzes, anschließend wer-den die Semantisierung und Verständniskontrolle, drittens das Lernen und Üben und schließlich die Anwendung durchgeführt.

Grundsätzlich kann die Lehrperson zwischen instruktivistischen und kon-struktivistischen Lehrverfahren wählen (Neveling 2016: 118). Bei ersterem

nehmen die Lernenden eine rezeptive Rolle ein, die Lehrperson verantwortet Thema, Auswahl, Niveau und Darbietung der Wörter, im zweiten Fall kommt der externen Steuerung seitens der Lehrperson eine geringere Rolle zu. Die Lernenden können in die Arbeit als aktive Mitgestaltende mit einbezogen werden, besonders interessant ist für sie die Arbeit mit einem selbst ausge-wählten Thema.

Die Beschäftigung mit dem Wortschatz setzt sich für die Lehrenden gleich-falls aus mehreren Phasen zusammen:

• Die Vorphase dient dazu, dass die Lehrperson ihre Vorkenntnisse aktiviert und die Lernschwierigkeiten, die möglichen Lernprobleme, die beim Verstehen, Erlernen und beim Gebrauchen des neuen Wortschatzes vor-kommen können, antizipiert. Aufgrund ihrer fachlichen Kenntnisse wird die Unterrichtseinheit, in der Wortschatzarbeit praktiziert wird, geplant.

• Die nächste Phase für die Lehrperson ist die Arbeit mit dem Wortschatz.

Diese Phase wird mit den Lernenden im Unterricht durchgeführt.

• Anschließend erfolgt die Reflexionsphase. Die Lehrperson denkt nach, ob die angestrebten Lehr- und Lernziele erreicht wurden, und zieht Schluss-folgerungen für die weitere Planung.

Lernprobleme antizipieren ist eine wichtige Lehrendenkompetenz und spielt in allen Bereichen des Unterrichts eine zentrale Rolle. Lernprobleme sind auf unterschiedliche Gründe zurückzuführen. In Bezug auf die Wortschatzarbeit basiert diese Kompetenz auf bestimmten Erkenntnissen bzw. Fähigkeiten.

Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit sollen im Folgenden die wichtigs-ten Überlegungen unter Bezugnahme auf die einschlägige Fachliteratur (Aguado 2016a,b; Feld-Knapp 2019; Franceschini/Veronesi 2016; Grau 2016;

Grotjahn 2016; Martinez 2016; Pietzuch 2016; Riemer 2016a,b; Schmenk 2016;

Schwerdtfeger 1997; Wolff 1996) aufgezählt werden:

• Lernen wird als ein individueller, konstruktiver Prozess behandelt, der sich auf der Basis der Vorkenntnisse vollzieht und von außen im Grunde nicht beeinflussbar ist (Abschnitt 3).

• Im Unterricht haben die Lernenden unterschiedliche Interessen und Voraussetzungen und gehören unterschiedlichen Lernertypen an. Wort-schatzlernen stellt damit nicht nur eine kognitive Arbeit dar, sondern wird auch durch emotionale Faktoren stark beeinflusst (Abschnitt 3).

• Beim Erlernen einer Fremdsprache spielen die subjektiven Einstellungen der Lernenden zu der fremden Sprache und Kultur eine entscheidende Rolle. Daraus resultiert die Motivation, die Sprache erlernen zu wollen.

Motivierte Lernende sind zur Überwindung der Lernschwierigkeiten schneller fähig, deshalb ist die Steigerung der Motivation der Lernenden eine grundlegende Voraussetzung für den Erfolg (s. Abschnitt 3).

• Mit der sprachlichen Handlungsfähigkeit wird differenziert umgegan-gen, die Sprachen werden im Unterricht nicht als ein Fach voneinander getrennt behandelt, sondern im Sinne der Mehrsprachigkeit aufeinander bezogen. Beim Einschätzen des Schwierigkeitsgrades der Wörter sind die unterschiedlichen Erfahrungen im Sprachenlernen zu berücksichtigen, wobei die Reihenfolge der gelernten Sprachen eine ausschlaggebende Rolle spielt. Die sprachlichen Ressourcen der Lernenden stellen für die Veranschaulichung der sprachlichen Vielfalt eine große Chance dar (s. Abschnitt 4).

• Der Schwierigkeitsgrad des zu erlernenden Wortschatzes wird nach un-terschiedlichen Kriterien eingeschätzt. Es gibt Wörter, die schwer auszu-sprechen sind, Wörter mit konkretem Inhalt sind leichter zu erlernen als Wörter mit abstraktem Inhalt, für manche Lernende bedeuten Substantive ein größeres Problem als Verben oder polysemantische Wörter als eindeu-tige Wörter (s. Abschnitt 4). In der Lehrerbildung ist beispielsweise das Erlernen der Fachwörter für viele Studierende ein großes Lernproblem.

• Bei der Wortschatzarbeit ist zwischen den Schwierigkeiten, die das Ler-nen/Speichern betreffen und solchen, die mit dem Gebrauch/der Ver-wendung zusammenhängen, zu unterscheiden (s. Abschnitt 3).

• Bei Bedeutung und Form ist zu beachten, dass sie nicht an sich existieren, sondern erst durch bestimmte innere und äußere Komponenten erkenn-bar und verständlich werden. Zur Bedeutung gehört die semantische Komponente, die den Sinn eines Wortes festlegt, oder die kombinatorische Komponente, die festlegt, welche Wörter miteinander kombiniert werden können. Zur Form gehört beispielsweise die phonetische Komponente in der gesprochenen Sprache. Dabei kommt beim Hören der auditiven und beim Sprechen der artikulatorischen Komponente eine Rolle zu

• (s. Abschnitt 2).

• Der Wortschatz ist nach unterschiedlichen Größen zu gliedern (s. Ab-schnitt 2).

• Die L1 und die Fremdsprache werden kontrastiv behandelt. Mit Gemein-samkeiten und Unterschieden im Wortschatzbereich zwischen L1 und der Fremdsprache ist bewusst umzugehen (Abschnitt 4).

• Der fremdsprachliche Wortschatz wird für Lernzwecke nach den Krite-rien der Lern-, Brauch- und Verstehbarkeit ausgewählt (s. Abschnitt 4).

Der zweite Schritt für die Lehrperson ist die Durchführung der Wortschatz-arbeit. Die besteht – wie schon erwähnt – aus aufeinander abgestimmten Teilen, die den Erwerbsprozess der Lernenden abbilden.

5�1 Durchführung der Wortschatzarbeit

Die Wortschatzarbeit wird im Unterricht nicht isoliert behandelt, sondern als integrierter Teil der Textarbeit. Bei der Beschreibung der Schrittfolge der Wortschatzarbeit wird ebenfalls auf die einschlägige Fachliteratur zurückge-griffen (ausführlicher dargestellt z.B. bei Bohn 2001; Doyé 1975; Feilke 2009;

Kühn 2010; Neveling 2016).

• Der Wortschatz wird anhand eines Inputs präsentiert.

Die Inputfunktion können Lehrwerke, Texte oder Medien erfüllen. Anhand des Inputs findet die erste Begegnung der Lernenden mit der zu erlernenden Sprache statt. Der Input wird im mündlichen oder im schriftlichen Bereich als Muster für die Fremdsprache wahrgenommen. Darüber hinaus erfüllt der Input eine weitere Funktion: er bietet für die Lernenden Inhalte, Mitteilungen an. Muster- und Mitteilungsfunktionen hängen eng miteinander zusammen.

Der Input ist Ausgangspunkt für unterschiedliche Lehrverfahren, so wird er z.B. beim Lese- oder Grammatikunterricht oder für die Wortschatzarbeit ge-nutzt (s. Abschnitt 4).

Der Input enthält für die Lernenden unbekannte Wörter, die strukturell und semantisch erschlossen und verstanden werden müssen, denn nur in diesem Fall können die weiteren Schritte der Wortschatzarbeit fortgeführt werden. Die Arbeit mit dem Wortschatz kann durch eine Vorentlastungsphase erleichtert werden: Noch vor der Darbietung des Inputtextes sollten sprachlich oder in-haltlich besonders problematische Wörter thematisiert werden, um den Weg für das Textverstehen vorzubereiten.

• Erschließung der Bedeutung neuer Wörter kann anhand von nichtsprach-lichen und sprachnichtsprach-lichen Verfahren erfolgen.

Die Bedeutung kann anhand von nichtsprachlichen Verfahren ohne Erklärung der Lehrperson erfolgen, diese Begriffe können die Lernenden aufgrund ihres Alltagswissens leicht verstehen. Andere werden von der Lehrperson moderiert oder demonstriert. Diese Zeigeverfahren kommen im Anfängerunterricht häufig vor. Solche sind zum Beispiel Piktogramme, Verkehrszeichen, usw.

Die sprachlichen Verfahren können einsprachig oder zweisprachig durch-geführt werden:

a) einsprachige Verfahren ∙ Kontext

∙ paradigmatische Beziehungen (Synonyme, Antonyme, Wortbildungskenntnisse, Reihen)

∙ logisch-begriffliche Beziehungen (Hierarchisierungen, Analogieschlüsse, Gleichungen)

∙ Umschreibungen (Definitionen, Beispielsätze, Paraphrasen) b) zweisprachige Verfahren

∙ Übersetzung

∙ Wortähnlichkeiten zwischen Mutter- und Fremdsprache ∙ Internationalismen.

Diese unterschiedlichen Verfahren für die Erschließung der Bedeutung sollten miteinander kombiniert werden. Welche konkret ausgewählt und eingesetzt werden, entscheidet sich individuell vor Ort. Wichtig ist dabei vor allem, dass Lehrende diese Vielfalt an Möglichkeiten kennen, um die effektivsten Optionen für die jeweilige Gruppe auszuwählen. In dieser Phase werden selbstverständlich die Inhaltswörter bearbeitet, die zwecks Erschließung ihrer Bedeutung für die weitere Arbeit notwendig sind. Die Funktionswörter werden diskutiert, wenn es darum geht, wie die einzelnen Wörter und Sätze innerhalb des Textes mitei-nander grammatisch verbunden werden. Im Falle der Funktionswörter geht es also nicht um die Bedeutung, sondern um ihre Leistung für das Verstehen des Textes. Sie leiten die Aufmerksamkeit der Leser. Die Funktion dieser Wörter bewusst zu machen ist eine ebenso wichtige Aufgabe wie die Erschließung der Bedeutung der Inhaltswörter (s. Abschnitt 2; zum Thema textuelle Funktion von Wörtern vgl. z.B. Ehlich 2007; Feld-Knapp 2014b, 2016a; Perge 2018. Zu den Lesestrategien vgl. z.B. bei Ehlers 1996, 1998; Feld-Knapp 2005, 2014b;

Lutjeharms 2010; Perge 2014; Portmann 2002; Schmölzer-Eibinger 2008.).

Der Umgang mit dem Text verlangt also ein strategisches Verhalten von den Lernenden, das zwischen den Sprachen transferiert werden kann, damit bietet jede Beschäftigung mit Texten eine Chance für die Entwicklung der individuellen Mehrsprachigkeit.

Verständniskontrolle

Verständniskontrolle ist eine Voraussetzung für die weitere Arbeit, sie ist ein unabdingbarer Schritt, der keinesfalls übersprungen werden darf.

Die Lernenden müssen den Inhalt der neuen Wörter verstanden ha-ben, sonst hat die Weiterführung der Wortschatzarbeit keinen Sinn. Bei der Verständniskontrolle werden die gleichen Verfahren wie bei der Erschließung der Bedeutung genutzt. Sie ist somit eine Umkehrung der Bedeutungserschließung. In dieser Phase können gleichfalls nonverbale und sprachliche Verfahren eingesetzt werden.

Wortschatz lernen und einprägen

Das Erlernen der neuen Wörter vollzieht sich nicht automatisch nach der Semantisierung, meistens bleiben sie nur im Kurzzeitgedächtnis und werden nicht behalten, müssen deshalb bewusst gelernt werden.

Lange Zeit wurde Wörterlernen im Paar-Assoziationsverfahren durchge-führt, indem die Wörter in zwei Spalten auf Deutsch und in der muttersprach-lichen Übersetzung im Heft aufgeschrieben wurden. Das Wort galt als gelernt, wenn die abgedeckte Entsprechung wiedergegeben wurde.

Dieses Verfahren ist zwar längst überholt. Im Unterricht haben wir es al-lerdings mit unterschiedlichen Lernertypen zu tun, daher kann auch dieses Verfahren nicht völlig ausgeklammert werden, wenn es zielführend ist.

Aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse der Psycholinguistik (s. Abschnitt 3) sowie in der letzten Zeit vor allem aus dem Bereich der Neurolinguistik werden in der Fremdsprachendidaktik verschiedene Ansätze formuliert, deren Beachtung das Lernen und Einprägen der neuen Wörter unterstützen kann und in denen verschiedene Aspekte der Optimierung des Wortschatzlernens behandelt werden. Für die Lehrenden sind diese Ansätze von großer Bedeutung, sie können sie variieren und den Unterricht lerner-orientiert gestalten (s. Abschnitt 3):

∙ Gehirngerechtes Lernen ermöglichen bedeutet, dass beim Wortschatzlernen die Funktion beider Gehirnhälften mitberück-sichtigt werden. Die linke Gehirnhälfte ist für Logik, Kausalität und analytisches Denken, die rechte Hemisphäre für situatives Verstehen, Gefühle, Bildhaftigkeit usw. zuständig. Der neue Wortschatz sollte folglich nicht nur die kognitive Arbeit anregen, sondern möglichst auch so erarbeitet und erworben werden, dass dadurch die verschie-denen Sinne und die Kreativität der Lernenden angesprochen wer-den (s. Abschnitt 3).

∙ Vernetztes Lernen greift den Gedanken auf, dass unser Denken durch zwei Prozesse (Assoziieren und Ordnen) geprägt ist. Die Wörter wer-den miteinander verknüpft und bilwer-den Netzwerke nach bestimmten Ordnungsprinzipien (s. Abschnitt 3). Im Unterricht sollten demnach

Wörter nicht als Einzelwörter ohne Zusammenhang, sondern text-bezogen gelernt werden. Zum Wortwissen gehören nicht nur die Bedeutungen einzelner Wörter, sondern auch die Beziehungen zwi-schen ihnen.

∙ Mehrkanaliges, ganzheitliches Lernen zeichnet sich dadurch aus, dass möglichst viele Sinne bzw. Kanäle – d.h. nicht nur Sehen und Hören, sondern auch Anfassen, Berühren, Riechen, Schmecken – für die Wahrnehmung der zu erlernenden Wörter angeboten werden.

Wortschatzlernen erfolgt nicht nur im Rahmen des gesteuerten Unterrichts, sondern auch außerhalb, von den Lernenden selbst organisiert und praktiziert.

Das Wortschatzlernen verlangt ein autonomes Verhalten und ein strategisches Denken von den Lernenden. Dazu dienen die verschiedenen Mnemotechniken, wie z.B. Eselsbrücken und Merkverse für das Einprägen von Funktionswörtern, die Schüsselwortmethode, in der das fremde Wort an ein ähnlich klingelndes muttersprachliches Wort gebunden wird, oder die Loci-Methode, bei der der Lernende das neue Wort mit Räumlichkeiten verbindet. Assoziationen, Visualisierungen oder das Spiel mit guten und falschen Freunden erleichtern das Einprägen des zu erlernenden Wortes. Ein besonders großes Potenzial für das Wortschatzlernen stellt dar, wenn die Wörter in unterschiedlichen Sprachen miteinander in Verbindung gebracht werden (Perge 2019).

Während des Unterrichts haben Lehrende gleichfalls viele Möglichkeiten, ihre Lernenden beim Wortschatzlernen zu unterstützen, wie z.B. durch die Verwendung von Wortschatzkarteien oder Mindmapping. Eine beson-ders wichtige Aufgabe für die Lehrenden ist die explizite Behandlung von Lernstrategien und Lerntechniken und die Befähigung der Lernenden für den Umgang mit einsprachigen und zweisprachigen Wörterbüchern (Bimmel 2012; Rampillon 2006).

• Üben und Anwenden

Üben und Anwenden erfolgen anhand von Übungen und Aufgaben, zwei zentrale Elemente des Sprachunterrichts. Aufgaben strukturieren den Lernprozess, zugleich zielen sie auf eine Lösung, einen „output“, auf das Können ab. Aufgaben sollten derart formuliert werden, dass Lernprozesse in Gang kommen, die die Lernenden in ihrem Lernverhalten nicht völlig vorpro-grammieren, sondern von ihnen mitgedacht und mitgestaltet werden können.

Lernende sollen ihren eigenen Lernprozess selbst organisieren, Ziele erkennen und selbständig Lösungswege suchen. Aufgaben sind also als Arbeitsvorhaben zu verstehen. Dabei geht es um die folgenden Fragen: Was ist zu tun? Was

brauchen wir dazu? Wie gehen wir vor? Wie arbeiten wir zusammen? Was und wie haben wir es gemacht?

Übungen und Aufgaben sind im fremdsprachlichen Lernprozess kei-ne Gegensätze, sondern sie ergänzen sich gegenseitig. Eikei-ne Übung ist eikei-ne Handlung der Lernenden, in deren Verlauf er identische oder ähnliche Sachverhalte immer wieder lernt, um sie zu behalten und für den eigenen produktiven Umgang zur Verfügung zu haben. Die Übung beeinflusst also das Lernen und Behalten dadurch, dass sie die kognitive Struktur modifiziert.

Allgemein ausgedrückt vergrößert sie die Stabilität und Deutlichkeit neuge-lernter Sinnbedeutungen in der kognitiven Struktur.

In jeder fremdsprachendidaktischen Epoche waren Autoren bestrebt, Übungsformen und Übungstypen zu einer sinnvollen, unmittelbar einsetzbaren Übungstypologie zu vereinigen (Doyé 1988; Funk et. al. 2014; Häussermann/

Piepho 1996). In diesem Bereich haben sich einige didaktische Prinzipien etabliert, die im Unterricht dem Üben und Anwenden zugrunde liegen:

∙ Der Wortschatz sollte systematisch geübt werden, d.h. die Wortschatzarbeit sollte Übungen anbieten, die kommunikative und kognitive Aktivitäten zulassen und in einer Progression vom Einfacheren zum Komplexeren gehen.

∙ Der Wortschatz sollte wirklichkeitsnahe Aktivitäten ermöglichen, um Situationen zu schaffen, in die sich die Lernenden hineinverset-zen können.

∙ Übungen sollten paradigmatisch orientierte Aktivitäten und syntag-matisch orientierte Aktivitäten miteinander kombiniert ermöglichen.

∙ Übungen sollten im Sinne der Lernerorientierung differenziert an-geboten werden.

∙ Es gibt einen Unterschied zwischen Übungen für Anfänger und für Fortgeschrittene, da Letztere neue Wörter immer bewusster lernen, um kommunikativ tätig werden zu können. Auf diesem Niveau kön-nen sie immer selbstständiger mit der Sprache umgehen und ihren potenziellen Wortschatz ausbauen.

In den letzten Jahrzehnten hat der Stellenwert der Aufgaben im Fremdsprachenunterricht auf Kosten der Übungen zugenommen: „Aufgaben sind ein höchst anspruchsvolles Instrument des Lehrens, ein professioneller Umgang mit ihnen verlangt nicht nur didaktisches Talent, sondern auch ein hohes Maß an Wissen und Einsicht“ (Portmann-Tselikas 2006: 187).

In der Fremdsprachendidaktik hat sich ein neues Designkonzept etabliert (Portmann 1997: 220), zu der zwar keine einheitliche Auffassung vorhanden

ist, aber eine Reihe seiner Vertreter stimmt darin überein, dass der aufgaben- orientierte Ansatz „sich gegen einen formorientierten Fremdsprachenunter-richt wendet und sich am ‚realen‘ kommunikativen Sprachgebrauch orien- tiert“ (Bredella 2006: 18). Krumm schreibt der pädagogischen Sicht auf Aufgaben für das Sprachenlernen eine zentrale Rolle zu:

Aus dieser Sicht stellen Aufgaben eine Arbeitsform dar, die im Gegensatz zu lehrerzentrierten Arbeitsformen im Wesentlichen als eine Aktivitätsform der Lernenden verstanden wird: Beim Bearbeiten und Lösen einer Lernaufgabe mo-bilisieren die Lernenden ihre sprachlichen Ressourcen, erproben und entwickeln auch soziale Kompetenzen (z.B. die Kooperation) und erhalten bei Lösung der Aufgabe ein positives Feedback. In diesem Sinne sind Aufgaben ganz unmittelbar mit handlungsorientierten Unterrichtskonzepten und dem Konzept der Lerner-autonomie verbunden. (Krumm 2006: 123)

Aufgabenorientierung im Fremdsprachenunterricht bedeutet demnach, dass eine Aufgabe als eine inhaltlich und sprachlich abgeschlossene Lernaktivität gilt, die sprachliches Handeln erfordert. Die zur Erreichung der Lehr- und Lernziele benutzte Sprache muss vor allem bedeutungstragend sein (Burwitz-Melzer 2006: 25–27; Feld-Knapp 2016b).

Im Sinne des aufgabenorientierten Ansatzes geht es damit um einen erweiter-ten Aufgabenbegriff, der sich vom Konzept des GER unterscheidet (Europarat 2001: 153). Durch den GER wird ein Fremdsprachenunterricht initiiert, der sich auf den Ausbau einzelner Fertigkeiten fokussiert und Aufgaben dement-sprechend bestimmt, um Bildungs- und Prüfungsinhalte zu standardisieren.

Aufgaben sollten dagegen so gestellt werden, dass ihre Bewältigung jeweils relevante sprachliche Fertigkeiten ins Spiel bringt und eventuell erweitert (Thonhauser 2008: 94).

Für das Üben und Anwenden gibt es viele Möglichkeiten im Unterricht oder außerhalb des Unterrichts (Kertes 2015). Je fortgeschrittener die sprachliche Entwicklung der Lernenden ist, desto weniger sind sie auf gesteuerte Formen des Übens und Anwendens unter institutionellen Bedingungen angewiesen.

Zum Schluss seien noch die vielen Potenziale der Neuen Medien erwähnt.

Dieses Thema wird in der letzten Zeit in der einschlägigen Fachliteratur viel thematisiert (Dringó-Horváth 2016; Rösler 2010; Würffel 2018).

5�2 Reflexionsphase, Schlussfolgerungen ziehen

Nach der Durchführung der Wortschatzarbeit sollte von der Lehrperson ein wichtiger Schritt vorgenommen werden, in dem sie die Arbeit erneut ganz-heitlich betrachtet und über die Verwirklichung der gesetzten Lehr- und Lernziele nachdenkt. Der Prozess der Arbeit, die Wirksamkeit der eingesetzten

Verfahren sollten hier überprüft und die Lehr- und Lernprozesse diagnosti-ziert werden. Die Diagnose kann eine Bestätigung bedeuten oder fungiert als Ausgangspunkt für die Therapie und wird bei der weiteren Planung genutzt.

Die Arbeit mit dem Wortschatz gilt als erfolgreich, wenn der neue Wortschatz von den Lernenden in ihren rezeptiven und produktiven Sprachhandlungen im mündlichen und schriftlichen Bereich sichtbar wird.

Für die Überprüfung des Lernzuwachses gibt es viele Möglichkeiten für die Lehrenden, die sie mit der Zeit variieren können. Sie dürfen jedoch nie davon ausgehen, dass die Lernangebote von allen Lernenden vollkommen angenommen werden. Sie sollten mit den Ergebnissen differenziert umge-hen, die einzelnen Lernenden an ihren eigenen Fortschritten messen und die

Für die Überprüfung des Lernzuwachses gibt es viele Möglichkeiten für die Lehrenden, die sie mit der Zeit variieren können. Sie dürfen jedoch nie davon ausgehen, dass die Lernangebote von allen Lernenden vollkommen angenommen werden. Sie sollten mit den Ergebnissen differenziert umge-hen, die einzelnen Lernenden an ihren eigenen Fortschritten messen und die

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