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2 Wahlen und Wahlkampf

2.2 First- and second-order elections-Modell im Kontext der EU-Wahl

2.5.1 Unterschied Wahlkampfkommunikation

Unterschiede in der Wahlkampfkommunikation zwischen Haupt- und Nebenwahlen, im konkreten Fall den Nationalratswahlen und den EU-Wahlen in Österreich, lassen sich in drei Dimensionen feststellen: Einerseits unterscheiden sie sich in Bezug auf organisatorische und strukturelle Aspekte, andererseits hinsichtlich des Politischen Themenmanagements und schließlich hinsichtlich der politischen AkteurInnen.

2.5.1.1 Organisation und Struktur

Zahlreiche vergleichende Analysen haben bestätigt, dass es sich bei EU-Wahlkämpfen um low-key campaigns handelt. Folgende Merkmale können festgehalten werden (Höller, 2013, S. 35;

Tenscher, 2005b, S. 11):

• Wahlkampfbudget und Dauer des Wahlkampfes: Die Ausgaben sind bei EU-Wahlkämpfen niedriger als bei first-order campaigns und dauern kürzer

• Kampagnenstäbe: Immer noch überschaubare, wenig ausdifferenzierte Kampagnenstäbe mit einer weniger umfangreichen Einbindung externer ExpertInnen und ein unterentwickeltes Ereignis- und Newsmanagement

• Instrumente: Bei EU-Wahlen liegt der Fokus auf den direkten Wahlkampfmitteln, also den massenwirksamen ‚paid media‘ (z.B. Plakate, Inserate, Wahlkampfveranstaltungen). Diese kommen jedoch insgesamt weniger zum Einsatz als bei Hauptwahlen, was in direktem Zusammenhang mit dem geringeren Wahlbudget zu betrachten ist. (Tenscher, 2005, S. 11). Hinzu kommt, dass kostenintensive Narrowcasting-Aktivitäten ebenso selten sind „wie ein aufwändiges Ereignis- und Newsmanagement oder das Spielen auf der multimedialen Kalviatur“

(Tenscher, 2011, S. 23).

All diese Aspekte legen den Schluss nahe, dass der Professionalisierungsgrad der EU-Wahlkampagnen hinter dem von nationalen Wahlkämpfen zurückbleibt. Was die inhaltlichen Merkmale anbelangt, so sind vor allem folgende Trends festzustellen.

2.5.1.2 Themenmanagement

2.5.1.2.1 Nationalisierung

Schon seit der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament steht der europäische Charakter des Wahlkampfes in Zweifel. Einer der Gründe ist möglicherweise darin zu suchen, dass die EU-Wahl nicht als gesamteuropäische Wahl organisiert wird, denn die Abgeordneten werden in jedem Mitgliedsstaat getrennt gewählt und treten nicht auf EU-weiten Parteilisten an. Damit liegt die Entwicklung der Wahlkampfstrategie bei den nationalen Parteien. Eine grenzüberschreitende Koordination fand in der Vergangenheit bei den einzelnen europäischen Parteifamilien in unterschiedlicher Intensität statt. Sie war jedoch generell schwach ausgeprägt.

Was den Umgang mit Themen seitens der Parteien angeht, so werden diese zumeist aus einem nationalen Blickwinkel betrachtet, und es kommen vor allem nationale AkteurInnen zu Wort. Für Tenscher (2005, S. 13) kommt es zusätzlich auch zu einer Domestizierung EU-spezifischer Themen. Die Dominanz nationaler Themen kann an zwei Indikatoren festgemacht werden. Einerseits wenn im EU-Wahlkampf vorrangig nationales Framing anstatt eines europäischen Framings festzustellen ist. Das bedeutet, dass beispielsweise politische Erfolge auf der nationalen Ebene hervorgehoben werden, auch wenn es sich um die Implementierung europäischen Rechts handelt. Andererseits können europäische Themen ein nationales Framing erhalten. So kann etwa der Beitritt der Türkei zur EU vor allem hinsichtlich der Folgen für Österreich dargestellt werden und damit einen domestic focus erhalten (Höller, 2013, S.

321). Der zweite Indikator für eine nationale Themendominanz ist dann gegeben, wenn den gleichen Themen dieselbe Relevanz in nationalen als auch EU-Wahlen eingeräumt wird, obwohl thematische Schwerpunkte und Kompetenzen zwischen nationaler und EU-Ebene variieren (John & Werner, 2016, S. 28–29).

„Die Dominanz des nationalen Framings resultiert aus dem großen Einfluss der nationalen politischen Agenda auf das Wahlverhalten bei Europawahlen und aus den institutionellen Besonderheiten der Europawahlen, die einen nationalen Wettbewerb implizieren.“

(Brunsbach, John, Volkens, & Werner, 2011, S. 45).

Auch Höller kommt in ihrem Vergleich zwischen EU-Wahl 2009 und Nationalratswahl 2008 in Österreich zur Erkenntnis, dass der Themenschwerpunkt eindeutig auf nationalen Themen liegt (Höller, 2013, S. 315). Selbst der Pro-Europäer Jürgen Habermas kommt noch im Jahr 2010 in seinem Artikel ‚Wir brauchen Europa‘ in der Wochenzeitung Die Zeit zu einem ernüchternden Urteil, wenn er meint: „Bisher hat es in keinem Land auch nur eine einzige Europawahl oder ein einziges Referendum gegeben, in denen über etwas anderes als über nationale Themen und Tickets entschieden worden wäre.“ (Habermas, 2010).

2.5.1.2.2 Konflikt und Frames

Hinter diesem Merkmal steht die Überlegung, dass bei EU-Wahlen zwischen den Parteien und ihren KandidatInnen weniger kontrovers diskutiert wird. Dramatisierende und konflikt-zentrierte Darstellungen in Wahlkämpfen steigern sowohl das Interesse der Medien als auch das der WählerInnen an der jeweiligen Wahl. Was wiederum zu einer Steigerung der Wahlbeteiligung führt und damit mobilisierende Wirkung hat. Doch Drama und Konfliktaustragung findet im EU-Wahlkampf wenig statt. Dramatisierende Darstellung bedeutet Emotionalisierung der eigenen Positionen im Wahlkampf, die es den KandidatInnen ermöglicht Werte so zu vermitteln, dass sich WählerInnen direkt angesprochen fühlen.

Zusätzlich entspricht eine dramatisierende Darstellung der Medienlogik, und damit steigt die Wahrscheinlichkeit auf Medienresonanz. Konflikte zwischen den Standpunkten der einzelnen Parteien bzw. KandidatInnen ermöglichen es den WählerInnen Unterschiede zu erkennen.

„Ein politisches System lebt vom argumentativen Schlagabtausch.“ (Weidenfeld & Ratka, 2011, S. 209). Das ist der Lebensnerv jeder vitalen Demokratie. „Konkurrierende europapolitische Ideen werden weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene ausreichend angeboten und im politischen Raum diskutiert.“ (Weidenfeld & Ratka, 2011, S.

209) Damit findet weder ein öffentlicher noch medialer Meinungsbildungsprozess zu europäischen Themen statt.

Der Kern dieses - aus wahlkampftechnischer Sicht betrachtet - Defizites liegt in der strukturell auf Konsens ausgelegten EU, und das ist nicht nur in Wahlkampfzeiten relevant. Mittag (2011, S. 17) sieht aufgrund des fehlenden Differenzierungspotentials von Parteisystemen in Europa einen Grund dafür, dass bei der Themensetzung bei EU-Wahlen nur in Ansätzen ein

Auch hinsichtlich der handelnden politischen AkteurInnen sind Unterschiede zwischen Haupt- und Nebenwahlen festzustellen.

2.5.1.3 Politische AkteurInnen

„Wer Politik verstehbar gestalten will, der muss ihr konkrete Gesichter geben.“ (Weidenfeld

& Ratka, 2011, S. 209). Personalisierung heißt dieses Erfolgsrezept auf nationaler Ebene, das allerdings auf der EU-Ebene zu wenig berücksichtigt wird. Dabei sind Personalisierung und die Aufstellung der KandidatInnen untrennbar miteinander verbunden. Häufig sind EU-SpitzenkandidatInnen in der Öffentlichkeit wenig bekannt, dadurch wird ihnen auch in der Wahlkampfkommunikation – im Vergleich zu nationalen Wahlen – ein geringerer Stellenwert eingeräumt (siehe dazu Kapitel 2.5.2). Demzufolge liegt die Personalisierung in EU-Wahlkämpfen hinter jener der nationalen Wahlkämpfe. Wenn Personalisierung als Wahlkampf-Strategie gewählt wird, dann kommen häufig bekannte, nationale PolitikerInnen zum Einsatz, was wiederum das Argument der Nationalisierung unterstützt (Weidenfeld &

Ratka, 2011, S. 209–210).

Höller fasst die Unterschiede zwischen Nationalratswahl und EU-Wahl hinsichtlich Personalisierung kompakt zusammen und stellt fest: „Bei den Europawahlen erfolgt die Wahlentscheidung früher und das Wahlverhalten ist weniger personalisiert.“ (Höller, 2013, S.

117).