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3 Politisches Themenmanagement

3.4 Massenmedien und ihre Rolle

3.4.1 Funktionen der Massenmedien

Medien konstruieren - mehr oder weniger objektive - Wirklichkeit für den/die einzelne/n und für die Gesellschaft insgesamt, die von dieser, trotz des von Luhmann aufgezeigten

Manipulationsverdachtes als solche wahrgenommen wird. Damit werden die Medien zur vorrangigen Informationsquelle. Dieses Verständnis der Wirklichkeit hilft dem Einzelnen oder der Einzelnen auch sich sozial zu orientieren und sich in der Gesellschaft zu integrieren (Russmann, 2007, S. 50). Abgesehen davon reduziert das Mediensystem in vielseitiger Art und Weise die gestiegene gesellschaftliche Komplexität auf nachvollziehbare Sinnstrukturen und stellt damit eine Verhaltensorientierung bereit. Diese ist wiederum eine Voraussetzung für die Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen, wie vor allem Wahlen es sind (Russmann, 2007, S. 155).

Neben der sozialen Orientierungsfunktion erbringen die Massenmedien in modernen Gesellschaften vor allem die zentrale Leistung der Information. Um am politischen Entscheidungsprozess teilnehmen zu können, ja um Teil der demokratischen Gesellschaft zu sein, ist es für jede/n Einzelne/n nötig, dem öffentlichen Geschehen folgen zu können. Das bedeutet politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge zu erkennen und seine/ihre eigene Position in der Gesellschaft zu verstehen und wahrzunehmen. Das gelingt, indem die Massenmedien die dafür nötigen Informationen bereitstellen und Handlungen der politischen AkteurInnen abbilden. Sie berichten folglich über Ereignisse, thematisieren Probleme und stellen damit öffentliche Meinung und letztlich Öffentlichkeit her.

Um die Rolle der Medien zu veranschaulichen, ist die Metapher eines Schaniers (Hellmann, 2003) hilfreich. Die von den Medien gesetzten Themen bzw. Issues dienen zum einen der Öffentlichkeit zur Information und Orientierung. Im Sinne der wechselseitigen Kommunikation zwischen Massenmedien, Publikum und dem politischen System sind sie andererseits auch Indikator für die Entstehung öffentlicher Meinung. „Auf dem Weg in das politische Zentrum haben die Massenmedien die spezifische Aufgabe, die äußerst komplexe Gischt der Meinungsflut, die der Politik vom Publikum aus entgegenbrandet, auf jene Beiträge und Themen zu konzentrieren, die hinreichend viel Aufmerksamkeit verdienen und genug Durchhaltevermögen gegenüber der medialen Beanspruchung besitzen. Das Ergebnis dieser Vorselektion politisch relevanter Themen außerhalb des Publikums ist die öffentliche Meinung.“ (Hellmann, 2003, S. 183).

Das Wechselspiel der Kommunikationsflüsse ist für Luhmann (2000) ebenso ein Merkmal der öffentlichen Meinung. Er vertritt jedoch die Ansicht, dass öffentliche Meinung keinesfalls nur in den Massenmedien erzeugt werde. Es dürfe nicht übersehen werden, „dass die Politik selbst die öffentliche Meinung benutzt und damit auch reproduziert, um ein Medium zu haben, in dem sie auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung operieren, also sich selbst (und nicht wie ein Beobachter erster Ordnung: die Massenmedien) beobachten kann. (…) Was öffentliche Meinung angeht, bekommen die Massenmedien also von politischer Seite immer schon präparierte, auf öffentliche Meinung hin ausgewählte Informationen.“ (Luhmann, 2000, S. 309–310).

Die beschriebene medial geformte Realität entsteht durch Berichte über Themen und Ereignisse. Die Frage, die sich nun stellt: Warum berichten JournalistInnen über manche Themen und Ereignisse und über andere nicht? Nach welchen Kriterien entscheiden sie bei ihrer Auswahl? Die beiden dafür relevanten Prozesse sind die der Nachrichtenselektion und des Framings. Beides wird in nachfolgenden Kapiteln dargestellt.

3.4.2 Nachrichtenselektion

Die Selektionsmechanismen, anhand derer JournalistInnen Themen auswählen, untersuchte bereits Lippmann (1922) in seinem Werk ‚Public Opinion‘, und definierte mehrere Merkmale, die den Nachrichtenwert von Ereignissen und Themen bestimmen. Es gab seither verschiedene Ansätze zur Erforschung der Auswahlkriterien, die ineinander übergreifen und einander ergänzen. Im Gatekeeper-Ansatz stehen JournalistInnen als Individuen mit ihren Vorlieben und Einstellungen im Zentrum. In diesem Ansatz, der in den 1950er Jahren in den USA seinen Ursprung hat und an den zahlreiche Studien anknüpften, konnten letztlich folgende Faktoren herausgefunden werden, die Einfluss auf die journalistische Auswahl haben: „Wertvorstellungen und Sozialisation des einzelnen Journalisten, Quellen, organisatorische Restriktionen und Routinen (Deadlines etc.), berufsbezogene Ideologien, Eigentümerverhältnisse (Redaktions- und Verlagsrichtlinien) sowie gesetzliche Restriktionen.“

(Rhomberg, 2009, S. 119).

Der Auswahlprozess im Journalismus kann als eine „Fertigkeit, die im Laufe der beruflichen Sozialisation erworben wird“ betrachtet werden (Eichhorn, 2005, S. 128). Berufliche

Sozialisation sorgt also dafür, dass JournalistInnen Issues und Ereignisse in ähnlicher Art wahrnehmen.

Stand bei der Gatekeeper-Forschung der Journalist/die Journalistin als Individuum im Zentrum, so widmet sich die Erforschung der Nachrichtenfaktoren und Nachrichtenwerte in der sogenannten ‚Nachrichtenwerttheorie‘ stärker den Gemeinsamkeiten im Selektionsprozess. Zentral sind dabei die Erkenntnisse von Galtung und Ruge (1965), die eine Liste an Nachrichtenfaktoren entwickelten, die neben den politischen (Zensur, Propaganda), wirtschaftlichen und organisatorischen (Redaktion) Bedingungen entscheidend dafür sind, welche Themen und Ereignisse berichtenswert sind und welche nicht. Diese Liste erfuhr im Zuge der darauffolgenden empirischen Studien Erweiterungen und Ergänzungen und wird nachfolgend in der Form dargestellt, in der sie für diese Arbeit angewandt wird.

Abbildung 6: Nachrichtenfaktoren

Quelle: (Galtung & Ruge, 1965, S. 70–71; Jäckel, 2011, S. 224; Merten, 2007, S. 15)

Das Zusammenwirken der Nachrichtenfaktoren erhöht, laut Galtung und Ruge (1965), die Wahrscheinlichkeit von JournalistInnen ausgewählt zu werden:

• Additivität: Je mehr Nachrichtenfaktoren auf ein Ereignis zutreffen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zur Nachricht wird und sogar Schlagzeilen bekommt.

• Komplementarität: Wenn ein Ereignis eines oder einige der Kriterien überhaupt nicht oder nur in geringem Maße erfüllt, kann dies durch einen hohen Wert eines anderen Faktors ausgeglichen werden und das Ereignis immer noch berichtenswert sein.

• Exklusion: Wenn auf das Ereignis zu wenige oder gar keine Nachrichtenfaktoren zutreffen, wird nicht darüber berichtet.

Schulz (2011, S. 90–100), der sich ebenfalls mit Untersuchungen im Feld der Nachrichtenwerttheorie beschäftigt, räumt folgenden Faktoren den größten Einfluss auf den Nachrichtenwert ein: Für ihn haben Thematisierung (je näher ein Ereignis an ein großes, langfristiges und eingeführtes Thema heran gebracht werden kann) und Relevanz (je mehr Betroffene und je höher der Grad der existentiellen Bedeutung eines Ereignisses) die größten Chancen von JournalistInnen in die Berichterstattung aufgenommen zu werden.

Themenselektion hat eine positive und eine negative Seite, es bedeutet demnach immer auch eine Nichtselektion von Themen, oder auch „unmarked space“ der Welt im übrigen (Luhmann, 2009, S. 53). Es kann in Einzelfällen zu einem aufgestauten Thematisierungsdruck mit politisch fatalen Folgen kommen (Rhomberg, 2008, S. 158).

Alle Theorie-Ansätze, sowohl jene, die JournalistInnen als Individuen betrachten, als auch die Nachrichtenwert-Theorie unterstellen, dass JournalistInnen UrheberInnen von Medieninhalten sind und lassen außer Acht, dass Ereignisse, Themen und Sachverhalte an JournalistInnen ‚herangetragen‘ werden. Das öffnet die Frage, wie Themen entstehen und in die Wahrnehmung der JournalistInnen geraten. Dazu lohnt es, sich nachfolgend mit dem Verhältnis von Journalismus zu den AkteurInnen des politischen Systems zu beschäftigen.