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2 Wahlen und Wahlkampf

2.1.3 Rational Choice-Ansatz

Der Rational Choice-Ansatz geht auf Anthony Downs´ Werk ‚An Economic Theory of Democracy‘ aus dem Jahr 1956 zurück, das 1968 in der deutschen Übersetzung von Rudolf Wildenmann als ‚Ökonomische Theorie der Demokratie‘ (Downs, 1968) erschienen ist. Er überträgt darin Methoden und zentrale Kernelemente der Ökonomie auf die Politik. Downs geht davon aus, dass PolitikerInnen, Parteien und WählerInnen sich so verhalten wie rational geleitete Markt-AkteurInnen. Es würden Wählerstimmen gegen die Umsetzung von politischen Vorhaben und Positionen getauscht (Arzheimer & Schmitt, 2014, S. 340). Für Downs ist jemand ein rationaler Mensch, wenn er sich wie folgt verhält: „(1) wenn er vor eine Reihe von Alternativen gestellt wird, ist er stets imstande, eine Entscheidung zu treffen; (2) er ordnet alle Alternativen, denen er gegenübersteht, nach seinen Präferenzen so, dass jede im Hinblick auf jede andere entweder vorgezogen wird oder indifferent oder weniger wünschenswert ist; (3) seine Präferenzrangordnung ist transitiv; (4) er wählt aus den möglichen Alternativen stets jene aus, die in seiner Präferenzordnung den höchsten Rang einnimmt; (5) er trifft, wenn er vor den gleichen Alternativen steht, immer die gleiche Entscheidung.“ Alle rationalen Entscheidungsträger, ob politische Parteien, Interessengruppen und Regierungen, würden diese Eigenschaften besitzen (Downs, 1968, S.

6).

Rationalität bezieht sich dabei auf die Handlungsprozesse und nicht auf deren Ziele. Es könne also das Verhalten nicht an seinen Resultaten geprüft werden. Und weitergedacht: Ob die Ziele eines Entscheidungsträgers rational sind, kann mit dem Modell nicht erhoben werden.

Es geht ausschließlich darum, festzustellen, worin sie bestehen, damit herausgefunden werden kann, welches Verhalten - bei der Zielerreichung - rational ist (Downs, 1968, S. 6).

WählerInnen und Parteien verfolgen, entlang der oben beschriebenen Grundregeln, unterschiedliche Ziele. Es haben sich im Anschluss an Downs´ Studie drei verschiedene Modelle zur Beschreibung des Verhaltens von Parteien herauskristallisiert. Beim ersten Modell der voter-seeking-party geht es darum die Stimmenzahl zu maximieren, um so an die Regierung zu kommen. Dieses Modell ist beim Großteil der Parteien vorherrschend und kann als Hauptziel festgehalten werden. Beim zweiten Ansatz, dem Modell der office-seeking-party, wird davon ausgegangen, dass eine Partei nicht notgedrungen den eigenen Wahlerfolg maximieren muss, um möglichst viele politische Funktionen übernehmen zu können. So können sich Parteien darauf konzentrieren durch geschickte Koalitionsverhandlungen eine überproportional große Zahl von Posten in der Regierung zu erhalten. Beim dritten Modell – das Downs für eine ausgeschlossene Möglichkeit hält – hat eine Partei primär Interesse daran, politische Ziele umzusetzen (policy-seeking-party). Auch in diesem Fall ist nicht zwingend davon auszugehen, dass die Partei versucht, ihren Stimmanteil zu maximieren (Arzheimer &

Schmitt, 2014, S. 342).

Das Ziel der WählerInnen hingegen ist es, einen möglichst hohen Nutzen aus der Tätigkeit der Regierung zu lukrieren, das bedeutet konkret einen hohen Nutzen aus den Entscheidungen der Regierung in einzelnen Sachfragen (Issues) zu erzielen. Um zu erkennen, welche Partei für den einzelnen Wähler oder die einzelne Wählerin den größten Nutzen bringt, errechnet Downs das sogenannte Parteiendifferential. Er bildete dabei die Differenz aus dem tatsächlichen Nutzen, den die Regierungspartei den WählerInnen während der aktuellen Regierungsperiode eingebracht hat, und dem zu erwartenden Nutzen, wäre eine Oppositionspartei für die Dauer der Wahlperiode in Regierungsverantwortung gewesen. Es wäre allerdings nicht wirklich rational, würden die WählerInnen ausschließlich von den Erfahrungen aus der Vergangenheit auf die zukünftige Regierung schließen. Daher wird das

WählerInnen wichtigen Ereignisse der aktuellen Wahlperiode ein, um zu erkennen, welche Entwicklung die Arbeit der Parteien genommen hat. So kann – nach Downs – jede/r WählerIn aus den eigenen Eindrücken mit anderen Regierungen einen Maßstab erarbeiten, der es ihm bzw. ihr ermöglicht die Arbeit der gegenwärtigen Regierungspartei zu beurteilen (Downs, 1968, S. 39–44). WählerInnen stimmen demnach für Parteien, von denen sie sich den größten Nutzen erwarten. Das kann beispielsweise auch eine Partei sein, die im aktuellen Wahlkampf chancenlos ist, von der sich der/die WählerIn jedoch erhofft, dass sie mittel- bis langfristig sein/ihr Nutzeneinkommen erhöht. Er/Sie trägt in diesem Fall mit der eigenen Stimmabgabe aus seiner/ihrer Sicht dazu bei, die Gewinnaussichten künftig zu steigern.

Ein wesentlicher Aspekt für Downs ist der Faktor Unsicherheit, bei dem er nach Relevanz, Intensität und Überwindbarkeit unterscheidet. Der Schlüssel zur Reduktion der Unsicherheit ist Information. Diese hilft die Zuversicht zu erhöhen, die richtige Entscheidung zu treffen.

Allerdings müssen zur Informationsmaximierung knappe Mittel aufgewendet werden. Diese Aufwände (für Information) stehen in direktem Zusammenhang mit dem zu erwartenden Nutzen. Eine Möglichkeit für WählerInnen, den Informationsaufwand bzw. die Informationskosten gering zu halten, sind politische Ideologien. Verhalten sich Parteien entlang der bekannten Ideologien und daher unterschiedlich, ist es für WählerInnen rational, sich von der jeweiligen Ideologie leiten zu lassen. Sie müssen damit nicht bei jeder einzelnen Frage bzw. bei jedem einzelnen Issue eigens überlegen. Auf der anderen Seite ist es auch für Parteien rational begründbar einer bestimmten Ideologie anzuhängen. Eine Partei muss somit nicht bei jeder Sachfrage politische Mehrheiten erheben, sondern sie argumentiert im Einklang mit ihrer Ideologie. Sie ist damit ihrer Ideologie verpflichtet und wird damit für die WählerInnen verlässlich. Denn rationale WählerInnen schätzen Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und damit Ehrlichkeit. (Downs, 1968, S. 93–99)

Verändert eine Partei ihren Standpunkt, dann tut sie das aus der Hoffnung heraus neue WählerInnen anzusprechen. Sie muss allerdings damit rechnen, andere WählerInnen zu verlieren. Wandert eine Partei mit ihrem Standpunkt vom linken oder rechten Rand des politischen Meinungsspektrums in die Mitte, so gewinnt sie möglicherweise WählerInnen, die in diesem Spektrum anzutreffen sind, sie verliert allerdings höchstwahrscheinlich

WählerInnen am jeweiligen Rand. Politische Standortwechsel von Parteien sind demnach mit dem Risiko verbunden, Reputation zu verlieren (Downs, 1968, S. 112–115).

Wie bereits angesprochen, brauchen rationale WählerInnen zu ihrer Entscheidungsfindung Informationen. Diese sind nicht kostenlos zu haben - damit befasst sich der dritte Teil von Downs ‚Ökonomische Theorie der Demokratie‘ (Downs, 1968, S. 202–271). Auch wenn heute Informationen rasch zu bekommen sind, braucht es Zeit diese zu verarbeiten und zu evaluieren. Diese in Zeit ausgedrückten Kosten übersteigen zumeist den zu erwartenden Nutzen. Das lässt den Ansatz von Downs problematisch erscheinen und dieser Punkt ist Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Diskussionen. (Arzheimer & Schmitt, 2014, S. 352) Es ergibt sich im oben angesprochenen Aspekt der Informationsbeschaffung und -evaluierung eine Parallele zum soziopsychologischen Ansatz der Michigan-School. Spricht Downs davon, dass die Orientierung an Partei-Ideologien die Informationskosten für WählerInnen reduziert, so besteht auch für Personen mit einer ausgeprägten Parteiidentifikation – nach der Formulierung in Campbells Studie (Campbell u. a., 1980) – weniger Informationsbedarf und damit Aufwand. Stehen etwa zu bestimmten Sachfragen keine Informationen zur Verfügung oder sind diese nur sehr zeitintensiv zu beschaffen, lassen sich WählerInnen bei der Wahlentscheidung von ihrer Parteiidentifikation leiten.

Eine weitere Möglichkeit der zeiteffizienten Information über Sachfragen bietet der Wahlkampf, der in Kapitel 2.3 behandelt wird.

2.1.3.1 Kritik

Der Hauptkritikpunkt an Downs´ Rational Choice-Ansatz betrifft die Nicht-Auflösbarkeit des Wählerparadoxons. Wie oben beschrieben, besteht der Kern des Rational Choice-Ansatzes darin, dass der Wahlentscheidung eine Kosten- Nutzen-Analyse voran geht. Konkret werden die Kosten in der investierten Zeit vor allem für Informationsbeschaffung angegeben.

Demgegenüber steht ein vergleichsweise geringer Nutzen, aus der ökonomischen Perspektive betrachtet. Im Zentrum des, als Wahlparadoxon beschriebenen, Phänomens steht daher die Frage: Warum soll jemand zur Wahl gehen angesichts der ‚hohen‘ Kosten und einer großen

Zahl an Wahlberechtigten und damit der annähernden Bedeutungslosigkeit der eigenen Stimme (Arzheimer & Schmitt, 2014, S. 333)?