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3 Politisches Themenmanagement

3.2 Issue Management

3.2.1 Definition und Verortung

Issue Management hat seinen Ursprung in den USA. Verwendet und geprägt wurde der Begriff erstmals 1977 von Howard Chase als er in einer Zeit mannigfaltiger gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Umbrüche die Gefahr für Unternehmen erkannte in gesellschaftspolitische Konflikte verstrickt zu werden und damit unternehmensschädigende Konsequenzen zu generieren. Chase definiert Issue Management wie folgt:

„Issue Management is the capacity to understand, mobilize, coordinate, and direct all strategic and policy planning functions, and all public affairs/public relations skills, toward achieving of one objective: meaningful participation in creation of public policy that affects personal and institutional destiny.” (Heath & Palenchar, 2009, S. 14 zitiert nach Chase, 1982, S. 1).

Issue Management ist demnach eine „Antwort auf die steigende Umweltkomplexität in funktional ausdifferenzierten Gesellschaften und auf den wachsenden Legitimationsdruck, unter dem Organisationen heute stehen.“ (Röttger, 2001, S. 11).

Will man das Konzept von Issue Management zuordnen, so gibt es eine betriebswirtschaftliche und eine kommunikationswissenschaftliche Annäherung. Legt letztere einen Schwerpunkt auf die Beziehungsgestaltung zwischen Organisation und Stakeholdern, so steht bei betriebswirtschaftlichen Konzepten „vor allem die strategische Bedeutung von Issues im Kontext der strategischen Unternehmensplanung im Mittelpunkt.“ (Röttger, 2001, S. 15–16).

Der unternehmerische Erfolg hängt in Zukunft vermehrt davon ab, wie Unternehmen und Organisationen sich gegenüber gesellschaftlichen Gruppen mit konkurrierenden und konfliktträchtigen Ansprüchen legitimieren. Hier setzt Issue Management (im betriebswirtschaftlichen Kontext) an, indem es eine Frühwarn-Funktion übernimmt und durch Beobachtung von relevanten Umweltbereichen Informationen über mögliche Themen und Ansprüche von relevanten Stakeholdern liefert, die die Handlungsspielräume der Organisation beeinflussen und die Erreichung der Strategie-Ziele tangieren könnten. Daran schließen zwei

Steuerung von Issues und damit die Beeinflussung der Schadensabwehr oder der Erfolgssicherung. Und andererseits – sollte dies erforderlich werden – die Veränderung der internen Organisationspolitik. Dieser organisationsinternen Erfordernis wird an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen, da sie sich inhaltlich zu weit vom eigentlichen Forschungsinteresse weg bewegt.

Die Frühwarn-Funktion wird jedoch weiter im Blickfeld behalten, verbindet sie doch den betriebswirtschaftlichen, oder auch Ansatz der strategischen Unternehmensführung, mit dem kommunikationswissenschaftlichen Ansatz, der im Fokus dieser Arbeit steht.

Klaus Merten (2001), aus der Kommunikationswissenschaft kommend, definiert Issue Management hinsichtlich seiner Frühwarn-Funktion als „strategisch geplante Entdeckung, Analyse und Behandlung von unvorhersehbar, aber laufend eintretenden Bedingungen mit latenten öffentlichen Wirkungspotentialen in Form von neuen Schlagworten, Ideen, Themen, Ereignissen oder Problemen, die von den Medien thematisiert werden und in dem Maß soziale Wucht und temporale Dynamik entfalten, in dem handlungsrelevante Bezüge zu Personen, Organisationen und Institutionen unterstellt werden.“ (Merten, 2001, S. 41).

Mit einer noch schärferen Eingrenzung auf Public Relations stellt Issue Management eine organisationsbezogene Kommunikationstechnik dar, mit deren Hilfe Organisationen versuchen politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Issues und die dementsprechend bereits eingesetzte oder einsetzende öffentliche Meinungsbildung zu identifizieren oder zu implementieren. Ziel dessen ist es, Nutzen für eine Organisation zu stiften oder zu vermehren und/oder Schaden abzuwehren.

Auf das Anwendungsfeld der politischen Kommunikation übertragen, ist Issue Management der Versuch „institutionsrelevante und gleichzeitig öffentlich relevante Themen zu managen“

(Bentele & Rutsch, 2001, S. 158). Es geht darum, das Entstehen von relevanten Themen in öffentlichen Arenen zu beobachten und auf diese durch aktive Kommunikation Einfluss zu nehmen.

Betrachtet man Issue Management als strategisches Verfahren der Öffentlichkeitsarbeit, so finden sich in der Literatur zwar zahlreiche Hinweise auf die IssueIdentifikation und

-bewertung, es existieren jedoch keine eigenständigen Thematisierungsverfahren, wodurch Chase schon 1977 zum Schluss kommt, dass Issue Management keine „eigenständige Disziplin“ darstellt. So könne Issue Management als Diagnoseverfahren von Issues sowie die darauf aufbauende Strategieentwicklung eingeordnet werden, nicht jedoch fallen konkrete Umsetzungsmaßnahmen ins Kerngebiet des Issue Managements. Diese sind im Aufgabenbereich der Public Relations zu suchen (Röttger, 2001, S. 25–26).

Kritisch wird von einigen ForscherInnen angemerkt, dass Issue-Identifikation und -Analyse immer schon Bestandteil strategischer PR war. Issue Management kann als spezialisiertes Diagnoseverfahren innerhalb der PR und als Zeichen fortschreitender Professionalisierung des Berufsfeldes im Unternehmenskontext gewertet werden (Röttger, 2001, S. 26). Dieser Meinung schließen sich auch Bentele und Rutsch (2001) an, wenn sie von Potentialen für die Zukunft sprechen. Ein weiterer Kritikpunkt, der sich bei zahlreichen AutorInnen findet, ist die Erkenntnis, dass es im Bereich des Issue Management wenig theoretische Verortung gibt.

Beschäftigt sich die empirische Auseinandersetzung mit Issue Management im Unternehmenskontext vor allem mit der Beobachtung und Früherkennung von relevanten Issues und deren (internen und externen) potentiellen Auswirkungen auf das Unternehmen, so stehen bei der PR-affinen Definition die aktiven, vor allem extern gerichteten, Kommunikationstechniken im Zentrum: Das Abwehren von Schäden und das Nutzen von Potentialen.

Im politischen Kontext wurde dem ‚Aufspüren‘ von Themen schon seit langem großes Augenmerk geschenkt, allerdings in einer unstrukturierten, eher auf langen, praktischen Erfahrungswerten der einzelnen politischen AkteurInnen beruhenden Art und Weise. Hier schaffen die Methoden des Issue Managements einen deutlichen Mehrwert. In der Politischen Kommunikation erscheint es sinnvoll, dem Identifizieren von Themen, einem Kernstück des Issue Managements, strategische Kommunikationsmaßnahmen anzuschließen.

Im Rahmen dieser Arbeit ist vor allem das Politische Themenmanagement relevant, das sich über weite Strecken auf die Erkenntnisse des Issue Managements generell stützen kann, aufgrund der spezifischen Rahmenbedingungen jedoch nicht völlig gleich bewertet werden

„Prozess der strategisch geplanten Beobachtung und Analyse, Planung und Ausrichtung, Koordination, Steuerung und Kontrolle von Kommunikation durch Parteien mit dem Anspruch und Ziel, die eigenen Themen (und Positionen) in der Öffentlichkeit durchzusetzen sowie konflikthaltige Themen der öffentlichen Diskussion entsprechend der Ziele der Partei zu beeinflussen“ (Russmann, 2012, S. 146).

Aus Sicht der Parteien selbst Themen zu besetzen und diese von sich aus zu kommunizieren, verhilft dazu proaktiv zu handeln und damit Themenführerschaft zu übernehmen.

Wie zu Beginn dieses Kapitels bereits ausgeführt, kommt Issue Management ursprünglich aus dem Unternehmenskontext. Die theoretische Verortung des Issue Managements wird von zahlreichen AutorInnen als mangelhaft bezeichnet, kann jedoch – und hier ist zumindest eine gewisse Einigkeit festzustellen – im Feld der Public Relations angesiedelt werden. Lütgens (2015, S. 774) identifiziert drei Grundströmungen des Issue Managements:

1. Im systemischen Ansatz dominiert der Wunsch seitens der Unternehmen auf die politischen Entscheidungen Einfluss nehmen zu können, was auch als Lobbying bezeichnet wird.

2. Der strategische Ansatz kommt aus der Betriebswirtschaftslehre bzw. strategischen Unternehmensführung und befasst sich vor allem mit der Früherkennung von Issues.

3. Der rhetorische Ansatz stützt sich vor allem auf die Kommunikationsfunktion und beinhaltet die proaktive, strategische Public Relations.

Der rhetorische Ansatz dient in dieser Arbeit als Basis für weitere Auseinandersetzung mit Issue Management im politischen Kontext. Issue Management definiert dabei einen Begriffsrahmen, der bis dato unterschiedlich oder kaum mit Begriffen befüllt wurde, obgleich Themensetzung eine bekannte Praxis ist und bereits in den ersten empirischen Studien zum Wahlverhalten in den USA in den 50er und 60er Jahren, etwa in den Studien der Michigan School als ‚Sachthemenorientierung‘ (Kapitel 2.1.2), ihren Niederschlag finden.

Den Rahmen des Issue Managements gibt ein Prozess vor, der durch seine Nähe zu klassischen PR-Kampagnen wiederum als Hinweis auf seine theoretische Verortung im rhetorischen Ansatz betrachtet werden kann.