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Christian Wolff verknüpfte in seinem Werk beide Gedankenstränge. Seiner Mei-nung nach sollte es in einem wohlgeordneten Staate ein hierarchisch geordnetes Bildungssystem geben, das in einer praxis-orientierten Akademie der Wissen-schaften gipfeln würde. Er hat diese Auffassung bereits in seinerDeutschen Poli-tikaus dem Jahre 1721 vorgestellt.28Da es sich bei diesem Buch eigentlich um Polizey-Wissenschaft und nicht um Naturrecht handelte, sind hier die Details der Ausgestaltung des Schulsystems und der Akademie der Wissenschaften eigent-lich stärker herausgearbeitet, als in dem viel umfangreicherenJus naturaeaus dem Jahr 1748, wo sich Wolff mehr um eine juristische Begründung des staatlich gelenkten Schulsystems bemühte.

Trotzdem legte Wolff auch hier interessante Begründungen für seine Ansicht vor, dass öffentliche Bildung in Schulen die Aufgabe des Staates sei. Er hat mit der traditionellen Meinung angefangen, dass die Erziehung Aufgabe der Eltern sei. Dies sei dadurch begründet, dass den Kindern auch die Aufgabe obliegt, nach Vollkommenheit des inneren und äußeren Zustandes zu streben, und da sie unfähig seien, sich selbst zu versorgen, müssen dies die Eltern übernehmen.

Die Eltern sorgen für die Mittel der Erhaltung, die Regierung für die Mittel, die gewährleisten, dass die Kinder durch ihre Handlungen nicht sich selbst an der Vervollkommnung hindern.29ImJus naturaeerklärte er die Teilung der Ar-beit deutlicher. Die frühe Erziehung und gemeine Schulen (scholae inferiores) be-sorgen die Erziehung der Sinne (Sehen, Gehör) und niedere Fähigkeiten des Verstandes (Gedächtnis, Einbildungskraft), während höhere Schulen für die Aus-bildung des intellektuellen Vermögens der Vernunft sorgen sollen.30Da die nie-deren Fähigkeiten der Natur allen Menschen innewohnend seien, müsse die Regierung die niedere Bildung auch allen zugänglich machen. Die höheren

26Leibniz: Stiftungs-Brief. In: Ders.: Sämtliche Schriften und Briefe. Bd. IV/8 (16991700).

Berlin 2015, S. 430434.

27Leibniz: General Instruktion. In: Ders.: Sämtliche Schriften (Anm. 26), S. 438485.

28 Wolff: Vernünftige Gedanken von dem gesellschaftlichen Leben der Menschen und inson-derheit dem gemeinen Wesen. München 2004. (weiterhin alsDeutsche Politik). Vgl. Cerman:

Universal Human Rights(Anm. 3), S. 142.

29Wolff: Deutsche Politik (Anm. 28), § 82; Ders.: JN (Anm. 9) VII, § 256.

30 Ders.: JN (Anm. 9) VIII § 434.

Fähigkeiten seien jedoch nur einigen talentierten Personen eigen, und daher sei die höhere Bildung nur für solche begabten Personen zu vermitteln. Diese Begründung erklärte, warum der Ausbau eines allgemein zugänglichen Netz-werks gemeiner Schulen Sache des Naturrechts sei. Wolff zog seine natur-rechtliche Argumentation noch bis zu dem Schluss, dass die gemeinen Schulen auch Mädchen zugänglich sein sollen.31

Nach dieser Argumentation solle der Staat dem Bürger in seinem pflichtmä-ßigen Streben nach innerer Vollkommenheit assistieren. Diese Pflicht galt aller-dings auch für die Eltern, obschon man denken würde, dass es bei der frühen Erziehung nur um die Pflege des Leiblichen gehe. Wolff mahnt die Eltern, dass die Erziehung sich immer auf LeibundSeele beziehen müsse.32Es war dieser Nachdruck auf die Parallelität der Sorge für den inneren und äußeren Zustand, der aus seiner Sicht auch das Eingreifen des Staates in die Pflege der Seele mo-tivierte. Diese war jedoch außerdem mit der Notwendigkeit begründet, den Unterschied zwischen dem Guten und Bösen zu erkennen. Diese Pflicht war ebenfalls allen Menschen gemeinsam, und daher wurde der Staat verpflichtet, Beistand zu leisten. Für Wolff war es gleichbedeutend mit einer Pflege der Tugenden. Auf den Einwand, dass der Staat sich nur um den äußeren Zustand der Menschen kümmern solle, antwortete er, dass diese Ansicht nur bei Strafen richtig sei. Wenn es darum gehe, positive Handlungen der Menschen zu för-dern, sei der Staat berechtigt, in das Innere einzugreifen.33

Die detaillierten Ausführungen für Lehrer und den Unterricht in der Deut-schen Politik34belegen, dass Wolff sich auf didaktische Literatur stützte, obwohl er keine konkreten Titel anführt. Mit Hinsicht auf Wolffs Ruf eines un-empirischen Metaphysikers mag es überraschen, dass er hier so großen Wert auf Erfahrung und Sinnenvermögen legt. Seine Ratschläge für den Umgang mit Studierenden verraten, dass er aus der Praxis schöpfte.35

Der Höhepunkt dieses Bildungssystems sollte eine Akademie der Wissen-schaften sein. Aus der bürgerlichen Pflicht, für die gemeine Wohlfahrt zu arbei-ten leitete Wolff die Notwendigkeit einer Akademie der Wissenschafarbei-ten ab.36In der Deutschen Politikführte er einen praktischen Grund dafür an: Menschen, die sich mit Amtsführung beschäftigen müssen, haben keine Zeit für kritische Forschungen, selbst wenn sie intelligent, interessiert und gebildet wären. Aus

31 Ders.: JN (Anm. 9) VIII § 430.

32 Ders.: Deutsche Politik (Anm. 28), § 87.

33 Ders.: Deutsche Politik (Anm. 28), § 316.

34 Ders.: Deutsche Politik (Anm. 28), § 284292.

35 Ders.: Deutsche Politik (Anm. 28), § 293298.

36 Ders.: JN (Anm. 9) VIII § 440.

diesem Grunde müsse der Staat besondere Personen wählen, die dann eine Sozietät der Wissenschaften bilden würden.37

Die Sozietät der Wissenschaften sollte alle Wahrheiten sammeln, untersu-chen und neue Erfindungen mauntersu-chen. Für die Auswahl der Themen gab Wolff auch eine Begründung, die aus seinen schlechten Erfahrungen mit dem gegen-wärtigen Zustand der öffentlichen Diskussion stammte. Obwohl man im öffentli-chen Diskurs darauf bedacht sein sollte, dass es relative Meinungen und Wahrheiten gebe, sehe es in der aktuellen Lage so aus als gäbe es nur Meinun-gen, d. h. also ob sich alles je nach persönlicher Ansicht wandeln könnte. Es gebe jedoch auch bleibende Wahrheiten, sagt Wolff dagegen. Seine Absicht geht dann dahin, dass sich das Reich der Wahrheiten mithilfe der Sozietät der Wissen-schaften verbreite.38Um eine Wahrheit auf ihre Gültigkeit zu überprüfen, müsste sie zwei Proben unterliegen: Man müsste erstens beweisen, dass die Wahrheit in der Erfahrung begründet sei, und zweitens müsste sie auch mit einem unum-stösslichen logischen Beweis bestätigt werden.39Die Akademie solle sich aller-dings nie dazu verstehen, in solchen Untersuchungen und Urteilen an eine bestimmte Philosophie oder bestimmte Gedanken eines Philosophen zu halten.

In dieser Hinsicht solle sie ihre Denkfreiheit bewahren.40

Wolff schlug zwei konkrete Gebiete vor, welche der Untersuchung der Aka-demie der Wissenschaften unterliegen sollten. Erstens waren es wirtschaftliche Fächer, Erkenntnisse der Natur und Mathematik. Zweitens solle sie„alle Einrich-tungen, die man in einem Staat hat [. . .] so sorgfältig als andere Wahrheiten un-tersuchen.“41 Insbesondere geltende Gesetze sah er als ein spezifisches Gebiet an, das eine besondere Aufmerksamkeit verdienen würde.42 In der Deutschen Politiksah er für diese Aufgabe jedoch noch ein spezifisches Amt vor, das alle Staatsangelegenheiten und relevante Wahrheiten untersuchen würde. Dieses würde sich von der Akademie der Wissenschaften unterscheiden, indem es sich der von der Akademie gefundenen allgemeinen Wahrheiten bedienen sollte, um sie auf den konkreten Staat anzuwenden.43Das Vorbild sah er bei den chinesi-schen Weltweisen, die sich auf ähnliche Weise mit Angelegenheiten ihres Staates beschäftigten.44

37Ders.: Deutsche Politik (Anm. 28), § 299.

38Ders.: Deutsche Politik (Anm. 28), § 301; Ders.: JN (Anm. 9), VIII, § 441.

39Ders.: Deutsche Politik (Anm. 28), § 303.

40Ders.: Deutsche Politik (Anm. 28), § 304; Ders.: JN (Anm. 9) VIII, § 477.

41 Ders.: Deutsche Politik (Anm. 28), § 305306; Ders.: JN (Anm. 9) VIII § 449, § 451.

42 Ders.: Deutsche Politik (Anm. 28), § 414.

43 Ders.: Deutsche Politik (Anm. 28), § 495.

44 Ebd.

Der wichtigste Unterschied in der Art und Weise wie die Frage des Schul-wesens und der Akademie in dem Jus naturaebehandelt wird, besteht darin, dass dort die Pflicht des Staats präziser bestimmt wird. In Bezug auf die gemei-nen Schulen bediente sich Wolff in derDeutschen Politikimmer nur der unprä-zisen Redewendung, dass „man sollte“, während im Jus naturae er deutlich sagt, dass der Staat / civitas die Schulen einrichten solle. Nun behauptet er ganz akzentuiert, dass die Eltern„ut publicae institutioni liberos suos commit-tant.“45Des Weiteren bestätigt er: „In republica educatio in modo ad curam parentum, verum etiam civitatis pertinet.“46Die Schulen sind definiert als An-stalten, wo „publica auctoritate instituntur pueri“.47 Er sagt auch, dass der Herrscher / rector civitatis Sorge tragen müsse für die Fortsetzung der Erzie-hung seiner Jugendlichen, die bereits die frühe ErzieErzie-hung von ihren Eltern er-worben haben.48

Bei der Sozietät der Wissenschaften stellte er bei denofficia superiorisfest, dass die Förderung der Wissenschaften eine der grundlegenden Pflichten des Herrschers sei.49Außerdem betont er die Rolle der vom Staat erteilten Gesetze bzw. Vorschriften.50Er legte nämlich großen Wert darauf, dass die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften sich nicht in nutzlose Streitigkeiten einlas-sen, die damals unter den Gelehrten üblich waren. Dafür war es wichtig, dass die Autorität des Präsidenten der Akademie durch Gesetze genau bestimmt werde, damit er die notwendige Gewalt für eine effektive Führung habe. Wolff nahm die Sozietät der Wissenschaften nämlich als eine wirklichesocietaswahr, und wandte auf sie alle Regeln an, die das Naturrecht jeder Gesellschaft aufer-legt. Die besoldeten Mitglieder sollen dem Präsidenten und den Gesetzen gehor-chen, denn sie seien durch das Naturrecht verbunden, wie die Untertanen ihrem Herrscher.51Daneben dürfen die Akademiker als Mitglieder einer interna-tionalen respublica litteraria mit anderen Gelehrten als private Gelehrte frei über alles diskutieren, denn dieserespublica litterariaunterliege keinem Präsi-denten und könne sich daher nur am Naturrecht ausrichten.52Um ihre Aufgabe

45 Ders.: JN (Anm. 9) VIII § 430.

46 Ders.: JN (Anm. 9) VIII § 430.

47 Ders.: JN (Anm. 9) VIII § 433.

48 Ders.: JN (Anm. 9) VIII § 436.Etenim in Republica curae esse debet rectori civitatis, ut liberi.. . .“

49 Ders.: JN (Anm. 9) VIII § 10151026.

50 Ders.: JN (Anm. 9) VIII § 444447.

51 Ders.: JN (Anm. 9) VIII § 443446.

52 Ders.: JN (Anm. 9) VIII 443.Et hinc intelligitur, quo sensu admitti possit, dari Rempubli-cam literariam. Societas haec regitur sola lege naturali, cum careat Praeside, cui imperium in socios concessum.

einer kritischen Untersuchung nützlicher Angelegenheiten erfüllen zu können, sei es den Mitgliedern auch erlaubt, die Gegenstände ihrer Untersuchungen öffentlich vorzustellen.53 Trotzdem müssen sie sich allerdings, selbst als freie Gelehrte, in dieserrespublica litteraria gemäßigt halten, denn sie seien auch hier durch naturrechtliche Pflichten als Gelehrte gegenüber jeder Gesellschaft gebunden.54