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Johann Jakob Breitingers internationale Ausstrahlung

Johann Jakob Breitinger war als Philologe, Professor der Hohen Schule und als Canoncius am Großmünster, der sich denkmalpflegerisch für den Erhalt dieses Bauwerks engagierte, auch in seiner Eigenschaft als Bücherzensor, eine Kapazi-tät mit internationalen Kontakten. Er wurde an der Zürcher Hohen Schule 1720 zum Geistlichen ordiniert. 1731 wurde er zum Professor für Hebräisch berufen.

Für den Unterricht in Logik und Rhetorik, den er schon seit 1734 gab, seit 1740 in der Funktion eines Professors für diese Fächer, hatte er sich mit seinenArtis cogitandi principia(1736) qualifiziert. Seit 1745 lehrte Breitinger am Carolinum griechische Philologie.25 In der Zusammenarbeit mit Bodmer war er, seit den Discoursen der Mahlern(1721–1723), der theoretische Kopf.26

An der Zürcher Hohen Schule herrschte die „vernünftige Orthodoxie“. Das Theologie-Studium ruhte auf einer gründlichen Ausbildung in den alten Sprachen und der antiken Philosophie.27Ähnlich wie sein Freund und Studienkollege Jo-hann Caspar Hagenbuch war Breitinger zuerst Professor für alte Sprachen, bevor er den Lehrstuhl für Theologie erhielt. Die Theologieprofessoren Breitinger und Johann Jacob Zimmermann (1696–1756) reagierten auf die Herausforderungen

25Wolfgang F. Bender: Art.Breitinger, Johann Jakob, in: Walther Killy (Hg.): Literaturlexikon.

Bd. 2. Gütersloh/München 1989, S. 194196; ders.: J. J. Bodmer und J. J. Breitinger. Stuttgart 1973.

26Im folgenden werden nur die Arbeiten Breitingers berücksichtigt, von denen der Hebraist und Sprachforscher György Kalmár seit den fünfziger Jahren profitieren konnte. Nicht berück-sichtigt wird seine Ästhetik-Theorie, welche die Psychologie aus Christian Wolffs deutscher Metaphysik (1719), Ludovico Muratoris Della perfetta poesia italiana (1706) und Jean-Baptiste DubosRéflexions sur la poésie et sur la peinture (1719) für eine Neubewertung der Einbil-dungskraft fruchtbar machte und für Bodmers Dichtungen die Grundlage lieferte. Vgl. Carsten Zelle: Vernünftige Gedanken von der Beredsamkeit Bodmers und Breitingers ästhetische Schriften und Literaturkritik. In: Mahlmann-Bauer/ Lütteken (Hg.): Bodmer und Breitinger (Anm. 14), S. 2541; Simone Zurbuchen: Aufklärung im Dienst der Republik: Bodmers radikal-politischer Patriotismus, ebd. S. 386409.

27Opitz: Aspekte und Tendenzen der theologischen Diskussion (Anm. 14), S. 172197.

der Deisten, indem sie exklusives, doktrinäres Verhalten gegenüber Andersgläu-bigen und Skeptikern ablehnten. Sie versuchten, in der Nachfolge Christian Wolffs, deistische Kritiken an der Offenbarungsreligion, welche der Zürcher Jugend besonders einleuchteten, durch Versuche abzuschmettern, die Vernunft-gemäßheit der Offenbarung zu demonstrieren. „Mit den Mitteln der Vernunft und mit Hilfe rationallogischer Argumentationen“ versuchte Breitinger nicht nur die Möglichkeit, sondern die Existenz einer Offenbarung zu beweisen.28 Diese Richtung vertrat noch Leonhard Usteri, ein Schüler Breitingers, in seiner Dissertatio de consensu fidei et rationis von 1760, obwohl er sich zu Rousseau und seiner Naturtheologie des savoyischen Vikars bekannte.29 Breitinger teilte Bodmers Hochschätzung der Philosophie und Anthropologie Rousseaus gar nicht, weil ihm das Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars (Emile, Buch IV) zu weit ging.30Ähnlich dachten sein Zürcher Kollege Johann Jakob Zimmer-mann und der Genfer Theologieprofessor Jacob Vernet.

Leonhard Meister rühmte in seinem Nachruf auf Breitinger, dass die Verbin-dung von altsprachlicher Kompetenz mit Bibelwissenschaft, theologischer Dogma-tik und Belangen der Seelsorge bei dem Verstorbenen einzigartig gewesen sei.

Breitinger war aber nicht nur ein Theoretiker, der die Hilfsdisziplinen zum Stu-dium des Bibeltextes ernst nahm, sondern er gab mit der Gründung der Asceti-schen Gesellschaft 1768 wichtige Impulse für die Seelsorge und Sozialstatistik. Die Gesellschaft kümmerte sich um Arme, Waisen und Strafgefangene und publizierte Unterhaltungen für gefangene Missethäterundfür Kranke(Zürich 1770 und 1773).31

28 Jan Loop: Deismus in der Schweiz. Zürcher Reaktionen auf Marie Hubers Lettres sur la reli-gion essentielle à lhomme. In: Mahlmann-Bauer/ Lütteken (Hg.): Bodmer und Breitinger (Anm. 14), S. 202230, hier 224.

29 Leonhard Usteri: Dissertatio philosophio-theologica de consensu fidei et rationis. Zürich 1760. Praeses war Johann Caspar Hagenbuch (17001763). Vgl. Paul Usteri/ Eugène Ritter (Hg.): Correspondance de Jean-Jacques Rousseau avec Léonard Usteri. Zürich/ Genf 1910;

Alfred Wohlwend: Freundschaft mit Rousseau: Leonhard Usteris Briefwechsel mit Rousseau 17611765, Zürich 1989.

30 Darauf lässt Breitingers distanzierte Reaktion auf Marie Hubers rousseauistische Theologie und ihre Affinität zur Mystik schließen. Vgl. Loop: Deismus in der Schweiz (Anm. 28), S. 222228.

31 Emil Erne: Die Schweizerischen Sozietäten. Lexikalische Darstellung der Reformgesellschaf-ten des 18. Jahrhundert in der Schweiz. Zürich 1988, S. 6571. Die Mitglieder der Asketischen Gesellschaft waren Kandidaten der Theologie und Pfarrer, die u.a. praktische Probleme der Seel-sorge, beispielsweise bei armen Familien, Waisenkindern und Gefangenen, erörterten. Leonhard Usteris ReformschriftNachricht von den neuen Schul-Anstalten in Zürich, die anlässlich der Eröff-nung der Zürcher Realschule 1773 erschien, geht im Kapitel über das Theologiestudium auf die Aktivitäten derAscetischen Gesellschaftein. Gelobt werdendie Bemühungen der asketischen Gesellschaft, die sich unter der klugen und einsichtsvollen Direction Herrn Canonicus Breitin-gers, und Herrn Inspector Simlers, als Decanus der jüngern Herren Geistlichen, vereiniget hat,

Unter Leitung Breitingers, Becks und Zimmermanns wurde in Zürich also eine Generation von Theologiekandidaten ausgebildet und in einer dogmenkritischen Zeit, d.h. unter den Vorzeichen deistischer Kirchenkritik, auf den Kirchendienst vorbereitet, die zugleich in der von Bodmer geleiteten Gesellschaft zur Gerwi über Naturrecht und Staatsphilosophie diskutierten. 1773 eröffnete Breitinger die Zürcher Industrieschule mit einem auf die Praxis von Handel und Gewerbe aus-gerichteten Curriculum. Dies erläuterte er in der Nachricht von den neuen Schul-Anstalten in Zürich.32 Zum gleichen Anlass erschienen drei Reden, in denen Breitinger den neuen, auf die nicht-akademische Berufspraxis ausgerichteten Un-terrichtsplan erläuterte. Damit der Zweck erreicht werde, auch denen eine gründ-liche Schulbildung zu gewähren, die vorhätten, einen praktischen Beruf im Handel oder Handwerk zu ergreifen, sei ein Unterricht in der Muttersprache bei-spielsweise viel wichtiger als die Pflege der alten Sprachen, deren Unterricht übrigens an vielen Schulen viel zu wünschen übrig lasse und den Jugendlichen die Freude an der Kultur des Altertums für immer nehme.33

Breitinger pries in seiner Antrittsvorlesung als Professor der hebräischen Sprache 1731 diese als Muttersprache Gottes. Sein Lehrbuch über die Idiotismen der hebräischen Sprache wertete die Bücher des Alten Testaments für eine Phraseologie aus und erfreute sich, wie er in der Vorrede schreibt, bei Studen-ten als Ergänzung zu seiner Grammatik großer Beliebtheit.34Über den Anfang von Breitingers Karriere als Hebraist schreibt Leonhard Meister (1741–1811):

um den Mitteln und Wegen nachzudenken, wie der Unterricht in der Religion recht fruchtbar und die Andachtsübungen erbaulich zu machen seyen(S. 298). Die Gesellschaft gibt Anlaß, zu körperlich und geistig Kranken zu gehen und sie seelsorglich zu betreuen, auch zur Gefangenen-seelsorge (S. 300). Die Asketische Gesellschaft seidie beste Schule für den jungen Mann, der Theologie studiert (301). Vgl. Abriss von dem Ursprung, der Verfassung und den Arbeiten der ascetischen Gesellschaft. Zürich 1790 (darin finden sich dogmatische Aufgaben, die Breitinger den Mitgliedern gestellt hat). Zeitgenössische Schriften über die Ascetische Gesellschaft: Johann Jakob Hess (Nachfolger Breitingers als Zürcher Antistes): Vorlesung vor der ascetischen Gesell-schaft, dem Andenken ihres Vaters und Vorstehers gewidmet. Zürich 1777; Verzeichnis der Ge-seze und Schriften der Ascetischen Gesellschaft zu Zürich. Zürich 1782. Dazu Friedrich Meyer:

Die Asketische Gesellschaft in Zürich. Festschrift zur Feier ihres hundertjährigen Jubiläums am 10. Juni 1868. Zürich 1868.

32Der Untertitel dieser Rede lautet: als eine Anweisung und Aufforderung sich dieselben zu nutze zu machen, meinen Mitbürgern gewiedmet. Zürich 1773

33Breitinger: Drey Reden Bey Anlaß der feyerlichen Ankündigung und einführung des mit Hoch Oberkeitlichem Ansehen bevestigten Erziehungs-Plans in unsere öffentliche Schule. Zü-rich 1774, erste Rede: Von der Nothwendigkeit einer allgemeinen Verbesserung der öffentli-chen Schul-Anstalten für die ganze Erziehung der Bürger eines Freystaats, S. 135.

34 Johann Jacob Breitinger: Brevis de idiotismis sermonis hebraei commentarius. Zürich: Hei-degger 1737. In der Vorrede empfiehlt Breitinger das Hebräischstudium mit einer von ihm

„Bey seiner Inauguration [als Hebräischprofessor 1731] hielt er die Rede de lingua Deo quasi vernacula eiusque virtutibus,35 und zu Erleichterung der heil. Sprachwissenschaft schrieb er die Abhandlung über die hebräischen Idiotismen.“36

Breitinger tauschte sich mit hohen geistlichen Würdenträgern und Alter-tumsforschern Italiens aus, z.B. mit Kardinal Quirini,37und er korrespondierte mit Kardinal Passionei.38Der Kardinalspriester und ehemalige päpstliche Nun-tius in Wien (bis 1738) Domenico Silvio Passionei (1682–1761) war Leiter der Flo-rentinischen Ambrosiana-Bibliothek, bevor er 1755 oberster Bibliothekar der Vaticana wurde. Als Nachfolger von Angelo Maria Quirini (1680–1755) gehörte er dem Orden der Benediktiner an und wurde Kardinal. Breitinger unterhielt Kontakte zu den Benediktinern in St. Blasien, vor allem mit dem Historiker Marquardt Herrgott (1693–1762), der sich als Diplomat in Wien mit der Ge-schichtsschreibung des Hauses Habsburg befasst hatte und nach seinem diplo-matischen Dienst in seine Ursprungsabtei zurückgekehrt war. Breitinger unterhielt außerdem enge fachliche Beziehungen zum Altertums- und

Sprach-verfassten Grammatik und dieser Phraseologie aus den Büchern des Alten Testaments und rät zu Übersetzungen aus dem Hebräischen ins Griechische und Lateinische.

35 Übersetzung: Über die Sprache, die für Gott gleichsam die Muttersprache war, und ihre Ei-genschaften. Breitinger hielt diese Rede am 29. August 1731. Vgl. Hermann Bodmer: Breitinger:

Johann Jakob Breitinger 17011776. Sein Leben und seine litterarische Bedeutung. Erster Teil.

Diss. Zürich 1897 (mehr nicht erschienen), S. 45. Museum Helveticum, Particula III (1746), S. 440479.

36 Leonhard Meister: Berühmte Zürcher. Zürich 1782, S. 78f.

37 Von Angelo Maria Querini (16881755) befinden sich Briefe an Breitinger in der ZB Zürich.

Kardinal Querini ist ein Exponent der katholischen Aufklärung, der sich für die Annäherung zu den Protestanten engagierte. Auf seinen Reisen sammelte Querini Handschriften und ver-kehrte mit berühmten Gelehrten, u.a. mit Isaac Newton und Pierre Jurieu. Er korrespondierte mit Ludovico Antonio Muratori, dessen Poetik die Ästhetik Bodmers und Breitingers beein-flusste. Querini wurde 1740 Präfekt der Index-Kongregation und 1742 Protektor der Deut-schen Nation. 1743 wurde er in die Académie française aufgenommen. 1744 stand er in Kontakt mit Voltaire; auch korrespondierte er mit dem Zürcher Buchdrucker Johannes Hei-degger 17471748 (Ms Bodmer 22.19).

38 An Domenico Passionei (16821761) schrieb Breitinger 1727/28 zwei Briefe (ZB Zürich). Von Passionei an Breitinger werden 7 Briefe in der Handschriftenabteilung der Zürcher Zentralbib-liothek aufbewahrt (Ms Bodmer 21.18). Seit 1706 war Passionei unterwegs in Paris, Holland und der Schweiz, um als Sammler von Büchern und Handschriften päpstliche Aufträge zu be-sorgen. Von 1721 bis 1730 war er Nuntius in der Schweiz. Seit 1738 war er Kurienkardinal und Brevensekretär in Rom, 1741 Pro-Bibliothekar und 1755 Bibliothekar der Römischen Kirche.

Breitinger teilte seine Wertschätzung Passioneis mit Johann Jakob Winckelmann.

forscher Daniel Schöpflin (1694–1771) in Straßburg39und zu seinem Basler Kol-legen Jakob Christoph Beck (1711–1785).40

Breitingers kritische Edition des LXX-Textes in vier Bänden, dieAusgabe der siebenzig Dollmettscher,41galt als philologische Pionierleistung:42„Die bosi-sche Ausgabe [der Septuaginta]43 war mangelhaft, die grabische selten und kostbar.44Letztere legte er [Breitinger seiner kritischen Edition] zur Grundlage, und bestimmte sie nach den alexandrinischen und vaticanischen Handschriften.“

Breitinger wählte den von Johann Ernst Grabe (1666–1711) mustergültig 1709/10 edierten Codex Alexandrinus (4. Jh.) zu seinem Leittext und verzeichnete die Varianten des Codex Vaticanus aus der römischen Erstausgabe (der „ Six-tina“) von 1587 im kritischen Apparat, so dass der griechische Text des Alten Tes-taments erstmals in der Vielfalt der Überlieferungen studiert werden konnte.

39Vgl. die Korrespondenz in der ZB Zürich: Ms Bodmer 22.32 (17 Briefe, 17441768).

40Ebd., Ms Bodmer 21.6 (39 Briefe an Breitinger, 17371763) und Ms Bodmer 23.2 (1 Brief Breitingers an Beck, 1763).

41 Leonhard Meister: Berühmte Zürcher (Anm. 36), S. 7885: Johann Jakob Breitinger. Hier der Titel von Breitingers Ausgabe:ΗΠΑΛΑΙΑ ΔΙΑΘΗΚΗ ΚΑΤΑ ΤΟΥΣ ΕΒΔΟΜΗΚΟΝΤΑ. Vetus Testamentum ex versione septuaginta interpretum olim ad fidem Codicis Ms. Alexandrini Summo studio & incredibili diligentia expressum, emendatum ac suppletum a Joanne Ernesto Grabe S. T. P. Nunc vero exemplaris vaticani aliorumque mss. codd. lectionibus variis Nec non criticis Dissertationibus illustratum insigniterque locupletatum. Summa cura edidit Joannes Ja-cobus Breitingerus. Tomus IIV. Zürich 17301732.

42 Leonhard Meister: Berühmte Zürcher (Anm. 36), S. 7885: Johann Jakob Breitinger.

43 In den Prolegomena zu seiner Septuaginta-Edition hebt Breitinger das Verdienst von Lam-bert Bos (16701717), Griechischprofessor an der Universität in Franeker, hervor, der die Aus-gabe von John Pearson (London 1653) kritisiert und verbessert habe. Vetus Testamentum Ex versione Septuaginta Interpretum: secundum exemplar Vaticanum Romae editum. Accuratis-sime denuo recognitum, una cum scholiis ejusdem Editoris. . .Summa Cura edidit Lambertus Bos. Franeker 1709.

44 Der andere Gelehrte, den Breitinger in seinen Prolegomena neben Bos würdigt, ist Johan-nes Ernst Grabe. Der in Königsberg promovierte Magister wurde 1695 wegen seiner Zweifel an der lutherischen Lehre und Sympathie mit dem römischen Katholizismus aus Königsberg aus-gewiesen. Er wanderte 1697 nach England aus, wurde anglikanischer Priester, erhielt 1706 in Oxford den theologischen Doktorgrad und arbeitete in Oxford an einer Neuausgabe der Sep-tuaginta auf der Grundlage des Codex Alexandrinus. Breitinger lobt Grabes Edition in seinen Prolegomena. Sie sei genauer als alle früheren Editonen anderer Handschriften. Dort, wo er den Text fehlerhaft fand, emendierte Grabe ihn mit Hilfe anderer Textzeugen. Der erste Band mit dem Octateuch erschien in Oxford 1707, der vierte 1709. Die Bände 2 und 3, die die histori-schen und prophetihistori-schen Bücher enthielten, wurden erst postum herausgegeben. Da diese vier Bände selten und teuer seien, es aber keine bessere, vollkommenere Edition gebe, habe sich Breitinger an die Arbeit gemacht, den Codex Alexandrinus neu zu edieren.

Benjamin Kennicott (1718–1783) nahm sich Breitingers kritische Ausgabe der Septuaginta auf der Grundlage der Kollation mehrerer Handschriften für sein analoges Unternehmen zum Vorbild, eine kritisch-vergleichende Edition der heb-räischen Bibel aufgrund von nun mehr als 600 hebheb-räischen Handschriften herzu-stellen. In mehreren Dissertationen stellte er sein Werk vor, bevor es 1776 im Druck erschien.45 1764–1773 richtete Kennicott sechs Briefe an Breitinger, in denen seine Wertschätzung von dessen Septuaginta-Ausgabe 1730–1732 zum Ausdruck kommt.46Auf Kennicott ist im Zusammenhang mit Kalmárs Beziehung zu Breitinger zurückzukommen.

Das von Breitinger und Zimmermann herausgegebeneMuseum Helveticum47 war1746 bis 1752 die Drehscheibe, wo außer Theologen, Philologen und Philoso-phieprofessoren aus Zürich, Bern, Genf und Basel auch einige ungarische Jung-forscher ihre Dissertationen und Reden publizieren konnten.48 Die beiden Herausgeber stellten auch eigene Forschungen zur Diskussion, in Form von Dis-sertationen, Disputationen oder Briefen.49 Einige Abhandlungen behandeln

45 Benjamin Kennicott: A Dissertation in two Parts, Part the First compares 1 Chron XI with 2 Sam V and XXIII and Part the Second Contains Observations on seventy Hebrew Mss. With an Extract of Mistakes and various readings. Vgl. William McKane: B. Kennicoot: An Eighteenth-Century Researcher. In: The Journal of Theological Studies, New Series 28/ Nr. 21, 1977, 445464.

46 ZB Zürich Ms Bodmer 21.45, digital aufrufbar.

47 Bernhard gibt in seinem AufsatzZürich als Anziehungspunkt für ungarische Studenten (Anm. 1) auf S. 239244 eine Übersicht über den Inhalt dieses Journals. Die Plattform E-rara bietet Gelegenheit, die Inhaltsverzeichnisse der 28 Hefte einzusehen und die Aufsätze herun-terzuladen. Im Inhaltsverzeichnis der 28 Hefte von 1746 bis 1752 findet man die Namen von Professoren, die in Zürich, Genf, Bern, Lausanne und Basel unterrichteten. Akademische Dis-sertationen, Sermones und Nachrufe sind die bevorzugten Gattungen. Jedes Heft schließt mit Buchbesprechungen. Breitinger veröffentlichte in dieser Zeitschrift zwei Abhandlungen, seine Antrittsvorlesung als Professor für griechische Philologie 1746 und eine Arbeit über die Con-sensustheorie der Wahrheit 1750. Auch die drei oben genannten Korrespondenten Breitingers sind mit akademischen Abhandlungen in dieser Zeitschrift präsent.

48 Sámuel Szilágyi: Oratio Funebris, qua [. . .] Georgio Marothi, in Colleg. Debrecin. Eloquen-tiae Historiae & Matheseos Professoris Publici, parentavit. In: Museum Helveticum 1 (1746), S. 249280; Stephanus Hathvanus: Animadversiones Theologico-Criticae, in: Museum Helveti-cum 1 (1746), S. 575624.

49 Breitinger hat mehr als zehn Aufsätze eingerückt, Zimmermann ist in jedem Heft mit einer Ab-handlung präsent, welche sich mit derReligioneines nicht-christlichen antiken Autors beschäf-tigt, z.B. der Religion des Pythagoras, des Plutarch, des Euripides oder Ciceros. Einige Beispiele:

Breitinger: Oratio de praecipuis Caussis, propter quas Graecarum Literarum studium tantopere inter nos refrigescat. In: Museum Helveticum 1 (1746), S. 440479; Johann Jacob Zimmermann:

Dissertatio de Theologia M. T. Ciceronis. In: Museum Helveticum 1 (1746), S. 374439; ders.: Exa-men arguExa-mentorum, quibus suam de fato stoicorum sententiam olim impugnaverat Clariss.

philosophische50und klassisch-philologische Themen,51 andere setzen sich mit aktuellen Diskursen der Zeit auseinander, welche die Autorität der christlichen Kirchen bedrohten, Atheismus und Islam.52Bemerkenswert sind die Aufsätze, die eine neue Sicht auf Kontroversen der Reformationsgeschichte vorstellen.53 Auch Basler, Berner, Genfer und Lausanner Theologen kommen zu Wort. Zim-mermann veröffentlichte ausführliche Abhandlungen über antike Philosophie und Gelehrte wie Giordano Bruno, die jene wiederbelebten.

Als er 1745 die Professur für griechische Sprache erhielt, würdigte Breitinger die griechische Sprache und Kultur als Wiege aller unserer Kenntnisse und aka-demischen Disziplinen.54Zu Recht hätten diese griechische Namen, denn diese seien von den Griechen benannt worden. Zudem„Deus hanc linguam divinae suae mentis interpretem esse voluit.“55Das Griechische übertreffe alle übrigen Sprachen, als „insigne Dei donum“ und Ausdrucksmedium der christlichen Lehre, in der uns das Heil für unsere Seele auf den Weg gegeben worden sei. Das Griechische sei der Schlüssel und Zugang zum Verständnis der christlichen Lehre von Gott und der ganzen salutaris philosophia im Neuen Testament. In die-ser Sprache hätten die Kirchenväter die Mysterien des Glaubens ausgelegt. Pla-ton, von Gott begeisterter Anführer aller Philosophen, werde viel zu wenig im Original gelesen, obwohl neuere Philosophen auf ihn zurückgriffen.56Das Grie-chische sei dem Lateinischen, in dem jeder Student zu radebrechen versuche, an Tiefsinn überlegen. Breitinger appellierte in elegantem Latein an seine

Buddeus Theologus Jenensis Celeberrimus, in: Museum Helveticum 2 (1747), S. 175214; ders.:

Disquisitio de religione Pythagorae, in: Museum Helveticum 3 (1748), S. 161189 und 345369.

50 Mantissa Epistolica ad Controversiam de Argumento Cartesii pro Existentia Dei, in: Mu-seum Helveticum 1 (1746), S. 627640; Johann Friedrich Stapfer: Dissertatio theologico-philosophica novam continens Hypothesin, quae Animae & Corporis Commercium ex hominis ad similitudinem divinam Creatione explicatur, in: Museum Helveticum 4 (1749), S. 185244.

51 Breitinger: In Versus obscurissimos A. Persio Fl. Satyra I. citatos Diatribe P. Baelio &

G. J. Vossio opposita, in: Museum Helveticum 2 (1747), S. 381428.

52Johannes Grynaeus: Animadversiones ad Reimmannum de Atheismo Mohammedanorum;

Disquisitio Epistolica: An Mahomed Impostor fuerit, an Fanaticus, in: Museum Helveticum 1 (1746), S. 103152.

53J. Conrad Fueslin: Dissertatio apologetica pro Judicio suo de Doctrina Jo. Calvini: Cum per-petuis castigationibus & vindiciis, in: Museum Helveticum 2 (1747), S. 634658; Vindiciae pro Bullingeri judicio de Mich. Serveto, ejusque Sectariis inter praecipuos quosdam Anabaptisticae factionis Doctores, in: Museum Helveticum 4 (1749), S. 277290.

54 Johann Jacob Breitinger: Oratio qua adiit literaturae graecae professionem publicam. In:

Museum Helveticum 1746, S. 440481.

55Ebd., S. 447.

56Ebd., S. 452; dazu Opitz: Aspekte und Tendenzen, S. 194.

Theologiestudenten, Griechisch mit Eifer zu lernen. Er bezeichnete es als seine Mission, ihnen diese Sprache zu vermitteln, ohne die ein Verständnis des Christentums und der Geheimnisse des Glaubens undenkbar sei. Sein Ziel war außerdem, sie mit der Schönheit und Vielfalt griechischer Literatur be-kannt zu machen, ohne die das Studium von Grammatik, Formenlehre und Etymologie eine trockene, scholastische Angelegenheit wäre, ohne Nutzen für das spätere Amt der Verkündigung. Dieses Programm erläuterte Breitinger in der Vorrede zu seinen Eclogae, einer Anthologie griechischer Schriftsteller, die Texte von Lukian, Isokrates, Plutarch und Theophrast und das Monument der Tabula Cebetis enthält. Mit Prophezeiungen, die dazu auch ausgelegt wer-den, erbaue der Geistliche die Gemeinde mehr, als wenn er nur verschiedene Sprachen zu unterscheiden wisse (1 Kor 14,5).57

Eine Schulung in den alten Sprachen und der Textkritik sei für künftige Theologen ebenso wichtig wie das schon früher im Unterricht praktizierte Training in Logik und Erkenntnistheorie. 1736 erschienen Breitingers Grund-sätze des richtigen Denkens(Artis cogitandi principia). Die Vernunft stütze sich auf Begriffe, Urteile und logische Schlüsse. Die Methode richtigen Argumentie-rens könne den von der Sinneswahrnehmung ausgehenden Hang zum Irrtum korrigieren. 58Jede Erkenntnis beginnt mit der sinnlichen Wahrnehmung und der Bildung von Begriffen über das Wahrgenommene, die den Anforderungen genügen müssen, klar und deutlich zu sein. Urteile haben die Form von Aussa-gesätzen, in denen derartige Begriffe als Prädikate vorkommen, und können wahr oder falsch sein. Die Einbildungskraft wird hier als eine die Aufmerksam-keit fördernde Kraft bestimmt.59Breitinger knüpfte in diesem Lehrbuch an John Locke’s Essay Concerning Human Understanding und an Christian Wolffs

Eine Schulung in den alten Sprachen und der Textkritik sei für künftige Theologen ebenso wichtig wie das schon früher im Unterricht praktizierte Training in Logik und Erkenntnistheorie. 1736 erschienen Breitingers Grund-sätze des richtigen Denkens(Artis cogitandi principia). Die Vernunft stütze sich auf Begriffe, Urteile und logische Schlüsse. Die Methode richtigen Argumentie-rens könne den von der Sinneswahrnehmung ausgehenden Hang zum Irrtum korrigieren. 58Jede Erkenntnis beginnt mit der sinnlichen Wahrnehmung und der Bildung von Begriffen über das Wahrgenommene, die den Anforderungen genügen müssen, klar und deutlich zu sein. Urteile haben die Form von Aussa-gesätzen, in denen derartige Begriffe als Prädikate vorkommen, und können wahr oder falsch sein. Die Einbildungskraft wird hier als eine die Aufmerksam-keit fördernde Kraft bestimmt.59Breitinger knüpfte in diesem Lehrbuch an John Locke’s Essay Concerning Human Understanding und an Christian Wolffs