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Auf dem Weg zu einer Universalzeichensprache und die Vorzugsstellung des Ungarischen

Die Werke, die Kalmárs Ruhm als vergleichenden Sprachforscher und Sprach-philosophen begründeten, erschienen erst 1770 und 1772–1774.73Kalmár wird in Ungarn als Pionier ungarischer Grammatik und Etymologie sowie als Dich-ter und Reformer der ungarischen Dichtungssprache geschätzt. 1770 erschien

72Tarbuck: Enlightenment Reform (Anm. 68); Giovenale Sacchi: Dellantica lezione degli Ebrei e della origine depunti Dissertazione. Milano 1786.

73In den großen Bibliotheken, die aus alten universitären und königlichen Sammlungen her-vorgegangen sind, sind sowohl Kalmárs Studien zum Hebräischen als auch seine Sprachzei-chentheorie, die zuerst lateinisch (Praecepta grammartica), dann italienisch und deutsch publiziert wurde und für welche er ein Leben lang Beobachtungen gesammelt hat, vorhanden, z.B. in der Bodleyan Library Oxford, in der Bayer. Staatsbibliothek, in der Staatsbibliothek Ber-lin, in Zürich, Basel, Bern und Genf.

in Pressburg seinProdromus idiomatis scythico-mogorico-chuno- (seu, hunno)-avarici, das Programm zu einem Projekt, das ihn seit seinen Oxforder Heb-räisch-Studien umtrieb. KalmársAdparatus criticus in linguam Hungaricam(so der Untertitel des Werks) besteht aus einer ungarischen Grammatik und einem Hexameter-Gedicht„Valóságos Magyar ABC“. In diesem poema univer-sale unternimmt Kalmár eine Deutung der Welt mittels der ungarischen Spra-che.74 Die Leservorrede ist in unserem Zusammenhang aufschlussreich, weil Kalmár dort die ungarische Sprache aufgrund ihres Alters und ihrer einzigar-tigen Brückenfunktion zwischen dem Orient und Okzident in die Nachbar-schaft des Hebräischen rückt.

Du wirst in diesem Idiom [dem Ungarischen] die Figuren der orientalischen Sprachen finden, hohe Empfindungen, Kraft des Bedeutens, Erfindungsreichtum, Geist und Bega-bung; türkische Blumen; den Tiefsinn des Englischen; die Leichtigkeit des Französi-schen; die Gefälligkeit des Italienischen, die Ernsthaftigkeit des Deutschen, den Reichtum der slavonischen Sprache, besonders der alten; die Möglichkeit, neue Wörter zu bilden, wie im Griechischen (graecae foecunditatem), ebenso Eleganz und Wohlre-denheit; den Schmuck und die Zierde des Lateinischen; die Kürze der Lakedämonier:

was immer ein kultivierter Weltmann sich wünschen möge, wirst du in diesem Idiom finden. Du wirst auch erfahren, dass all dies uns vertraut ist. Du wirst in der ungari-schen Sprache den Euphrat und seine Nebenflüsse finden, Rhone und Saone, [. . .], Tiber und Arno, Donau und Elbe, schließlich wirst du entdecken, dass der Eurotas selbst im geneigten Bette zu dir fliesst; endlich wirst du die europäische und asiatische Nachbarschaft des Bosporus und Thrakiens finden, und wie das ägäische Meer auf viel-fachen Wegen wieder zu uns zurückfließt.75

Kalmár wollte seine Leser für eine Sprache begeistern, die in Europa als zurück-geblieben und ungelenk gelte, die aber aufgrund ihrer ausgreifenden Wurzeln im Südosten, hohen Norden und Nordosten dazu geeignet sei, Brücken zwi-schen Völkern und Kulturen zu bauen.

74 Hegedüs: Epistemologischer Hintergrund, S. 5557.

75 Georg Kalmár: Adparatus criticus in linguam hungaricam, 1770, Praefatio (unpaginiert).

Experieris in eo [idiomate] Linguarum orientaliumfiguras, alta sensa, significandi uim, adinuentiones et omnem spiritum, ac indolem; turcicae flores; profunditatem anglicae;

gallicae fluiditatem; suauitatem italicae; germanicae grauitatem; copiam slauonicae, praesertim antiquae; graecaefoecunditatem,elegantiametsuadam;ornatum ac decorem latinae; atque modum Laconum, et quidquid demum Orbis cultior desiderauerit, in eo, inquam, experieris. Experieris haec admodum esse nobis familaria. Eperieris Euphratem eius, querivales;TamesinetCamum;RhodanumetSequanam;TiberimetArnum;Istrum et Albim; deinde ipsum Eurotam, prono Tibi alueo fluere; deniqueBosphori Thracii eu-ropaeam et asiaticam reciprocationem, atque maris aegaei refluum aestum per uices ite-ratas redire.

Was Kalmár hier vorlegt, ist die Summe früherer Versuche, das Ungarische in der Genealogie der Sprachen zu verorten. In der Vorrede erklärt er, er habe schon in früheren Werken auf die besondere Anciennität des Ungarischen und seine Affinität zum Hebräischen hingewiesen, allerdings immer nur beiläufig.76 In einem Brief an Baron Gerhard van Swieten (1700–1772), Leibmedicus der Apostolischen Majestät (der Kaiserin Maria Theresia), pries er 1760 die Exzel-lenz, Würde und Pracht des Ungarischen. Es sei der Mühe wert zu zeigen, wie die ungarische Sprache mit dem Hebräischen, Chaldäischen, Arabischen ver-wandt und dem Persischen benachbart sei. Diese altehrwürdige Nachbarschaft habe ihrem Ansehen aber geschadet. Man glaubte sie jeder Schönheit bar, aber das Gegenteil sei der Fall.

Schon in seiner ersten Dissertation (Oxford 1750) wies Kalmár auf die etymo-logische Verwandtschaft des Ungarischen mit dem Hebräischen hin. Mit„ Szam-bat“ bezeichnen wir den Samstag und Sonntag, was ähnlich klingt wie

„Sabbat“.77 Auch was den besonderen Charakter und ihre spezifische Eigenart betrifft, ihre Einfachheit, die Analogiebildung und die Art, Wörter aus Wurzeln abzuleiten, habe das Ungarische vieles mit dem Hebräischen gemein. Ebenfalls in seiner Hebräischen Grammatik, „nach dem alten Weg ohne masorethische Punkte die Buchstaben zu schreiben“(Genf 1760), habe er an Beispielen gezeigt, dass das Ungarische den orientalischen Sprachen seinen Ursprung verdanke und uralt sei.78Sámuel Gyarmathi (1751–1830) war mit der erste, der sich von August Ludwig Schlözer (1735–1809), dem damals führenden Slavisten und vergleichen-den Kulturforscher in Göttingen,79 dazu anregen ließ, die Verwandtschaft des

76Schon in seiner theologischen Dissertation (Oxford 1750) habe er geschrieben:Sicut enim lingua Hungarorum, eam intellige, quae purior atque genuina, scilicet ab adscitiis uocibus, quas, post fixamHunnis et Auaribus in Pannoniasedem, a circumiacentium nationum mutuata dialectis est, discernenda purgandaue, linguarum orientalium esse se propaginem iure merito gloriatur: atque quidem, si specteseius indolem, si idiotismum, si simplicitatem, si consideres eius analogias, si porro deriuandi rationem; permulta sunt ei praesertim cumHebraea commu-nia (id quod uberrime demonstrare in animo mihi est. . .).

77 Zur heutigen Lehrmeinung vgl. den Artikel Szombat in Loránd Benkő(Hg.). Etymologisches Wörterbuch des Ungarischen. Die deutsche Bearbeitung ist herausgegeben von Károly Gerst-ner, übersetzt von Sándor Skripecz. Bd. II. Budapest 1994, S. 1447.

78Dies war Miklós Zsirai zufolge im 18. Jh. eine verbreitete Lehrmeinung. Vgl. Anm. 80.

79Schlözer regte mit seinenKritischen Sammlungen zur Geschichte der Deutschen in Siebenbür-genzur Diskussionen über Ursprung und Eigenart der Ungarn zwischen Westeuropa und Asien an, an denen sich beispielsweise Johann Gottfried Herder beteiligte. Vgl. János Gulya: Histori-sche Aspekte: A. L. Schlözer. In: ders. (Hg.): Konfrontation und Identifikation. Die finnisch-ugrischen Sprachen und Völker im europäischen Kontext. Wiesbaden 2002 (Veröffentlichun-gen der Societas uralo-altaica 59), S. 179184; Martin Peters: Kritische Sammlungen zur Ge-schichte der Deutschen in Siebenbürgen. Kritik und Analyse. UAJb. NV 16 (1999/2000),

Ungarischen mit dem Finnischen systematisch durch Vergleich der Grammatik und des Vokabulars aufzuzeigen.80Vor Gyarmathi sahen ungarische Intellek-tuelle in gelegentlich von fremdländischen Sprachforschern durchgeführten Vergleichen des Vokabulars des Ungarischen mit den Sprachen der als unzivi-lisiert geltenden Lappen nur eine schmachvolle Herabwürdigung ihrer einzig-artigen Sprache. Das bahnbrechende Werk dieses Pioniers des empirischen Sprachvergleichs mit dem TitelAffinitas Linguae Hungaricae cum Linguis Fen-nicae Originis grammatica demonstratioerschien in Göttingen 1799. Gyarmathi begründete die moderne finnougrische Sprachwissenschaft, indem er sich auf die Erforschung der uralischen, speziell der finnogrischen Sprachen konzent-rierte, ohne völkerpsychologische Annahmen über den Zivilisationsstand der Finnen, Lappen oder Ungarn mitzuschleppen.81 Schlözer selbst betrachtete noch die alten„rohen Madjaren“als ein Volk mit asiatischen Wurzeln, das erst mit Hilfe deutscher Herrscher ihre Integration in Europa erfolgreich geschafft habe.82Schlözer reproduzierte hier ein älteres Vorurteil, dass die alten Ungarn roh und unzivilisiert gewesen seien, das Kalmár mit dem Hinweis auf die Affi-nität des Ungarischen zur hebräischen Ursprache Gottes falsifizieren wollte.

Im Vergleich mit Gyarmathis typologischen und sprachhistorischen Forschun-gen auf empirischer Grundlage schien aber Kalmárs Versuch, das Ungarische als „idioma incomparabile“in den Rang einer Ursprache zu erheben und so den schmachvollen Vergleich mit der lappischen Unkultur zu kompensieren, Mitte des 18. Jahrhunderts bereits veraltet.83

S. 3255; Adrian Hummel: Art. Schlözer, August Ludwig. In: Killy: Literaturlexikon (Anm. 25), Bd. 10, 1991, S. 291f.

80 Miklós Zsirai: Sámuel Gyarmathi, Hungarian Pioneer of Comparative Linguistics (erstmals 1951 erschienen). In: Thomas Sebeok (Hg.): Portraits of Linguists. A Biographical Source Book for the History of Western Linguistics 17461963, Bd. 1. Indiana University Press 1966, S. 5870.

81 Zur aktuellen sprachhistorischen und typologischen Forschung vgl. János Pusztay: Sind die Finnougrier europäisch oder sibirisch? In: Gulya (Hg.): Konfrontation und Identifikation (Anm. 79), S. 3744.

82 Gulya: Historische Aspekte (Anm. 79).

83 Kalmárs Betonung der Einzigartigkeit des Ungarischen und sein Vergleich des Ungarischen mit dem Hebräischen hat allerdings eine berühmte Tradition, die seit Gyarmathis Forschungen aufgegeben wurde. Die frühesten Vertreter dieser These waren die Ungarn Sylvester (1539) und Molnár (1610), außerhalb Ungarns etwa Theodor Bibliander. Außer Gyarmathi sind aus dem späten 17. und 18. Jahrhundert noch weitere Sprachforscher zu nennen, die für die finno-ugrische Verwandtschaft Gründe vorbrachten, welche die moderne komparative Linguistik vertieft hat: Ferenc Otrokocsi Fóris (1693), Gottofred Oertel (1746) und Johannes Sajnovics (1770). Vgl. József Hegedűs: Evolution or Revolution? (A Transitory Period in Hungarian Com-parative Linguistics). In: Annales Universitatis Scientiarum Budapestiensis de Rolando Eötvös

Kalmár wandte sich mit seiner Hebräischen Grammatik und exegetischen Studien an Breitinger und diskutierte mit ihm und Hagenbuch auch über die Kultur der Israeliten und benachbarter Völker, wie aus der Erwähnung von Henricus a Portas Werk über den Vorzug der orientalischen Sprachen hervor-geht. Kalmár teilte seine Gedanken über eine universell verwendbare Zeichen-sprache, den Ursprung der Sprachen überhaupt und die Fähigkeit der Menschen, Wahrgenommenes und Begriffenes in Worten bzw. Begriffen wie-derzugeben, vermutlich nicht den Zürcher Theologen mit, sondern ein paar Jahre später den Mitgliedern der Berliner Académie des sciences. Die Académie schrieb mehrere Preisfragen aus, die sich mit dem Ursprung der Sprachen und dem Zusammenhang zwischen Erkennen und Sprechen beschäftigen.84

– 1759:„Quelle est l’influence réciproque des opinions du peuple sur le lan-gage et du lanlan-gage sur les opinion?“ Den Preis erhielt Johann David Michaelis.

– 1771: „En supposant les hommes abandonnés à leurs facultés naturelles, sont-ils en état d’inventer le langage? Et par quels moyens parviendront-ils d’eux-mêmes à cette invention?“ Johann Gottfried Herder, Hofprediger in Bückeburg, erhielt den Preis.

In den Widmungen seiner Drucke, die während seiner großen Reisen in den Jahren 1750 bis 1774 sowie danach herauskamen, und den beigegebenen Sub-skribentenlisten zeigt sich Kalmár bestens vernetzt. Er besuchte 1765 Johann Georg Hamann, 1771 Abraham Jacob Penzel (1749–1819) in Dessau und 1772 Jo-hann Heinrich Lambert (1728–1777), um ihnen sein Projekt einer Universalspra-che sowie seine Untersuchung über das UngarisUniversalspra-che in seinemProdromus zu diesem Projekt vorzustellen, sie als Subskribenten für dieses Projekt zu werben und sie um Unterstützung bei der Publikation zu bitten.85 Lambert besorgte den Druck derPraecepta Grammatica atque specimina Linguae philosophicae

Nominatae, sectio linguistica, tomus XXII. Budapest 1991, S. 7986. Als Indiz für die Ancien-nität des Ungarischen wurde ebenfalls schon im 18. und 19. Jahrhundert die Tatsache ange-führt, dass es in der Vergangenheit wie in der Gegenwart keine Dialekte oder Soziolekte gebe.

Dazu gleichfalls József Hegedűs: The Unique Structure of the Hungarian Language (as seen by foreign scholars). In: Annales Universitatis Scientiarum Budapestiensis de Rolando Eötvös No-minatae, sectio linguistica, tomus XXIV. Budapest 19992001, S. 1520. Ich danke Gábor Tüs-kés für wertvolle Literaturhinweise zur Geschichte der vergleichenden finno-ugrischen Sprachwissenschaft.

84 Adolf Harnack: Geschichte der königlich-preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Bd. 2. Berlin 1900, S. 308310. Es ist nicht bekannt, ob Kalmár auf die Ausschreibung reagiert hat.

85Hegedüs: Prodromus (Anm. 24), S. 143147.

sive universalis ad omne vitae genus accommodatae (Berlin 1772). Zwei Jahre später erschien, ebenfalls mit Lamberts Unterstützung, eine erweiterte deutsche Ausgabe in Wien, in der die erkenntnistheoretischen und semiotischen Voraus-setzungen zur Einführung der Universalzeichensprache ausführlich erläutert werden.

Kalmárs Idee einer Universalsprache hängt zwar entstehungsgeschichtlich mit seiner Frage nach den urältesten Zeugnissen einer metaphysisch vollkom-menen, Ideen mit Begriffen bezeichnenden Sprache zusammen, geht aber weit darüber hinaus. Eine„Philosophische oder Allgemeine Sprache“sei,„ metaphy-sisch betrachtet“, immer schon da gewesen, noch bevor R. Descartes, Athana-sius Kircher, J. J. Becher, G. W. Leibniz und Chr. Wolff darüber nachgedacht hätten, schreibt er in der Vorrede zu seinem Werk.86Kalmár dachte an Univer-salcharaktere, die als Universalzeichenschrift in jeder beliebigen Sprache gele-sen und als Vehikel der Verständigung verwendet werden können.87

Lambert hat in seinemNeuen Organon oder Gedanken über die Erforschung und Bezeichnung des Wahren und dessen Unterscheidung vom Irrthum und Schein (Leipzig 1764)88eine semiotische Theorie über den Zusammenhang von Denken, Empfinden und Sprechen entwickelt. Er war fasziniert von Kalmárs System, das es erlaubte, die Begriffe individueller Sprachen auf 400 mutmaßliche radices zu-rückzuführen. Er hoffte, daß Kalmár seine Theorie weiterentwickeln würde. Da er selbst ein Quereinsteiger der Wissenschaft war, dessen Karriere in der Mitglied-schaft der Akademien zu Berlin und Petersburg gipfelte, ließ er sich–im Gegen-satz zu Hamann und Abraham Jakob Penzel (1749–1819)89 – von Kalmárs vernachlässigtem, abenteuerlichen Äußeren offenkundig nicht abschrecken. Er lud ihn vielmehr zu sich ein, hörte ihn an und fand ihn auf allen Gebieten durch-aus beschlagen. Wir erfahren durch-aus Lamberts Brief an Penzel, wie er ungarische Gelehrte auf Reisen wahrnahm:

Die Ungarischen protestantischen Geistlichen, weil sie in einer ziemlichen Unterdrückung und Nachbarschaft der Türken leben, sind schon längst gewöhnt zu ihren Reisen die Via-tica von andern protestantischen Kirchen zu begehren. Auf diesen Fuß thut es Hr. Kalmár

86 Kalmár: Grammaticalische Regeln, Vorwort S. 11.

87 Gerhard F. Strasser: Lingua universalis. Kryptographie und Theorie der Universalsprachen im 16. und 17. Jahrhundert. Wolfenbüttel 1988, S. 242254.

88 Vgl. den fotografischen Nachdruck, hg. von Hans Werner Arndt: Johann Heinrich Lambert:

Philosophische Schriften, Bd. 1. Hildesheim/ New York 1965.

89 Johann Georg Hamann an Johann Gotthelf Lindner, 25. Juli 1761, in: Ders.: Briefwechsel, hg. von Walther Ziesemer und Arthur Henkel, Bd. 2. Wiesbaden 1956, S. 99; zu Abraham Jacob Penzels Schilderung in einem Brief an Lambert, welchen Eindruck Kalmár auf ihn gemacht habe, vgl. Hegedüs: Prodromus (Anm. 24), S. 29f.

vermuthlich auch. [. . .] Hr. Kalmár reiset größtentheils um Subscribenten zu seinen grös-sern Werke von der allgemeinen Sprache zu suchen, wozu er die Unkosten, wenn alle Character sollen gegossen, und das Werk latein und französisch publicirt werden soll, auf eine Summe von 2000 Thaler ansetzt.90

Vier Briefe Kalmárs an Lambert (15.12. 1773, 4.2., 15.3. und 13.6. 1774) sind in der UB Basel überliefert.91Sie handeln alle von der Arbeit an seiner Universal-zeichensprache und den zum Teil noch bevorstehenden Publikationen in ita-lienischer und deutscher Sprache. Kalmár drückt die Erwartung aus, dass Lambert sie bekannt machen und für sie werben werde. Aus Verbundenheit gegenüber Lambert, der ihm die Publikation der deutschen Fassung ermög-licht hat, wolle er ihm die italienische Fassung seines Systems schicken. Er er-klärt Lambert mehrere begriffliche Eigenheiten seines semiotischen Systems, ohne darzulegen, was er von Lamberts Semiotik aus dessenNovum Organum halte oder sogar übernehmen könne.92 Kalmár wünschte, dass Lambert auch eine Ankündigung der Haude & Spenerschen Verlagsbuchhandlung in Berlin veranlassen werde, bat aber, damit zu warten, bis die erweiterte deutsche Fas-sung in Wien erschienen sein würde.93

Johann Matthias Schröckh (1733–1808) rezensierte Kalmárs Praecepta grammaticakritisch in Nicolais Allgemeiner Deutschen Bibliothekim Jahr 1777.

90 Johann Heinrich Lambert an Abraham Jakob Penzel, 1. August 1772. In: ders.: Deutscher gelehrter Briefwechsel, hg. von Johannes Bernoulli, Bd. I. Berlin 17811782, S. 7173; abge-druckt von Hegedüs: Prodromus (Anm. 24), S. 145147, hier 147.

91Vgl. die Liste der Briefe unten, im Anhang.

92Aus Augsburg schrieb Kalmár Lambert am 15. Dezember 1773:Librum, quem apud vos edidimus, uulgaui etiam Romae, Lingua Italorum uulgari. Quius Interpretationis certa ad VOS mittere exempla, pro officiorum erga Vos meorum ratione, constitui.In Praefamine uidebis Characteres meos distingui in Characteristico-symbolicos et Symbolico-characteristicos; quo-rum priores intrinseca, posteriores uero extrinseca et intrinsica nitunter ratione.(Basel, UB:

L IA 698, fol. 128)

93VIRO longe clarissimo D. IOANNI H. LAMBERTO, Amico perpetuum etiam atque etiam co-lendo Georgius Kalmár salutes dicit! Cur Publicationem Programmatis quod Berolini promisi, diferam; intelliges, si rationem germanicae huius Interpretationis consideres. Comfido [!] huic Te editioni promouenda non defuturum. Jdeoque singularem in modum rogo, ut, quantum in Te positum sit, nunc quoque experiaris. Alterum Programmatis exemplum in Bibliopolis Hau-dio-Speneriana, si placet, locato; atque Dominum Haudium in Depositorium eligito. Quoniam uero pecuniam illam intra oras Brandeburgicas contineri uolo: necesse erit, ut subfragiorum numerum atque conditionem, non Krausio, sed immediate mihi declares. Amicis atque Fauto-ribus meis officia mea, quaeso, et nunc et semper commendes. Vale VIR Clarissime, et mihi porro quoque studeto. Scripsi Viennae 13 Iunii 1774, nundius quartus Posonio reuersusDer Brief ist auf den 13. Juni 1774 datiert und wurde aus Polen abgeschickt. Vgl. Basel, UB: L IA.

698, Nr. 4, fol. 132.

Schröckh nahm vor allem Anstoss an Kalmárs Lob des Ungarischen, einer Spra-che, in der sich Gelehrte bisher gar nicht ausgezeichnet hätten. Er würdigt Kal-már als „einen sehr gereisten und belesenen und sprachkundigen, auch mit einer starken Einbildungskraft begabten Manne, und Verfasser von andern phi-lologischen Schriften seit wenigstens fünf und zwanzig Jahren“. Als Kenner des Ungarischen hält Schröckh Kalmárs Lobsprüche über die Einzigartigkeit dieser Sprache sowie die Gelehrsamkeit und Geschmeidigkeit der Ungarn allerdings für weit übertrieben, weil wissenschaftliche Arbeiten in ungarischer Sprache in Europa ganz unbekannt seien. Auch Kalmárs poetische Versuche imProdromus findet Schröckh misslungen. Seine Gedichte seien„wahre Potpourris“. Lieber hätte er sie nicht an seine sprachhistorische und grammatische Abhandlung anhängen sollen, aber:„Vincet amor patriae“.94