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Militärische Krise, ideologischer Einsatz

In document Rencontre de l'Est et de l'Ouest (Pldal 184-189)

Die zur Analyse ausgewählten Abschnitte befinden sich einerseits am Anfang des okzitanischen Romans, andererseits an mehreren Stellen des mittelhochdeutschen Epos. Jeweils scheint es zielführend, den Inhalt kurz zusammenzufassen.

Im Fall des okzitanischen Berichts spitzt sich die Lage ziemlich rasch zu.

Gleich nach dem Aufbruch setzt sich das christliche Heer unter der Leitung von Guilhem de la Barra und Chabert mit einer Herausforderung auseinan-der, die nicht nur den Ausgang des Einsatzes, sondern auch das Leben der Ritter in Gefahr bringt. Um das Meer überqueren zu dürfen, muss ein ho-her Betrag bezahlt werden. Wenn sich jemand weigert, wird er enthauptet, außer wenn er den christlichen Glauben verleugnet.2 Den Rittern ist offen-sichtlich kein Kompromiss erlaubt, deswegen bereiten sie sich alle auf den Tod vor. Die Krise bietet ihnen dennoch eine hervorragende Gelegenheit, die Wahrheit des christlichen Glaubens den Heiden des Werkes und dem jeweiligen Publikum zu veranschaulichen. Ein inszenierter Götterstreit, der die biblische Szene3 nachahmt, soll darlegen, wie wahrhaftiger Gott als die heidnischen Götzen ist. Zum Schluss gelingt es den christlichen Rittern, nach schwierigen Verhandlungen ein Abkommen zu schließen und ihren Einsatz in Richtung England fortzuführen.

Was hinsichtlich der wissenschaftlichen Leitlinie des vorliegenden Tagungsbandes in diesem kurzen Abschnitt unter anderem auffällt, ist zu-nächst die Rede von Guilhem, die sich an die Ritter richtet, die sich auf den Tod vorbereiten. Da seiner Erläuterung zufolge auf einen Schlag das Leben

2 „Et establic qu’om ques defenda / Ses merce la testa perdes / Sil traütage no pagues, / O no volgues Dieu renegar.“ Arnaut Vidal de Castelnaudary, Guillaume de la Barre, hrsg. Paul Meyer, Paris, SATF, 1895, 134-137 (Zeilennummer; im Weiteren: Guilhem).

3 1 Kön 18,20-40.

und der Tod zum Einsatz der Auseinandersetzung werden,4 nehmen alle dar-auffolgenden Handlungen rituelle Merkmale an, im Laufe deren auf den letz-ten Moment vorbereitet wird. Sogar die Wortwahl5 von Guilhem weist auf das ewige Schicksal hin. Diese Art Auffassung der Entwicklungen schließt alle Versuche aus, eine vorübergehende Lösung zur Lage zu finden. Kein einziges Wort fällt mehr über die Flucht oder das Lösegeld.

Nach diesen ersten Ereignissen des Werkes kann vorausgesetzt werden, dass die Auseinandersetzung mit einer abweichenden geistigen Überzeugung unvermeidbar für eine tiefe Krise sorgen dürfte, die zugleich die größten Ziele des Menschen und der Gemeinschaft in Gefahr bringt. Allem Anschein nach schätzen die Ritter die Lage auf ähnliche Weise ein, da sie sich auf den bevorstehenden Tod vorbereiten und die Sakramente zu sich nehmen.6 Da die Rede das Hauptanliegen der Heilsgeschichte hervorruft, gilt sie als eine Zusammenfassung der christlichen Moral, die eine Antwort erwartet, die auf die einzigartige Tat von Jesus gegeben werden soll. Diesmal scheint der Parallelismus klar: Wie sich Jesus für die Menschheit hingegeben hat, so müssen sich die Ritter nun für den Glauben aufopfern.7

Vermutlich nichts anderem als der Todesbereitschaft der Ritter ist es zu-zuschreiben, dass der Botschafter des heidnischen Königs, der bislang als

4 „[...] qu’ades rendam / Las armas a Dieu e muram / Per so quar el muric per nos.“ Guilhem 341b-343.

5 passio, salut, paradis: 336, 338, 339.

6 „En Chabertz vay ades culhir / Las fuelhas e vay las partir / Dessus us bels mandils hobratz. / Ara fon cascus cofessatz / De totz sos pecatz a son par. / Aqui viratz cascu baysar, / La .j. l’autre e nom de fe. / G. de la Barra dese / Vay benasir e vay senhar / Davant lor, et adenolhar / Davant lor se vay doussamens, / Et en loc de Dieu dignamens / A cascu vay sa part donar; / Et apres fey apparelhar / Del vi, ayssi cum far se deu, / E cascus de denolhos beu, / Remenbran la passiu de Dieu. / E quan fo fait, cascus lo sieu / Cavalh se fey gent amenar, / E pueyss van dir autet e clar: / ‘Ara podem anar segur, / Que per lunh Sarrazi taffur / Nons cal aver paor hueymay.‘“

Guilhem, 349-371. Diese Art von symbolischer Kommunion war im Mittelalter üblich, wie der Herausgeber Paul Meyer anmerkt: „On a bien d’autres exemples de cette sorte de communion symbolique. Voy. Daurel et Béton, p. vi.“ Guilhem, Einleitung, xvi. Im Daurel et Béton steht:

„E junh las mas: ‘Companh, si a vos platz, / Ab de fuelha e vos me cumergas.‘“ Daurel et Béton, hrsg. Paul Meyer, Paris, SATF, 1880, 427-428 (Zeilennummer). In der Einleitung dieses Romans fügt Paul Meyer hinzu: „Les exemples de cette sorte de communion symbolique sont fréquents dans les poèmes du moyen-âge; voy. Floriant et Florete, vv. 345-7 et les notes de l’éditeur, p. xlij.“

Der Abschnitt von Floriant et Florete lautet: „Puis a .iii. pois de l’erbe pris, / Seigniez et en sa bouche mis / En lieu de Corpus Domini, / Qui li face vraie merci.“ Floriant et Florete, 345-348.

(Zeilennummer), hrsg. Francisque Michel, Edinburgh, R&R Clark, 1873.

7 „[...] qu’ades rendam / Las armas a Dieu e muram / Per so quar el muric per nos.“ Guilhem, 341b-343.

Dol metscher aufgetreten ist, den Vorschlag Guilhems annimmt.8 So kommt es zu einem eigenartigen Gottesurteil, dessen Darstellung außer Zweifel die biblische Szene über Elias und die Propheten von Baal hervorruft.9 Dieses Abkommen gewährt den Rittern vorerst eine Frist, die demzufolge nicht sofort sterben müssen.

Hinsichtlich des Motivaustausches zwischen unterschiedlichen Kulturen drängt sich nicht nur die stereotype Auseinandersetzung mit den Heiden in den Vordergrund, sondern es lohnt sich auch, den Vergleich der Götter unter diesem Gesichtspunkt zu untersuchen. Denn es handelt sich dabei um eine ziemlich archaische Auffassung, nach welcher der jeweilige Gott unmittelbar in die Welt eingreift und die Ereignisse des Diesseits beeinflusst.

Wie zuvor darauf hingewiesen, wird das Gottesurteil sowohl strukturell als auch inhaltlich nach dem biblischen Bericht verfasst und dargestellt. In beiden Fällen wird der wesentliche Gegensatz in einem leicht ironischen Dialog textualisiert, was die Führungsrolle der jeweiligen Hauptfigur her-vorhebt. Was bei diesen sich ähnelnden Berichten noch mehr auffällt, ist ihr Hauptanliegen, d. h. der klare Sieg jener Macht, die als wahrer Gott be-trachtet wird. Die Vermutung, dass es möglich sei, in einem Streit durch den Vergleich transzendentaler Kräfte zu entscheiden, ist ebenfalls sehr archaisch und sowohl in der biblischen Tradition als auch im Mittelalter verwurzelt.

Es muss nur auf die zehn Plagen vor dem Auszug aus Ägypten10 oder auf die Gottesurteile der mittelalterlichen Rechtspraxis hingewiesen werden.

Allem Anschein nach steckt die damalige Botschaft des Abschnitts in den andauernden Konflikten der Kreuzzüge, die das Zeitalter durchaus geprägt ha-ben. Ohne die möglichen und erdenklichen Geschichtsquellen der Erzählung zu nennen oder aufzuzählen,11 lässt sich vermuten, dass die Darstellung der

8 „[...] aycels mesquis / Crestias se volo renegar / E colo Baphom adzorar, / Solamens qu’ades lo y portem / E quan seram lay nos veirem / Lor dieu qu’an mes sus .j. laurier / Qu’es pens en .j.

pauc de papier.“ Guilhem, 452b-458.

9 1 Kön 18,20-40.

10 2 Mose 7,14 – 12,40. Ein weiteres, weniger bekanntes Beispiel für die Frage der Untreue: 4 Mose 5,20-31 und darin die Kernsätze wie folgt: „Sobald er sie das Wasser hat trinken lassen, wird das fluchbringende Wasser in sie eindringen und bittere Schmerzen bewirken, falls sie unrein und ihrem Mann untreu geworden ist: Es wird ihren Bauch anschwellen und ihre Hüften einfallen lassen, sodass die Frau in ihrem Volk zum sprichwörtlichen Beispiel für einen Fluch wird. Wenn sie aber nicht unrein geworden, sondern rein ist, dann wird sich zeigen, dass sie unschuldig ist, und sie kann weiterhin Kinder bekommen.“ 4 Mose 5,27-28.

11 „Die zeitgeschichtliche Relevanz des Kreuzzugsgedankens im ‘Willehalm‘ ist nicht ge-nau zu erkennen. Seitdem Friedrich II. im Jahr 1215, bei seiner Krönung in Aachen, das

aussichtslosen Lage und der Vorschlag zur Lösung auf Kreuzzugsberichte aus dem Orient zurückreichen. Die göttliche Machtprobe vollzieht sich dennoch jeweils anders. Während die biblische Szene die traditionelle Opferung dar-stellt, werden die Götter im okzitanischen Roman aufgerufen, unmittelbar aufzutreten und ihre Kraft persönlich unter Beweis zu stellen. Dieser persön-liche Auftritt wird umso mehr hervorgehoben indem physische Darstellungen der Götterfiguren ins Spiel gebracht werden: mal ein Kruzifix, mal heidnische Götterstatuen. Abgesehen von dem wesentlichen Gegensatz zwischen den unterschiedlichen religiösen Auffassungen soll das umfangreiche Netzwerk der theologischen und biblischen Anspielungen erkannt werden, das hinter dem sonderbaren Götterstreit steckt. Um den religiösen Gegensatz besser zu erläutern, lohnt es sich, hinsichtlich dieser Anspielungen die Szene detailliert zu untersuchen.

Der Gegensatz kommt zuerst durch das Aussehen der Darstellungen der Götter zum Ausdruck. Das Kruzifix als Gedächtnis einer schrecklichen Straftat und des göttlichen Heilands steht ja im Gegensatz zu den prächtigen Götterstatuen sowie den geschmückten Festwägen:

Per mandamen drei al thezaur, E vay far yssir .j. carr d’aur, E las rodas foron d’argent, Hon degro portar ricament Lors dieus Bafom et Tervagan,12

Angesichts dieses Gegensatzes zeigen sich die Heiden hochmütig („Aquel dieu no sembla pas sas, / O sembla quel col ha trencat.“13), gar im Selbstvertrauen allzu gestärkt („Li crestia an paor de nos.“14). Durch sein Gebet allerdings versucht Guilhem den gängigen Gegensatz außer Kraft zu setzen und die

Kreuz genommen hatte, war das Thema eines neuen Kreuzzugs stets aktuell, auch am Thüringer Hof: der junge Landgraf Ludwig IV. hat einige Jahre später eine prominente Rolle in der Kreuzzugsbewegung gespielt. Man kann jedoch schwerlich den ‘Willehalm‘

als ein Dokument der Kreuzzugsverherrlichung betrachten; und es ist kaum denkbar, daß die Dichtung eine werbende Funktion erfüllen sollte. Zu deutlich sind die Skepsis und Distanz, mit denen der Erzähler das Geschehen auf dem Schlachtfeld verfolgt.“ Joachim Bumke, Geschichte der deutschen Literatur im hohen Mittelalter, München, DTV, 2004, 184.

12 Guilhem, 463-467.

13 Guilhem, 682-683.

14 Guilhem, 673.

darin steckende Erniedrigung zu überwinden. Nach einem Rückblick auf das Erlösungswerk Jesu, der zugleich als gemeinschaftliches Glaubensbekenntnis gilt, lädt Guilhem ihn ein, allen anwesenden christlichen Rittern beizu-stehen.15 Die Szene dürfte auf mehreren biblischen Szenen beruhen und zwar einerseits auf der des Götterstreits mit Elias und den Propheten von Baal,16 andererseits und noch einprägsamer auf der Szene der Heilung eines Taubstummen im Markusevangelium.17 Die beiden zitierten Szenen Beide hervorgehobenen Ausdrücke weisen auf uralte Brauchtümer hin, die im Laufe der Redaktionsarbeit in den durch die kirchliche Gemeinschaft kanonisierten Bericht eingearbeitet worden waren.

Was ebenfalls auffällt, ist die letzte Zeile: „Qu’el conoscan la veritat.“18 Demgemäß wird nicht mehr der militärische Sieg, sondern die Bekehrung der Heiden als Ziel gesetzt. Die zitierte Zeile dürfte das Mustergebet her-vorrufen, das einmal einem tragischen Ereignis voranging und sich auf die anderen konzentrierte. Dabei handelt es sich wohl um das berühmte Gebet Jesu, gleich vor seiner Festnahme, als er für die Apostel und alle späteren Gläubigen betete.

Gottes angemessene und vielfältige Antwort auf ein so demütiges und treues Gebet darf nicht ausbleiben. Wie in der Szene der Taufe Jesu,19 er-scheint eine Taube, die diesmal nur für die Hauptfigur sichtbar ist. Der nächste Teil der göttlichen Antwort erweist sich als hart, gar grausam, weil jene, die Jesus am Kruzifix beschimpft haben, nun einen schrecklichen Tod20 finden müssen. Die heidnischen Götter erleiden ein ähnliches Schicksal, das der Verspottung gar Vernichtung gleicht,21 was den heidnischen König nicht davon abhält, die christlichen Ritter nach wie vor besiegen zu wollen.

15 „Atressi, senher, cum ieu cre / Tot aysso ab mos companhos,/ Mostra huey cum yest poderos / Als nofezaycs que son ayci,“ Guilhem, 608-611.

16 1 Kön 18,20-40 und genauer auf den Satz von Elia (36b): „[...] heute soll man erkennen, dass du Gott bist in Israel [...]“

17 Mk 7,31-37 und zwar auf die Geste von Jesus (34a): „[...] dann blickte er zum Himmel auf, seufzte [...]“

18 Guilhem, 615.

19 „Und als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel sich öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam.“ Mk 1,10. Ähnlich bei Matthäus (3,16b), Lukas (3,22a) und Johannes (Joh 1,32b).

20 „Ades se van rompre lo col, / E la boca lor venc detras: / Qui trencal cap, qui romp los bras; / An mais son par mazel no vitz.“ Guilhem, 686-689.

21 „E tantost el vic departir / Lo cors Baffom, e’n vic yssir / .IIII. gatz pudens en volan, / Que preso lo dieu Tarvagan / E van lo ditar en la mar,“ Guilhem, 739-743.

Er bleibt weiterhin hartnäckig und lehnt das Christentum ab. Seine Absicht die Vertreter der anderen Religion anzugreifen wird als einzigartige Chance zum Martyri um wahrgenommen.22 Diese Sehnsucht, Märtyrer zu werden, dürfte sich auf die folgenden paulinischen Sätze stützen: „Denn für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn. [...] Es zieht mich nach beiden Seiten: Ich sehne mich danach, aufzubrechen und bei Christus zu sein – um wie viel besser wäre das!“23

Dank der ersten schwierigen Auseinandersetzung mit den Heiden ha-ben die christlichen Ritter eine abweichende Leha-bensauffassung kennenge-lernt, die sowohl im okzitanischen Roman, als auch in den Gedanken der Hauptfiguren zum Ausdruck gebracht wird. Der Konflikt gleicht einem extremen Gegensatz, der das Hauptanliegen der individuellen und gemein-schaftlichen Identität in Zweifel zieht. Die Ritter sind doch bereit, das Leben für die geistige Überzeugung in einem Kontext aufzuopfern, wo die Heiden unvermeidbar das Böse veranschaulichen.

In document Rencontre de l'Est et de l'Ouest (Pldal 184-189)