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Ein Typologisierunsgvorschlag der echten Dialektwörter

5 Empirische Befunde: Veränderungen auf der Ebene des Wortschatzes

5.3 Wortschatzeinheiten bei Sprachminderheiten

5.3.1 Was sind ‚eigentliche Mundartwörter‘?

5.3.1.1 Ein Typologisierunsgvorschlag der echten Dialektwörter

Das von KISS aufgestellte Kriterienraster kombiniert systemlinguistische (phonolo-gische, morpholo(phonolo-gische, semantische) mit pragmatischen Merkmalen der Wörter, die insbesondere in der Mundart, einer gesprochenen Sprachform, als essentielle Merkmale von lexikalischen Einheiten betrachtet werden können. Doch selbst diese Merkmale scheinen in manchen Fällen zur Beschreibung der echten Dialektwörter nicht auszureichen, denn zu einer Feingruppierung von lexikalischen Einheiten der Minderheitensprache könnten m. E. noch weitere Merkmale herangezogen werden.

Diese beziehen sich auf den Grad der Transparenz der Bildungen (Durchsichtig-keit), auf die Fächerung des Bedeutungsspektrums der Wörter (d. h. partielle oder totale semantische Übereinstimmung mit dem standardsprachlichen Äquivalent).

Darüber hinaus kann auch der Entlehnungshintergrund sowie der

Entwicklungs-423 Vgl. KISS (2001, 43–47).

424 Vgl. zu Konvergenzprozessen SALMONS (2003, 109–120).

157 weg des Wortes in der Minderheitensprache und der Stand der ursprünglichen oder übernommenen Bedeutungsstruktur eine wichtige Rolle spielen. Auf diese Weise lassen sich noch mehrere Zwischenformen und weitere Untergruppen aufstellen.

Im Folgenden werden Beispiele für unterschiedliche Typen von Dialektwörtern zunächst allgemein, dann exemplarisch analysiert, um zu zeigen, welche Merkmale und Kriterien bei der Beschreibung einzelner Mundartwörter zum Tragen kommen.

Zuletzt wird mit Hilfe der Prototypenmethode aufgrund der Beleganalyse ein tabel-larisches Schema für eine Gruppierung von echten Dialektwörtern aufgestellt:

Gruppe 1.

Auswahl von Belegen: Flitschke ‘Flitsche’,425 Kepernec ‘Reisemantel aus rauhem Tuch’,426 Tschurak ‘warme Jacke’, Klumbe ‘Holzpantoffel’, Kaafl ‘Handvoll’,427 Treplatz ‘Tretplatz’,428 Halbscheid ‘Hälfte’, iwerzwerch ‘quer’, vrmegaje ‘prügeln’

‘verhauen’,429 aafremme ‘Anzug, Kleid nach Maß anfertigen lassen’, artlich ‘son-derbar, ungewöhnlich’.

Zu dieser Gruppe können jene Wörter gezählt werden, die keine standardsprach-lichen Entsprechungen haben, in Form und Bedeutung von der Standardsprache völlig abweichen, und einen eigenständigen semantischen Mehrwert haben. Sie bezeichnen aus dem Leben und der Mikroumwelt früherer Lebensweise typische Entitäten, Gegenstände etc. Nach KISS können diese als hundertprozentige Dialekt-wörter betrachtet werden, mit denen „die Sprecher- und Sprachgemeinschaften mit einem gesonderten Lexem zum Ausdruck [bringen], was ihnen wichtig ist“ (KISS 2001, 45). Mit diesen Eigenschaften bilden diese Wörter den innersten Kern der echten Dialektwörter, die gleichzeitig die am meisten geeigneten Kandidaten bei der Lemmatisierung in einem Dialektwörterbuch sein müssen. Im heutigen Sprach-gebrauch der Minderheitensprecher gelten sie als Archaismen, die mit Ländlichkeit assoziiert werden und sozialsymbolisch konnotiert sind, größtenteils in der Erinne-rungssprache auftauchen und zu ihrem Verständnis außer dem konkreten Kontext auf keinerlei Stütze zurückgegriffen werden kann.

Analyse von Beleg 1:

So a jungi Flitschke waas’s gar net, wie mr Brot backt. (II-L-F-74-m) (So eine junge Frau weiß gar nicht, wie man Brot bäckt.)

425 Das Wort „Flitsche“ bezieht sich neben seiner 1. Sachbedeutung in der 2. auf ein „leichtfertiges Mädchen, fast dirnenhaft, bes. gern vom Landvolke auf städtische, etwas putzsüchtige Mäd-chen angewandt, denen es keine Hausfrauentugenden und ernste Lebensart zutraut“ (Rheini-sches Wörterbuch 1931, 631). Bei diesem Lexem könnte auch mit einer diatopischen Variation zu rechnen sein.

426 Entlehnt aus dem Ung. köpönyeg, kommt auch im Rum. vor und auch im Türkischen, vgl.

WOLF (1987, 269).

427 Vgl. Kaaschl, Kauschl, mhd. goufe = hohle Hand, WOLF (1987, 276).

428 Hinterhof eines Hauses, auf dem gedroschen wurde.

429 Vgl. dazu Pfälzisches WB: vermakaieme (aus dem Rotwelsch) vgl. WOLF (1987, 274).

Wortschatzeinheiten bei Sprachminderheiten

Das Lexem kann als eigentliches Dialektwort eingestuft werden, weil es formal und semantisch auf standardsprachlicher/umgangssprachlicher Basis nicht ohne wei-teres verständlich ist, obgleich eine gewisse phonetische Ähnlichkeit mit ‚Flitter‘

hergestellt werden könnte.430 Die Wortform und ihre Bedeutung (mit einer starken abwertenden Konnotation in der Mundart) sind standardsprachlich nicht belegt, das Lexem hat keine standardsprachliche Entsprechung, seine Kodierung würde nicht nur für Standardsprecher, sondern auch für Sprecher der jüngeren Generationen der Sprachminderheit Probleme bereiten.

Zu dieser Gruppe der echten Dialektwörter gehören auch die Lexeme Leiwl

‘Weste’, Torsche ‘Krautstrunk’,431 das heute ziemlich selten gebrauchte Wort Korde

‘Rolokorte’ franz. Corde = ‘Seil, Strang’,432 Lackel ‘starker Mann’,433 grapsche

‘schnell zugreifen’,434 pressiere ‘es eilig haben’, steipre ‘stützen’ und viele andere.

Auch Wendungen wie Der will net in die Siele geh’ ‘Der will nicht an die Arbeit gehen’ können hierher gestellt werden.

Gruppe 2

bilden die sog. semantischen Dialektwörter, die aufgrund ihrer phonetischen Rea-lisation einem standardsprachlichen Wort entsprechen könnten, d. h. es existiert eine ähnliche standardsprachliche Form mit der eine von der mundartlichen Bedeu-tung abweichende BedeuBedeu-tung verbunden ist. Man könnte sie aus dieser Sicht auch als ’falsche Freunde’ betrachten, weil sie nur vermeintlich bekannt sind. Aus dem ungarndeutschen Belegmaterial gibt es für diese Gruppe zahlreiche Belege mit semantischen Abweichungen von der Standardsprache. Ungarndeutschen Spre-chern verursachen diese Wörter nicht selten Probleme, wenn sie eine gehobenere Varietät oberhalb der Mundart verwenden.

Beispiele: Halt ‘Herde, Gruppe’, Halter eigentlich ‘Hirte’,435 das wahrschein-lich aus dem Substantiv Halt abgeleitet wurde, das in der Bedeutung von ‘Herde, Gruppe’ steht: Mit dr Halt geh ‘Mit der Gruppe gehen’, Frucht ‘Weizen’, Gras

‘Unkraut’, Strecke ‘Eisenbahnlinie’, bled ‘blöd’, Lebtak ‘Chaos, Spektakel, Unord-nung’, Reibhelzle ‘Streichhölzer’, ufsteige ‘aufstehen’, springe ‘laufen, schnell gehen’, laafe ‘gehen’, geh ‘gehen’ auch ‘fahren’, hupse ‘hüpfen, springen’, lene

‘lernen’ und ‘lehren’, diwane ‘plaudern’, Baal ‘Ball’ als ‘Tanzfest’ und Balle ‘Ball’

als Spielzeug. Bei letzterem Beispiel hat die formale Spaltung den Zweck, die Homonymenflucht zu unterstützen.

430 Was jedoch nicht bedeutet, dass die Bedeutung von ‘Flitschke’ aus ‘Flitter’ abgeleitet werden kann.

431 Vgl. auch WOLF (1987, 248–249).

432 Vgl. WOLF (1987, 263), das von Lothringen und der Pfalz rheinabwärts gebraucht wird. Rolo-korte ‘Jalousinstrang’ ist eine mündliche Mitteilung einer Informantin.

433 Lackel mit den Bedeutungen: 1) überaus große, starke männliche Person, 2) Flegel, ungebil-deter, grober Mensch, 3) nachlässiger, träger Mensch, 4) Mannsperson, die sich ungebührlich benimmt (vgl. Pfälzisches WB Bd. IV. 727)

434 Vgl. WOLF (1987, 252).

435 Vgl. WOLF (1987, 263): mhd. haltare – Hirt, Beobachter, Bewahrer

159 Analyse des Belegs:

(65) Wann bischt’n morgets ufgstiege? (II-L-M-81-m) (Wann bist du denn morgens aufgestanden?)

‚Aufsteigen‘ ist nur formal identisch mit dem standardsprachlichen Lexem, da es sich um zwei unterschiedliche Bedeutungen436 handelt. Das dialektale Wort wird nur in der Bedeutung von ‘aufstehen’ gebraucht. Es liegt eine Formäquivalenz (Homonymie), doch keine Bedeutungsäquivalenz vor. Die Formidentität bildet hier eine Falle bei der Bedeutungsinterpretation, deshalb ist es schwierig, dieses Lexem in eine der Untergruppen einzustufen. Die Wörter dieser Gruppe mit ihrem seman-tischen Sonderweg können – gestützt durch den entsprechenden Kontext – ohne Schwierigkeiten auch von nicht dialektkompetenten Sprechern verstanden wer-den. Bei dem Wort bled ‘blöd’ geht es z. B. um eine partielle Übereinstimmung der Bedeutung: Das Mundartwort bled mit seinen drei Bedeutungen a) schamhaft, b) abgenutzt, c) einfältig oder dumm verfügt über ein breiteres Bedeutungsspekt-rum als das standardsprachliche Wort.

Beleganalyse: Gras

(66) Jetz hot’s gregert, der Garte is voll mit Gras. (III-L-M-76-m) (Jetzt hat es geregnet, der Garten ist voll von Unkraut.)

Das Wort ist sowohl standardsprachlich als auch mundartlich ein bekanntes, zum Grundwortschatz gehörendes Wort mit einer anderen Bedeutung in der Mundart, wo es als Sammelbegriff für ‘Unkraut‘ steht. Für die standardsprachliche Bedeu-tung von Gras hingegen gebraucht die Mundart Lexeme, wie Wasem oder Rase.437 Auch hier müsste ein weiteres Kriterium der Homonymie angesetzt werden, um die Bedeutungsunterschiede besser darzustellen.

Gruppe 3

In diese Gruppe gehören sog. formale Dialektwörter, die eine phonetisch leicht abweichende Form vom standardsprachlichen Wort zeigen, z. B. Metathese, Apo-kope und sonstige lautliche Veränderungen aufweisen, in der Bedeutung jedoch eine mehr oder weniger völlige Äquivalenz zeigen. Beispiele: kittre ‘kichern’, Kauntsche ‘Schaukel’, Hemmed438 ‘Hemd’, Fusch ‘Fisch’, Sunne ‘Sonne‘, sowie Entlehnungen unterschiedlicher Epochen: franz. Plafon ‘Plafond, Zimmerdecke’,

436 Sprecher, die aus der Mundart in eine andere, höhere, Varietät wechseln, verwechseln die beiden Verben regelmäßig, weil ihnen die standardsprachliche Bedeutung nicht bekannt und geläufig ist, wie folgendes Beispiel zeigt: Do sin wir in der Fruh aufgestiegen un ins Feld gefahren. (Da sind wir in der Früh aufgestanden und ins Feld gefahren).

437 Diese Bedeutung von Unkraut ist als eine Sonderbedeutung im Südhessischen Wörterbuch Bd.

II auch belegt (1969–1972, 1443).

438 Bei Hemmed – Hemd wurde ein Sproßvokal eingefügt (vgl. got. hamipa), bei Fusch – Fisch und Sunne – Sonne handelt es sich um eine künstliche Singularbildung zu der als Plural ver-standenen Grundform (vgl. BAUER ZDL 2001, 98).

Wortschatzeinheiten bei Sprachminderheiten

Kuwert ‘Briefumschlag‘, Stellaschi ‘Stellage’, Futraschi ‘Futterage’, Puschtur

‘Gestalt, Figur’ lat. positura ‘Lage, Stellung’, sowie Pharre ‘Pfarrer’, Prih ‘Brühe’, Ausdrücke wie ich bin des so laadich ‘ich bin das so leidig’ = ‘mir ist langweilig’, Krie ‘Kren’ und gach439 ‘plötzlich, steil, schnell’.

Die angeführten Beispiele sind nur aus formaler Hinsicht auffallend und zeigen einen unterschiedlichen Grad der phonetischen Abweichung. In der Typologisierung nach REICHMANN gehören sie in die zweite Gruppe, weil sie leicht erkennbar sind, auch aus standardsprachlicher Sicht gut verständlich, die leichte phonetische Vari-ation oder die Abweichung das Verstehen und auch den Gebrauch dieser Wörter nicht beeinträchtigt.

Analyse des Belegs: Kauntsche ‘Schaukel’:440

(67) Do im Hof hem’r a Kauntsche vor unser Kiner ufgstellt. (II-L-F-72-m) (Da im Hof haben wir eine Schaukel für unsere Kinder aufgestellt.)

Auffallend in der phonetischen Realisierung dieses Wortes ist, dass es durch Meta-these geändert wurde, daher kann es wegen der Lautform eingeschränkt auf standard-sprachlicher Basis verstanden werden. Hier wäre es angebracht, ein zusätzliches Kriterium zur Erleichterung der Einstufung einzufügen, etwa den Typ der jeweili-gen (regelmäßig auftretenden) phonetischen Abwandlung anzugeben. Da seman-tisch gesehen eine vollständige Äquivalenz mit dem standardsprachlichen Lexem

‘Schaukel’ vorliegt, ist mit der Dialektform kein semantisches Plus verbunden, eine Konnotation liegt nicht vor.

Gruppe 4

Es geht um eine typische Zwischenstufe der Dialektwörter, da sie teilweise auch in der Standardsprache vorkommen, im mundartlichen Gebrauch bestimmte seman-tische und morphosyntakseman-tische Restriktionen zeigen und ein Großteil davon auf eine Kontaktsprache zurückzuführen ist, bei denen in der Nehmersprache vor allem phonetisch-semantische Restriktionen auftreten.

Beispiele: Stuck, Stickl, s Mensch ‘Magd’

Beleganalyse: s Stuck, s Stickl ‘Stück’

(68) Gebscht’mr noch a Stickl vun dere Torte. (III-L-F-84-m) (Gibst du mir noch ein Stückchen von dieser Torte.)

Die Lexeme Stuck und a Stickl sind bedeutungsidentisch, wobei ersteres mit einem Numerale von über zwei stehen kann, z. B. 5 Stuck Brot, letzteres bezieht sich auf die Menge eins, wie a Stickl Torte. Letzteres ist zudem noch homonym mit dem Substantiv r Stickl ‘Pfosten’. Schon wegen der zahlenmäßigen Restriktion müsste

439 Vgl. standardsprachlich ‘jäh’.

440 In den pfälzischen Dialekten in Ungarn ‘Kauntsche’, in den bairischen ‘Kautsch’.

161 ein zusätzliches kontextuell-semantisches Kriterium angesetzt werden, das die Bedeutungsdifferenz aufklärt. Das Wort ist nicht eindeutig einzustufen, es stellt einen Übergang von einem formalen und semantischen Typ des Dialektwortes dar.

Zu dieser Gruppe können auch die zahlreichen schon längst eingebürgerten Entlehnungen der Nachtürkenzeit bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts gerechnet werden, die zahlreiche auffallende morphosyntaktische Merkmale gegenüber der Norm der Gebersprache, oft auch gegenüber der Mundartform, der Nehmerspra-che, aufweisen: r Wike pl. Wikene ‘Stier’, e Akaatse ‘Akazie’, r Salasch ‘Gehöft’

(ung. szállás), e Arende ‘Pacht, Pachtung’ (ung. árenda), s Bagaschi ‘Bagage’ in der Bedeutung von ‘Gesindel’, e Bakantsche ‘feste, schwere Schnürschuhe’ (ung.

bakancs), e Bande (ung. banda).441 Gruppe 5

Hierher werden jene Dialektwörter gezählt, die gegenwärtig in den Mundarten nur in ihren grammatischen Kategorien (Genus, Numerus, Kasus, Flexion) typisch von denen der Standardsprache abweichen, aus anderer Hinsicht jedoch eine Bedeu-tungsäquivalenz mit dem standardsprachlichen Wort aufweisen.

Beleganalyse: r Butter ‘die Butter’, s Altar ‘der Altar’, r Radio ‘das Radio’, s Bett (Pl.: Better), s Gsicht (Pl.: Gesichter), e Hose (Pl. Hosene), ghupse ‘gehupsen – gehüpft’, gwunke ‘gewunken’ statt ‘gewinkt’.

In der phonetischen Realisierung besteht mit der standardsprachlichen Wortform eine völlige Übereinstimmung, bis auf die morphologischen Kategorien – das Artikelwort, das Pluralflexiv, die Flexionsform des Partizip II – die von der Stan-dardsprache abweichen, sodass bei diesem Lexem auch ein grammatischer Aspekt mitberücksichtigt werden muss. Zu dieser Gruppe können m. E. auch die über-nommenen Sachmodernismen gerechnet werden, deren Integration noch im Gange ist und sich erst tendenziell einige grammatischen Regeln abzuzeichnen beginnen:

z. B. s igazolás ‘Nachweis, Bestätigung’, s táppénz ‘krank geschrieben sein’, s kér-vény ‘Antrag’, s engedély ‘Genehmigung’.

Mit der exemplarischen Beleganalyse sollte gezeigt werden, dass die jeweils angesetzten Kriterien nicht statisch gesehen werden dürfen, sondern als offene und flexible Raster fungieren müssen. Die Tragfähigkeit der Typologisierungsvor-schläge muss auch daraufhin geprüft werden, auf welche Sprechergemeinschaft und welches Sprachgebiet bzw. auf welche Varietät sich die genannten Kriterien, die Typologisierung selbst, beziehen kann. Es hat sich gezeigt, dass in einzelnen Fällen sogar ein feinmaschigeres Raster angesetzt werden muss, um alle formalen und sprachlichen Eigenheiten und auch die Kontakteinflüsse der Dialektwörter auf-zufangen. Aufgrund der bisherigen Untersuchungserfahrungen kann angenommen werden, dass für bestimmte Gruppen von Dialektwörtern Clusters erstellt werden müssen, um weitere Feindifferenzierungen und Präzisierungen – auch als Stütze in Mundartwörterbüchern – vornehmen zu können.

441 In der Bedeutung von 1) Gruppe von nichtsnutzigen, Verbrechen verursachende Menschen, 2) Gruppe von Individuen, die in freundschaftlicher Verbindung stehen, 3) Musikkapelle.

Wortschatzeinheiten bei Sprachminderheiten

Die folgende schematisierte Darstellung zeigt den allmählich abnehmenden Umfang der „eigentlichen Dialektwörter“ beginnend vom mittleren Kreis, dem Kern der völlig „echten Dialektwörter“ bis zu den äußeren Kreisen, der Übergänge und den nicht mehr echten Dialektwörtern. Die einzelnen Kreise sind in ihrer Sta-bilität und ihrer Offenheit nicht gleich. Der innerste Kreis mit Gruppe 1 ist ver-hältnismäßig fest, in dem heutigen Sprachzustand kann diese Gruppe der echten Dialektwörter – mit dem abnehmenden Dialektgebrauch und der schrumpfenden Sprecherzahl – noch um einige Archaismen erweitert werden. Die Gruppen 2 und 3 können als relativ stabile Gruppen betrachtet werden, da es anzunehmen ist, dass weder formale noch semantische Abweichungen in der Mundart neu entstehen wer-den. Gruppe 4 und 5 können insofern als flexibel und offen betrachtet werden, dass sich mit den zahlreichen Entlehnungen und im heutigen Sprachgebrauch den vie-len Transfers selbstverständlich auch Genuszuordnungen bzw. Flexionsendungen mit fremdem Stamm verbinden können (vgl. Kap. 6.6, hybride Formen) und in diesen Fällen bei den Mundartwörtern mit Abweichungen von der Standardspra-che zu rechnen ist. Doch keinesfalls ist mehr mit der Veränderung von indigenen mundartlichen grammatischen Kategorien zu rechnen. Die beiden letzten Gruppen sind auch hinsichtlich der fremden Einflüsse offen, da die ‚Neuankömmlinge‘ aus der ungarischen Sprache eben diese Gruppen am meisten bereichern, damit – durch die wie auch immer geartete Versprachlichung der Konzepte – den Integrationsweg einschlagen und sich dem System der Mundart (hier noch Matrixsprache) anpas-sen, d. h. Teile des Wortbestandes der Mundart werden.

Abbildung 6: Prototypisches Schema der Staffelung der „echten Dialektwörter”

Zusammenfassend kann der Begriff des echten Dialektwortes in der Minderheiten-sprache mit Hilfe folgender Kriterien angegeben werden:

(a) das echte Mundartwort ist denotatsbezogen und typisch für die Domänen der (vergangenen) Lebenswelt einer Sprachminderheit,442

442 eigentlich archaisches Wortgut

163 (b) es ist sowohl formal (in seiner Aussprache) als auch in seiner Semantik abwei-chend von der Standardsprache, bereichert auch um einen denotativen oder konnotativen Mehrwert,

(c) es unterliegt spezifischen morphologisch-semantischen Kombinationsregeln, z. B. mit einer Kontaktsprache (Landessprache):

(d) echte Dialektwörter können das volle Spektrum der Wortarten abdecken, sie können sowohl Autosemantika als auch Synsemantika sein,

(e) sie können Einwort- oder Mehrworteinheiten sein,

(f) sie müssen nicht nur indigene Mundartwörter sein, sondern können auch fest auf allen Ebenen integrierte Entlehnungen und auch hybride Formen darstellen, die in der Standardsprache und anderen Varietäten nicht vorkommen, jedoch in der Mundart als Referenz- und Nominationsmittel dienen können.

5.3.2 Kommunikative Formeln und Diskurspartikeln