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Zu den zentralen Forschungsdimensionen der Erforschung deutscher Sprachinseln

V erehrter Jubilar, lie b er H e rr M anherz,

Sie wissen sicherlich nicht, daß Sie derjenige gewesen sind, der als erster mein wissenschaftliches Interesse an den ungarisch-deutschen Sprachinseln und an der Sprachinselforschung überhaupt g e w e c k t hat. B e i u n se re m e r ste n T re ffe n in B u d a p e st, a n d em ich a ls D e k a n d e r N euphilologischen F akultät und offizieller Repräsentant der H eidelberger Partneruniversität d er E LT E anläßlich d es 300jährigen Jubiläum s d er G ründung des G erm anistischen Sem inars teilnehmen durfte, legten Sie persönlich durch einen Vortrag und in einer Reihe von interessanten G esp rä ch en d en G ru n d ste in f ü r m ein In teresse an ungarischen S p ra c h in seln u n d an Sprachinseln im allgem einen. D a ß r m öchte ich m ich bedanken, indem ich Ihnen einige Überlegungen zu den unterschiedlichen Dimensionen d er Erforschung von Sprachinseln und d e r vielfältigen Verknüpfung m it vielen verschiedenen Teilbereichen d er G erm anistischen Linguistik u n d d e r Sprachw issenschaft überhaupt widme.

D as sp ra c h so z io lo g isc h e P h än o m en ‘S p ra c h in se l’ ist w eltw eit in den versch ied en sten K onstellationen in der V ergangenheit und in der G egenw art verbreitet. Im m er dann, wenn irgendw o in der W elt eine K om m unikationsgem einschaft als Sprachm inderheit von ihrem eigentlichen Sprachm utterland geographisch getrennt ist und von einer sprachlich differenten K o n ta k t g e s e lls c h a f t u m s c h lo s s e n b z w . ü b e r d a c h t w ird , s p r e c h e n w ir v o n e in e r Sprachinselkonstellation (M attheier 1994). Von einer Sprachm inderheit unterscheidet sich eine Sprachinsel durch eben die Existenz eines Sprachm utterlandes, durch dessen Einflußnahm e die Sprachinsel zusätzlich geprägt wird. Das gilt für die Hindi sprechenden Siedlungen auf M auritius und Fidji (M oag 1977) ebenso wie für die mittelbairisch sprechenden Sprachinseln im ungarischen B ergland, die das Forschungsgebiet unseres Jubilars sind.

S prachinseln sind je d o c h nicht nur heute in allen W eltregionen verbreitet, und m an hat fast den E indruck, daß viele S prachinseln durch die vielfältigen M igrationsbew egungen und V ertreibungen d erz eit neu im E ntstehen sind. W ir m üssen d am it rechnen, daß auch in früheren Z eiten im m er w ieder überall Sprachinseln von der gerade erw ähnten A rt entstanden sind, von denen die m eisten inzw ischen von um gebenden K ontaktgesellschaften assim iliert w orden sind. D abei hat es - w enn m an die zentralen S prachinselbereiche überblickt - nur vordergründig den A nschein, das Sprachinseln an bestim m te g esellschaftliche S trukturen gebunden sind, etw a an eine eher ländliche P roduktionsw eise. S icherlich sind ländliche R egionen ganz allgem ein nicht den zentralen P rozessen gesellschaftlichen W andeins mit

d er gleichen Inten sität ausgesetzt w ie städtische R egionen. D och zeigen die chinesischen und italienischen S prachinseln in M anhattan, ebenso w ie die tü rkische S prachinsel in B er­

lin-K reuzberg, daß beim V orliegen von ausreichend starken ‘m a in ten an ce-F ak to ren ’ auch städtische S prachinseln über viele G enerationen hinw eg S tabilität aufw eisen können.

U nd auch in d e r V ergangenheit haben die zahlreichen niederdeutschen Sprachinseln, die ü b er Ja h rh u n d e rte den O st- und N o rd seera u m gep räg t haben, e b e n so w ie italien isch e S prachinseln etw a in den süddeutschen H andelsstädten, einen städtischen C harakter.

D ie h ie r e rk e n n b ar w erd en d e w eite V erbreitung des sprach so zio lo g isch en P hänom ens

‘Sprachinsel’ hat nun keinesfalls eine intensive internationale wissenschaftliche Beschäftigung dam it ausgelöst. Sprachinselforschung wird international nicht einm al als ein gesonderter F o r s c h u n g s b e r e ic h a n g e s e h e n . S ie w ird in d e r R e g e l im R a h m e n d e r Sprachm inoritätenforschung mitbehandelt, obgleich Sprachminoritäten sowohl soziolinguistisch als auch linguistisch und dialektologisch unter völlig anderen Rahm enbedingungen stehen.

Das zeigt sich daran, daß Sprachinselvarietäten häufig von den Sprachentw icklungen des M utterlandes beeinflußt w erden, oder daß es sprachenpolitische Einflüsse des M utterlandes, e tw a d u rc h U n te r h a ltu n g e in e s M in d e rh e ite n s c h u ls y s te m s , g ib t. B ei e ig e n tlic h e n Sprachm inoritäten, w ie dem Sorbischen oder dem Bretonischen, sind derartige Einflüsse nicht m öglich, w eil der B ezug zu einem Sprachm utterland fehlt.

E ine spezielle w issenschaftliche B eschäftigung m it dem P hänom en ‘S p ra ch in se l’ gibt es, Reihe von sprachlichen Ä hnlichkeiten zw ischen dem Siebenbürgischen und dem K ölnischen hinw ies, kann m an m it L eib n iz den A usgangspunkt der w issenschaftlichen B eschäftigung m it der S prache von S prachinseln ansetzen. D abei geht es h ier um den ältesten heute noch bestehenden d eutschstäm m igen Sprachinselbereich, das durch den ungarischen K önig G éza der II. (1141-1162) g egründete Siebenbürgen (K lein 1966; S cheiner 1896).

V o n e in e r in te n s iv e n u n d s y s te m a tis c h e n w is s e n s c h a f tlic h e n B e s c h ä f tig u n g m it S prachinselforschung für die verschiedensten B ereiche der G erm anistischen L inguistik und der S prach w issen sch aft generell w ichtige F orschungsergebnisse erbracht hat. Z w ar stieß m an m it d er H eim atb estim m u n g a u f erhebliche m ethodische S chw ierigkeiten, aber im B e r e ic h d e r S o z i o l i n g u i s t i k u n d a u c h d e r K o n ta k t l i n g u i s t i k s o w ie d e r S prachw andelforschung erw eist sich dieser W issenschaftsbereich als ein geradezu ideales

F eldlabor. So hat schon d er ‘V ate r d er S p rachinselforschung’, V iktor S chirm unski, d ara u f verw iesen, daß E ntw icklungen, die im M utterland w egen der stabilen gesellschaftlichen S trukturen Jah rh u n d erte in A nspruch nehm en, in Sprachinseln so schnell ablaufen, daß sie d irekt beobachtbar w erden. So hat er die K oineisierung in den rußlanddeutschen M undarten etw a 150 Jahre nach ih rer G ründung schon beobachten und beschreiben können.

Ich w erd e in d ie s e m B e itra g die re iz v o lle A u fg a b e , ein e G e sc h ic h te d e r d eu tsch e n S p rach in selfo rsch u n g zu skizzieren, beiseite stellen. N icht unter historischer Perspektive w erd e ich d ie b ish e rig e S p ra c h in se lfo rsc h u n g sic h te n und stru k tu rie re n , so n d e rn in system atisierender A bsicht. D adurch sollen in erster Linie jüngeren W issenschaftlern einige K ateg o rien g eliefert w erden, anhand d ere r sie ihr eigenes F o rsc h u n g sin te re sse an der S p rach in selfo rsch u n g positionieren können.

U nterschieden w erden dabei zwei G egenstandsbereiche, die V arietätenlinguistik und die K ontaktlin g u istik , je nachdem , ob die autochthonen S prachverhältnisse innerhalb einer Sprachinselgem einschaft untersucht w erden sollen, oder ob die W echselw irkung zw ischen d e r au to ch th o n en S p rach e und der S prach lich k eit d er allochthonen U m gebungs- bzw.

U berdachungsgesellschaft them atisiert werden soll. Jeder dieser beiden Bereiche kann nun in d er F orschung unter statischem A spekt oder unter dynam ischem A spekt angegangen werden.

S o e r s c h lie ß t e tw a d e r A tla s d e r te x a s d e u ts c h e n M u n d a rte n (G ilb e r t 19 7 2 ) e in e varietätenlinguistische Fragestellung innerhalb der texasdeutschen Sprachinselbereiche unter statischem G esichtspunkt, indem er den gegenw ärtigen Stand des D eutschen fixiert. Die Zurückdrängung der deutschen Varietäten aus einer ursprünglich niederdeutschen Sprachinsel in Iowa, die von Birgit M ertens (1994) untersucht wird, them atisiert den kontaktlinguistischen B ereich, aber unter dynam ischerem A spekt als der derzeit ablaufende Prozeß.

Die beiden genannten Gegenstandsbereiche werden weiterhin unterschieden nach der speziellen Fragestellung, die an die V arietäten- bzw. an die K ontaktlinguistik herangetragen wird. H ier g eh t die F o rsc h u n g e n tw e d e r stru k tu rlin g u istisc h vor, in d em die V a rie tä te n u n d die K ontaktsprache bzw. ihr Einfluß aufeinander (struktur)linguistisch beschrieben wird, oder die Forschungsfragestellung ist sprachsoziologisch ausgerichtet, indem es um die gesellschaftlichen B indungen und F unktionen des V arietätenkontaktes bzw . der W echselw irkung zw ischen Sprachinsel und U m gebungsgesellschaft geht. D rittens stellt auch die Region eine zentrale K ategorie für die Strukturierung der Sprachinselforschung dar, da viele Sprachinseln eine teilweise große räum liche Erstreckung und dialektgeographische Variationen aufweisen, ebenso wie die um gebenden Kontaktvarietäten. M an denke etwa an den pennsylvaniadeutschen Akzent des Englischen im U m feld der Sprachinseln (K opp 1999). A u f eine darüber hinaus m ögliche vierte P erspektivierung der F orschungsansätze der deutschen S prachinselforschung - die E inordnung nach gegenw artsb ezo g en en vs. historischen S prachinseln - w erde ich hier verzichten. Sicherlich ergeben sich bei der Erforschung historischer Sprachinseln teilw eise erhebliche m ethodische Schw ierigkeiten, insbesondere bei der D atenerfassung. M an denke da an niederländische Sprachinseln östlich der Elbe, die im 12./13. Jahrhundert entstanden und heute nur noch an w enigen dialektologischen bzw. nam enkundlichen Besonderheiten erahnbar sind. D och prinzipiell wird man dasselbe theoretisch-m ethodische A nalyseinstrum entarium verw enden, das auch sonst zur V erfügung steht.

W enn w ir diese F aktoren system atisch m iteinander in Beziehung setzen, ergeben sich 12 Forschungsansätze, die sich im m er w ieder in der Forschungsgeschichte und der gegenwärtigen E rforschung von Sprachinseln zeigen. Ich w erde im folgenden diese 12 Forschungsansätze

der Sprachinselforschung kurz skizzieren und veranschaulichen, und dabei zugleich auch die Frage stellen, w ohin der W eg der Sprachinselforschung führen wird. Beginnen w erde ich mit F o rsc h u n g san sätz en , die sich au ssch ließ lich a u f die au to ch th o n en V arie täte n in e in e r Sprachinselkonstellation beziehen. H ier kann einm al die linguistische Struktur der einzelnen Sprachinselvarietäten beschrieben w erden, also die Phonologie, die M orphologie und die Syntax sow ie d er W ortschatz. O bgleich das prinzipiell m öglich w äre, w ird für eine derartige i n n e r l in g u is ti s c h e B e s c h r e ib u n g e in e r S p r a c h in s e lv a r ie tä t so g u t w ie n ie e in strukturlinguistischer A nsatz im strengen Sinne gew ählt (vgl. F erré 1994), w ie das etw a bei w irklichen Sprachm inderheiten m it isolierten Sprachen, wie dem B askischen, sicherlich der Fall ist. D ie B eschreibungen von Sprachinselvarietäten wählen in der R egel, wie auch die D ialektologie, vergleichende A nalyseansätze. D abei kann die V ergleichs Varietät entw eder ausschließlich ordnende Funktion haben, wobei sow ohl der überdachende autochthone S tan­

dard als auch eine historische V orform , etw a das M ittelhochdeutsche, für den V okalism us und das W estgerm anische für den K onsonantism us gew ählt w erden. Es ist aber auch m öglich, daß das B ezugssystem als eine reale oder postulierte historische V orform für die belegten Sprachinseldialektform en angesehen w ird. D ann erhält der F orschungsansatz einen eher dynam ischen C harakter, insofern m it der V arietätenbeschreibung zugleich eine Entw icklung von der V orform zur jetzigen Form angenom m en w ird. So vergleicht etw a D am ke (1997) die ze n tra le n L a u tv e rä n d e ru n g sp ro z e sse in d er von ihm u n te rsu c h te n sü d b ra silia n isc h e n Sprachinsel m it den D ialektverhältnissen im H erkunftsgebiet H unsrück. U nd Schirm unski v e r g le ic h t d ie d e u ts c h s tä m m ig e n N e w a - M u n d a rte n a u f d e r V e r g le ic h s f o lie d e s M ittelhochdeutschen (1926/27).

O bgleich schon in diesem F orschungsansatz w egen des vergleichenden Z ugriffs in gew isser W eise nicht m ehr eine rein statisch beschreibende, sondern eine d ynam ische, eine m ögliche V eränderung w iderspiegelnde E ntw icklung angenom m en w ird, sollte m an den dynam isch beschreibenden F orschungsansatz doch deutlich davon unterscheiden. H ierbei handelt es sic h um s p ra c h lic h e E n tw ic k lu n g e n , d ie sic h au s d em M ite in a n d e r v e rs c h ie d e n e r autochthoner V arietäten in ein er S prachinselgem einschaft herausbilden. W enn, w om it sehr h ä u f ig zu r e c h n e n is t , in d e r A n f a n g s p h a s e e i n e r S p r a c h i n s e l b i l d u n g e in e V arietäten m isch u n g sk o n stellatio n vorliegt, dann hat m an schon früh eine g em einsam e W eiteren tw ick lu n g und einen autochthonen A usgleichsprozeß postuliert. V erschiedene M o d e lle a u fn e h m e n d h a t H u tte re r (1 9 6 3 ) fü r d ie se E n tw ic k lu n g ein M o d e ll e in e s m ehrstufigen A usgleichsprozesses entw orfen, durch den raum übergreifende autochthone A usgleichsvarietäten entstehen. Solche A usgleichsvarietäten sind etw a das M ennonitenplatt, das H unsrückisch in B rasilien, das P ennsylvaniadeutsch und w ohl auch das O stfränkische u n d d ie b e id e n T y p e n d e r b a iris c h e n A u s g le ic h s s p ra c h e in U n g a rn . A u c h d ie s e A usgleichsvarietäten können, ebenso w ie die zw ischen den A usgangsvarietäten und den A usgleichsvarietäten liegenden Zw ischenvarietäten, G egenstand von Sprachbeschreibungen w erden. D aneben m uß je d o c h auch m it eigenständigen, nicht kontakt- sondern allgem ein sprachw andelinduzierten V eränderungen in der S truktur einer S prachinselvarietät gerechnet w erden, etw a m it allgem einen ‘d rift’-Entw icklungen, die neue form ale E igenschaften der A usgleichsvarietäten entstehen lassen (vgl. S alm ons 1994).

F ür die B eschreibung der linguistischen Struktur solcher A bbau- und A usgleichsprozesse hat Schirm unski schon 1930 ein Entw icklungsm odell vorgeschlagen, das in der Folgezeit im m er wieder von der F orschung aufgegriffen worden ist: das M odell der prim ären und sekundären

M erkm ale. D abei geht Schirm unski von der A nnahm e aus, daß in einem D ialektabbaupozeß zuerst die besonders hervorstechenden salienten M erkm ale aufgegeben werden und die weniger hervorstechenden sekundären M erkm ale in den A usgleichssprachen häufig erhalten bleiben.

Zw ar ergab sich schon sehr bald das Problem der eindeutigen Operationalisierung von besonders hervorstechenden vs. w eniger hervorstechenden lautlichen M erkm alen. T rotzdem gelang es S c h ir m u n s k i, m it d ie s e m E n tw ic k lu n g s m o d e ll m in d e s te n s d re i r u ß la n d d e u ts c h e A usgleichsvarietäten in ihren lautlichen Strukturen zu beschreiben: das N eufränkische, das N euhessische und das N euschwäbische, in denen jew eils die im Verhältnis zur Standardsprache w eniger auffälligen M erkm ale der fränkischen, schwäbischen bzw. hessischen D ialekte der Siedler erhalten geblieben sind. A ber auch zw ischen diesen drei A usgleichsvarietäten läßt sich anhand des K onzeptes von prim ären und sekundären M erkm alen eine G ew ichtung feststellen, nach der das N eufränkische häufig die A usgleichsvarietät bildet, die am längsten erhalten bleibt. Alle bisher diskutierten Konzepte der Entw icklungsdynam ik innerhalb der linguistischen S truktur von autochthonen Varietätengefügen basieren in sprachw andeltheoretischer Hinsicht ausschließlich a u f varietätenkontaktinduzierten Prozessen. D ie N euerungen stam m en aus koexistierenden Varietäten.

Soweit die au f die Sprachinsel varietäten bezogenen Forschungsansätze, die unter statischem und dynam ischem G esichtspunkt die jeweilige Varietätenstruktur thematisieren. W enden w ir uns nun der Soziolinguistik des Sprachinselinnenraumes zu und dem Aspekt der Gesellschaftlichkeit der Sprachinsel sow ie der Verbreitung, V erwendung und Bewertung der in ihr vorkommenden autochthonen V arietäten. Im V ordergrund der Forschung sollte hier die B eschreibung des autochthonen Kommunikationsprofils einer Sprachinsel stehen, so wie man es durch systematische Beobachtung oder auch durch Fragebogenbefragung erheben kann (Mirk 1997; G em er 1998).

Häufig wird jedoch diese rein statische Darstellung der soziolinguistischen Verhältnisse vermischt m it dynam ischen A spekten, etw a des Varietätenverlustes oder des Varietätenerhalts und der dabei w irksam en Faktoren. D em gegenüber sollte am Anfang je d er Sprachinselanalyse die Erarbeitung eines detaillierten Kommunikationsprofils stehen, in dem zu drei bzw. vier Bereichen Informationen zusam m engestellt werden sollten: zur Verbreitung der vorhandenen autochthonen Varietäten innerhalb der Sprachinsel, zum Erwerb dieser Varietäten, zu den Gebrauchssphären und Funktionen der einzelnen Varietäten, und schließlich zur offenen und latenten Bewertung.

So ist das ‘K irchenhochdeutsch’ unter den Old Order Amish in Big Valley, Pennsylvania, nur unter den Predigern und sonstigen Amtsträgem verbreitet, die diese Kompetenz auf der Grundlage rudim entärer S chulkenntnisse durch B ibellesen aufbauen. A uch die G ebrauchssphäre des Kirchenhochdeutschen ist sehr eng an den Gottesdienst und das Liedersingen gebunden, seine Bewertung ist jedoch, zum indest im offiziellen Wertbereich, als Sprache der Bibel sehr hoch.

D a die S p ra c h in se lb e w o h n e r in v ielen F ällen je d o c h nich t nu r ü b e r d ie a llo ch th o n e S prachinselvarietäten verfügen, sondern m indestens bilingual sind, w eil sie auch über die a l lo c h th o n e n K o n ta k tv a r ie tä te n v e r fü g e n , is t es s in n v o ll, d ie E r a r b e itu n g e in e s K o m m u n ik a tio n s p ro f ils d e r S p ra c h in s e ls p re c h e r z u g le ic h a u f d ie K o n ta k ts p ra c h e auszuw eiten, die fast im m er in festen S prachw echselbeziehungen zu den autochthonen V arietäten steht. K onstellationen, in denen die K ontaktsprache nicht zum S pektrum der A usdrucksm ittel in ein er S prachinsel gehört, sind heute selten. So geht m an davon aus, daß d ie e in w a n d e r n d e n D e u ts c h e n in U n g a rn , in s b e s o n d e r e in lä n d lic h e n R e g io n e n , v erhältnism äßig lange kein U ngarisch gelernt haben, eine K onstellation, die m an w ohl auch fü r d ie ersten 100 Ja h re d e r S prachinseln in R ußland annehm en kann.

F orschungen zu r S oziolinguistik der E ntw icklungsdynam ik und d er V eränderungsprozesse innerhalb ein er S prachinsel hat m an schon früh m it dem K onzept d er M utter- und der T och tersp rach in seln erfassen w ollen. T ochtersprachinseln sind dabei soziolinguistisch und linguistisch durch M erkm alkonstellationen geprägt, die ihrerseits aus den M uttersprachinseln stam m en und keine direkte V erbindung m ehr zum S prachm utterland haben. Innerhalb der einzelnen S prachinsel, die durch V arietätenm ischung geprägt ist, hat m an in d er F orschung häufig eine E ntw icklung beobachtet, die Schirm unski als K oineisierung b ezeichnet hat. D a eine ü berdachende autochthone S tandardvarietät fehlt, tritt eine der A usgleichsvarietäten der S prachinsel an die S telle der Standardvarietät. D erartige K oineisierungen haben w ir etw a im P lautditsch, dem M e n n onitenplatt vor uns (M oelleken 1987), aber w ohl auch in dem P redigerdeutsch d er H utterer (R ein 1977). B eides sind V arietäten, die innerhalb der jew eiligen Sprachinsel auch Funktionen erfüllen, die sonst einer Standardvarietät zukom m en.

Die dritte D im ension, unter der man in der Forschung die Varietäten einer Sprachinsel betrachtet hat, ist die räum liche A usdehnung der Sprachinsel. D as zentrale Forschungsm ittel hinsichtlich der regionalen A usdehnung einer Sprachinsel ist die Sprachinselkarte bzw. der Sprachinselatlas.

B eispiele dafür sind d er Atlas der texasdeutschen M undarten (Gilbert 1972), der „W ord Atlas o f Pennsylvania G erm an” (Seifert 2001) oder auch der W olgadeutsche Sprachatlas (Berend 1997). S olche A tlanten stehen in d er Regel vor dem P roblem , daß S prachinseln selten geschlossene R äum e bilden, in denen ausschließlich Siedler der autochthonen G ruppe leben.

In Pennsylvania etw a ist die Siedlungsdichte der Pennsylvaniadeutschsprechenden nirgends höher als 25 Prozent, so daß die Pennsylvaniadeutschen in der Regel keine autochthonen, s o n d e rn a llo c h th o n e N a c h b a r n h a b e n . T ro tz d e m z e ig e n a lle S p ra c h a tla n te n v o n Sprachinselregionen, daß die Sprachinselvarietät durchaus regionalspezifische D ifferenzen aufw eisen und innerhalb der Sprachinsel ‘V arietätenräum e’ bilden. So zeigen sich etw a in den K arten des „W ord A tlas o f Pennsylvania G erm an” oft D ialektdifferenzen zw ischen dem P ennsylvaniadeutschen von Lancaster County und Berks County (Seifert 2001: 97).

D ie F o rschungsfrage nach den dynam ischen A spekten der regionalen V erbreitung von S prachinselvarietäten them atisiert einen Bereich, d er seit B eginn d er w issenschaftlichen B eschäftigung m it S prachinseln im m er w ieder im Z entrum des Interesses gestanden hat:

die F rage, ob d urch einen system atischen V ergleich ein er S prachinsel varietät m it ähnlichen V arie täte n im M u tterlan d In fo rm atio n en über die u rsp rü n g lich e H erk u n ft d e r S ied ler gew onnen w erden können. D er siebenbürgisch-sächsische W issenschaftler K isch hat diese T hese 1927 m u stergültig form uliert. E r schreibt:

Ich, der ich siebenbürgische Mundart von (Nieder-)Wallendorf bei Nösen (Niesen) als Muttersprache zu beherrschen glaube, erkläre im Bewußtsein derTragweite dieser Behauptung, daß ich mich heute, nach 800jähiger Trennung meiner Vorfahren von der urheimatlichen Scholle, mit den Bewohnern von Wallendorf (bei lux. Nösen/Niesen) [...] ohne nennenswerte Schwierigkeiten mindestens ebenso leicht verständigen kann, als z.B. mit den ebenfalls rein siebcnbürgsich-sächsisch sprechenden Bewohnern der Gemeinden des Burgenlandes. Das ist doch kein Zufall! (Klein 1966: 4).

D ie se T h e se w ar un d ist au ch h eu te n och fü r d ie S ie d lu n g s g e sc h ic h te , a u f d ie d ie S prachinselbildung zurückgeht und dam it verbunden auch für die ethnische V erankerung d e r S p r a c h in s e ln im M u tte r la n d , v o n B e d e u tu n g . H in z u k o m m t a b e r n o c h ein sp rachhistorisch b edeutsam er A spekt. W enn etw a die R ußlanddeutschen, die seit 1767 aus

d em D e u ts c h e n R e ic h n ac h R u ß lan d e in w a n d e rte n , aus ih rem w e stm itte ld e u tsc h e n H eim atgebiet die P assivbildung m it geben m itbringen, so w eiß der S prachhistoriker, daß diese F orm m indestens seit d er frühen N euzeit in dem R aum heim isch ist. D ialektm erkm ale der S prachinselm undarten geben A uskunft über die C hronologie von sprachhistorischen E n tw ic k lu n g e n im H e rk u n fts la n d . Je d o c h ist d ie T ra g fä h ig k e it d e r T h e se von d e r H eim atb estim m u n g im m er w ieder m it gew ichtigen A rgum enten infrage gestellt w orden.

S o hat V eith gezeigt, daß selbst eindeutig scheinende H erkunftsbestim m ungen, historisch ü berprüft, in die Irre führen (V eith 1969).

W enden w ir uns nun dem zweiten G egenstandsbereich der Sprachinselforschung zu, dem B ereich des K ontaktes zw ischen den autochthonen Varietäten und der um gebenden und/oder überdachenden K ontaktsprache. D ieser B ereich ist in d er a u f den O sten E uropas gerichteten S prachinselforschung lange Zeit nur am Rande behandelt w orden. F ür den rußlanddeutschen R aum finden w ir erst nach der R evolution erste A nsätze zur B eschreibung des E influsses d es d e u tsc h e n W o rtsc h a tz e s d u rch den ‘re v o lu tio n ä re n ’ ru ssisc h en W o rtsc h atz. U nd s y s te m a tis c h w e rd e n d ie lin g u is tis c h e n W e c h s e lw irk u n g e n z w ic h e n R u s s is c h und R ußlan d d eu tsch in R ußland erst nach dem II. W eltkrieg und d er Z eit der W irren in den

W enden w ir uns nun dem zweiten G egenstandsbereich der Sprachinselforschung zu, dem B ereich des K ontaktes zw ischen den autochthonen Varietäten und der um gebenden und/oder überdachenden K ontaktsprache. D ieser B ereich ist in d er a u f den O sten E uropas gerichteten S prachinselforschung lange Zeit nur am Rande behandelt w orden. F ür den rußlanddeutschen R aum finden w ir erst nach der R evolution erste A nsätze zur B eschreibung des E influsses d es d e u tsc h e n W o rtsc h a tz e s d u rch den ‘re v o lu tio n ä re n ’ ru ssisc h en W o rtsc h atz. U nd s y s te m a tis c h w e rd e n d ie lin g u is tis c h e n W e c h s e lw irk u n g e n z w ic h e n R u s s is c h und R ußlan d d eu tsch in R ußland erst nach dem II. W eltkrieg und d er Z eit der W irren in den