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3.2 Textanalyse

3.2.3 Verschiedene Qualitäten des Todes

Wie werden die verschiedenen Qualitäten des Todes, die von der anfänglichen Kriegsbegeisterung geprägte romantisierte Vorstellung und was kurz danach die ersten unmittelbaren realen Begegnungen mit ihm brachten, in den Texten beschrieben? Der Tod und das Sterben werden in den Aufzeichnungen ganz unterschiedlich empfunden und beurteilt. Manchmal sind sie grausam und schrecklich, manchmal tragisch oder auch positiv. In den Zitaten sind diese verschiedenen Qualitäten des Todes jedoch nicht immer so eindeutig voneinander trennbar. Manchmal ist der Tod gerade wegen seiner Grausamkeit tragisch oder deswegen etwas Positives, weil man sich daran bereits gewöhnt hat.165

In den Büchern werden der Tod oder die Toten oft nur ganz kurz erwähnt, ihre Existenz lediglich mit einem einzigen Satz konstatiert. So ist es bei der einfachen Auflistung der Toten und Verwundeten oder wenn der Autor den Fall mit dem Satz erledigt: (…) der Sturmangriff kostete Opfer.166 Die Worte „Tote“ oder „sterben“ werden dabei oft gar nicht verwendet, sondern mit dem Wort „Verlust“ umschrieben: es gab viele Verluste167 oder schwere Verluste.168 Durch diese nur kurze Erwähnung kann der Autor zum Tod eine gewisse Distanz bewahren. Trotz der Umschreibung von Tod und Sterben durch „Verlust“

lässt jedoch das daneben verwendete Attribut – beziehungsweise die darauf folgenden drei

163 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 109.

164 Vgl. Balázs, Lélek S. 74.

165 Wie in der Einführung bereits darauf hingewiesen wurde, sind die verschiedenen Aspekte beziehungsweise die verschiedenen Qualitäten von Sterben, Tod und Trauer oft schwer voneinander zu trennen. Zur Beschreibung des grausamen Todes werden in diesem Kapitel nur einige typische Beispiele genannt, die Grausamkeit des Todes ist aber auch an anderen zitierten Textstellen zu erkennen.

166 Requadt, Lüttich S. 30.

167 Decsey, Krieg S. 142.

168 Requadt, Lüttich S. 23.

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Punkte – auf ihre Tragik schließen: Der Verlust war schmerzlich, sehr, sehr schmerzlich...169

In jedem der hier behandelten Bücher sind auch längere und grausame Beschreibungen des Todes zu lesen. Die Grausamkeit des Todes kommt vor allem in der Begegnung mit furchtbaren Leichen oder auf grausame Weise Sterbenden zum Ausdruck. Tumlirz bezeichnet eine Leiche, die von einer Granate getroffen wurde als schrecklichen formlosen Fleischklumpen:

Sie [eine Granate] traf einen Mann vor die Brust und schleuderte ihn auf 15 m aus der Deckung heraus in die Luft; als blutiger, formloser Fleischklumpen schlug er auf dem Boden hinter der Deckung auf. Ein gr%&liches, grauenvolles Bild, in einer Sekunde geschehen. Aufgepeitscht, zitternd und bebend vor Grausen und Entsetzen dr'ckte ich mich gegen den lehmigen Boden. (…) Und so gr%&lich zu enden- Ich konnte es nicht 'ber mich bringen, noch einmal den Blick nach der formlosen Fleischmasse zu wenden, die vor wenigen Minuten noch ein kr%ftiger junger Mann gewesen.170

Pilisi erzählt über russische Leichen, deren Anblick Furcht in ihm erzeugt. Diese Leichen ähneln nicht mehr Menschen, sie erinnern den Autor eher an Fetzen:

Unter der S%ule liegt sich lang streckend ein russischer Offizier und er hat keinen Kopf. Ein bisschen weiter unten, auf dem Abhang liegen in einem furchtbaren Durcheinander Tote. Lauter Russen. Ich z%hle sie: f'nfzehn. F'nfzehn graue Fetzen, im Ton, zu Tode getrampelt.171

Bei Tumlirz ist die Schilderung der Leichen, die in der starken Sonne schnell verwesen nicht weniger grausam:

Die Gesichter bl%ulich angelaufen, schwarz vom Staub – und das Furchtbarste – die Leiber jener, die ihre Kleider ge$ffnet hatten, unf$rmig aufgedunsen. Sie lagen ja schon den vierten Tag und Tag f'r Tag brannte die gl'hende Septembersonne nieder, den Verwesungsprozess beschleunigend.172

Es ist ebenfalls ein schreckliches Erlebnis für ihn, als er mehrere Stunden unter Toten liegen muss: Entsetzlich, noch acht Stunden lang neben drei Toten liegen zu m'ssen, immer vom Hauch des Todes umweht zu sein, bis ihre K%lte und Starre auch auf den Lebenden 'bergriff (…).173 Es kann auch der Anblick von massenweise umherliegenden Leichen Schrecken und Grauen im Autor erregen:

Da lag ein Toter im Stra&engraben, dort wieder einer und noch einer. (…) Ich z%hlte bis zum 7. Mann. Dann wandte ich mich mit Grauen und Entsetzen ab. (…) Brennend hei& stieg es in mir auf, siedend drang es zum Herzen: Vernichtung und Verw'stung und Verderben 'berall. Tote Menschen, tote Tiere (…).174

169 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 24, 42.

170 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 164.

171 Pilisi, A kárpáti S. 14.

172 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 102.

173 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 169.

174 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 52.

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Es kann nicht nur der Anblick von Leichen sondern auch das Jammern der Sterbenden Grauen erregen.175 Balázs findet die ermordeten Tiere grausamer als die Menschenleichen, ihm tut der Todeskampf der verwundeten Tiere mehr leid, als der der Menschen.176

Für die Schilderungen von Sanitätsleuten ist typisch, dass sie oft sachliche, „fachliche“

Beschreibungen der Sterbenden und Toten geben. In ihren Schilderungen über die Leichen selbst, die zerschmetterten Körper und ihre Glieder spiegelt sich die Grausamkeit des Krieges wider:

Da war ein Soldat, dessen Gesicht verbrannt und zerfetzt war, keinem Menschenangesicht mehr gleich. Die Knochen seiner beiden Beine waren gebrochen, ein Bein hing nur noch durch einen Fetzen Haut mit dem K$rper zusammen. Er bat mit kaum h$rbarer Stimme um einen Revolver, damit er sich erschie&en k$nne. Vier M%nner seiner Batterie waren von derselben Granate getroffen und zerfetzt, dem Offizier war der Kopf abgerissen worden.177

Einige weitere kurze grausame Schilderungen, die von den Sanitätsleuten über Tote verfasst wurden:

Aus dem zerschmetterten Sch%del quillt tr%ge ein wei&er Wurm von Hirnmasse.178 Verst'mmelte Russenkadaver liegen noch vereinzelt hier, oftmals nur Teile von Leichen, einzelne Oberk$rper, F'&e, abgerissene K$pfe.179 Bei zweien von ihnen [zwei Leichen] war der Sch%del zertr'mmert, einem war ein Arm abgerissen.180 Die Toten, wahrscheinlich die ganze Bedienung, lagen unter den Tr'mmern begraben und waren teilweise zu Brei zerquetscht.181

An einer Stelle schreibt Requadt darüber, wie eine Granate eine Truppe zerriss:

In dem zweiten Stockwerk einer Kasematte hatte scheinbar eine Granate eine Truppe sich ausruhender Artilleristen 'berrascht. Zwanzig Mann – ich habe sie gez%hlt – lagen tot umher. Zerrissen und zerfetzt. Bis zur Unkenntlichkeit verst'mmelt und verbrannt. In allen Ecken geschleudert. Dort am Eingang des Raumes lehnte ein Mann der unteren Charge und hielt beide H%nde auf sein zerrissenes Herz gepre&t.

Seine Gesichtsz'ge zeigten noch ein pl$tzliches Entsetzen.182

Über die kurze grausame Begebenheit, dass jemand einen Stiefel findet, ihn aufheben will und es sich schließlich als eine ganze Leiche entpuppt, ist auch zu lesen.183 Für Praclik ist es grausam, als er mit dem Spaten auf eine Leiche stößt: Mit Gewalt treibe ich das Spatenblatt hinunter, um gleich darauf entsetzt zur'ckzuprallen unter der f'rchterlichen Erkenntnis, einen notd'rftig verscharrten menschlichen K$rper durchsto&en zu haben.184

175 Vgl. Praclik, Unter Stahlhelm S. 33.

176 Vgl. Balázs, Lélek S. 85.

183 Vgl. Von Schullern, Erinnerungen S. 20.

184 Praclik, Unter Stahlhelm S. 20.

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Requadt erzählt an einer Stelle lange über auf die himmelschreiendste Weise185 verstümmelte Leichen deutscher Soldaten.186 Requadt ist entsetzt über den Fall und findet kaum Worte:187 Wir standen bei dem, was wir sahen und was ich nicht beschreiben kann, wie erstarrt – von Grauen durchr'ttelt – bet%ubt. Und er könnte noch über viele solche Fälle erzählen, es ist aber überflüssig, denn die Toten sind schon tot: Nur dies eine schreckliche Erlebnis wollte ich niederschreiben. Ich k$nnte noch mehrere erz%hlen. Ich k$nnte B%nde damit f'llen. Doch die Toten sind tot, die M$rder gerichtet.188

Die Grausamkeit des Todes ist auch bei anderen Autoren oft nicht in Worte zu fassen.

Menke findet es unmöglich zu beschreiben, wie grausam die Toten sind, die unter den Trümmern einer Kirche liegen. Dieses ist eines der schrecklichsten seiner Erlebnisse: Die Feder str%ubt sich zu schildern, wie diese armen Menschen zugerichtet waren. Dem einen fehlte ein Arm, dem andern ein Bein, ein dritter war mitten durchgerissen. (…) Selten sind mir auch sp%terhin grauenvollere Bilder vor die Augen getreten.189 Für ihn ist der Tod im Ersten Weltkrieg deshalb grausamer im Vergleich zu den früheren Kriegen, weil es hier keine Vereinbarungen über die Bergung der Leichen gab.190 Diejenigen, die an Gasvergiftung sterben, haben auch ein qualvolles und grausames Ende: Mit blutigem Schaum vor dem Munde und gl'henden Augen wand und w%ltzte er sich auf dem Boden in gr%&lichen Schmerzen.191

Als tragisch erscheint der Tod zum Beispiel in jenem Augenblick, in dem man sich noch mit der letzten Kraft an das Leben klammert. Eine ergreifende und ausdrucksvolle Beschreibung davon findet sich bei Balázs, der darüber erzählt, wie ein Verwundeter im Krankenhaus den Kameraden neben ihm am Leben zu erhalten versucht und am Ende beide sterben. Dieser furchtbarste Kampf macht auf den Autor einen tiefen Eindruck:

Der Sanit%ter Schindel kam jeden Tag zwei Mal zu uns und schaute uns alle an. (…) Er sah es am Gesicht, wer bereits wegzubringen war. Derjenige, dem die Fliegen sich auf die Augen setzten (…) und diese mit Blinzeln nicht mehr wegschaffen kann. Das wussten wir. Mir gegen'ber lag ein Artillerist, der sein Gesicht zwar noch bewegte, die Fliegen aber nicht mehr davon flogen. Sein Nachbar versuchte sie mit dem Arm fortzujagen, von Morgen bis Abend. Dann konnte er seinen Arm nicht mehr heben. Mit

185 Requadt, Lüttich S. 52.

186 Vgl. Requadt, Lüttich S. 50–56.

187 Vgl. Requadt, Lüttich S. 52.

188 Requadt, Lüttich S. 53–54.

189 Menke, Ohne Waffe S. 87.

190 Vgl. Menke, Ohne Waffe S. 152.

191 Menke, Ohne Waffe S. 149.

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hoffnungslosen Augen schaute er zu, wie sich die Fliegen in den feuchten Wimpern des Artilleristen in schwarzen Haufen sammelten. Noch einmal, noch einmal versuchte er seinen Arm, mit furchtbarer M'he zu bewegen. Und der Sanit%ter Schindel kam und die Fliegen sa&en auf den Augen des Artilleristen. Sein Nachbar nahm noch seine letzten Kr%fte zusammen. Dieser war der furchtbarste Kampf, den ich in den f'nf Monaten sah. Der Arm bewegte sich, die Fliegen flogen davon und Schindel ging raus. In der Nacht starben beide und lagen da unter uns bis zum Morgen.192

Tragisch ist der Tod auch wegen des Kummers, den er in den Hinterbliebenen auslöst und der schweren Familienschicksale, zu denen er führt. Bei Braun ist darüber Folgendes zu lesen: Einige meiner besten Leute sind mir in den letzten Tagen totgeschlagen worden.

Dazu die oft herzzerbrechenden Briefe der Angeh$rigen, denen vielleicht der einzige Ern%hrer, Familienvater oder Sohn gefallen ist, da gibt es schlimme Bilder.193 Besonders traurig erscheint der Tod nicht nur wegen der großen Massen der Verstorbenen sondern auch, weil die Soldaten an der Front, weit weg von zu Hause sterben müssen194 und sie deshalb nicht wirklich betrauert und ihre Gräber nicht gepflegt werden können. In diesem Zusammenhang schreibt Tumlirz über den traurigen Allerseelentag im Krieg: So traurig und d'ster war noch kein Allerseelentag wie dieser, da sich in allen Landen frischgeschaufelte Gr%ber wellen, die keine zarte Frauen- und Kinderhand liebevoll und unter schmerzerf'llten Weinen schm'ckt (…).195 Tumlirz beschreibt den Tod selbst als traurig, weil er so viele Menschen mitnehmen muss: Meister Tod hielt reiche Ernte. Ob er wohl triumphierte, ob er nicht selbst traurig auf seinem m'den R$&lein 'ber die Schlachtfelder ritt, traurig, da& er so vielen seine Rechte reichen mu&te, die ihn bisher erst in weiter Ferne erschaut?196

Die Tragik des Todes der einzelnen Menschen begreifen die Soldaten, wenn sie zum Beispiel die Leichen der Gefallenen nicht massenweise sehen, sondern nur eine einzige Leiche irgendwo erblicken:

Ein junges kraftvolles Leben, das im Stra&engraben sein gewaltsames, vorzeitiges Ende fand. Es ergriff mich furchtbar. (…) Nicht allein, da& ein so junges kraftvolles Leben so vorzeitig endete, nein, da& er im Stra&engraben liegen blieb, w%hrend wir an der Leiche vorbeigingen (…).197

Besonders tragisch ist der Tod, wenn er einen Freund oder einen Verwandten betrifft.

Diese gehören nicht der Masse an, sie sind Personen, die man persönlich kennt und liebt.

Balázs schreibt darüber: Wenn ich sie [die Soldaten] doch als Masse sehen k$nnte. Wenn

192 Balázs, Lélek S. 17–18.

193 Braun, Aus nachgelassenen S. 194.

194 Vgl. Von Wyss, Als Arzt S. 81.

195 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 248.

196 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 52–53.

197 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 36–37.

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doch mein Bruder und mein Schwager und viele meiner Bekannten, deren Gesicht und Mimik ich auswendig kenne (…) nicht dabei w%ren.198 Ein anderes Beispiel ist bei Braun zu lesen, der anfangs begeistert für den Krieg war und alles, was ihm passierte, ohne Schwierigkeiten annahm. Mit dem Tod seiner Mutter wird er allerdings ganz verwirrt, und dieser Todesfall scheint sein ganzes Leben verändert zu haben:199

Was ich tun soll, wei& ich nicht. Mein Leben ist ganz verwandelt. Alles zerst$rt und vorbei. Doch bin ich so benommen, da& ich kaum Tr%nen finde. Wie ich aber leide, wei& wohl niemand. (…) Was sp%ter sein wird? Ich wei& es nicht. Es ist alles so leer und schal und nichtig, alles mir so ziellos.200

Was ihm dabei hilft diesen Verlust zu ertragen, ist einzig der Gedanke, dass die Mutter ihr Leben für ihn hingegeben hat, damit er im Krieg nicht stirbt und dass sie ihn von oben weiterhin begleiten würde:

Ihren Willen zu erf'llen, geben mir die G$tter, die mir fast alles nahmen, ein Geschenk: nach dem Kriege zu leben! Weil sie es will, werde ich weiter leben, von oben wird sie auf mich schauen und mich vielleicht manchmal noch leiten. Ohne diesen Glauben ertr'ge ich es nicht.201

Er glaubt daran, dass die Verstorbene ihn mit dem Tod nicht verlassen hat und weiterhin bei ihm bleiben würde. So verliert er auch nicht die Kraft, an das Leben und an die Zukunft zu glauben:

Unverr'ckbarer Glaube, hell und zuversichtlich an das Leben und an die Zukunft h%lt einen hoch. Es hei&t nur, nie und nimmer nach hinten schauen, zur'ckdenken (…).

Auch wenn wir (…) in schwere K%mpfe verwickelt werden, werde ich diesen Glauben nicht verlieren.202

Doch der Zweifel erfasst ihn und so ist es nicht leicht, diesen Glauben zu bewahren. Einen Monat später schreibt Braun, dass er am liebsten sterben würde, er weiß aber, dass sein Vater ihn braucht. Wenn er, seiner Mutter folgend auch sterben würde, könnte das sein Vater nicht ertragen:

Ich sehe die Zukunft so grau, ohne alle Freude, ein Nichts. Manchmal frage ich mich, warum ich nicht falle; es w%re das Beste, doch der Gedanke an Pa h%lt mich. Er ertr'ge das Leben nicht mehr. Und vielleicht tr%gt er es nur, weil er ebenso von mir denkt. Und er hat ja auch recht damit…203

Es ist ebenfalls eine rührende Schilderung des individuellen Todes, wenn Pilisi über zwei Sterbende berichtet. Dadurch, dass er ihre Geschichte aus dem Massensterben auf dem Schlachtfeld herausgreift, erzählt er über ihr persönliches Schicksal und bringt es auch dem

198 Balázs, Lélek S. 29.

199 Er schreibt auch einige Gedichte zum Tod seiner Mutter. Vgl. Braun, Aus nachgelassenen S. 202–204.

200 Braun, Aus nachgelassenen S. 191–192.

201 Braun, Aus nachgelassenen S. 192.

202 Braun, Aus nachgelassenen S. 194.

203 Braun, Aus nachgelassenen S. 197.

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Leser nahe.204 Balázs sieht auch im Massensterben die Tragik des Todes des Einzelnen. Er empfindet es als umso tragischer, weil er im Sterben der Menschen nicht den Tod, sondern gerade das Leben sieht, das sich erfüllt.205 Die Tragik solcher Schicksale ergreift den Autor manchmal so stark, dass er unfähig ist, darüber zu schreiben oder es ihm sehr schwer fällt:

Mein Herz tut so weh, dass ich das alles niederschreiben muss.206 – schreibt Pilisi nach dem Todesfall eines Offiziers.

Der Tod konnte im Krieg auch deshalb tragisch erscheinen, weil die Soldaten nicht immer

„das Glück“ hatten, den Heldentod zu sterben. Ein Beispiel dafür ist, wenn die Soldaten mit einer Handgranate spielen und deshalb sterben207 oder wenn einem der Tod dann trifft, wenn man gerade aus dem Urlaub zurückkehrt208 oder gerade vor dem Urlaub steht.209 Wo Von Wyss über Typhuskranken und ihr Sterben erzählt, kommt ihr tragisches Schicksal im Krieg zum Vorschein, wenn das einzelne Menschenleben seinen Wert verliert:

Das einzelne Menschenleben galt nichts mehr. Und es waren nicht nur stumpfe, freudlose Menschen, die so zugrunde gingen wie verlassene Tiere, sondern auch Menschen, die das Leben vorher geliebt hatten, das ganze menschliche Elend f'hlten, und Kinder, denen das Leben sich noch nicht erschlossen hatte.210

Der Tod wird im Krieg allmählich zur kriegerischen Allt%glichkeit.211 Aufgrund der Gewöhnung an den Krieg und an den Tod wird der Tod allmählich etwas Positives, er wird zum Gesellen, zum Kameraden. So ist bei Pogány zu lesen: (…) der Tod ist nicht der gro&e Unbekannte mehr, sondern ein seltsamer guter Freund;212 bei Decsey: Man hat hier keinen andern Kameraden als den Tod. (…) Ich gehe mit meinem Kameraden weiter 'ber die grauen H'gel (…);213 oder bei Tumlirz: Das Sterben wird zu dem allt%glichsten, uninteressantesten Ereignis, der Tod unser st%ndiger und vertrauter Freund, dessen Anblick nicht mehr Schrecken und Entsetzen hervorzurufen mag;214 beziehungsweise der furchtbare Meister ist ein guter Freund.215

204 Vgl. Pilisi, A kárpáti S. 109–111.

205 Vgl. Balázs, Lélek S. 33.

206 Pilisi, A kárpáti S. 32.

207 Vgl. Von Schullern, Erinnerungen S. 127.

208 Vgl. Von Wyss, Als Arzt S. 53.

209 Vgl. Von Schullern, Erinnerungen S. 174–175; Menke, Ohne Waffe S. 265.

210 Von Wyss, Als Arzt S. 60.

211 Vgl. Andexlinger / Ebner, „Friedlich leuchtet” S. 90.

212 Pogány, A rokitnói S. 120.

213 Decsey, Krieg S. 70–71.

214 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 26.

215 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 26.

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Decsey spricht über das Verlassenheitsgefühl inmitten des Krieges. Er fühlt sich einsam und in dieser Einsamkeit erscheint ihm der Tod allmählich wie etwas Positives. Er begleitet ihn ständig, verlässt ihn nicht, wie viele von den Kameraden. Er ist immer da, er ist ein guter Kamerad. Man hat keine Angst mehr vor ihm: Man hat hier keinen andern Kameraden als den Tod. (…) Man spricht mit ihm und erschrickt nicht mehr.216 Requadt findet, dass in einem solchen Kampfesstrudel den Tod zu finden ist herrlich – (…) der Tod ist herrlich217 – meint er.