• Nem Talált Eredményt

2.2 Schreiben über Sterben, Tod und Trauer

2.2.2 Zwei Autoren – zwei Sichtweisen

Die Bücher von Szabó berichten über Sterben, Tod und Trauer unmittelbar von der Front.

Das Tagebuch von Mierisch gibt dagegen einen Einblick in die Erfahrung mit ihnen aus einer Art von geschlossenerem Milieu, aus dem eines Lazarettes. Bei dem Tagebuch der Krankenschwester stellte sich die Frage, inwieweit es nutzvoll ist, so ein Milieu, das an sich schon mit Sterben und Tod stark verbunden ist, zur Kriegszeit zu untersuchen. Eine Krankenschwester arbeitet auch sonst mit Kranken und Sterbenden und erfährt auch oft die Trauer der Angehörigen. Welche Bedeutung für Sterben, Tod und Trauer hat diese Arbeitssituation im Krieg? Diese Frage aus dem Gesichtspunkt der sterbenden Soldaten zu stellen ist ebenfalls interessant. Wie unterscheidet sich die Art und Weise des Sterbens auf dem Schlachtfeld von der in einem Lazarett?

Ein Vergleich der Bücher von Szabó und Mierisch kann nicht vorgenommen werden, weil sie dazu viel zu unterschiedlich sind, aber gerade wegen dieser großen Unterschiede was die Erfahrungen mit Sterben, Tod und Trauer und deren Betrachtungsweise betrifft, können sie einander gut ergänzen. Im Tagebuch der Krankenschwester kommt solchen Gesichtspunkten eine Hauptrolle zu, die bei dem Soldaten entweder nur in viel geringerem Maß, oder – wegen seiner völlig anderen Perspektive im Krieg – überhaupt nicht vorkommen. Es können ganz unterschiedliche Aspekte bei einer Krankenschwester beobachtet werden, da sie das ganze Geschehen grundsätzlich von der anderen Seite betrachtet hat. Mierisch ist deswegen eine gute Ergänzung zu Szabó, sogar ein Gegenpol zu dessen Betrachtungen, weil sie – dadurch, dass sie über die trauernden Angehörigen sowie über die traurigen Familienschicksale erzählt – einen näheren Einblick in die Gesellschaft geben kann. Außerdem hat sie auch zum Persönlichen, zum Inneren der Menschen, zu ihren Gefühlen einen besseren Zugang als Szabó. Dadurch kann der Blick des Soldaten erweitert werden. Worüber ein Soldat nicht berichten kann, kann eine Krankenschwester, eine Frau viel mehr erzählen. Szabó und Mierisch sind in diesem Sinn

24

Gegenpole. Der Soldat, der das ganze Geschehen aus der Perspektive der auf dem Schlachtfeld einander umbringenden Soldaten sieht, der im Krieg selbst tötet und die Krankenschwester, die gerade aus der Sichtweise derer erzählt, die das Leben der Soldaten zu retten versuchten beziehungsweise den Sterbenden in den letzten Tagen und Stunden beistanden und Trost spendeten.

In seinen Büchern zeichnet Szabó ein Bild darüber, wie die Soldaten Tod und Sterben auf dem Schlachtfeld wahrnahmen, wie sie darauf reagierten und wie sie Trauer ausdrückten.

Weiterhin berichtet er viel über Soldatenfriedhöfe und über die Verzierung der Gräber, wobei deutlich wird, wie wichtig es für die an der Front kämpfenden Soldaten war, die gefallenen Kameraden ehrenvoll zu begraben und diese Stelle, auch wenn der Gefallene unbekannt war, mindestens mit einem Holzkreuz zu markieren. Auch einige Bestattungen werden erwähnt, wobei die Erinnerung an die Gefallenen eine herausragende Rolle spielt.

Die Betonung der Heldenhaftigkeit ist für Szabó sehr wichtig und er widmet beide Bücher den als Helden gefallenen Kameraden.

Dagegen können in den Aufzeichnungen der Krankenschwester ganz andere Aspekte beobachtet werden. Mierisch erzählt darüber, wie die Sterbenden den nahenden Tod erlebten. Sie hatte auch Kontakt zu den Angehörigen der Sterbenden und berichtet deshalb auch viel darüber, wie die Angehörigen den Tod der Soldaten erlebt und zu welchen traurigen Familienschicksalen diese Verluste geführt haben. Sie gibt in den persönlichen Bezug zu Tod und Trauer und über die damit verbundenen Gefühle einen besseren Einblick als ein Soldat auf dem Schlachtfeld. Als Ergänzung zu Szabó können bei ihr folgende Aspekte hervorgehoben werden: die Beeinflussung in der Wahrnehmung und Erzählung durch ihre Arbeitsumstände; Gefühle in der Schilderung von Sterben und Trauer; ihre Auswirkungen sowohl auf Mierisch selbst als auch auf die Kameraden sowie auf Angehörige.

Trotz der unterschiedlichen Perspektiven, aus denen sie Tod und Trauer im Krieg betrachteten, gibt es Aspekte, die sowohl bei Szabó als auch bei Mierisch zu finden sind.

Es ist ebenfalls interessant, wie die gleichen Aspekte, zum Beispiel die Grausamkeit des Sterbens und des Todes bei beiden Autoren auf eine unterschiedliche Weise erscheinen und gedeutet werden. Das Tagebuch von Mierisch, das viel über das – sowohl körperliche als auch seelische – Leiden der Verwundeten und Kranken im „schützenden“ Lazarett beziehungsweise über grausame Operationen schreibt, ist ein gutes Gegenbeispiel zu den

25

Büchern Szabós, wo Grausamkeit zum Beispiel in der Form von auf dem Schlachtfeld verwesenden Leichen erscheint. Neben den Unterschieden können auch gewisse Parallelen in der Wahrnehmung und Schilderung des behandelten Themas bei diesen beiden Autoren gefunden werden. Kleine Blumen kommen bei Mierisch als ein frohes Lebenszeichen im schmerzhaften Leben der kranken Soldaten vor.73 Dieser Gedanke ist ähnlich wie bei Szabó, wo inmitten von Zerstörung und Schrecken des Krieges die Natur etwas Positives ist. Bei Mierisch ist aber diese Gegenüberstellung von Krieg (Tod) und Natur (Leben) nicht so charakteristisch. Bei ihr werden dem tödlichen Krieg die menschliche Güte und Dankbarkeit sowie die kleinen Erfolge in dieser harten Arbeit gegenübergestellt. Die Frage nach dem Sinn des vielen Sterbens und Tötens stellen sich beide Autoren öfter. Außerdem sind nicht nur die kleinen Geschichten, die sie erzählen, Gedenken an die Toten, es ist vielmehr das gesamte Buch, mit dem sie beide den gefallenen Kameraden ein Denkmal setzen möchten.74

Beim Sprachgebrauch weisen Szabó und Mierisch ebenfalls Unterschiede auf. Mierisch schreibt zwar gefühlsreicher als Szabó, sie verwendet aber eine einfachere Sprache, in dem Sinn, dass die Beschreibungen von Sterben und Tod bei ihr nicht so bildhaft sind. Szabó dagegen schmückt die Sprache mehr aus als Mierisch, er schreibt gewählter und benutzt poetischere Ausdrücke: er benutzt mehr Vergleiche und Metaphern für die Darstellung des Todes. Dieser Unterschied ist ein Grund dafür, warum in der vorliegenden Dissertation der Analyse der Sprache selbst bei Szabó ein separates Kapitel gewidmet wird und bei Mierisch nicht.

73 Vgl. Mierisch, Helene: Kamerad Schwester 1914–1918. Leipzig 1934. S. 160.

74 Bei Szabó ist der Aspekt „Selbstmord” nicht analysierbar und „Familienschicksale” nur kurz.

Demgegenüber wird bei Mierisch „Die Zerstörung von Natur, Landschaft und Siedlungen”, „Friedhöfe und Gräber” sowie „Töten” nicht untersucht, weil diese Aspekte für sie nicht typisch sind. Bei ihr sind eher die Menschen selbst wichtig. Auch wenn sie über eine Bestattung erzählt, fokussiert sie auf die Menschen selbst:

ihre Gefühle und ihr Verhalten. Bei ihr wird die „Beschreibung von Sterbenden und Toten” aus dem – oben bereits diskutierten Grund nicht separat behandelt, weil ihre häufigen und zusammengesetzten Schilderungen über Sterbende und Tote aus verschiedenen Gesichtspunkten her gedeutet werden können, diese werden also bei verschiedenen Aspekten behandelt. Auch die „Wahrnehmung von Sterbenden und Toten” ist bei Mierisch kein Aspekt, der besonders wäre. Im Lazarett sind das Jammer der leidenden und sterbenden Patienten oft zu hören und sie sind eventuell auch zu riechen, dazu schreibt sie aber nicht vielsagend.

26

3 Sterben, Tod und Trauer in Selbstzeugnissen von

Soldaten, Sanitätsleuten und Feldgeistlichen (Kurzer

Einblick)