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3.2 Textanalyse

3.2.4 Sinndeutung des Sterbens

Dabei, dass der Tod als positiv bewertet werden konnte, spielte eine wesentliche Rolle, dass das Opfer als heldenhaftes Sterben für das Vaterland, für die glückliche Zukunft der Nation und der Familie angesehen wurde. Mit dieser Vorstellung versuchte man dem massenhaften, sinnlosen Sterben einen Sinn zu geben. Man brauchte die Idee des heldenhaften und somit sinnhaften Sterbens, um es ertragen zu können. Der Krieg fand dadurch den Sinn des Todes und erlöste sogar vom Tod selbst, schreibt Balázs.218 Braun kann, aufgrund der Überzeugung, dass er ein heldenhaftes Opfer für das Vaterland gebracht hat, den Tod seines Freundes ohne Gefühle ertragen:

Ohne eine Miene zu verziehen, habe ich gestern meinen guten Freund Boye zu Grabe getragen (…); ich habe gelernt, auch die unangenehmste Situation hinter mich zu werfen. Ich aber, wir alle, k$nnen dies nur, weil wie ein unersch$pflicher Born von Freude und Kraft und Liebe hinter uns die Heimat liegt…219

Er befindet diesen sogar als schön: Boyes Tod war sehr sch$n.220

Die Kriegserfahrungen der Soldaten mit Sterben und Tod waren also mehr von der Gesellschaft als vom Anblick der Toten selbst beeinflusst.221 Latzel untersucht die Einstellung der Soldaten zum Heldentod und kommt, wie Hüppauf, zum Ergebnis, dass das durch die Kriegspropaganda im Hinterland verbreitete Bild über das heldenhafte Sterben

216 Decsey, Krieg S. 70.

217 Requadt, Lüttich S. 27.

218 Vgl. Balázs, Lélek S. 134.

219 Braun, Aus nachgelassenen S. 189.

220 Braun, Aus nachgelassenen S. 188.

221 Vgl. Hüppauf, Der Tod S. 56.

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und die Erfahrungen der Soldaten an der Front ganz unterschiedlich waren.222 Mit der Heroisierung wurden das Sterben und der Tod der Soldaten für die Heimat – aber auch für die Soldaten selbst – stilisiert und ästhetisiert, mit der Erfahrung an der Front hatte es wenig zu tun.223 Die Hoffnungslosigkeit und die Verzweiflung sowie das erzwungene Beharren auf dieser Idee kommen in den Texten zum Vorschein. So heißt es bei Balázs:

F'r keine einzige Idee d'rfte man sterben. F'r das Leben darf man n%mlich alles opfern au&er Leben, denn das bringt keinem Gewinn.224 In der heftigen Diskussion mit seinem eigenen Gewissen fügt er einige Zeilen später jedoch hinzu: Das zertretene Leben auf ein Blatt zu setzten, das ist das gr$&te Erlebnis. Niemals kann man so sch$n leben, wie sch$n man sterben kann.225 In der Verzweiflung wird oft die Frage nach dem Warum gestellt:

Warum musste dieser arme herzensgute Horv!th Lulu fallen? – fragte ich mit schwerem Herzen.226

Bei Balázs ist der folgende Gedanke zu lesen, in dem der Zweifel am Sinn des Sterbens nicht verschwiegen wird: Der Krieg muss als so gro&artig angesehen werden, dass all die riesen Menge Tod hineinpasst, sonst werden alle verr'ckt von der gro&en Gespensterspuck.227 In der folgenden Überlegung über den Sinn des Sterbens im Krieg verzweifelt er ebenfalls an den Ideen, für die die vielen Millionen Soldaten sterben:

Wenn der Krieg nur in der Gestalt einer gro&en Epidemie erscheinen w'rde (…), damit k$nnte man sich abfinden. (…) Aber der Tod auf dem Schlachtfeld l'gt. Der Tod auf dem Schlachtfeld hat228 einen Sinn und hat ein Ziel. Doch wessen Sinn ist es und wessen Ziel? Der Tod ist die Folge der Epidemie. Wir sterben, weil es m$rderische Krankheiten gibt. Aber mit dem Krieg ist es umgekehrt. Es gibt den Krieg, damit wir f'r etwas sterben k$nnen- Und dennoch, von den Millionen Opfer dieses Krieges, wie viele starben wirklich daf'r, worauf sie ihre Seele und ihr Leben setzten?229

Er betont, dass die vielen Menschen nicht aus eigener Überzeugung in den Krieg ziehen, um dort zu sterben, sondern sie ziehen in den Krieg, weil die Allgemeinheit so tut:

Denn es ist nicht m$glich, vier Millionen Menschen vor dem Tod mit und zu etwas zu zwingen. Und wenn der Mensch doch f'r etwas sterben kann, was ihn pers$nlich nicht betrifft, nur deshalb, weil die Gemeinschaft, die er angeh$rt daf'r in den Krieg zieht (…).230

222 Vgl. Latzel, Vom Sterben S. 60–63, 68.

223 Vgl. Hüppauf, Der Tod S. 66.

224 Balázs, Lélek S. 42.

225 Balázs, Lélek S. 42.

226 Pogány, A rokitnói S. 143.

227 Balázs, Lélek S. 132.

228 Die Wörter, die im Zitat unterstrichen sind, sind im Originaltext kursiv gedruckt.

229 Balázs, Lélek S. 133.

230 Balázs, Lélek S. 68.

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Die traurige Feststellung, dass die vielen Soldaten umsonst sterben, ist auch bei den Sanitätsleuten mehrmals zu lesen: Etwa 10,000 Tote und Verwundete waren dem Feinde geopfert worden f'r nichts.231 (…) wiederum erfolglos viele Menschen geopfert worden waren (…).232 Die russischen Soldaten arbeiteten wie immer mit ihrem Leben, d. h. viele Menschen wurden geopfert.233 Es sind aber auch Beispiele für die tröstende Überzeugung zu lesen, dass die Gefallenen ihr Leben mit Heroismus opferten234 und auch im Sterben ihre Pflicht erfüllt haben.235

Die Kraft für das heroische Sterben konnte aus der Auffassung des Krieges als Verteidigungskrieg beziehungsweise als Kämpfen für die Familie und Heimat geschöpft werden.236 Menke ist der Meinung, dass die einfachen Soldaten, die ihr Leben im Krieg ließen, von jedem, sogar den größten Politikern, Staatsmännern und Heerführern verehrt werden sollten:

Der Soldat wirft sich den pfeifenden Kugeln und Granaten entgegen um seines Lebens willen. (…) Damit soll dem Heldentum jener tapferen M%nner wahrlich kein Abbruch geschehen. (…) Der gl%nzendste Politiker, der genialste Staatsmann, der ber'hmteste Heerf'hrer – sie alle haben sich in Ehrfurcht zu beugen vor dem einfachen Soldaten, der irgendwo an der Front die blo&e Brust dem Tode im Sturme preisgab.237

Wie oben bereits angedeutet wurde, spielten die Feldgeistlichen eine wichtige Rolle beim Legitimieren des Krieges. Das Buch von Menke ist ein gutes Beispiel dafür, denn wann immer darin über Sterben und Tod berichtet wird, wird der Heldentod der Schwerverwundeten und Sterbenden in den Vordergrund gestellt.238 Er betont ständig die Heldenhaftigkeit der Soldaten, zum Beispiel: Ein anderer war tot, ein tapferer Held, der schon zweimal vorher verwundet war.239 Seine Wortwahl unterstützt die Ehrung der Gefallenen. Er nennt die Toten M%rtyrer der Pflicht und ihr Sterben M%rtyrerszenen.240 Bei Kortheuer ist das Ehren der Gefallenen als Helden ebenfalls zu finden: Er starb zwei Stunden nach seiner Einlieferung ins Lazarett den Heldentod.241 Demgegenüber hält Praclik als gläubiger Christ nicht viel vom heldenhaften Sterben für das Vaterland. Er

231 Von Wyss, Als Arzt S. 83.

232 Von Wyss, Als Arzt S. 99.

233 Von Wyss, Als Arzt S. 83.

234 Vgl. Von Wyss, Als Arzt S. 84.

235 Vgl. Requadt, Lüttich S. 29.

236 Vgl. Menke, Ohne Waffe S. 28–29.

237 Menke, Ohne Waffe S. 143–144.

238 Vgl. Krafft-Krivanec, Niedergeschrieben S. 174.

239 Kortheuer, Erlebnisse S. 153.

240 Menke, Ohne Waffe S. 155.

241 Kortheuer, Erlebnisse S. 151.

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bezieht sich auf die Bibel, die sagt, der Tod ist ein Feind und er ist der Meinung, dass das Sterben keine Kleinigkeit242 ist.