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3.2 Textanalyse

3.2.2 In der unmittelbaren Nähe des Todes

Wie im vorigen Kapitel thematisiert wurde, waren die Soldaten im Krieg ständig in der unmittelbaren Nähe des Todes, mit dem sie in den verschiedensten Formen konfrontiert wurden. Todesangst, Todeserwartung und Todessehnsucht waren Bestandteil des Kriegsalltags.145 Unter diesem Aspekt wird untersucht, wie die ständige Nähe des Todes in seiner Vorahnung, im Warten auf ihn sowie in der Todesangst zum Ausdruck kommt. Es ist eine enge Verflechtung von diesen drei Bereichen in den Texten zu erkennen, was eine separate Behandlung erschwert. Außerdem werden diese drei Bereiche in den Büchern der

142 Menke, Ohne Waffe S. 134.

143 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 165.

144 Vgl. Praclik, Unter Stahlhelm S. 60.

145 Vgl. Knoch, Kriegsalltag S. 242.

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drei Autorengruppen nicht detailliert beschrieben, einige interessante Beispiele kommen in den Texten jedoch vor.

Die Vorahnung des Todes ist in den hier behandelten Selbstzeugnissen in abwechslungsreichen Formen zu erkennen. Sie zeigt sich bereits bei der Abschiednahme von den einrückenden Soldaten am Bahnhof: Es gab ein wahres Abschieds-Trauerfest am Bahnhof (…).146 Menke erzählt über einen Soldaten, der am Abend vor einem Angriff stumm und still war, weil er seinen nahenden Tod spürte.147 Das Vorgefühl des Todes entdeckt Von Wyss auf dem Gesicht eines Verwundeten.148

Die Sprache drückt die Vorahnung des Todes ebenfalls gut aus. Wenn über Verwundete erzählt wird, kann darin bereits eine gewisse Vorahnung des Todes erkannt werden. Denn auch die Verwundeten sind oft schon Sterbende, es ist aber typisch, dass die Autoren eher den hoffnungsvolleren Ausdruck „Verwundete“ benutzen und diese Kameraden nur selten als „Sterbende“ bezeichnen. Pilisi nennt die Verwundeten verschönernd und tröstend die Verlobten des Todes,149 Menke schreibt über sie, dass sie dem Tode geweiht150 sind.

Bei den Feldgeistlichen wird die Nähe beziehungsweise die Vorahnung des Todes oft durch irgendwelche religiösen Symbole ausgedrückt. Als das unsichtbare Zeichen des nahenden Todes meint Menke die Kreuze auf der Stirn der Soldaten zu erkennen.151 Die Feldgeistlichen sprechen bei Gottesdiensten schon im Voraus über den zu erwartenden Tod: Wer von uns kann sagen, ob nicht das Ite missa est!152 der heutigen Messe auch das seines Lebens ist? Etwas Sicheres wissen wir nicht, wei& keiner in der Division. Eben darum m'ssen wir uns m%nnlich-entschlossenen Geistes auf alle M$glichkeiten gefa&t machen.153 Für Menke sind die Gottesdienste, die er schnell noch vor einer Schlacht abhält wie ergreifende, unverge&liche Abschiedsfeiern.154 Auch Decsey erscheint der Feldgottesdienst als eine Art Abschiednahme von denen, die bald fallen werden.155 Bei

146 Decsey, Krieg S. 47.

147 Vgl. Menke, Ohne Waffe S. 182.

148 Vgl. Von Wyss, Als Arzt S. 96.

149 Pilisi, A kárpáti S. 92.

150 Vgl. Menke, Ohne Waffe S. 191.

151 Vgl. Menke, Ohne Waffe S. 20.

152 Im Originaltext ist die Schreibweise dieses Ausdruckes anders als die des Textes.

153 Menke, Ohne Waffe S. 126.

154 Menke, Ohne Waffe S. 125.

155 Vgl. Decsey, Krieg S. 139.

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Kortheuer ist zu lesen: Ernste, tiefe Stille herrscht in der Kirche. Jeder f'hlt es: morgen ist mancher nicht mehr da (…).156

Briefe oder Tagebücher können ebenfalls von Todesahnungen erzählen. Bei Von Wyss ist über die Todesahnung der Schwester eines Offiziers zu lesen, wovon sie in einem Brief erzählt, der bei dem toten Offizier gefunden wurde.157 Braun schreibt in seinem letzten Brief kurz vor seinem Tod:

Wie ich schon bei meinem diesmaligen Ins-Feldr'cken das Gef'hl von einem gro&en Wechsel hatte, der mich erwartete, so auch jetzt. Es ist so sch$n: die Zukunft ganz undurchsichtig, und man kann sich allerlei bunte Farben und Zauberlandschaften hineinmalen.158

Diese Gedanken lassen darauf schließen, dass er eine gewisse Todesvorahnung verspürte.

Kortheuer erzählt über einen Gefallenen: Er hatte am Abend vor dem Sturm in sein Tagebuch folgendes eingeschrieben: „Letzter Wille. Im Fall ich sterbe (…)“.159

Das gemeinsame Schicksal, dass die Soldaten an der Front alle dem Tod ausgeliefert waren, schmiedete sie zu einer großen Familie zusammen. Diesen Gedanken drückt ein Gedicht schön aus, das Menke bei einer Bestattung vor der Grabrede zitiert: Tr%gt doch ein jeder Tote des Bruders Angesicht!160 In diesem gemeinsamen Schicksal waren sich die Soldaten darüber im Klaren, dass sie jederzeit sterben können, f'r sie mu& der Tod stets in Rechnung stehen.161 Mit diesem Bewusstsein gehen die Autoren unterschiedlich um. Bei Tumlirz ist zu lesen, wie apathisch sie auf den Tod warten: Endlose Stunden der Todeserwartung. Das war nicht Angst und Schrecken. Stumpf und in den Klauen eines unheimlichen l%hmenden Bannes, regungslos und auch unf%hig, uns zu r'hren, sa&en wir da (…).162

Bei den Soldaten war auch die Todesangst präsent. Sie erschien sowohl als Angst vor dem eigenen Tod als auch als die Angst, einen Kameraden zu verlieren. Die Todesangst bedeutete oft nicht die Angst vor dem Tod selbst, sondern von einer grausamen Form dessen, wie die Autoren einen Kameraden sterben sahen. So schreibt Tumlirz darüber, dass er nicht so sterben will wie einer seiner Kameraden: (…) ich bangte, da& F%hnrich R’s.

Schicksal auch mein Los sein werde und die Angst vor einem solchen kl%glichen Ende, das

156 Kortheuer, Erlebnisse S. 72.

157 Vgl. Von Wyss, Als Arzt S. 81.

158 Braun, Aus nachgelassenen S. 240.

159 Kortheuer, Erlebnisse S. 75.

160 Menke, Ohne Waffe S. 258.

161 Braun, Aus nachgelassenen S. 151.

162 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 165.

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war’s, was mich so furchtbar ergriff und mir das Herz zusammenschn'rte.163 Demgegenüber hilft bei Balázs gerade der Krieg dabei, sich von der Todesangst zu befreien, die ihn in seinem Leben immer schon begleitet hat. Das Loswerden von Todesangst bedeutet für ihn die wirkliche Freiheit. Dies ist aber erst möglich, wenn man unmittelbar vor dem Tod steht.164