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3.2 Textanalyse

3.2.6 Wahrnehmung von Sterben und Tod

Sterbende und Tote können auf unterschiedliche Art und Weise wahrgenommen und beschrieben werden. Ein Unterschied ist zum Beispiel, durch welche

264 Die Beschreibung von toten Tieren erwähnt auch Biwald. Vgl. Biwald, Brigitte: Von Helden und Krüppeln. Das österreichisch-ungarische Militärsanitätswesen im Ersten Weltkrieg. Militärgeschichtliche Dissertationen Bd. 14/2. Wien 2002. S. 335.

265 Von Schullern, Erinnerungen S. 175.

266 Balázs, Lélek S. 85.

267 Kortheuer, Erlebnisse S. 22.

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Wahrnehmungsorgane dies geschieht. Es ist ein interessanter Aspekt von Tod und Sterben, denn in den untersuchten Büchern werden die Sterbenden und die Toten außer durch Sehen auch oft durch das Hören oder Riechen wahrgenommen und geschildert. Mit „Sehen“

beschäftigt sich das folgende Kapitel nicht, weil in den meisten zitierten Textbeispielen die Wahrnehmung durch Sehen im Vordergrund steht. Zum Beispiel: die Toten liegen wie l%ngliche schwarze Punkte268 in der Landschaft. Oder

Ich lie& meine Blicke sch%rfer 'ber das Feld schweifen und bemerkte dann auch mit meinen schwachsehenden Augen, dass 'ber die ganze Sichtfl%che zerstreut Tote und Verwundete lagen, die sich wie kleine schwarze Erdhaufen von der mattgrauen Erdfl%che abhoben und dadurch weithin kenntlich waren.269

Dieses Kapitel konzentriert sich auf „Hören“ und „Riechen“, denn für diese Formen der Wahrnehmung gibt es ebenfalls mehrere interessante Beschreibungen in den untersuchten Büchern. Die Autoren erzählen oft, wie sie die Sterbenden hören: Das Röcheln Sterbender greift die Nerven an.270 Sie hören die letzten verzweifelten Sätze der Sterbenden auch später noch: „(…) Ich will nicht sterben- ich will leben.“271 Die Soldaten auf dem Schlachtfeld sind immer wieder von lauten Sterbenden umgeben: Rechts und links w%ltzten sich schreiend und jammernd Getroffene, st$hnten manche im Todeskampf.272 Als Praclik verwundet wird und in einen Lazarettzug kommt, schreibt er über das hörbare Leiden der Soldaten: Das tausendfache uns%gliche Weh, das bodenlose Grauen des Krieges: Schreien, Wimmern, R$cheln und St$hnen erf'llen die Luft.273 Die letzten hörbaren Kampfzüge eines Sterbenden schildert er detailliert:

Zeitweise st$&t er unartikulierte Laute aus oder auch in einer mir unverst%ndlichen Sprache zusammenh%ngende S%tze, die in langgezogenen schrillen Rufen enden. Dann schl%gt er um sich, will wie auf Kommando aufspringen – f%llt aber wieder zur'ck, w%hrend seine Stimme in weinendem Gefl'ster erstirbt. (…) Jetzt liegt er ganz still, ein tiefer, gurgelnder Laut entringt sich der arbeitenden Brust, geht 'ber in rasselndes, schnarchendes R$cheln – w%re ich doch meilenweit fort –, dann ist’s vorbei.274

Nach einem Angriff schreibt ebenfalls Praclik:

Ein unbeschreiblich gr%&licher Weheruf gellt empor zum Himmel aus diesem Wust verzweifelt um sich schlagender Pferde, die ihre Todesnot hinauswiehern, aus zerstampften und zerschossenen, r$chelnden Menschenleibern, die vergebens sich zu bergen trachten. Es ist eine Symphonie des Wahnsinns, eine Orgie des Grauens.275

268 Requadt, Lüttich S. 62.

269 Requadt, Lüttich S. 61.

270 Vgl. Von Schullern, Erinnerungen S. 165.

271 Von Wyss, Als Arzt S. 79.

272 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 49.

273 Praclik, Unter Stahlhelm S. 33.

274 Praclik, Unter Stahlhelm S. 33–34.

275 Praclik, Unter Stahlhelm S. 72.

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Später ist bei ihm über das, was er von Sterbenden hört folgendes zu lesen: Ein schriller, endloser Todesschrei zerrei&t Luft und Herzen, noch einer – – dann vernimmt das Ohr nur das gierige Lecken der gefr%&igen Flammen und das Knistern des brennenden Waldes.276 Manchmal kann man das Sterben gerade durch die Stille, durch das Verstummen des Sterbenden, wenn das Jammern und Klagen aufhört, wahrnehmen: Der Verwundete wimmerte, st$hnte und jammerte eine Stunde oder noch l%nger. Dann verstummten diese (…) Klagelaute eines qualvoll und langsam Sterbenden.277 Die Wahrnehmung von Sterbenden und Toten durch das Hören kommt in den Büchern der Feldgeistlichen ebenfalls oft vor, vor allem bei Menke,278 zum Beispiel: Ihr [der Verwundeten] Seufzen und Wimmern, St$hnen und R$cheln schnitt tief ins Herz.279 Es ist aber ebenfalls oft zu lesen, dass die Soldaten still und klaglos sterben, was als Zeichen der Heldenhaftigkeit gedeutet wird.280

Die Toten konnte man auf dem Schlachtfeld oft auch riechen. Über einen würgenden Leichengeruch, sowohl von toten Soldaten als auch von toten Tieren ist an mehreren Stellen zu lesen. Der Leichengeruch mischt sich häufig mit Rauch, was die Luft fast unerträglich macht:

Die Pferdekadaver verbreiteten einen ganz abscheu&lichen Geruch, 'berhaupt – in Punkto reiner Luft darf man sich auf dem Schlachtfelde nicht genieren, denn sie ist mit einem derart entsetzlichen Brand-, Blut- und Leichengeruch erf'llt, da& einem stellenweise das Atmen tats%chlich schwer wenn nicht unm$glich wird.281

Die Autoren erwähnen oft Ekel, den sie vor dem Leichengeruch empfanden:

(…) alles liegt voll Leichen, die, meist schon schwarz wie Kohle, in der gl'henden Mittagssonne furchtbar stinken.282 Oder (…) ein w'rgender Ekel stieg in mir auf; denn die Verwesung g%rte in allen diesen Leichen, der stickende Geruch raubte mir fast die Besinnung (…).283 Praclik schreibt: Unertr%glicher Gestank verpestet die Gegend, denn im Niemandsland liegen unbestattet Hunderte von Leichen gefallener Franzosen.

Der Ekel kriecht uns an den Hals, wenn wir Westwind haben.284 Oder er erwähnt den widerw%rtigen Gestank verbrennenden Fleisches.285

Der Geruch von Jodoform und Blut lässt ebenfalls auf Sterbende und Tote schließen.286

276 Praclik, Unter Stahlhelm S. 115.

277 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 163.

278 Vgl. Menke, Ohne Waffe S. 87, 152, 153.

279 Menke, Ohne Waffe S. 155.

280 Vgl. Requadt, Lüttich Vorwort o.S.

281 Requadt, Lüttich S. 82.

282 Braun, Aus nachgelassenen S. 188.

283 Tumlirz, Kriegstagebuche S. 102.

284 Praclik, Unter Stahlhelm S. 20.

285 Praclik, Unter Stahlhelm S. 52.

286 Vgl. Praclik, Unter Stahlhelm S. 30.

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