• Nem Talált Eredményt

5.3 Sterben, Tod und Trauer aus der Sicht einer Krankenschwester

5.4.5 Selbstmord

5.4.5 Selbstmord

Über das Töten selbst ist bei Mierisch nicht viel zu lesen, was wiederum mit ihrer Perspektive als Krankenschwester zusammenhängt. Sie schreibt aber öfters über Selbstmord. Diese sind meistens Situationen, worüber sie erzählen kann, weil sie den Menschen näher kommen konnte. Die Ursache eines Selbstmordes ist meistens, dass ein Mensch die Schrecken und Verluste im Krieg nicht ertragen kann wie zum Beispiel eine Kameradin von ihr: Schwester Lilly (...) ist tot. (...) Der Krieg nahm ihr die Mutter und den Verlobten. Sie trug es still und klaglos. Als man aber ihre Schwesternehre angriff (...), war sie schon zu m'de geworden, um noch daf'r zu k%mpfen. Sie nahm Veronal und schlief ein.1062

1057 Mierisch, Kamerad S. 123.

1058 Vgl. Mierisch, Kamerad S. 148.

1059 Vgl. Mierisch, Kamerad S. 221.

1060 Mierisch, Kamerad S. 221.

1061 Mierisch, Kamerad S. 268.

1062 Mierisch, Kamerad S. 221.

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Einmal erzählt ein Soldat Schwester Elisabeth, wie er sich in eine verheiratete Frau verliebt habe, deren Mann ein russischer Offizier war und in einem Lazarett auf der Krim lag.1063 Die Geschichte ist traurig, denn die Frau starb. Es stellt sich nicht eindeutig heraus, ob es ein Selbstmord oder ein tragischer Unfall war. Der Mann kann nur hoffen, dass es ein Unfall war:

Das Ende der Geschichte ist kurz: Marfa war tot. Die 'blen +fen erfordern oft Opfer.

Eine defekte Klappe war heruntergefallen und die Gase ins Zimmer gestr$mt. Es war bestimmt nur Zufall. Eine Frau ihrer inneren Gr$&e hatte mehr Mut, feige Flucht lag ihr nicht. Das ist mein Trost.1064

Nach dem Anhören dieser Geschichte hat Mierisch Gewissensbisse, einerseits, weil sie dieses Leid aus der Erinnerung des Mannes ausgrub, andererseits, weil sie diese auch noch in ihrem Tagebuch niederschrieb.1065

Die bloße Absicht, freiwillig in den Krieg zu ziehen, kann auch als eine Art Selbstmordabsicht interpretiert werden. Oben wurde bereits angesprochen, dass der aussichtslose Alltag nach Kriegsende oder eine misslungene Ehe1066 ebenfalls die Ursachen für einen Sterbenswunsch sein können und so können sie mit einem Selbstmordgedanken gleichgesetzt werden. Mierisch erzählt von einem Soldaten, dessen Leben wegen einer misslungenen Ehe so unglücklich und ziellos war, dass er erst im Krieg jemand geworden ist und nicht weiß, was er nach dessen Ende anfangen solle, weshalb er lieber sterben möchte:

„Es geht nun wieder an die Front, und ich m$chte sogar, da& er der Abschlu& eines Lebens wird.” Mierisch erschrak über diese Worte und der Mann setzt fort: (...) die Front ist mir eher so etwas wie Heimat, man wurzelt dort langsam ein. (...) Man sagt, ich sei drau&en ein Draufg%nger und das koste noch mein Leben. Mag’s doch- Meine Jungen sollen einmal von ihrem Vater mit Achtung sprechen. Ist mir das gegl'ckt, freue ich mich der Kugel, die mich trifft. (...) Das Leben ging so dahin, schlie&lich versumpft man im Alltag. Jetzt bin ich durch den Krieg herausgegriffen – wieder aufgewacht – ich kann nicht mehr leben in der Misere! (...) Da gibt es keine andere L$sung als eine mitleidige Kugel.1067

Sie erzählt auch von einem Arzt, der als irre eingestuft wurde und mehrmals versucht, Selbstmord zu begehen, einmal mit Schlafmitteln und ein anderes Mal mit einer Pistole.1068 Diese sind Berichte über Selbstmordversuche, Selbstmordabsichten von anderen. Mierisch selbst fällt jedoch der Gedanke, Selbstmord zu begehen, ein. Sie macht sich Gedanken

1063 Vgl. Mierisch, Kamerad S. 195.

1064 Mierisch, Kamerad S. 196.

1065 Vgl. Mierisch, Kamerad S. 197.

1066 Vgl. Mierisch, Kamerad S. 80.

1067 Mierisch, Kamerad S. 105–106.

1068 Vgl. Mierisch, Kamerad S. 209–211.

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darüber, was sie tun würde, wenn sie in eine ähnliche Situation wie einer ihrer Patienten – Genickstarreerkrankung – geriete. Sie schreibt dazu: Ich habe mir so viel Morphium gehamstert, da& es im Fall einer Ansteckung zu einem schnellen Tod reicht.1069 Sie wäre ebenfalls zu Selbstmord bereit, wenn sie vom Feind überfallen würden: Eine gro&e Spritze Morphium liegt aufgezogen f'r den %u&ersten Fall bereit.1070

5.4.6 Bestattung

Die Schilderungen von Bestattungen und Friedhöfen erfolgen bei Mierisch meistens im Rahmen eines Gedankenstromes. Wenn ihr zum Sterben eines Patienten verschiedene Erinnerungen einfallen, erzählt sie manchmal auch über seine Bestattung. Obwohl diese Beschreibungen bei Mierisch kurz sind, sind sie reich an Informationen. Die erste Aufzeichnung über eine Bestattung stammt vom 7. Oktober 1914. Bereits in den ersten Kriegsmonaten fielen viele Soldaten, die oft in Massengräbern beerdigt wurden. Sie wurden zwar in Ehre mit einer Salve verabschiedet, aber die Bestattung war unpersönlich, der Soldat hatte keinen Namen, nur eine Nummer: Lange Reihen Massengr%ber sind bereits zugesch'ttet. Ein offenes nimmt st%ndig weitere Lattens%rge auf. Gerade krachte eine Salve, Nummer 171 wird hinzugelegt.1071

An einer Stelle berichtet Mierisch über eine Beerdigung bei Ansteckungsgefahr. Die Patienten Schwester Elisabeths, die an einer infektiösen Krankheit starben, müssen mit besonderer Vorsicht beigesetzt werden. Mierisch begleitet die verstorbenen Patienten, die unter ihren Händen verstarben, auf ihrem letzten Weg:

Die Beerdigungen „unserer” Leute sind im Anfang, um keinen Schrecken unter die Bev$lkerung zu bringen und Angst vor Ansteckung zu vermeiden, bei Nacht und Nebel, in aller Herrgottsfr'he, erfolgt. Kein einziger Fall von Ansteckung ist in die Bev$lkerung getragen worden und nun gebe ich jedem, der sein letztes St'ndlein in meiner Obhut verbrachte, auch das letzte Geleit. Oft stehe ich mit dem Pfarrer und den Soldaten, welche die Ehrensalve schie&en, allein da, denn kein Saalkamerad darf aus dem Stacheldrahtbereich hinaus.1072

1069 Mierisch, Kamerad S. 109.

1070 Mierisch, Kamerad S. 268.

1071 Mierisch, Kamerad S. 21–22.

1072 Mierisch, Kamerad S. 57.

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Eine andere Passage im Text zeugt davon, dass sie die Seuchenkranken selbst beerdigen müssen:

Wir mussten dort die Toten gleich selbst mit Hilfe eines Roten-Kreuz-Pflegers und eines Russengefangenen, der immer das Massengrab vergr$&erte, begraben. Wir h'llten sie fest in Kreosollaken ein und 'bergaben sie so der Erde. Wie oft sich dieses wiederholte, brauche ich niemanden zu erz%hlen, wir kennen ja alle den rasend schnellen und schrecklichen Ablauf dieser furchtbaren Seuche aus eigenem Erleben.1073

Die Verstorbenen wurden in „glücklichen“ Fällen in ihrer Heimat im Rahmen einer traditionellen Zeremonie beerdigt:

Dr. Koch, drei W%rter und ich waren mit zur Beerdigung, denn er wurde in seine Heimat 'berf'hrt. Alle Dorfbewohner gaben ihm das letzte Geleite. Ein schlichtes reformiertes Kirchlein war bis auf den letzten Platz gef'llt und vor einem einfachen, schwarz gedeckten Tisch (Altar) stand der Sarg. In ergreifenden Worten schilderte der Pastor das Leben dieses einfachen Landmannes, das so anspruchslos und nur Pflicht und G'te gewesen ist. Ich war ganz versunken, dieses Leben und Sterben r'ttelte bis in die Tiefe. Warum mu&te sich dieser wertvolle Mensch anstecken? (…) Am liebsten w%re ich nach der Beerdigung nach Hause gefahren, aber Dr. Koch 'berredete mich, die Einladung zum nachfolgenden Essen nicht abzulehnen. Streng nach alter b%uerlicher Tradition ging es vor sich.1074

Bezüglich einer anderen traditionellen Bestattung schreibt Mierisch:

Heute wurde ein geradezu abgestochener junger Panje1075 beerdigt. Sein alter Vater f'hrte den Leiterwagen mit dem Sarg, die Mutter lief im wei&en Kopftuch neben dem Feldgeistlichen her, und den seltsamen Zug beschlossen vier Soldaten und die Schwester vom Saal.1076

Doch die Familien konnten es sich meistens finanziell nicht leisten, die Leiche des toten Soldaten nach Hause transportieren zu lassen: Wie gern holten wir unsern lieben Alfred heim, es geht aber nicht, wir sind arme Leute, am %rmsten geworden durch den Tod zweier lieber Kinder. M$gen sie sanft in fremder Erde ruhen.1077

Einmal berichtet Mierisch über einen Fall, in dem der Verstorbene ausgegraben und nachher, nachdem seine Frau und seine Mutter angekommen sind, neubeerdigt wird:

Ein Toter wurde ausgegraben. Seine Frau und 82 j%hrige Mutter (...) hatten Zureiseerlaubnis zur Beerdigung erhalten und kamen mit einem Eichensarg an. Der, dem diese Liebe galt, ruhte schon l%ngst in der k'hlen Erde. Aber die Schwestern (...) erreichten, da& die hart betroffenen Angeh$rigen das Erlebnis eines ehrenden Begr%bnisses bekamen.1078

1073 Mierisch, Kamerad S. 201.

1074 Mierisch, Kamerad S. 58.

1075 Russe oder Pole.

1076 Mierisch, Kamerad S. 232.

1077 Mierisch, Kamerad S. 72.

1078 Mierisch, Kamerad S. 197.

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Manchmal erwähnt Mierisch die Beerdigungen nur ganz kurz: Soeben wurden drei Soldaten und ein Panje beerdigt, die an einer Gasvergiftung, durch besch%digten Ofen verursacht, starben.1079 Oder Neun Opfer wurden heute beerdigt.1080