• Nem Talált Eredményt

Salme und Morolf - Protagonisten contre cœur

In document Auf Schmuggelpfaden (Pldal 42-54)

W ie in vielen anderen m ediävistischen B ereichen haben Sie, verehrter Jubilar, b e­

kanntlich auch Ihre bleibenden V erdienste bei der E rforschung sogenannter S p iel­

m annsepik erw o rb en .' D ies läßt m ich die H offnung hegen, es m öge vielleicht auch m ein folgender kleiner Versuch Ihr freundliches Interesse finden. Im übrigen will ich Sie m it m einem leicht enigm atischen B eitragstitel durchaus nicht âne n ô t au f die F o lter spannen und nehm e dessen E rklärung daher gleich vorw eg:

G egen S chluß des vorzustellenden E pos hat die w eibliche H auptfigur Salm e sich frei­

w illig in ein er closen (625) einkerkem lassen, einer streng bew achten Inselfestung, zu der einzig ih r h eidnischer G atte Princian Z utritt hat. Salm e hat sich buchstäblich in Isolation begeben, ist zu ein er A rt w eltlicher Inkluse gew orden, um sich endlich den hartnäckigen N achstellungen ihres W iderparts M o ro lf zu entziehen. D iese N achstel­

lungen sind es freilich gerade, von denen der E pentext hauptsächlich handelt. Salm e ist m ithin Teil einer G eschichte, m it der sie am liebsten nichts w eiter zu schaffen hätte, aus d er sie sich verabschieden will. A uf der ändern Seite besteht M orolfs M is­

sion darin, eben diesen R ückzug Salm es zu vereiteln, was ihm - w ie schon früher - auch diesm al gelingt: E r stöbert Salm e in ihrem goldenen K äfig au f und bringt sie nach Jerusalem an den H o f seines B ruders Salm an zurück. A llerdings hatte M o ro lf schon im voraus geplant, die ihm seit je h e r suspekte, ja verhaßte Schw ägerin an­

schließend um s L eben zu bringen. So geschieht es denn auch, w om it M o ro lf eine lang erduldete L ast von den Schultern fällt und er erleichtert aufatm en kann: so ich arbeit m uste h a n / um b die edele kunigin her. / [ . . . ] ich gethue es nim erm e (780). E ndlich ist die arbeit, diese peinigende M ühsal, die ihm Salm e noch und noch bereitet hatte, voll­

bracht. E ndlich kann sich, nach getaner A rbeit, auch der P rotagonist contre cœ ur M orolf in eine gem ächlichere Statistenrolle zurücklehnen. Endlich treten m it König

' Vgl. besonders V izkelety, AndrAs: Der Budapester Oswald. M it einem Exkurs zur Ikonographie des Hl.

Oswald. - In: Beitrüge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur (Halle) 86 (1964), S. 107-188;

D ers.: Kreuzfahrt - Legende - Brautwerbung. Motive und Strukturschemata in der epischen Dichtung Schlesiens und des östlichen Mitteleuropa. - In: K o sellek , G e rh a rd (Hg.): Die Anfänge des Schrifttums in Oberschlesien bis zum Frühhumanismus. Frankfurt a.M. [u.a.]: Lang, 1997, S. 31-40. Zitiert wird im folgenden nach der Ausgabe von K arnein, A lf r e d (Hg.): Salman und Morolf. Tübingen: Niemeyer, 1979 (= Altdeutsche Textbibliothek, 85), deren Textbearbeitung nicht auf einen Archetypus, sondern „auf die literarische

‘Wirklichkeit’ um 1470“ gerichtet ist (S. XIV).

52 Max Schiendorfcr

Salm an und seiner neuen Gattin A fra zwei andere R ollenträger den H auptpart an - doch da fällt auch schon der Vorhang. Von den neuen Protagonisten erfährt m an lediglich noch, daß sie volle dreiunddreißig Jahre in G lück und Frieden herrschten, ehe beide gottes hulde erfuhren und vom irdischen ins him m lische Jerusalem eingehen durften.

A ber w ar es denn nun w irklich Salm e, die M orolfs a rb eit v ersch u ld et hatte? Sie al­

lein? U nd w ie steht es um M orolfs geliebten B ruder Salm an? O d er w äre vielleicht auch dem E rzäh ler eine A rt Schuld anzukreiden? O der gar den Sachzw ängen der von ihm aufgegriffenen E rzähltradition?

D iesen F ragen m öchte ich im folgenden nachgehen, w obei die Textoberfläche, der narrative H an d lu n g sv erlau f im w esentlichen vorausgesetzt und nur ganz knapp erin­

nert wird. M ein H auptaugenm erk gilt der textsortenim m anenten Tiefenstruktur, d.h.

der G attungszugehörigkeit und den dam it vorgegebenen interpretatorischen Im pli­

kationen. S chließlich w ende ich m ich unter E inbezug dieser Im plikationen einigen m ir w ichtig scheinenden Schlüsselszenen zu.

Zum H andlungsverlauf: K önig Salm an von Jerusalem hat Salm e, die T ochter des indischen K önigs C rispian (nach anderer Lesart: C yprian), entführt und zur Frau genom m en. G ute drei Jahre später entbrennt der H eidenkönig Fore in M inne zu Salm e und beschließt, sie ihrem G atten seinerseits zu rauben. D as Vorhaben gelingt, und zw ar unter aktiver M itw irkung Salm es, die sich tot stellt und so entkom m en kann.

N un soll S alm ans B ruder M o ro lf den A ufenthalt der E ntflohenen erkunden. E r fin ­ det sie an Fores R esidenz und erstattet darüber B ericht. Es kom m t unter B eteiligung Salm ans zum A uszug des C hristenheeres, das nach Ü berw indung m ancher H inder­

nisse Salm e zurückgew innt, w ährend Fore hingerichtet w ird. Fores S chw ester hinge­

gen, die sich Salm an geheim nisvoll verbunden fühlt, reist m it ihm nach Jerusalem und w ird au f den N am en A fra getauft. - W ährend sieben Jahren scheint nun alles gut zu verlaufen, aber dann w iederholt sich der Vorgang: D iesm al läßt Salm e sich, erneut freiw illig, vom H eidenköriig Princian rauben; erneut w ird sie zurückgeholt, doch nur um diesm al, w ie gesehen, den Tod von M orolfs H and zu erleiden.

D ie frühere Forschung zählte Salm an und M o ro lf zur Spielm annsepik, ein er inzw i­

schen längst als problem atisch erkannten, den supponierten A utortypus anpeilenden G attungsbezeichnung. D em gegenüber zielt der heute m eist bevorzugte Term inus B rautw erbungsdichtung au f das dom inante Erzählthem a ab. A uch u nter diesem w eit unverfänglicheren A spekt lassen sich die betroffenen Texte - m it der einen A usnahm e des H erzog E rnst - gut zusam m enfassen: K önig R o th er ebenso w ie die E pen von St.

O sw ald, von O rendel sow ie eben Salm an und M orolf. D arüber hinaus rücken nun noch w eitere W erke ins B lickfeld, etw a das D oppel-H eldenepos von O rtnit und W olfdietrich oder die unter dem Titel D ie H eidin bekannte, sow ohl in M ären- w ie in R om anfassungen tradierte W erkgruppe.

H ervorzuheben ist dabei, daß diesen D ichtungen nicht nur das T hem a gem ein ist, son­

dern daß alle a u f ein er letztlich zugrundeliegenden typischen E rzäh\struktur basieren, die sie freilich in je eig en er und origineller W eise arrangieren, erw eitern, kürzen und variieren.2 D as G rundgerüst schim m ert dennoch im m er erkennbar durch, und auf diese virtuell-abstrakte Basis konnten (und können) die K enner m ittelalterlicher B rau tw erb u n g sd ich tu n g den einzelnen Text, die einzelne S ch em aindividuation beziehen und so das jew eils B esondere daran erkennen. D er A utor w iederum konnte

Salme und Morolf 53 diese E rkenntnisleistung seines P ublikum s durch gezielte V arianten und D eform a­

tionen, ja selbst V erletzungen des G rundschem as in die gew ünschte R ichtung diri­

gieren.3 Es seien nur die w ichtigsten E ckpfeiler dieses Schem as skizziert, zunächst die strukturellen H auptrollenträger W erber, B raut und O pponent:4

1. M ännlicher P rotagonist ist ein C hristenherrscher, und zw ar in aller R egel der über­

haupt oberste M achthaber der Christenheit. E r ist noch unverheiratet und will dies - auf Anraten, zum indest aber m it Akklam ation seines Beraterstabs - baldm öglichst ändern.

2. D as m it besag ter R atsszene indizierte öffentliche Interesse gilt der nachhaltigen H errschaftssicherung über die G eburt eines T hronfolgers. D ie anvisierte V erm ählung erscheint so als prim är staatspolitischer A kt, w om it w iederum die an die B raut ge­

stellten A nsprüche Zusam m enhängen: Sie soll selbstredend das w underschönste und tugendsam ste G esch ö p f a u f E rden sein, gew iß; genauso unabdingbar ist aber, daß sie dem W erber auch rangm äßig ebenbürtig ist. D ieser A nforderung kann aus der christ­

lichen D am enw elt eo ipso niem and genügen, weshalb die Brautsuche über deren G ren­

zen hinausführen m uß. S eit der M itte des 12. Jahrhunderts, seit den ersten K reuz­

zügen, gerät dabei fast durchw egs der heidnische O rient ins B lickfeld.

3. D ie G ew innung der designierten B raut gestaltet sich extrem schw ierig, j a lebens­

gefährlich. D enn auch im O rient ist die E he ein politischer A kt, w enngleich m it etw as veränderten V orzeichen. H inter der B raut steht stets ein fe in d lic h e r M achtvertreter, eine oppositionelle Instanz, welche es zu überw inden gilt. Zum eist ist es der Brautvater, der seine E rb to ch ter niem andem - und schon gar nicht einem C hristen - verheiraten will. D ies signalisiert: E r ist nicht w illens, seine M acht zu teilen, sein Im perium an einen Schw iegersohn od er Enkel abzutreten,5 und w om öglich strebt er gar, w ie etw a Y m elot im K önig R other, explizit die alleinige W eltherrschaft an.

S tru k tu rty p isc h ist des w eiteren die E in fü h ru n g zw eier p arallel v e rlau fen d er A k tio n seb en en :

4. N eben die öffentlich-politische H andlungsschiene tritt die individuelle M innehand­

lung: D er W erber w ird aufgrund der ihm geschilderten Vorzüge seiner E rw ählten von

2 V gl. C u r s c h m a n n , M i c h a e l : Salman und Morolf. - In: Die deutsche Literatur des Mittelalters: Ver­

fasserlexikon. B egr. v. W o l f g a n g S t a m m l e r ; fo rtg ef. v. K a r l L a n g o s c h . 2., v ö llig n e u b e arb . A u fl. u n te r M itarb . z a h lre ic h e r F a c h g e le h r te r hg . v. K u r t R u h z u sa m m e n m it G u n d o l f K e i l [u.a.]. B erlin ; N e w Y ork: de G ru y te r, 1978ff., B d. 8 (1992), S p . 520, d e r vo n e in e m „ g e ra d e z u a u f A u ss c h ö p fu n g a lle r m ö g lic h e n V arian ten a n g e le g te [n ] S p ie l m it d e r S c h e m a tik d e r W e rb u n g “ sp rich t.

’ Nichts anderes ist es, wenn sich die Forschung z.B. an abstrakten Bezugsgrößen wie der Adorationsstruktur der Minnekanzone oder dem ‘doppelten Kursus' der Artusromane zu orientieren pflegt. Auch jene schematischen Hilfskonstrukte dürften in reiner Urgestalt empirisch nur schwer nachweisbar sein; und auch dort sind es gerade die Schema-Varianten, die den spezifischen Reiz und Gehalt eines Einzeltextes erst wirklich sichtbar machen.

* Ausführlicheres dazu vgl. etwa bei Sc h m id-Ca d a lbert, Ch r is t ia n: Der Ortnit AW als Brautwerbungs­

dichtung. Ein Beitrag zum Verständnis mittelhochdeutscher Schemaliteratur. Bern: Francke, 1985 (= Bibliotheca Germanica, 28), S. 79-100.

' Die Markierung dieser Egozentrik des tyrannischen Opponenten wird bisweilen durch das Inzest-Motiv kraß intensiviert: Der feindliche Regent will seine Tochter, sobald sie ein gewisses Mindestalter erreicht hat bzw.

sobald ihre Mutter gestorben ist, selber zur Frau nehmen (so in König Rother und St. Oswald; vgl. auch Apollonius von Tyrus). Daraus resultiert natürlich zugleich ein indiskutabel verwerfliches Charakterbild des Opponenten, und der Brautraub erscheint als Befreiungsaktion aus humanitären Gründen desto legitimer.

54 Max Schicndorfer

F em liebe erfaßt. N eben d er Stim m e der V ernunft soll die E he also durchaus auch m it der S tim m e des H erzens konform gehen. D abei ist jed o ch zu betonen, daß dieser A s­

pekt a u f struktureller E bene nicht etw a ein privates, sentim ental begriffenes L iebes- idyll propagieren w ill; entscheidend ist hier vielm ehr, daß die individuelle Z uneigung der E heleute eine um so stabilere V erbindung garantiert.

5. D er W erber m uß einen W eg finden, die B raut von sich und seinem A nliegen zu über­

zeugen. D ies geschieht in der K em enatenszene, einem G espräch unter vier A ugen, in dessen Verlauf auch die Braut M innegefühle entwickelt. Es folgt ihre E inw illigung in die gem einsam e Flucht sowie in die anschließende Taufe und christliche Vermählung.

6. D ie private M innehandlung kom m t freilich nicht zum definitiven Happy End, solange die B edrohung durch die oppositionelle Instanz nicht ausgeräum t ist. D ies kann auf zweierlei W eise erfolgen: Im glim pflichen Fall gelingt auf diplom atischem W eg eine dauerhafte Versöhnung, ansonsten bleibt einzig die Tötung des K ontrahenten übrig.

7. G enau m it dieser V orbedingung hängt es zusam m en, w enn m anche E pen m it der ersten E ntführung der B raut nicht zu E nde erzählt sind, sondern w enn sich daran - näm lich nach ihrer R ückholung durch den W idersacher - ein zw eiter, analoger H and­

lungsbogen anschließt, der diesm al die vom Schem a geforderte Ü berw indung des O pponenten m itberücksichtigt und dam it die nunm ehr sichergestellte U n anfechtbar­

keit d er christlichen H errschaft m anifestiert.

E ine solche S chem adoppelung liegt auch bei Salm an und M o r o lf vor, nu r ist hier die Sachlage noch etw as kom plexer, indem zugleich eine vom U sus abw eichende E rzähl­

perspektive eingenom m en wird. D ieses Faktum w urde denn auch im m er w ieder eigens betont, so z.B. von W alter J. Schröder:

In aller Brautgewinnungsepik folgt die Umworbene dem Werber, ist sie immer „selber wol­

lend, handelnd, listenreich“. Der Unterschied unseres Denkmals zu den anderen besteht darin, daß der Erzähler hier vom Aspekt des seines Besitzes Beraubten sieht und nicht, wie sonst, vom listigen [...] Entführer her. Damit mußte natürlich der alte echte Sinn des Schemas verlorengehen. Mit den heidnischen Entführern mußte auch Salme eine negative Figur werden.6

U nd diese N egativität Salm es äußert sich, gem äß der com m unis opinio, im zentralen C harakterm anko eines ,,ungetreue[n] W eib[es]“.7 W ie w ird d er von S chröder erw ähn­

te P erspektivenw echsel im Text etabliert? Zu B eginn führt ein k urzer V orspann das Jerusalem er K önigspaar ein und m ündet in die F eststellung, daß Salm an seine G attin bis ins vierte E hejahr ohne irgendw elche B ehelligungen besessen habe. D ies sollte sich nun freilich ändern: D er S chauplatz w echselt m itten in Strophe 21 an den H o f des H eidenkönigs Fore, der eben die ersten V orkehrungen zu ihrer notfalls gew alt­

sam en E roberung trifft. D am it kom m t die E rzählhandlung ins R ollen, die den C hris- tenherm tatsächlich in der Position des beraubten und betrogenen Ehem anns präsentiert.

D ie Er/M M handlung, nicht das ErzähLvc/iema! In der unbem erkten V erm engung bei­

der T extdim ensionen lieg t das fundam entale M ißverständnis Schröders. D ie E ckdaten

6 Sc h r ö d e r, Walter Jo h a n n es: Spielmannsepik. 2. Aufl. Stuttgart: Metzler, 1967 (= Sammlung Metzler, 19), S. 83f.

1 E h r is m a n n , G u s t a v : Geschichte der deutschen Literatur bis zum Ausgang des Mittelalters. (4 Bde.) München:

Beck, 1918-1935, hier Bd. 2 (1922), S. 323f.

Salme und Morolf 55 des in S zene gesetzten Plots sind näm lich keinesw egs zw ingend m it je n e n der gat­

tungstypischen E rzählstruktur identisch. V ielm ehr unterstehen deren O rganisation unter U m ständen auch solche G egebenheiten, w elche außerhalb des H orizonts der E rzählhandlung liegen und die dennoch au f die spezifische E ntw icklung dieser H and­

lung determ inierend einw irken. A usgedeutscht und au f unseren Text hin konkretisiert b edeutet dies: N ich t der H eidenkönig Fore hat das W erbungsschem a lanciert, sondern - bald vier Jah re zuvor - sein christlicher G egenpart Salm an.

Vor dem H intergrund dieser prinzipiellen E insicht gilt es, den Text nochm als von G rund au f neu zu lesen. Sichtet m an die in der E xposition und auch in der E rzäh l­

handlung beiläufig eingestreuten einschlägigen Indizien, so zeigen sich sehr bald w eitreichende K onsequenzen. Von allem A nfang an w ird das W erbungsschem a näm ­ lich in flagranter W eise und gleich in fortgesetztem Tatbestand verletzt. D ie m as­

sivsten dieser bew ußt gesetzten Schem abrüche sind die folgenden:

1. Sc h e m a b r u c h: S alm e ist G attin w ider W illen: E r [sc. Salm an] fu r te sie über den wilden se. / er hatte sie gew alticliche / u f d er guten bürge Jherusale (3). N icht nur nahm S alm an „S alm e gegen den W illen ihres V aters“, w ie es etw a in der Inhaltsbilanz Schröders h eiß t,8 sondern e r hält sie offenbar auch gegen ihren eigenen W illen g ew a l­

ticliche au f seiner B urg fest. O ffensichtlich hatte der B rautw erber die vom Schem a obligat geforderte K onsensfindung in der K em enatenszene schlichtw eg ignoriert.

G anz anders dag eg en sein W iderpart Fore, d er in eben dieser Szene sein er W erbungsfahrt von Salm e vernim m t: ich bin ungern / des konig Salm ons wip (114), eine E röffnung, die Salm e später ihrem G atten auch unverblüm t ins G esicht sagen w ird: d in er m in n e enger ich nit, / kunig Fore ist m ir dristunt a ls liep (413, vgl. auch 419 und selbst noch 577).9

2 . Sc h e m a b r u c h: Salm e erfüllt das K riterium der E benburt nicht: W ährend Salm an als Vogt ü b er alle cristen d ie t herrscht (1) und daher öfters auch K aiser genannt wird, handelt es sich beim B rautvater C rispían offensichtlich um einen zw eitklassigen Potentaten, der zum heidnischen O berkönig Fore in V asallität steht: M ir d ien et din vatter Crispían, /fr a u w e , den w il ic h fr i lan (107). D as A ngebot, C rispian aus dessen A b hängigkeit zu entlassen, erscheint hier in der Funktion eines geschickten und seine W irkung au f Salm e denn auch nicht verfehlenden W erbeargum ents. W eit interessan­

ter scheint m ir der Vorgang aber unter einem anderen A spekt: E rneut in ostentativem G egensatz zu Salm an beseitigt Fore m it diesem ju ristisch en Schachzug den einer H eirat en tgegenstehenden H inderungsgrund der U nebenburt.

3. Sc h e m a b r u c h: D ie oppositionelle Instanz w urde seinerzeit nicht überw unden: Von

Fores V orhaben unterrichtet, ist C rispian der erste, der ihm volle U nterstützung zusi­

chert, denn: he re, es ist m in schone d ochter wolgethan. /S a lm ó n sie m ir sun d er m inen danck nam (32). D e r von den H eidenherrschern geplante Frauenraub erw eist sich als legitim es und schem akonform es R ückgew innungsunternehm en.

‘ S c h r ö d e r : Spielmannsepik, S. 81.

5 A ls w e ite re s , q u a s i o b je k tiv e s S y m p t o m e in e r d u rc h a u s n ic h t id e a le n E h e m ö c h te d e r A u to r w o h l a u c h d ie T a ts a c h e g e d e u t e t s e h e n , d a ß s ie bitz an das vierde ja r (2 1 ) n o c h im m e r k in d e r lo s g e b lie b e n w ar.

56 Max Schiendorfer

U nd zuguterletzt ist gew iß anzunehm en - selbst w enn sich dies im T ext nicht expres- sis verbis äußert - , daß Salm ans einstiger B rautraub ganz auf eigene F aust und ohne A bsprache m it seinen B eratern, allen voran seinem B ruder M orolf, erfolgt war.

D araus resultiert:

4. Sc h e m a b r u c h: N eben der privaten w urde auch die öffentliche K onsensfindung in

der dafür vorgesehenen R atsszene achtlos übergangen: D ies geht aus M orolfs F u n d a­

m entalopposition, seiner von B eginn w eg totalen und kom prom ißlosen A blehnung Salm es w ohl k lar genug hervor. Z udem führt der A utor erneut im V erhalten Fores das untadelige G egenbeispiel vor A ugen (24-39: ausgedehnte R atsszene). A nders als er hatte S alm an die S chem akonstituente d er öffentlich-politischen A ktionsebene von A bis Z vernachlässigt, w om it dem K aiser der C hristenheit eine geradezu sträfliche V erantw ortungslosigkeit an gelastet wird!

S ucht m an nach den U rsachen von Salm ans F ehlverhalten, so führt d er W eg natürlich in der Tat ü b er die F em m e fatale Salm e. D eren fatalste E igenschaft ist aber, denke ich, nicht ihre so oft bem äkelte untruw e gegenüber Salm an. Im G runde genom m en hatte sie ja lediglich das Pech, von ihm in eine nur allzu offenbare M ésalliance gezw ungen zu w erden. Salm es untruw e ebenso w ie schon die erzw ungene M ésalliance sind aber bereits nachgeordnete S ym ptom erscheinungen. D er fatale H erd allen U nheils liegt vielm ehr in Salm es beispiellos verführerischer Schönheit, ihrer einm aligen erotischen A ura, ihrem sinnenberückenden Sex A ppeal, m it dem sie nicht n u r den K önig in ihren Bann schlägt; dessen gesam tem H ofstaat - m it der bezeichnenden A usnahm e M orolfs - ergeht es nicht anders: D a saß so m ancher R itter, d er sin er sinne vil g a r vergaß. [...]

/ sie vergas sen t ir spise in dem m unde / und gafftent die edele kunigin an (16f.).

Salm an selbst ist von ihr derart hingerissen, daß er n it enwuhst, / w as geberden er von fre u d e n so it han ( 18), und nam entlich überm annte ihn eine unbändige V erzückung, da er in d er kam enaten / an iren sne wißen arm en lag (19). U nzw eideutig w ird hier eine körperlich-sinnliche H örigkeit Salm ans diagnostiziert, eine libidinöse M aßlosigkeit (m angelnde tem perantia\), die seine sonst doch so sprichw örtliche W eisheit gänzlich außer K raft gesetzt hat. D azu nur ein B eispiel: Fore, der auch in kriegsrechtlicher H insicht vorbildlich agiert, hatte durch einen B oten die form elle K am pfansage über­

bringen lassen: du so it im geben din schönes wip / oder [...] m it im e vechten einen strit (59). D en in diesem strit G efangengenom m enen übergibt Salm an dann aber ausge­

rechnet der persönlichen O bhut seines schönes w ibesl O b solch beispielloser U nver­

nunft kann auch F ore nur noch ungläubig den K opf schütteln (103):

Du weist, frauwe wol gethan, sie soltent dich bi mir nit han gelan.

du weist, das sie wise sin?

ich gibe dir mine truwe, ich bin noch wiser dan ir dri.

N icht so sehr F ore erscheint hier als G efangener, sondern vielm ehr Salm an - als G efangener seiner M inneobsession. B lind vertraut er seiner G em ahlin, blind sieht er ihr nach, w as im m er sie im zu leide ie g edet (4). D a also Salm ans W eisheit, seine pru-

N icht so sehr F ore erscheint hier als G efangener, sondern vielm ehr Salm an - als G efangener seiner M inneobsession. B lind vertraut er seiner G em ahlin, blind sieht er ihr nach, w as im m er sie im zu leide ie g edet (4). D a also Salm ans W eisheit, seine pru-

In document Auf Schmuggelpfaden (Pldal 42-54)