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Die Praxis der übersetzerischen Explizierung im Puch von menschlicher aigenschafft

In document Auf Schmuggelpfaden (Pldal 170-178)

des Petrus von Ainstetten

C od. germ . 10 der Széchényi-N ationalbibliothek B udapest enthält eine stark erw eiter­

te Ü bersetzung des T raktates D e m iseria hum anae conditionis von P apst Innozenz III.

(1198-1216).' D er V erfasser des 1433 entstandenen Puch von m enschlicher a ig en ­ schafft, Petrus von A instetten, w idm ete sein W erk B arbara von Teuffenbach. Die B earb eitu n g des P etru s ist ein typisches B eispiel der sp ätm ittelalterlich en la ien reli­

giösen L iteratur.2 D ie A dressatin ist näm lich - aller W ahrscheinlichkeit nach — m it B arbara von K erbeckh, d er G attin des 1426 verstorbenen H ans von Teuffenbach iden­

tisch, die nach dem Tode ihres M annes ins K anonissenkloster G öß eintrat.3

In der m ittelalterlichen laienreligiösen Literatur lassen sich - wie bekannt - zwei Ü ber­

setzungstypen unterscheiden: die W ort-für-W ort-Ü bersetzung und die sinngem äße Ü bertragung.4 D as w ichtigste K riterium dieses Ü bersetzungstyps ist der Sinngehalt, w as den Ü b ersetzer berechtigt, von der Vorlage abzuw eichen, sie zu ergänzen od er zu verkürzen. D em L ateinischen eigentüm liche syntaktische K onstruktionen, die genaue N achahm ung d er lateinischen W ortfolge w urden verm ieden, w ir begegnen häufig kleineren A uslassungen und Zusätzen. F ür die E rbauung breiter K reise w ar nur der zw eite Ü bersetzungstyp geeignet.

' Eine umfassende Darstellung des Werks liegt jetzt vor von Lökös, Péter: Petrus von Ainstetten: „das puch von menschlicher aigenschaffi". Einige Bemerkungen zum Werk anläßlich des Editionsvorhabens. - ln: Codices manuscripti 17 (1994), S. 59-66. Vgl. D ers.: Ein unerforschter Textzeuge der Erbauungsliteratur des deutschen Spätmittelalters. Diss., Ms. Budapest, 1996.

- Zur Stellung des Laien im Mittelalter vgl.: S te e r, G eorg: Der Laie als Anreger und Adressat deutscher Prosaliteratur im 14. Jh. - In: H aug, W a lte r; Jackson, Timothy R.; Ja n o ta, Johannes (Hg.): Zur deutschen Literatur und Sprache des 14. Jahrhunderts. Dubliner Colloquium 1981. Heidelberg, 1983, S. 354-367; S teer, G eorg: Zum Begriff 'Laie' in deutscher Dichtung und Prosa des Mittelalters. - In: G renzm ann, L udger;

Stackm ann, K a r l (Hg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit.

Symposion Wolfenbüttel 1981. Stuttgart, 1984, S. 764-768.

’ Zur Identifizierung der Adressatin siehe Lökös: Ein unerforschter Textzeuge, S. 17-22.

4 Zu dieser Frage siehe: Hänsch, Irene: Heinrich Steinhöwels Übersetzungskommentare in „De claris mulieri- bus" und „Äsop". Ein Beitrag zur Geschichte der Übersetzung. Göppingen, 1981; Hohmann, Thomas: „Die recht gelerten maister". Bemerkungen zur Übersetzungsliteratur der Wiener Schule des Spätmittelalters. - In:

Zeman, Herbert (Hg.): Die österreichische Literatur: Ihr Profil von den Anfängen bis ins 18. Jh. (1050-1750), Tl. 1. Graz, 1986, S. 349-365; Reiffenstein, Ingo: Deutsch und Latein im Spätmittelalter. Zur Übersetzungs­

theorie des 14. und 15. Jahrhunderts. - ln: Besch, Werner [u. a.] (Hg.): Festschrift fü r Siegfried Grosse zum 60.

Geburtstag. Göppingen, 1984, S. 195-208; Werbow, Stanley N.: 'Die gemeine Teutsch'. Ausdruck und Begriff.

- In: Zeitschrift fü r deutsche Philologie 82 (1963), S. 44-63.

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B ereits der erste E indruck nach einer L ektüre des deutschen Textes von Petrus läßt verm uten, daß e r sich des zw eiten Ü bersetzungsidiom s bediente. Seine P rosa ist frei von g en au er N achahm ung der lateinischen Syntax und bietet eine gut lesbare deutsche Ü bertragung.5 Im Folgenden w ird ein A spekt der Ü bersetzungstechnik von Petrus untersucht, der in m einer D issertation nur kurz berührt wurde.

F ür diese freiere A rt des Ü bersetzens ist charkteristisch, daß der Ü bersetzer ein E n t­

schlüsseln von Inform ationen durch den R ezipienten nicht duldet.6 Es gilt, zw ischen den A nsprüchen der Vorlage und den V erständnisbedingungen des L esers zu verm it­

teln. A uch Petrus von A instetten bringt dem Verständnis verm ögen seiner A dressatin kein großes Z utrauen entgegen. D ies bew eisen einerseits die zahlreichen - im latei­

nischen Text nur angegebenen - B ibelstellen, die vom Ü bersetzer verdeutlicht und ausgeführt w erden. W o also Innozenz eine Stelle nur andeutet und ihren N achvollzug an den L eser delegiert, füllt Petrus die L eerstelle. A ndererseits, w enn im lateinischen Text biblische E xem pla (oder G estalten aus der antiken M ythologie) Vorkommen, die dem Ü bersetzer überflüssig scheinen oder von denen er annim m t, daß sie die A dressatin nicht kennt, w erden sie ersatzlos getilgt. Es seien hier für beide G ruppen einige B eispiele erw ähnt.

Im 9. K apitel des II. B uches von De m iseria hum anae conditionis (bei Petrus: 8. K ap.) w erden B eispiele gegen die B egehrlichkeit („exem pla contra cu piditatem “) aufge­

zählt. U nter den B eispielen finden w ir die G eschichte von B ileam , A chan und dem von A ussatz befallenen G ehasi:

Balaam asella redarguit, et pedem sedentis attrivit, quia captus cupidine promissorum dis- posuerat maledicere Israeli. Achan populus lapidavit, quia tulit aurum et argentum de anathe- mate Iericho. [...] Giezi lepra perfudit, quia petiit et recepit argentum et vestes sub nomine Elisei.7

Bei Petrus ist der Satz so übertragen:

[34v] Wir lesen am puch der zall,* das ain esellen straffet den Balaam propheten vnd zemi- schet jm einen fueß, da sy mit jm auß dem wegfuer, da sy den engel sach steen mit einem erczogen swert wider den Balaam mitten jn dem weg, darvmb das Balaam der prophet waz petrogen [35r] worden mit geitiger pegier, das er wolt verflucht haben den chinden von Jsrahel, darvmb das jm der chunig vil guetes versprochen het.9 Wir lesen auch jm puch Josue, das der Achyor [!] verstaint ward von allem volckch, darvmb daz er sich geitichait petriegen ließ jnn dem streit vnd nam gold vnd silber von dem verdampfen raubguet vnd gelt von Jericho, das got verpoten het. Er het auch verstolen ainen ratseyden mantel gar einen gueten vnd zwayhundert silbrein phenning, der yeder het ain lot nach der wag vnd die guldein regel, die het auch nach der wag fünffczigk lot. Darvmb gab got einen slag vnder das volckch, das ir meniger hundert erslagen wurden. Da sucht Josue, wer daran schuldig wer. Da ward der benant Achior[\] funden jnn den schulden. Darvmb muest er verstaint

' Zur Übersetzungstechnik des Petrus siehe Lökös: Ein unerforschter Textzeuge, S. 97-113.

6 Vgl. dazu Dic k e, Ge r d: Heinrich Steinhöwels „Esopus" und seine Fortsetzer. Untersuchungen zu einem Bucherfolg der Frühdruckzeit. Tübingen, 1994, S. lOOff.

7 Der Text wird zitiert nach der Ausgabe von Ma c c a r r o n e, Mic h e le(Hg.): Lotharii Cardinalis (Innocentii III)

„De miseria humane conditionis". Lucani, 1955, hier S. 45f.

* Die Ergänzungen des Petrus werden durch Kursivierung hervorgehoben.

5 Vgl. Num 22,16-38.

Die Praxis der übersetzcrischen Explizierung 181 werden.'0[...] Yesy ward pegossen mit awssacz, darvmb das er nam einen mantel von dem Naamon vnd auch silber vnder dem name Elizey des propheten, des chnecht der Jesy was.

Vnd der prophet Elizeus wolt nichtz nemen von dem Naamon, das er jnn jn dem wurchen

Gula paradisum clausit, primogénita vendidit, suspendit pistorem, decollavit Baptistam.

Nabuzardam princeps cocorum templum incendit et Ierusalem totam evertit. Balthasar in convivio manum contra se scribentem aspexit; ‘Mane, Thecel, Phares’, et eadem nocte inter- fectus est a Caldeis. ‘Sedit populus manducare et bibere, et surrexerunt ludere’; sed ‘adhuc erant esce eorum in ore ipsorum et ira Dei ascendit super eos’. ‘Qui vescebantur voluptu-

[49v] Das ist der fraßhait vbell, das vil pöser sach vnd vbel davon chömen ist vnd nach chö- men mag tägleichen. Das erst, das davon chömen ist, das dicz laster hat daz Paradeis verspart vmb ainen aphell, den vnser mueter Eua vnd vnser vater Adam geessen habent, als geschriben stet am puch der gescheph.15 Czu dem ändern mall hat Esaw sein erst geporne ere verlorn (auch am puch der gescheph), das er jn hunger seinen prüder Jacob ze chauf- fen gab die ere seiner ersten gepurd vmb ain linsat müß, darvmb er [50r] mangelen muest des segens seines vaters nach der Schickung gotes.'“ Czu dem dritten mall hat sy erhanngen den peckchen ader den phister pharaonis, des chunigs jn Egippten lannt(auch am puech der gescheph), da wir lesen, daz pharo, der chunig jn Egipto, machet ain groß mall vnd höuell, da gedacht er an den armen gefanngen phister, der muest hanngen.15 Czu dem vierden mall verdienet das volckch von Jsrahel mit fraßhait den zorn gotes, als geschriben stet Exodi von demselben: ‘Das volckch saß vnd ass vnd trannckh vnd stundt darnach auff vnd zu gogel- spil’“ vnd da ‘nach der piessen was jn irem mund, da kam der zorn gotes auff sy.’17 Wir lesen jm puch Danielis des propheten, da Walthasar, der chunig saß ze tisch, da sach er, das die englisch hannt ob dem leuchter wider jn schraib, das sein reich wurd von jm genomenla vnd an der selben nacht ward er erslagen von seinen veinten, dem kaldayschen volckch.19 Wir

ls Er verzichtet auf die Wiedergabe der Wörter „Mane, Thecel, Phares”, von denen er wahrscheinlich annimmt, daß sie die Adressatin nicht kennt.

19 Vgl. Dan 5,25.

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lesen jm ewangelio Mathei vnd Marcy, das Johannes, gotes tawffer an dem höffeln der fraßhait sein haubt verlaß.“

In 11/20 spricht Innozenz über die B eispiele gegen Trunkenheit:

Ebrietas enim verenda Noe nudavit, incestum commisit, filium regis occidit, principem exercitus iugulavit.21

D ie entsprechende Stelle lautet bei Petrus:

[51 v] Trunckenhait hat vil mänige laster pracht, halt an säligen, volchomen vätern vnd pringet auch noch hewt vil vbels vnd lasters an geistleichen vnd weltleichen menschen, edeln vnd vnedelen, mannen, frawen vnd junckchfrawen, wann alles, das der trunckenhait nachvolget, das wirt vermailiget. Des haben wir am anfannckch ain ebenpild am puech der gescheph, am newnten capitel, das der sälig vater Nöe, der volchomen was jn seinen ge­

suchten, da sich der vberweynnet, da verspottet sein sein sun Chom vnd emplosset jm sein schäm, darvmb der Kam jn seinen geslachten verflucht ward11 Das ander ebenpild auch jm piieh der gescheph, an dem heyligen vater Loth: der mocht [52r] nicht überwunden werden vnder den vnkeuscheren wider die natur jn den steten Sodoma vnd Gomorra, die got mit dem fewr vnd swebell verprant vnd Loth durch seiner gerechtichait willen auß der stat vnd gegent ward gefuert von dem engel. Auch darnach ward er trunckchen vnd jn derselb trunckenhait legten sich sein paid töchter zu jm vnd er beslieff sy paid mit vncheusch.23 Das dritt ebenpild lesen wir am dritten puch der chünig, das Absolon, hem Dauidts sun, des heiligen chünigs, peraittet ain höfell mit essen vnd trinckchen vnd pat darczu vndern ändern menschen seinen aigen prüder Amon. Da er vol weins ward, da töttet er den Amon, seinen prüder.24 Das vierd ebenpild lesen wir jm püch Job, das die sün hern Job truncken weines vil jn dem haws ires erstgeporn prüder, das ist des eitern prueder, da cham der wint auß der wuescht vnd warff das haws auffsy, das sy all den tod muesten leiden vnd vervielenA uch lesen wir am puchfraw Judith, das der snöd vngenem först Olifemes truncken ward vnd jm ward jnn der selben nacht sein haubt abgesnyden von der saligen frawen Judith, der er gedacht ze beslaffen

Petrus erzählt also in jed e m Falle ausführlich die ganze G eschichte. (D as „vierd eb en ­ p ild “ finden w ir jed o ch im lateinischen Text nicht.) D urch diese langen E rgänzungen w urde aus einem Satz ein langer A bschnitt.

Ein ähnliches B eispiel finden w ir in 11/32. D ort heißt es:

superbia turrem evertit et linguam confundit, prostravit Goliam et suspendit Aman, inter- fecit Nicanorem et peremit Antiochum, pharaonem submersit et Sennacherib interemit.27 Petrus ergänzt den Satz folgenderm aßen:

[85r] Die hochuart hat den tum zu Babilonia verchert, die hochuart hat die zungen geschen- det, wann siinst war nür ain sprach jnn erde. Also hat die hochuart gemacht mäniger sprach vnd das den menschen ain pesunder slag vnd armut ist.™ Die hochuart hat den hochuartigen

20 Vgl. Mt 14,3-11; Mk 6,21-28.

21 Maccarrone (Hg.): Lotharii Cardinalis .... S. 54.

22 Vgl. Gen 9,20-22.

21 Vgl. Gen 19,32-36.

“ Vgl. 2 Sam 13,28-29.

25 Vgl. Hiob 1,18-19.

“ Vgl. Jdt 13,8.

27 Maccarrone (Hg.): Lotharii Cardinalis .... S. 65.

Die Praxis der übersetzerischen Explizierung 183 Goliam, [85v] den risen gevelt durch den clainen diemuetigen Dauid1', hochuart hat den snöden fürsten Amon erhanngen an ainen strickch durch das sälig diemuetig weib Hester30, hochuart hat den hochuertigen chunig pharaonem ertrennckt vnd all sein herrn mit jm jnn dem raten mer, da er jn vbermut nacheylet den chinden von Jsrahell."

D as S ubjekt („su p erb ia“) w urde im lateinischen Satz nur einm al genannt, im deutschen Satz aber m ußte das Subjekt („hochuart“) w egen der E rgänzungen - w iederum im Interesse der E indeutigkeit - vierm al genannt w erden. H ier w urden je d o ch die w eniger bekannten B eispiele von N ikanor (2 M akk 15,25-30.), A ntiochus (2 M akk 9 ,2 8 -2 9 ) und S anherib (2 K ön 19,35-37), die Petrus nicht im W issensspek­

trum seiner A dressatin verm utet, w eggelassen.

In 11/23 spricht Innozenz über die verschiedenen A rten der A usschw eifung, und zw ar so, daß er w ieder biblische E xem pla aufzählt:

Hec [d.h. luxuria] enim Pentapolim cum adiacenti regione subvertit, Sichern cum populo interemit, Her et Onam filios Iuda percussit, Iudeum et Madianitidem pugione transfodit, tribus Beniamin pro uxore levite delevit, filios Eli sacerdotis in bello prostravit; hec Uriam occidit, Ammon interfecit, presbiteros lapidavit, Rüben maledixit, Samsonem seduxit, Salomonem pervertit.32

D ie Ü bertragung des Petrus lautet:

[63r] [...] die vncheusch wider die natur hat versenckt die stat Penthapolim vnd die ganncz gegent, darvmb von dem ich mer schreiben würde jnn dem xxiiij capitel, ledige vncheusch hat getott Onam, den sun des patriarchen, das ganncz geslächt Benianym ist zestöret wor­

den durch ainer eprechung willen, die süne des priesters Hely ain junckchfrawen peslaffen hieten, darvmb wurden sy erslagen jnn dem streit, das Rubein sein frewndtin peslaffen het, das was sein stewfmueter, darvmb ward er verflucht, Amon von seiner swester wegen getöt- tet von seinem prüder Absolon.

D ie B eispiele von Sichern (G en 34,25), dem Juden und der M idianiterin (G en 25,7), U rija (2 S am 13,28), d en Ä ltesten (D an 13,62), S im son (Ri 14, 1-20) u n d S alo m o (1 K ön 11,1-8) w urden ausgelassen. D iese Stelle ist auch d eshalb in teressan t, w eil die bei In n o zen z n u r an g egebenen B ibelstellen durch den Ü b ersetzer nicht im m er erg än zt w erden.

A ber nicht n u r bei biblischen Z itaten finden w ir solche E rgänzungen. Petrus steht dem L eser auch in der Ü bersetzung von 1/29 erklärend zur Seite. D ieses K apitel ent­

hält eine G eschichte, die Innozenz von Josephus Flavius übernahm . Es handelt sich um eine Frau, die w ährend der röm ischen B elagerung von Jerusalem ihr Kind gegessen hat:

Illud igitur horribile facinus übet inserere, quod Iosephus de ludaica obsidione describit.

Mulier quedam, facultatibus et genere nobilis, cum cetera multitudine que confluxerat Hierosolimis communem cum omnibus obsidionis casum ferebat.”

28 Vgl. Gen 11,7-8.

29 Vgl. 1 Sam 17,49.

30 Vgl. Est 7,10.

31 Vgl. Ex 14,27-28.

32 Maccarrone (Hg.): Lotharii Cardinalis .... S. 56f.

33 Ebd., S. 34.

184 Péter Lőkös

[24v] Hie gevellet mir, das ich diese grawssame tat entzwischen schreib, die vns Josephus schreibt von der stat zw Jerusalem, die da vmbgeben vnd pesessen ward von Tytho vnd Vespesiano. Da was ain fraw jnn der stat zw Jerusalem, die was von geslächt vnd von reich- tumb edell, die led dy besiczung der stat mit sambt all den ändern, die hinczugeflogen warn.

D a in der lateinischen Vorlage nicht angegeben ist, von w em die Stadt belagert w urde, m acht Petrus es explizit.

Ein w eiteres M erkm al der Ü bersetzungstechnik des Petrus ist, daß er Z itate antiker A utoren des öfteren nicht übernim m t, so verzichtet er au f folgende Zitate: 1/16 (H oraz), 1/18 (H oraz), 1/25 (O vid); 11/14 (H oraz), 11/19 (H oraz), 11/26 (O vid), 11/29 (L ucanus, C laudianus); 111/12 (Ovid).

In 11/14 ist folgende H oraz-S telle zu lesen:

‘Tantalus sitit in undis, et avarus eget in opibus.’ Cui tantum est quod habet, quantum est quod non habet, quia nunquam utitur acquisitis, sed semper inhiat aquirendis.“

D er deutsche Text von Petrus:

[38v] Einen yeden geitigen menschen, prelaten, priestern, chünigen fürsten, ritter vnd chnechten, purgern vnd pawrn, den ist gleich als vngenuegsam, das sy habent, als das sy nicht habent. Wann als ich oben geprochen hab an dem fünfften capitell, so newsset der [39r] geytig nymmer des guets, das er nun hat gesambt jnn der schacz, mir des, das jm chünfftigkleich sol zusteen.

D as K apitel beginnt also m it einem H oraz-Z itat, in dem es um den G eizigen geht, und der nächste Satz beginnt m it dem R elativpronom en cui, das sich a u f den G eizigen bezieht. Bei Petrus w ird das H oraz-Z itat nicht übernom m en (er nim m t w ohl an, daß B arbara die G eschichte des Tantalus nicht kennt), deshalb kann er seinen ersten Satz nicht m it einem R elativpronom en beginnen, bei ihm m uß zuerst das S ubjekt genannt w erden: „E inen yeden geitigen m enschen, prelaten, priestern, chünigen, fürsten, ritter vnd chnechten, purgern vnd paw rn.“ D as Subjekt wird aber nicht durch ein einziges Substantiv ausgedrückt, sondern durch neun.

D aß die E xplizierungen oft über das zum N achvollzug erforderliche M aß h inausge­

hen, zeigt sich am folgenden B eispiel. In 11/13 geht es darum , w arum der M ensch den R eichtum verachten soll:

Cur ad congregandum quis instet, cum stare non possit ille qui congregat? Nam ‘quasi flos egreditur et conteritur et fugit velut umbra, et nunquam in eodem statu permanet.’ Cur multa desideret cum pauca sufficiant?”

Bei Petrus heißt es:

[38r] Uarvmb ist etleicher so gar enczig ze sammen das guet der reichtumb, der doch nicht besteen mag jnn die lennge? Der da sammet vnd hawffet das gelt, wann das leben des men­

schen nicht peleiblich ist vnd pald hinflissent, als jch jnn dem ersten capitel geschriben hab.

Auch so spricht der Job: ‘Gleich als die pl[u]e[m]en [38v] get der mensch auß der weit vnd wirt zermischet vnd fleucht gleich als der schatten vnd pleibt nymmer jnn ainem stäten Bei Petrus heißt es:

34 Ebd., S. 49. (Das Horaz-Zitat stammt aus Epist. I, II, 56.) 15 Ebd.

Die Praxis der übersetzerischen Explizierung 185 stannde’34, sunder er ist wanndelwärtig jnn seinem wesen. Warvmb pegert ainer vil vnd doch an wenig genueg hiet?

D iese E rgänzungen können als verzichtbarer Inform ationszuw achs der Ü bertragung gelten.

Ich hoffe, dieses Ü bersetzungsverfahren konnte an den angeführten B eispielen gut exem plifiziert w erden. Z usam m enfassend läßt sich sagen: G em essen an der lateini­

schen V orlage, v erlangt die Ü bersetzung des Petrus von A instetten geringere B ereit­

schaft zum N ach v o llzu g textlicher Präsuppositionen. Im deutschen Text ist m anches in der lateinischen V orlage nur Im plizierte und A ngedeutete explizit gem acht. E r übersetzt m it dem Ziel, dem V erständnis verm ögen seiner A dressatin w enig abzuver­

langen. Insgesam t gesehen ist der Text, der so entsteht, leichter verständlich.

* Job 14,2.

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Ein Tiroler Bauernspottlied aus der Zeit um 1435

In document Auf Schmuggelpfaden (Pldal 170-178)